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VwGH vom 09.10.1991, 90/13/0007

VwGH vom 09.10.1991, 90/13/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der U-GmbH in A, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , GZ U 36/3/3-IV/4/89, betreffend Ausnahmegenehmigung gemäß § 48 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin, die in den Jahren 1988 und 1989 erzielten Einkünfte aus in Saudi-Arabien erbrachten Leistungen aus der Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Steuern vom Einkommen auszuscheiden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde von der belangten Behörde gemäß § 48 BAO angeordnet, daß die der Beschwerdeführerin aus Saudi-Arabien in den Veranlagungsjahren 1988 und 1989 zufließenden Einkünfte aus der inländischen Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Steuern vom Einkommen ausgeschieden werden, wenn sie in Saudi-Arabien einer den österreichischen Steuern vom Einkommen vergleichbaren Besteuerung unterliegen. Im Spruch des Bescheides wurde weiters ausgesprochen, daß der Nachweis über den Bestand einer vergleichbaren ausländischen Besteuerung den für die Steuererhebung zuständigen Abgabenbehörden gegenüber zu erbringen ist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 48 BAO kann das Bundesministerium (richtig der Bundesminister - siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0069) für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsvoraussetzung des § 48 BAO "Abgabenhoheit mehrerer Staaten" im völkerrechtlichen Sinn zu verstehen und es geht hiebei bloß um die völkerrechtliche Berechtigung der Staaten, Steuertatbestände zu schaffen. Es kommt sonach nicht auf die tatsächliche, sondern bloß auf die potentielle (virtuelle) Besteuerung an. Es geht einzig und allein darum, daß der andere Staat die völkerrechtliche Berechtigung besitzen muß, dies zu tun (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0069).

Das Vorliegen einer bloß "virtuellen Doppelbesteuerung" reicht aber nicht aus, um auf der Grundlage des § 48 BAO eine Steuerentlastungsmaßnahme nach dem Ermessen (§ 20 BAO) der belangten Behörde vorzunehmen. Es muß nämlich neben der Rechtsvoraussetzung "Abgabenhoheit mehrerer Staaten" noch eine zweite Rechtsvoraussetzung erfüllt sein. Diese ist alternativ formuliert:

a) Es muß entweder die steuerliche Entlastungsmaßnahme "zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" erforderlich sein; oder

b) es muß eine solche Maßnahme "zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung" erforderlich sein.

Ein "Ausgleich der in- und ausländischen Besteuerung" kann nur dann stattfinden, wenn eine ausländische Besteuerung erfolgt ist; denn nur dann kann begrifflich von einem "Ausgleich" hiefür bei der inländischen Besteuerung gesprochen werden. Mit anderen Worten, das Gesetz verlangt mit dieser zweiten Rechtsvoraussetzung ausdrücklich das Bestehen einer tatsächlichen internationalen Doppelbesteuerung; die bloße Möglichkeit, im Ausland auch in Anspruch genommen zu werden, sonach die bloße "virtuelle Doppelbesteuerung", ist hier nicht ausreichend (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0069).

Die Beschwerdeführerin geht ausdrücklich davon aus, daß die "Herstellung von Gegenrecht" im Beschwerdefall "außer Betracht zu bleiben hat". Die Beschwerdeführerin erachtet sich vielmehr dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Entsteuerungsmaßnahme unter der Auflage des Nachweises des Bestandes einer vergleichbaren ausländischen Besteuerung ausgesprochen hat. Ausgangspunkt dieser Rechtsrüge ist dabei die Auffassung, daß für eine Entsteuerungsmaßnahme eine bloß "virtuelle Doppelbesteuerung" genügt. Für den Bereich der Anwendung des § 48 BAO widerspricht diese Auffassung jedoch wie ausgeführt der Rechtslage. Wenn die Beschwerdeführerin dabei darauf hinweist, daß nach Doppelbesteuerungsabkommen die Beschränkungen des inländischen Besteuerungsrechtes immer dann zur Anwendung gelangen, wenn im anderen Staat eine (bloß) potentielle Steuerpflicht bestehe, so ist ihr entgegenzuhalten, daß zwar bei Übung des im § 48 BAO der Behörde eingeräumten Ermessens eine Orientierung an den internationalen Steuervertragsgrundsätzen zulässig und unbedenklich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2957/78, und vom , Zl. 1430/78), wiewohl es regelmäßig nicht als Gebot der Billigkeit (vgl. § 20 BAO) erachtet werden kann, einen Zustand der "Doppel-Nichtbesteuerung" (wie er von der Beschwerdeführerin angestrebt wird) durch eine Ausnahmeregelung nach § 48 BAO herbeizuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/13/0014). Die im Beschwerdefall zu verneinende Frage, ob (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) eine ausländische Besteuerung tatsächlich erfolgt ist, betrifft jedoch erst die Feststellung, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine - sodann im Ermessen der Behörde liegende - Entscheidung nach § 48 BAO gegeben sind. Die Frage der zutreffenden Ermessensübung und damit einer allfälligen Orientierung an Grundsätzen des internationalen Steuervertragsrechts erübrigte sich somit im Beschwerdefall. Ebenso geht damit der von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf eines Ermessensmißbrauchs oder einer Ermessensüberschreitung ins Leere.

Abgesehen davon, daß mit einer Anordnung im Sinn des § 48 BAO Auflagen und Bedingungen verbunden werden können, die mit dem verfolgten Ziel vereinbar sein und dem angestrebten Zweck entsprechen müssen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0069), hat die belangte Behörde mit dem Ausspruch über den Nachweis der Besteuerung lediglich zum Ausdruck gebracht, daß von der Beschwerdeführerin das Vorliegen der Voraussetzung für die Entsteuerungsmaßnahme - nämlich wie ausgeführt das Bestehen einer tatsächlichen internationalen Doppelbesteuerung - auch noch zu einem späteren Zeitpunkt - also im Zuge der Bemessung der in Betracht kommenden Abgaben


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nachgewiesen werden kann. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß bei Begünstigungstatbeständen - zu denen § 48 BAO zu zählen ist - die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige hat also selbst einwandfrei das Vorliegen aller jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0015). So ist dem Abgabepflichtigen in Erfüllung dieser ihm obliegenden erhöhten Mitwirkungspflicht zuzumuten, die TATSÄCHLICHE ausländische Besteuerung unter Beweis zu stellen (vgl. wiederum das Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0069). Wenn die belangte Behörde demgegenüber
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offenkundig aus Vereinfachungsgründen, zumal im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das eine der beiden angesprochenen Veranlagungsjahre noch gar nicht abgelaufen war - den Bescheid erlassen hat, ohne daß dieser Nachweis bereits erbracht worden ist, die Wirksamkeit der Entsteuerungsmaßnahme aber vom Nachweis der ausländischen Besteuerung abhängig gemacht hat, so kann die Beschwerdeführerin durch diese Vorgangsweise der belangten Behörde nicht in ihren Rechten verletzt sein.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Nachweis der Besteuerung sei nach Anordnung der belangten Behörde durch Beischaffung saudiarabischer Steuerbescheide zu erbringen, ist entgegenzuhalten, daß der angefochtene Bescheid einen derartigen Inhalt nicht aufweist. Allfällige diesbezügliche (nicht die Streitjahre betreffende) Mitteilungen der belangten Behörde gegenüber der Abgabenbehörde erster Instanz sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Im übrigen steht es der Beschwerdeführerin frei, eventuelle Streitfragen darüber, auf welche Art der von der belangten Behörde geforderte Nachweis der ausländischen Besteuerung zu erfolgen hat, im Verfahren zur Festsetzung der in Betracht kommenden Abgaben einer Klärung zuzuführen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.