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VwGH vom 28.09.1998, 98/16/0142

VwGH vom 28.09.1998, 98/16/0142

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der R in L, vertreten durch Haslinger, Nagele & Partner, Rechtsanwälte in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. ZRV 23/1-6/97, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wie einem in den Verwaltungsakten befindlichen Aktenvermerk vom entnommen werden kann, wurden vom Hauptzollamt Klagenfurt als Finanzstrafbehörde erster Instanz Ermittlungen betreffend den Erwerb von Goldschmuck von Adnan Atar in Kemer, Türkei, durch im Inland ansässige Personen und anschließende Einfuhr der Schmuckwaren ohne Durchführung eines Zollverfahrens geführt.

In einer am Organwaltern des Hauptzollamtes Klagenfurt persönlich anläßlich der in Linz vorgenommenen Vernehmung des Ehegatten der Beschwerdeführerin überreichten "Sachverhaltsdarstellung" vom wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im Sommer des Jahres 1995 in Kemer, Türkei, ein Weißgoldcollier mit kleinen Brillanten um einen Kaufpreis von S 30.000,-- erworben. Bei der Einreise nach Österreich habe die Beschwerdeführerin diesen Schmuck nicht gestellt. Dieser Sachverhalt werde nunmehr im Sinne des § 29 FinStrG offengelegt.

Karl W., der Ehemann der Beschwerdeführerin, gab am bei seiner Vernehmung als Verdächtiger an, er habe weder mit dem Ankauf noch mit der Verbringung des Goldschmucks etwas zu tun. Er habe am einen Anruf von Gruppeninspektor T. (vom Hauptzollamt Klagenfurt) erhalten. Es sei der Termin für die Vernehmung vereinbart worden. Es sei dem Verdächtigen sinngemäß mitgeteilt worden, es gehe um zwei Türken, welche beim Schmuggel von Gold betreten worden seien. Bei diesen Türken sei die Visitenkarte des Verdächtigen vorgefunden worden. Da der Verdächtige mit dem Ankauf nichts zu tun gehabt habe, jedoch mit seiner Frau im Jahre 1995 einen Urlaub in Kemer verbracht habe, habe er seine Frau dazu befragt, worauf diese ihm den in der Sachverhaltsdarstellung angeführten Sachverhalt mitgeteilt habe. Die Bezahlung des Schmuckstücks durch seine Ehefrau sei, wie ihm diese mitgeteilt habe, mit einem Scheck, der mit ihrem Gehaltskonto abgerechnet worden sei, erfolgt. Weiters gab der Verdächtige an, anläßlich des Urlaubes in der Türkei hätten er und seine Frau ein Schmuckgeschäft in Kemer besucht. Der Verkäufer habe sehr gut Deutsch gesprochen. Dieser habe ihm mitgeteilt, daß er in Wien eine Verkaufsausstellung abhalten werde. Der Verdächtige habe die Absicht gehabt, bei dieser Ausstellung diverse Schmuckstücke anzusehen. Zu diesem Zweck habe er dem Türken seine Visitenkarte gegeben. Der Verdächtige und seine Frau hätten auch das nunmehr vorgefundene Schmuckstück besichtigt. Er habe seiner Frau erklärt, er würde das Schmuckstück bei der Ausstellung in Wien kaufen. Seine Frau habe das Schmuckstück sodann heimlich gekauft und nach Österreich gebracht.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Klagenfurt als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom wurde gegen die Beschwerdeführerin das Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, im Oktober 1995 ein eingangsabgabepflichtiges Weißgoldcollier, auf welchem Eingangsabgaben in der Höhe von S 7.080,-- lasteten, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht und hiemit das Finanzvergehen des Schmuggels begangen zu haben.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführerin habe rechtzeitig eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung erstattet. Die Tat sei nicht schon bei bloßem Tatverdacht entdeckt. Eine Tatentdeckung liege vielmehr vor, wenn durch die Kenntnis von der Tat eine solche Situation geschaffen wird, die bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Betroffenen wahrscheinlich macht. Im Beschwerdefall habe bloß eine Vermutung der Behörde bestanden, Karl W. habe in der Türkei Goldschmuck erworben. Diese Vermutung habe sich darauf gestützt, daß Karl W. auf einer Kundenliste des Schmuckgeschäftes aufgeschienen ist und daß es vorgekommen sei, daß österreichische Kunden dieses Schmuckgeschäftes den erworbenen Schmuck ohne Verzollung in das Zollgebiet eingebracht hätten. Die Tatentdeckung sei auch nicht "unmittelbar bevorgestanden". Die entsprechende Sonderbestimmung sei für Fälle gedacht, in denen der Stellungspflichtige bei der Grenzabfertigung eine unrichtige Antwort auf die Fragen des Zollorgans gebe und unmittelbar darauf die Aufforderung zur Öffnung eines Behältnisses, in dem sich geschmuggeltes Gut befindet, durch das Zollorgan ergeht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde die Auffassung vertreten, eine Selbstanzeige stehe der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nur entgegen, wenn ihre strafbefreiende Wirkung zweifelsfrei feststeht. Bei den türkischen Staatsangehörigen Adnan Atar und Senol Görur habe sich eine detaillierte Liste von Abnehmern von Schmuckgegenständen in Österreich, aber keine Unterlagen befunden, die auf eine ordnungsgemäße Einfuhr nach Österreich hätte schließen lassen können. Bei der Einvernahme der Abnehmer habe sich ergeben, daß in den meisten Fällen der in der Türkei gekauften Schmuck ohne Verzollung in das Zollgebiet verbracht worden sei. Die Abnehmerliste habe in Verbindung mit den zahlreichen vergleichbaren Fällen dazu geführt, daß sich der Verdacht des Schmuggels nahezu zur Gewißheit verdichtet habe. Die Finanzstrafbehörde habe den Ehegatten Karl W. am telefonisch vom Sachverhalt informiert. Die Entdeckung der Tat durch die Finanzstrafbehörde sei daher für die Beschwerdeführerin leicht erkennbar gewesen. Die belangte Behörde vertrat zusammenfassend die Auffassung, daß die Verwirklichung des Tatbestandes im Sinne des § 29 Abs. 3 lit. b erster Fall FinStrG der Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige entgegenstehe.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Anerkennung der strafbefreienden Wirkung der von ihrem Ehegatten namens der Beschwerdeführerin erstatteten Selbstanzeige verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Sind genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz gemäß § 82 Abs. 3 FinStrG das Strafverfahren einzuleiten.

Wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, wird gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben- und Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde darlegt (Selbstanzeige).

Nach § 29 Abs. 3 FinStrG tritt eine Straffreiheit der Selbstanzeige unter anderem nicht ein,

wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige Verfolgungshandlungen gegen den Anzeiger, gegen andere an der Tat Beteiligte oder gegen Hehler gesetzt waren, oder wenn

zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder die Entdeckung einer Tat, durch die Zollvorschriften verletzt wurden, unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Die endgültige Beantwortung der Frage, ob der Verdächtige dieses Finanzvergehens tatsächlich begangen hat, bleibt daher dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 ff FinStrG vorbehalten. Diese Kriterien gelten auch für die Frage, ob der Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige im Sinne des § 29 FinStrG vorliegt. Eine solche Selbstanzeige steht der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nur dann entgegen, wenn ihre strafbefreiende Wirkung zweifelsfrei feststeht (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/16/0234). Ist dies aber nicht der Fall, so obliegt die Beurteilung, ob eine solche strafbefreiende Wirkung gegeben ist, der das Finanzstrafverfahren abschließenden Entscheidung der Finanzstrafbehörde.

Aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten ist nicht erkennbar, ob die Finanzstrafbehörde den zunächst gegen Karl W. bestandenen Verdacht eines Finanzvergehens als weiterbestehend oder durch seine - mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nur schwer in Einklang zu bringenden - Angaben bei seiner Vernehmung als ausgeräumt angesehen hat. Da die belangte Behörde jedoch ausdrücklich vom Vorliegen des Ausnahmetatbestandes nach § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG ausgegangen ist, konnte dieser Umstand auf sich beruhen. In lit. b der genannten Gesetzesstelle sind zwei Ausnahmetatbestände enthalten, die die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige verhindern. Nach der ersten Alternative dieser Bestimmung ist unter anderem die gänzliche oder teilweise Entdeckung der Tat Tatbestandsmerkmal. Unter diesem im Gesetz gebrauchten Begriff der Tat ist dabei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges, schuldhaftes und mit Strafe bedrohtes Verhalten zu verstehen (vgl. Neuner/Henzl/Neuner, Verteidiger-Handbuch, Rz 7.28; Dorazil/Harbich, § 29 FinStrG, Anm. 14; Leitner, Grundzüge des österreichischen Finanzstrafrechts, 84). Zutreffend wird hiezu in der Beschwerde die Auffassung vertreten, daß dieser Begriff "Tat" auch die Kenntnis des Täters einschließt. Die Beschwerdeführerin übersieht aber in diesem Zusammenhang, daß nicht allein die gänzliche Entdeckung der Tat die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige hindert; vielmehr reicht hiefür bereits eine bloß teilweise Entdeckung der Tat aus. Dies bedeutet aber, daß die bloß unvollständige Entdeckung der Tat - sofern diese in ihren Grundzügen bereits entsprechend konkretisiert ist - für den Anzeiger schädlich ist. Ebenso wie in dem von Leitner a.a.O. gebrachten Beispiel der notwendigen Ermittlung von als Täter in Betracht kommenden Organen einer Kapitalgesellschaft ist von einer teilweisen Entdeckung der Tat auszugehen, wenn wie im Beschwerdefall die Verantwortung für die Tat vom Ehepartner des auf Grund der vorliegenden Indizien der Tathandlung Verdächtigten sozusagen übernommen wird. Eine solche Auslegung des Gesetzes ist durch den Zweck des Abs. 3 lit. b des § 29 FinStrG geboten, weil durch diese Bestimmung verhindert werden soll, einer Selbstanzeige bereits entdeckter Finanzvergehen strafbefreiende Wirkung zuzuerkennen.

Im Beschwerdefall wird es dabei Aufgabe der Finanzstrafbehörde sein, im Untersuchungsverfahren zweifelsfreie Feststellungen darüber zu treffen, ob die Tat im Zeitpunkt der Überreichung der Selbstanzeige etwa bereits teilweise entdeckt war, wobei für eine solche Feststellung ausreichen würde, daß zwar die Tat als solche entdeckt war, aber noch nicht feststand, wer von den in Betracht kommenden Personen diese begangen hatte. Da in der in den Verwaltungsakten befindlichen Liste neben dem Namen des Ehegatten der Beschwerdeführerin auch ein Wertbetrag von S 30.000,-- aufschien, bestand jedenfalls die Möglichkeit, daß der Schmuggel von Goldschmuck bereits teilweise entdeckt war. Die Finanzstrafbehörde, die es unterlassen hat, die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vollständig vorzulegen, wird im Untersuchungsverfahren den im Zeitpunkt der Selbstanzeige vorliegenden Sachverhalt entsprechend zu würdigen haben.

Überdies besteht im Beschwerdefall die Möglichkeit, daß die Entdeckung der Tat, durch die Zollvorschriften verletzt wurden, (erst) unmittelbar bevorstand, ein Umstand, der nach der zweiten Alternative des § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG der Straffreiheit der Selbstanzeige entgegenstehen würde. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin erstreckt sich dabei die Anwendbarkeit der letztgenannten Vorschrift keineswegs auf Sachverhalte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Grenzabfertigung am Amtsplatz gesetzt werden. Auch im Falle von finanzstrafbehördlichen Erhebungen etwa im Sinne des § 99 FinStrG kann davon ausgegangen werden, daß die Entdeckung der Tat unmittelbar bevorstand.

Daraus folgt aber, daß die strafbefreiende Wirkung der vorliegenden Selbstanzeige nicht zweifelsfrei feststand, sodaß die Einleitung des Finanzstrafverfahrens dem Gesetz entsprach.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am