VwGH vom 20.06.2000, 98/15/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des W I in G, vertreten durch Dr. Guideo Held und Mag. Gottfried Berdnik, Rechtsanwält in 8010 Graz, Schlögelgasse 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. RV I/1-9/96, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurden vom Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 1 FLAG die ihm für seine am geborene Tochter Andrea im Zeitraum von Oktober 1990 bis Februar 1993 sowie Oktober und November 1993 gewährte Familienbeihilfe und der für Jänner und Februar sowie Oktober und November 1993 gewährte Kinderabsetzbetrag zurückgefordert. In der Bescheidbegründung wird im Wesentlichen ausgeführt:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG in der bis geltenden Fassung bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für ihren Beruf ausgebildet werden. In der ab geltenden Fassung des FLAG sei der Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder in Berufsausbildung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres ausgedehnt und zudem präzisiert worden, dass eine Berufsausbildung nur anzunehmen sein, wenn ein ordentliche Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben werde, was der Fall sei, wenn bestimmte Prüfungen nachgewiesen seien. Dieser Nachweis sei erstmals zu Beginn des Studienjahres 1993/94 zu erbringen gewesen.
Die Tochter des Beschwerdeführers habe im Sommersemester 1988 mit dem Studium der Rechtswissenschaften begonnen und im Sommersemester 1989 eine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung abgelegt. Dass bis zum Ablauf des Wintersemesters 1992/93 weitere Prüfungen abgelegt worden seien, habe nicht nachgewiesen werden können. Der Beschwerdeführer habe zwar auf die vom nunmehrigen Ehemann seiner Tochter Andrea im Rahmen seines Jusstudiums abgelegten Prüfungen verwiesen und vorgebracht, Andrea habe das Studium gemeinsam mit ihrem Ehemann betrieben, dieses Vorbringen sei aber nicht geeignet, das Vorliegen eines ernsthaften Studiums aufzuzeigen. Es gebe nämlich keinen Anhaltspunkt dafür, dass vom Studienerfolg einer dritten Person auf die Ernsthaftigkeit des Studiums der Tochter Andrea geschlossen werden könnte. Das Ziel einer Berufsausbildung sei, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Die Ablegung der vorgesehenen Prüfungen sei wesentlicher Bestandteil der Berufsausbildung. Wenn also vom Wintersemester 1989/90 bis zum Abbruch des Studiums der Rechtswissenschaften nach dem Wintersemester 1992/93 - somit durch sieben Semester hindurch - die Ablegung weiterer Prüfungen nicht habe nachgewiesen werden können, sei davon auszugehen, dass spätestens ab dem Wintersemester 1990/91 ein ernsthaftes Studium in Abrede zu stellen sei. Daran könne auch der Umstand, dass Andrea am ihr zweites Kind zur Welt gebracht habe, nichts ändern. Abgesehen davon, dass Geburt und Pflege eines Kindes erst in der ab geltenden Fassung des FLAG als Studienbehinderung erwähnt seien, könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes ein weiteres Jahr hindurch keine Aktivitäten gesetzt worden seien, die eine zielstrebige Fortführung des Jusstudiums erkennen ließen. Im Sommersemester 1993 habe Andrea einen Studienwechsel vorgenommen und eine Eignungsprüfung für dieses Studium erfolgreich abgelegt. Diese Prüfung gelte nicht als Teilprüfung der ersten Diplomprüfung, sodass die Voraussetzungen für den weiteren Beihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG idF BGBl. 311/1992 nicht erfüllt seien. Für das Sommersemester 1993 gehe die belangte Behörde aber von einem ernsthaft betriebenen Studium aus
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, in der bis anzuwendenden Fassung BGBl. 604/1987, haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in der mit in Kraft getretenen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. 311/1992 besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betreiben. Das Studium wird ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn im ersten Studienabschnitt nach jedem Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Die Erbringung des Studiennachweises ist Voraussetzung für den Anspruch ab dem zweiten und den folgenden Studienjahren des ersten Studienabschnittes. Der Nachweis ist erstmals zu Beginn des Studienjahres 1993/94 und unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Der Nachweiszeitraum wird durch eine vollständige Studienbehinderung infolge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (z.B. Krankheit) oder ein nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten bewirkt dabei eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes um ein Semester. Zeiten des Mutterschutzes sowie der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf des Nachweiszeitraumes.
Aus den ErlRV zu BGBl. 311/1992, 465BlgNR 18. Gp, 6, ergibt sich, dass mit der Neufassung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG hinsichtlich der Personen, die ein Hochschulstudium betreiben, "der bereits nach jetziger Rechtslage und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verlangte Studienfortgang näher umschrieben werden, um eine einheitliche Verwaltungspraxis zu gewährleisten."
1. Rechtslage vor September 1992
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation. Das Ablegen von Prüfungen, die in einem Hochschulstudium nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil des Studiums und damit der Berufsausbildung selbst. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hiezu muss vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen zu manifestieren hat. Zwar ist - bis zum Wintersemester 1992/93 - nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend, das anspruchsvermittelnde Kind muss aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , 94/15/0170, vom , Zl. 94/15/0130, vom , 94/15/0034 und vom , 90/14/0108).
In der Beschwerde wird auf verschiedene Erlässe des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie verwiesen; diesem Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer aus allgemeinen Erlässen keine subjektiven Rechte ableiten kann. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch den Beschwerdefall nicht dazu veranlasst, von seiner oben dargestellten Rechtsprechung abzugehen.
Die belangte Behörde ist in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon ausgegangen, dass die Tochter des Beschwerdeführers, die am ein Kind zur Welt gebracht hat, im Sommersemester 1988 das Studium der Rechtswissenschaften begonnen hat und im Sommersemester 1989 eine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung (Prüfung über die Einführung in die Rechtswissenschaften) abgelegt hat. Die Ablegung weiterer Prüfungen sei nicht nachgewiesen worden.
Demgegenüber hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet und bringt dies auch in der Beschwerde vor, dass seine Tochter - über die von der belangten Behörde angenommene Prüfung hinaus - im Wintersemester 1988/89 drei Teilklausuren aus Rechtsgeschichte abgelegt habe und zur (Teil)Diplomprüfung aus Rechtsgeschichte angetreten sei, diese Prüfung aber nicht bestanden habe. Sie sei zudem im Sommersemester 1990 zum Kolloquium aus Soziologie angetreten, habe dieses aber nicht bestanden. Hinsichtlich dieser genannten Prüfungsantritte sei, so wird dies in der Beschwerde vorgetragen, unter Verletzung von Verfahrensvorschriften die Feststellung getroffen worden, dass sie nicht nachgewiesen worden seien. Die belangte Behörde habe zu Unrecht dem Beweisantrag des Beschwerdeführers, den Ehegatten seiner Tochter als Zeugen zu vernehmen, nicht entsprochen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist der belangten Behörde im Ergebnis eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vorzuwerfen. Auch wenn von dem Sachverhalt ausgegangen wird, den der Beschwerdeführer durch den angebotenen Zeugenbeweis zu erweisen trachtete, kann im Zeitraum, der bis zu einer angemessenen Frist vor der Geburt des Kindes der Tochter (am ) liegt, nicht von einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ausgegangen werden.
Die Tochter des Beschwerdeführers hat - außer der Prüfung über die Einführung in die Rechtswissenschaften - bloße Lehrveranstaltungsprüfungen als Vorbereitung für die Ablegung der Prüfung aus Rechtsgeschichte positiv absolviert und ist zur (Teil)Diplomprüfung aus diesem Fach angetreten. Das Finanzamt hat in der Berufungsvorentscheidung zum Ausdruck gebracht, dass die Prüfung in Rechtsgeschichte eine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung darstellt und für den ersten Studienabschnitt eine Dauer von zwei Semestern im Rahmen des auf eine Gesamtstudiendauer von acht Semestern ausgelegten Studiums der Rechtswissenschaften vorgesehen ist. Wird der Zeitraum Sommersemester 1988, Wintersemester 1988/89, Sommersemester 1989, Wintersemester 1989/90 und Sommersemester 1990 (bis Beginn des Mutterschutzes) betrachtet, ergibt sich, dass in einem Zeitraum von nahezu fünf Semestern - abgesehen von der Einführung in die Rechtswissenschaften und der nicht zur Diplomprüfung zählenden Prüfung in Soziologie - Aktivitäten nur hinsichtlich eines einzigen Fachs der ersten Diplomprüfung entfaltet worden sind. Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, dass durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versucht worden sei, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen. Das Bild ändert sich im Übrigen auch nicht entscheidend, wenn dem Vorbringen des Beschwerdeführers entsprechend davon ausgegangen wird, dass seine Tochter im Wintersemester 1991/92 (erfolglos) zu einer weiteren Prüfung (nämlich zur Prüfung in Volkswirtschaftslehre) angetreten sei.
Der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 90/14/0108 ausgesprochen hat, beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien. Im genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht bestehen bleibe, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. Aus diesem Erkenntnis folgt für den Fall der Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes, dass auch eine solche Unterbrechung für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich ist, wenn sie den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteigt.
Wie oben dargestellt ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass die Tochter des Beschwerdeführers bereits vor der Geburt ihres Kindes am nicht mehr in Berufsausbildung gestanden ist. Im Fall der nicht mehr aufrechten Berufsausbildung kann aber die Geburt eines Kindes als solche nicht das Wiederaufleben einer Berufsausbildung bewirken.
2. Rechtslage ab September 1992
Die Tochter des Beschwerdeführers hat nach der Geburt ihres Kindes am nur eine Prüfung positiv abgeschlossen, und zwar nach dem Studienwechsel im Sommersemester 1993 noch in diesem Sommersemester die Eignungsprüfung aus Deutsch im Rahmen des "Dolmetscherstudiums (Italienisch und Französisch)". Wie der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren in seiner Eingabe vom eingeräumt hat, wurde damit nicht der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG idF BGBl. 311/1992 geforderte Prüfungserfolg nachgewiesen. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid zu Recht davon aus, dass die Eignungsprüfung nicht als Nachweis des Prüfungserfolges iSd genannten Bestimmung angesehen werden kann, zumal sie nach der Aktenlage weder eine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums noch eine Prüfung aus einem Pflicht- oder Wahlfach im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden darstellt.
Ab Beginn des Studienjahres 1993/94 wäre der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG idF BGBl. 311/1992 geforderte Prüfungserfolg nachzuweisen gewesen. Da unbestritten im Nachweiszeitraum der vom Gesetz geforderte Prüfungserfolg nicht eingetreten ist, ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der Beihilfenanspruch (und damit ab 1993 auch der Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag) nicht bestanden hat.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.
Wien, am