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VwGH vom 18.01.1996, 93/15/0145

VwGH vom 18.01.1996, 93/15/0145

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der G, nach Beschwerdedarstellung wohnhaft in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 16/17-GA3-H/93, betreffend Ausgleichszahlung und Schulfahrtbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die für ihre ab Herbst 1990 in Wien studierende Tochter Gudrun (geboren am ) in Deutschland Kindergeld bis Februar 1993 bezog, stellte beim Finanzamt hinsichtlich dieses Kindes die Kalenderjahre 1990 und 1991 betreffende Anträge auf Gewährung einer Ausgleichszahlung gemäß § 4 Abs. 2 FLAG 1967 und einer Schulfahrtbeihilfe gemäß § 30a leg. cit. Das Finanzamt wies diese Anträge mit der Begründung ab, der Anspruch setze jeweils voraus, daß die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet gehabt habe; überdies seien bei der Schulfahrtbeihilfe noch weitere Rechtsvoraussetzungen zu erfüllen, auf die einzugehen sich erübrige, weil schon das genannte Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt sei.

Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen; dies im wesentlichen mit der Begründung, die Beschwerdeführerin verfüge in Österreich im Hinblick darauf, daß sie ebenso wie ihr Ehegatte nur fallweise ein oder zwei von insgesamt fünf zeitweise vermieteten Wohnzimmern im zweiten Stock eines Hauses in Stuhlfelden benützen dürfe, wobei "persönliche Gegenstände" "in der Garderobe oder im Bad verwahrt" würden, nicht über einen (von ihrem Ehegatten abgeleiteten) Wohnsitz. Selbst wenn aber ein solcher Wohnsitz in Österreich vorläge, stelle er nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin dar. Dies leitete die belangte Behörde aus folgenden Umständen ab:

Die Beschwerdeführerin habe in Deutschland zwei Wohnungen (in München und in Recke, Westfalen, wo sie auch berufstätig sei) inne. Ihr Ehegatte lebe seit dem Jahre 1972 in Stuhlfelden, und zwar "in einem Gasthaus oder privat, je nachdem, wer gerade ein Zimmer verfügbar habe", sei aber laut Mitteilung der Meldebehörde in München am in die dortige Wohnung der Beschwerdeführerin zugezogen. Die schon erwähnte Tochter der Beschwerdeführerin habe bis zum Beginn ihres Studiums in Wien im Herbst 1990 im Haushalt der Beschwerdeführerin (zuerst in München und dann in Recke) gewohnt. In Österreich besitze die Beschwerdeführerin ein baureifes Grundstück. Hier lebten auch "nahe Verwandte" (gemeint offenbar: der Ehegatte und die Tochter der Beschwerdeführerin).

All diese Umstände rechtfertigten es ebensowenig wie der Wunsch, später einmal nach Österreich zu übersiedeln und vielleicht ein Eigenheim zu errichten, den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführer als in Österreich gelegen anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf weitere Äußerungen der Beschwerdeführerin erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG in der maßgebenden Fassung haben Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Im Beschwerdefall ist zu Recht unbestritten, daß der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren geltend gemachte und von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht als gegeben erachtete Anspruch der Beschwerdeführerin auf Ausgleichszahlung und Schulfahrtbeihilfe für ihre in Wien studierende Tochter unter anderem zur Voraussetzung hat, daß die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hatte (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/13/0165, und das dort zitierte Vorerkenntnis).

Die Beschwerde stellt in sachverhaltsmäßiger Hinsicht klar, daß die Beschwerdeführerin die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland und zufolge Eheschließung (im Jahr 1962) auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Sie legt weiters dar, daß die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte keinen gemeinsamen Haushalt führen, und zwar einerseits wegen der Entfernung von etwa 740 km zwischen München und Recke, wo die Beschwerdeführerin als Gymnasiallehrerin berufstätig ist, und andererseits deswegen, weil der Ehegatte der Beschwerdeführerin "keinerlei innere Beziehung zur BRD hat, solche auch nicht herstellen und dort auch nicht leben will", und weil beide Ehegatten "willens und in der Lage sind, ihre Lebensführung trotz der erschwerenden äußeren Umstände durchaus in einer sonst dem Wesen der Ehe entsprechenden Weise zu gestalten".

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die von ihr in Urlaubszeiten bewohnten Räumlichkeiten in dem schon erwähnten Haus in Stuhlfelden im Streitzeitraum keinen Wohnsitz (ihres Ehegatten und eines davon für sie abgeleiteten) im Sinne der Abgabenvorschriften darstellten. Sie meint weiters, ihre persönlichen Beziehungen zu Österreich seien im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthalt ihres Ehegatten und ihrer Tochter in Österreich und im Hinblick auf einen "nunmehr länger als dreißigjährigen Aufenthalt und Grundbesitz an diesem österreichischen Wohnort, an dem sie bis 1977 fast an jedem Wochenende und auch länger dauernd, danach weniger oft, insgesamt in jahrzehntelanger Regelmäßigkeit anwesend war", stärker als jene zu Deutschland. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland würden durch ihre Einkünfte aus ihrer Berufstätigkeit bestimmt, jene zu Österreich durch ihren Grundbesitz und durch die für ihre Tochter erbrachten und zu erbringenden Unterhaltsleistungen. Pauschal könne gesagt werden, daß die von der Beschwerdeführerin in Deutschland erzielten Einkünfte nach Abzug der eigenen Lebenshaltungskosten nach Österreich flössen und die Beschwerdeführerin wesentliches Vermögen nur in Österreich habe. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin sei daher im Streitzeitraum in Österreich gewesen.

Ob es sich bei den von ihr nur im Urlaub benützten Räumlichkeiten im Haus in Stuhlfelden um einen (von ihrem Ehegatten abgeleiteten) Wohnsitz der Beschwerdeführerin handelt, kann im Hinblick darauf, daß dieser Wohnsitz, wie nachfolgend näher dargestellt werden wird, nicht auch den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Streitzeitraum darstellte, dahingestellt bleiben. Gegen die Annahme eines solchen Wohnsitzes spräche aber schon, daß den beiden Ehegatten in dem in Rede stehenden Haus keine "bestimmten" Räumlichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/13/0015, in dem es heißt, daß es zur Begründung eines Wohnsitzes im Sinne der Abgabenvorschriften nur der tatsächlichen Verfügungsgewalt über BESTIMMTE Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten, bedarf). An dieser Bestimmtheit der Räumlichkeiten scheint es deswegen zu fehlen, weil den beiden Ehegatten im Haus in Stuhlfelden unbestrittenermaßen nicht stets dieselben, sondern im Hinblick auf das zeitweise Vermieten von Zimmern durch den Eigentümer verschiedene, gerade freie Zimmer zur Benutzung zur Verfügung standen. Die Tatsache der zeitweisen Vermietung an Feriengäste an sich wäre allerdings für die Annahme eines Wohnsitzes nicht schädlich, wenn der Ehegatte der Beschwerdeführerin oder diese selbst rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit hätte, nach ihrem Willen die Zeit der Eigennutzung in BESTIMMTEN, für Urlaubszwecke geeigneten Räumen zu bestimmen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 3235/79).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse haben. Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land binden. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Daraus folgt, daß der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt allerdings im Regelfall die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen, voraus. Der Familienwohnsitz ist also nur bei gemeinsamer Haushaltsführung von ausschlaggebender Bedeutung, nicht bei getrennten Haushalten. Bei von der Familie getrennter Haushaltsführung kommt es auf die Umstände der Lebensführung, wie etwa eine eigene Wohnung, einen selbständigen Haushalt, gesellschaftliche Bindungen, aber auch auf den Pflichtenkreis einer Person und hier insbesondere auf ihre objektive und subjektive Beziehung zu diesem an. Die auf die Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten sind ein bedeutsames quantitatives Kriterium dafür, wo der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer Person besteht (siehe hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/16/0032, mwN).

Auf dem Boden dieser Rechtsprechung kann dem angefochtenen Bescheid nicht als Rechtswidrigkeit angelastet werden, daß für den Streitzeitraum von einem nicht in Österreich gelegenen Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin ausgegangen wurde. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegte Würdigung der Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin - hervorzuheben sind deren Bindungen zu Deutschland durch ihre getrennt von ihrer Familie dort ausgeübte Berufstätigkeit mit der dafür erforderlichen langen Aufenthaltsdauer sowie durch die Innehabung von zwei Wohnungen, zu Österreich durch bloße Urlaubsaufenthalte, den vom behaupteten Wohnsitz entfernten Studienaufenthalt ihrer Tochter in Wien und den behaupteten gewöhnlichen Aufenthalt ihres auch in Deutschland wohnhaften Ehegatten sowie durch das Eigentum an einem baureifen Grundstück -, nach ihrem Gesamtbild (vgl. hiezu Beiser, ÖStZ 1989, S. 241f) mit dem Ergebnis, die Beschwerdeführerin habe im Streitzeitraum die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland gehabt, sodaß sich dort der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befunden habe, ist zutreffend.

Da auch kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, mußte die Beschwerde somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte im Hinblick darauf, daß die im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsfragen durch die Vorjudikatur klargestellt sind, gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.