VwGH vom 17.12.1993, 93/15/0098
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 1/9-GA6-DSchr/92, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt Salzburg-Stadt gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, daß er im Bereich des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk in Wien vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe einer unrichtigen Einkommensteuererklärung für das Jahr 1986 (Ansatz ungerechtfertigter negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Höhe von S 1,600.000,--) eine Abgabe, die bescheidmäßig festzusetzen gewesen sei, und zwar Einkommensteuer 1986, in der Höhe von S 993.138,-- verkürzt und hiedurch das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen habe. Begründend wurde dargelegt, es bestehe der Verdacht, daß der Beschwerdeführer durch Zeichnung einer Scheinbeteiligung an W-Gesellschaft m.b.H. & Co KG (im folgenden: Gesellschaft), Serie X, Ausgabe 1986, und den Ausweis der daraus zugewiesenen Werbungskostenüberschüsse in seiner Einkommensteuererklärung 1986 Einkommensteuer in der im Spruch bezeichneten Höhe verkürzt habe. In seiner Selbstanzeige vom gebe der Beschwerdeführer an, den Betrag an die Serie X nicht zur Einzahlung gebracht zu haben. Dem Beschwerdeführer müsse klar gewesen sein, daß die Zeichnung einer offenkundig nicht ernst gemeinten Gesellschaftsbeteiligung und der Ausweis der daraus zugewiesenen Werbungskostenüberschüsse in der Abgabenerklärung zu einer Einkommensteuerverkürzung führen müsse. Die Zeichnung dieser Beteiligung sei nur zur Erreichung eines ungerechtfertigten Werbungskostenüberschusses und der damit verbundenen steuerlichen Begünstigung vorgenommen worden, und zwar deshalb, um die durch eine frühere Beteiligung ("Panoniabeteiligung") erlittenen Vermögensverluste, die in früheren Jahren bereits in annähernd zweifacher Höhe steuerlich geltend gemacht worden seien, nochmals auf Kosten des Steuergläubigers abzudecken. Es bestehe daher auch der Verdacht vorsätzlichen Handelns. Der Selbstanzeige vom könne schon deshalb keine strafbefreiende Wirkung zukommen, da im Zeitpunkt des Einlangens am bereits eine Reihe von Verfolgungshandlungen gegen andere an der Tat beteiligte Personen, insbesondere die Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft, durch die Strafverfolgungsbehörden im Sinne des § 29 Abs. 3 lit. a FinStrG gesetzt gewesen seien. Die Zuständigkeit des Finanzamtes Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gründe sich auf § 58 Abs. 1 lit. f zweiter Fall FinStrG.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, das Finanzamt Salzburg-Stadt sei zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens nicht zuständig. Nicht dieses, sondern das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk in Wien sei im Sinne des § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG zur Erhebung der beeinträchtigten Abgabe zuständig gewesen. Die Einleitung des Strafverfahrens sei im Hinblick auf die am erstattete Selbstanzeige verfehlt. Auf Verfolgungshandlungen im Sinne des § 29 Abs. 3 lit. a FinStrG gegenüber den Geschäftsführern der Beteiligungsgesellschaft käme es in diesem Zusammenhang nicht an, weil nicht ersichtlich sei, worin deren Beteiligung an der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verletzung von Offenlegungs- und Wahrheitspflichten bestehen sollte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend vertrat sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage die Auffassung, § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG normiere für die Durchführung des Strafverfahrens sowohl die Zuständigkeit desjenigen Finanzamtes, das zur Erhebung der beeinträchtigten Abgaben zuständig sei, als auch jenes Finanzamtes, das zur Handhabung der verletzten Abgabenvorschriften berufen sei. Seien für die Feststellung der Einkünfte und die Festsetzung der Einkommensteuer verschiedene Finanzämter örtlich zuständig (z.B. einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 188 BAO), so komme auch die Zuständigkeit jedes dieser Finanzämter als Finanzstrafbehörde erster Instanz in Betracht. Seien demnach zwei Finanzämter zur Ahndung eines Finanzvergehens zuständig, so obliege die Durchführung des Finanzstrafverfahrens jenem, das zuerst von dem Finanzvergehen Kenntnis erlangt habe. Im vorliegenden Fall seien die Abgabenvorschriften im Verfahren nach § 188 BAO durch Aufnahme tatsächlich nicht beteiligter Gesellschafter in die Erklärung über die Feststellung der Einkünfte von Personengesellschaften bei der Serie X im Bereich des Finanzamtes Salzburg-Stadt verletzt worden. Dieses Finanzamt sei daher als Aufgriffsfinanzamt auch für die Durchführung des Strafverfahrens zuständig. Das Finanzamt habe schon vor dem Eingang der Selbstanzeige vom Kenntnis von den Scheinbeteiligungen bzw. davon, daß durch die Feststellungserklärung der Serie X für 1986 ungerechtfertigte negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugewiesen worden seien, gehabt. Die Selbstanzeige vom sei nicht strafbefreiend, weil bereits am eine Hausdurchsuchung nach den Gesellschafterlisten der Serie X zur Auffindung der "Nichteinzahler" angeordnet und am durchgeführt worden sei. Es liege daher eine auf die Aufdeckung der Tat gerichtete Verfolgungshandlung vor, die vor Einbringung der Selbstanzeige gesetzt worden sei. Überdies seien vor dem Einlangen der Selbstanzeige eine Reihe von Verfolgungshandlungen gegen andere an der Tat beteiligte Personen, insbesondere Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft, gesetzt worden. Der Geschäftsführer der Serie X Josef P. habe durch Abgabe der unrichtigen Erklärung über die Feststellung der Einkünfte von Personengesellschaften bei der Serie X auch an der Verkürzung der Einkommensteuer des Beschwerdeführers mitgewirkt. Gegen Josef P. sei bereits mit Beschluß vom das Strafverfahren wegen §§ 33 Abs. 1, 11 FinStrG eingeleitet und das Finanzamt mit weiteren Ermittlungen beauftragt worden. Am sei Josef P. als Beschuldigter einvernommen und ihm der Prüfungsauftrag nach § 99 Abs. 2 FinStrG betreffend die Serie X ausgehändigt worden. Die Selbstanzeige des Beschwerdeführers vom sei daher nach § 29 Abs. 3 lit. a FinStrG als verspätet anzusehen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom , Zl. B 261/93, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, daß das Verfahren gegen ihn nicht von der unzuständigen Behörde geführt werde, und in seinem Recht, durch die am erstattete Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 58 Abs. 1 lit. f erster Halbsatz FinStrG sind zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens als Finanzstrafbehörden erster Instanz bei allen übrigen Finanzvergehen (im Beschwerdefall liegt ein Anwendungsfall dieser Vorschrift vor) die zur Erhebung der beeinträchtigten Abgaben oder zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Finanzämter zuständig.
Mit dem angefochtenen Bescheid wird dem Beschwerdeführer Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 1986 durch Ansatz ungerechtfertigter negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorgeworfen. Es ist im Beschwerdeverfahren nicht strittig, daß die Voraussetzungen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens im Sinne des § 188 Abs. 1 lit. d BAO vorlagen.
Im Erkenntnis vom , Zl. 87/14/0134, hat der Verwaltungsgerichtshof - im Zusammenhang mit dem gegenüber dem Beschwerdeführer im Finanzstrafverfahren erhobenen Vorwurf, die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht hinsichtlich der Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG verletzt zu haben - ausgesprochen, daß das zur Feststellung der Einkünfte gemäß § 187 Abs. 3 BAO zuständige Finanzamt als "zur Handhabung der verletzten Abgabenvorschriften zuständiges Finanzamt" im Sinne des § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG anzusehen ist.
Im Beschwerdefall ist auch in Anbetracht des Umstandes, daß einheitlich und gesondert festzustellende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Rede stehen (vgl. §§ 54 Abs. 2, 188 Abs. 1 lit. d BAO) eine entsprechende Beurteilung geboten; für die Frage der Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde erster Instanz ist somit ausschlaggebend, ob das Finanzamt Salzburg-Stadt als für die Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuständiges Finanzamt in Betracht kam.
Nach § 54 Abs. 2 BAO ist für die einheitlichen und gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens (§ 188 Abs. 1 lit. d) das Lagefinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit. a) örtlich zuständig. Lagefinanzamt im genannten Sinn ist das Finanzamt, in dessen Bereich die wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) gelegen ist; erstreckt sich diese auf den Amtsbereich mehrerer Finanzämter, so ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bereich der wertvollste Teil der wirtschaftlichen Einheit (Untereinheit) gelegen ist.
Ein die Zuständigkeit des Finanzamtes Salzburg-Stadt im Beschwerdefall bejahender Bescheid hätte somit konkrete Sachverhaltsfeststellungen vorausgesetzt, auf deren Grundlage hätte beurteilt werden können, ob dieses Finanzamt als Lagefinanzamt im Sinne des § 53 Abs. 1 lit. a BAO in Betracht kam, insbesondere somit betreffend die Lage der wirtschaftlichen Einheit(en), mit denen die erklärten Einkünfte im Zusammenhang standen. Solche Feststellungen fehlen im angefochtenen Bescheid; dieser vertritt im vorliegenden Zusammenhang lediglich die Auffassung, das Finanzamt Salzburg sei zuständig, weil die Abgabenvorschriften im Verfahren nach § 188 BAO "durch Aufnahme tatsächlich nicht beteiligter Gesellschafter in die Erklärung über die Feststellung der Einkünfte von Personengesellschaften bei der Serie X im Bereich des Finanzamtes Salzburg-Stadt" verletzt worden seien. Diese Darlegungen tragen nicht zur Lösung der Frage bei, ob das Finanzamt Salzburg-Stadt als Lagefinanzamt in Betracht kam. Ihnen kann nicht einmal entnommen werden, ob bei der Erklärung jener Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die in dem den Beschwerdeführer betreffenden Finanzstrafverfahren in Rede stehen, die Zuständigkeit des Finanzamtes Salzburg-Stadt in Anspruch genommen wurde (was wenigstens einen Hinweis auf dessen Eigenschaft als Lagefinanzamt dargestellt hätte). Umsoweniger kann diesen Darlegungen ein Anhaltspunkt dahin entnommen werden, im Bereich welchen Finanzamtes die wirtschaftliche Einheit (die wirtschaftlichen Einheiten) liegt (liegen), auf die sich die Erklärung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezogen hatte(n). Der in der Gegenschrift enthaltene, nicht weiter konkretisierte Hinweis, das Grundvermögen der Serie X sei "zumindest im überwiegenden Ausmaß in Salzburg gelegen", vermag konkrete Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen.
Das Finanzamt Salzburg-Stadt ist in Beziehung auf den Beschwerdeführer nicht Wohnsitzfinanzamt; seine Zuständigkeit kann daher nicht auf § 55 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG gegründet werden.
Es fehlen somit Sachverhaltsfeststellungen, die zur Beurteilung der Zuständigkeitsfrage unerläßlich sind. Damit wurden Verfahrensvorschriften verletzt, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Aus Gründen der Prozeßökonomie sind noch folgende Hinweise geboten:
Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es, wenn Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß der Verdächtige als Täter eines Finanzvergehens in Frage käme (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 92/15/0061). Die Feststellung, ob der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist dem weiteren Verfahren nach den §§ 114 ff FinStrG vorbehalten (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 92/15/0140). Das Vorliegen genügender Verdachtsgründe im dargelegten Sinn ist im Beschwerdeverfahren nicht strittig; der Beschwerdeführer vertritt jedoch die Auffassung, es dürfe gegen ihn im Hinblick auf seine Selbstanzeige kein Finanzstrafverfahren eingeleitet werden. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, daß eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung nicht einwandfrei feststeht, die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nicht hindert (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 89/13/0159). Der angefochtene Bescheid enthält die Feststellung, daß bereits vor dem Einlangen der Selbstanzeige () auf die Aufdeckung der Tat gerichtete Verfolgungshandlungen gesetzt worden wären, so z.B. am eine auf die Auffindung der Gesellschafterlisten der Serie X gerichtete Hausdurchsuchung; durch die Einleitung des Strafverfahrens gegen Josef P., der durch Abgabe der unrichtigen Erklärung über die Feststellung der Einkünfte von Personengesellschaften bei der Serie X an der Verkürzung der Einkommensteuer des Beschwerdeführers mitgewirkt habe, seien auch Verfolgungshandlungen gegen an der Tat Beteiligte gesetzt worden. Bei dieser Sachlage war eine abschließende Auseinandersetzung mit der Frage, ob (insbesondere) diese Umstände der strafbefreienden Wirkung der vom Beschwerdeführer erstatteten Selbstanzeige im Sinne des § 29 Abs. 3 lit. a FinStrG entgegenstehen, im Rahmen der Entscheidung über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens nicht geboten; sie muß dem im Sinne der §§ 114 ff FinStrG zu führenden Finanzstrafverfahren vorbehalten bleiben. Eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung schon im Rahmen jenes Prüfungsmaßstabes, der im Verfahren über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens maßgeblich ist, einwandfrei festgestellt werden kann, lag im Beschwerdefall somit nicht vor.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der begehrte Schriftsatzaufwand den durch die erwähnte Verordnung normierten Pauschbetrag übersteigt. Dieser Pauschbetrag umfaßt auch die Umsatzsteuer.