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VwGH vom 04.11.1998, 93/13/0201

VwGH vom 04.11.1998, 93/13/0201

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Arnold,

Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom , Zl. 6/3 - 3039/93-02, betreffend u.a. Einkommensteuer für die Jahre 1986 bis 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Opernsänger und in Österreich ansässig. Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob Vergütungen, die der Beschwerdeführer in Ausübung seiner künstlerischen Tätigkeit in Italien in den Jahren 1986 bis 1988 von italienischen Gebietskörperschaften bezogen hat, in Anwendung des Art. 19 des Abkommens vom zwischen der Republik Österreich und der Republik Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 125/1985 (DBA-Italien) ausschließlich in Italien zu besteuern waren (Auffassung des Beschwerdeführers), oder ob die Vergütungen gemäß Art. 17 des genannten Abkommens unter Anrechnung der italienischen Einkommensteuer in Österreich zu besteuern waren (Auffassung der belangten Behörde).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 17 DBA-Italien und seine Überschrift lauten auszugsweise:

"Künstler und Sportler

(1) Ungeachtet der Artikel 14 und 15 dürfen Einkünfte, die berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler und Musiker sowie Sportler aus ihrer in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübten Tätigkeit beziehen, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sie diese Tätigkeit ausüben.

..."

Zu Recht wird in der Beschwerde darauf hingewiesen, daß in dieser als "Spezialartikel" bezeichneten Regelung nicht unterschieden wird, ob die künstlerische Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausgeübt wird. Kommt dieser Artikel zur Anwendung, so entspricht die Vorgangsweise der belangten Behörde sowohl den innerstaatlichen als auch den zwischenstaatlichen Vorschriften, denn in Art. 23 Abs. 3 lit. a DBA-Italien (Methoden-Artikel) wird normiert, daß Einkünfte, die eine in Österreich ansässige Person bezieht und die nach dem Abkommen in Italien besteuert werden dürfen (darunter fallen auch die im Art. 17. genannten Einkünfte, sofern die Tätigkeit in Italien ausgeübt wird), auch in Österreich einkommensteuerlich erfaßt werden dürfen, wobei die in Italien gezahlte Steuer auf die österreichische Einkommensteuer anzurechnen ist.

Es ist also zu prüfen, ob im Beschwerdefall trotz des Charakters des Art. 17 DBA-Italien als Spezialnorm dennoch Art. 19 DBA-Italien, der ein ausschließliches Besteuerungsrecht des jeweiligen Vertragsstaates vorsieht, zum Tragen kommt; dieser Artikel und seine Überschrift lauten auszugsweise:

"Öffentliche Funktionen

(1) a) Vergütungen, ausgenommen Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften an eine natürliche Person, für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.

b) ..."

Zunächst spricht bereits die Überschrift des Art. 19 "Öffentliche Funktionen" gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Künstler (Opernsänger). Zu Recht führen die vom Beschwerdeführer zitierten Autoren Philipp-Pollak (Internationales Steuerrecht, Seite 170/1) zu der vergleichbaren Bestimmung des Art. 19 des OECD-Musterabkommens 1977 aus, daß unter die zitierte Sonderregelung nur Vergütungen fallen, die für Leistungen in der Hoheitsverwaltung bezahlt werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat zu der vergleichbaren Bestimmung des DBA-Liechtenstein (Art. 19) in seinem Erkenntnis vom , 94/15/0128, ausgesprochen, daß der Begriff "Ausübung öffentlicher Funktionen" im Sinn der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben zu verstehen ist.

Die von den zitierten Autoren vertretene Kommentarmeinung, von den meisten OECD-Staaten werde die Auffassung vertreten, die von Künstlern erbrachten Leistungen seien "als im Hoheitsbereich erbracht anzusehen", vermag der Gerichtshof nicht zu teilen. Der Hoheitsbereich eines Staates ist gekennzeichnet von der Ausübung hoheitlicher Gewalt. Mit dieser werden den Bürgern Rechte zuerkannt und Pflichten auferlegt, deren Umsetzung in die Wirklichkeit im öffentlich-rechtlichen Wirkungsbereich und in der Regel mit der Erlassung individueller normativer Akte erfolgt. Eine künstlerische Darbietung kann darunter nicht subsumiert werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Künstler in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen sollte. Auch solche Personen können nämlich im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung von Gebietskörperschaften tätig werden. Mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt ist eine künstlerische Tätigkeit nicht verbunden. So gesehen kann Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien, wonach auf Vergütungen für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit erbracht werden, die Art. 15, 16 und 18 Anwendung finden, nur als zusätzliche Klarstellung angesehen werden. Der Schluß, den der Beschwerdeführer daraus zieht, daß im eben wiedergegebenen Abs. 4 des Art. 19 Art. 17 nicht angeführt wird, sodaß dieser auch nicht zur Anwendung gelangen könne, ist verfehlt. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Text des Abkommens auf jene Artikel bezug nimmt, die alternativ zu Art. 19 DBA-Italien in Betracht kommen. Das sind jene, die zu Art. 19 DBA-Italien im Verhältnis grundsätzlicher Regelung zu spezieller Regelung stehen. Mit anderen Worten: Vergütungen, die unter Art. 15, 16 und 18 DBA-Italien fallen, sind, wenn die Vergütungen im Rahmen des Hoheitsbereiches einer Gebietskörperschaft bezahlt werden, der speziellen Norm des Art. 19 zu subsumieren. Abs. 4 dieses Artikels enthält daher lediglich eine Rückverweisung auf die grundsätzlichen Regelungen. Daß Art. 17 dabei unerwähnt bleibt, ist darauf zurückzuführen, daß die dort geregelten Vergütungen für künstlerische Tätigkeit ihrer Art nach nie in eine Subsumtionskollision mit Dienstleistungen von Funktionären im hoheitlichen Bereich einer Gebietskörperschaft kommen können. Eine Rückverweisung auf Art. 17 DBA-Italien war daher entbehrlich.

Bei diesem Auslegungsergebnis kommt der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhobenen Rüge des Beschwerdeführers, es sei im Verwaltungsverfahren nicht festgestellt worden, ob seine in Italien erzielten Einkünfte solche aus selbständiger oder aus nicht selbständiger Arbeit seien, keine Bedeutung zu. Der anzuwendende Art. 17 DBA-Italien trifft nämlich, wie bereits erwähnt, diesbezüglich keine Unterscheidung. Der Vollständigkeit halber sei aber dennoch darauf hingewiesen, daß die Rüge des Beschwerdeführers aktenwidrig ist. Die Einkünfte des Beschwerdeführers aus Italien wurden nämlich eindeutig ihrer Art nach qualifiziert. Dies ergibt sich aus TZ 37, 39, 41 und 44 bis 46 des Betriebsprüfungsberichtes, in denen die betreffenden Einkünfte mit S 658.477,-- (1986), S 816.625,-- (1987) und S 684.216,-- (1988), ermittelt und ausdrücklich den Einkünften aus selbständiger Arbeit zugerechnet wurden. Gegen diese rechtliche Subsumtion wurde weder im Berufungsverfahren noch in der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde selbst ein Einwand erhoben.

Der erstmals im "Vorbringen" vom erstatteten Sachverhalts-Ergänzung, wäre daher - wenn sie rechtlich relevant wäre - das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegenzuhalten. Auf das in der Gegenschrift der belangten Behörde und im "Vorbringen" des Beschwerdeführers zitierte hg. Erkenntnis vom , 93/15/0175, betreffend einen Dirigenten am stadteigenen Theater in Parma, das letztlich, wenn auch mit anderer Argumentation, zu dem Ergebnis gelangt ist, daß im damaligen Beschwerdefall Art. 17 DBA-Italien und nicht Art. 19 dieses Abkommens anzuwenden war, braucht deshalb nicht näher eingegangen zu werden.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am