VwGH vom 20.10.1993, 93/10/0106
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der G in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 18.324/14-IA8/92, betreffend Parteistellung in einem Rodungsverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom wurde der Antrag von A. und M.P. auf Erteilung der Rodungsbewilligung für eine Teilfläche von 31 m2 aus der Parzelle 1038 abgewiesen. A. und M.P. sind im Grundbuch als Eigentümer der Rodungsfläche eingetragen. Die Rodung sollte zum Zwecke der Errichtung einer Garage für die Beschwerdeführerin erfolgen.
Dieser Bescheid wurde auch der Beschwerdeführerin zugestellt, die dagegen Berufung erhob. Sie begründete ihre Parteistellung in dem Verfahren damit, daß sie ein rechtliches Interesse an einer anderslautenden Entscheidung habe, zumal sie außerbücherliche Eigentümerin der Rodungsfläche sei.
Der Landeshauptmann von Oberösterreich wies mit Bescheid vom diese Berufung mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück. Begründet wurde diese Entscheidung damit, aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem Rechtsmittel, außerbücherliche Eigentümerin der zur Rodung beantragten Fläche zu sein, lasse sich eindeutig ableiten, daß sie möglicherweise hinsichtlich des Erwerbes dieser Grundfläche einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen habe, daß aber eine Eigentumsübertragung durch Eintragung ins Grundbuch zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung noch nicht stattgefunden habe. Ihr stehe daher keine Parteistellung im Rodungsverfahren zu.
Die Beschwerdeführerin berief neuerlich und machte geltend, auch der außerbücherliche Eigentümer sei als Eigentümer zu betrachten und genieße daher Parteistellung. Aber selbst wenn man der Auffassung zustimmen wollte, der außerbücherliche Eigentümer könne nicht unter dem Begriff "Waldeigentümer" subsumiert werden, ergäbe sich ungeachtet dessen aus der Eigenschaft als außerbücherlicher Eigentümer die dingliche Verfügungsberechtigung über die im außerbücherlichen Eigentum stehende Liegenschaft. Der außerbücherliche Eigentümer habe daher nach § 19 Abs. 5 lit. a des Forstgesetzes 1975 (ForstG) Parteistellung im Rodungsverfahren.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. In der Begründung wird ausgeführt, unbestritten geblieben sei, daß die Beschwerdeführerin mit den Grundeigentümern A. und M.P. einen Vertrag zum Erwerb der Rodungsfläche abgeschlossen habe. Wer Eigentümer (Waldeigentümer) sei, richte sich nach den Bestimmungen des Zivilrechtes. Nach dem in § 431 ABGB und im "Allgemeinen Grundbuchsgesetz" verankerten Eintragungsgrundsatz (Intabulationsprinzip) könne die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung und Aufhebung bücherlicher Rechte nur durch Eintragung im Grundbuch bewirkt werden. Vom Eintragungsgrundsatz bestünden zwar Ausnahmen, doch gehöre die Übergabe eines Grundstückes in den Besitz aufgrund eines Kaufvertrages nicht zu diesen Ausnahmen. Der Erwerber einer Liegenschaft habe aufgrund des Kaufvertrages lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums. Zum Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe als außerbücherliche Eigentümerin die dingliche Verfügungsberechtigung über die Rodefläche, werde angemerkt, daß für den derivativen Eigentumserwerb mittels Kaufes ein gültiger Rechtstitel (Kaufvertrag) und eine Übereignung der Sache (Modus) vorliegen müsse. Die Übereignung sei das Verfügungsgeschäft und bewirke erst den Rechtsübergang. Diese rechtliche Übergabe erfolge bei unbeweglichen Sachen durch Eintragung in das Grundbuch. Die Beschwerdeführerin habe daher vor Eintragung der Liegenschaft ins Grundbuch kein dingliches Recht daran erworben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin bringt vor, entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde sei das außerbücherliche Eigentum sehr wohl geeignet, eine Parteistellung im Rodungsverfahren zu begründen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bewirke das außerbücherliche Eigentum im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber eine dem Eigentum stark angenäherte Stellung. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei durch Größenschluß davon auszugehen, daß dem außerbücherlichen Eigentümer Parteienstellung zukommen müsse, nachdem der Gesetzgeber sogar jedem dinglich Berechtigten Parteistellung eingeräumt habe. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die dem Eigentum stark angenäherte Stellung des außerbücherlichen Erwerbers umfangreichere Rechtsansprüche und ein umfangreiches rechtliches Interesse zu begründen vermöge, als dies einem bloß dinglich Berechtigten je zukommen könnte. Die Beschwerdeführerin genieße jedoch auch Parteistellung als an der zur Rodung beantragten Fläche dinglich Berechtigte. Den Ausführungen der belangten Behörde, daß eine dingliche Berechtigung eine Eintragung in das Grundbuch voraussetze, könne nicht gefolgt werden; vielmehr sei eindeutig davon auszugehen, daß der Besitz, nämlich die Innehabung einer Sache mit dem Willen, sie als die seinige zu behalten, ein dingliches Sachenrecht darstelle, ohne daß es weiterer Voraussetzungen, insbesondere einer Grundbuchseinverleibung bedürfe. Daß die Beschwerdeführerin jedenfalls Besitzerin sei, ergäbe sich aus dem Ermittlungsverfahren, da nach dem übereinstimmenden Vorbringen aller Beteiligten die Rodungsbewilligung zum Zwecke der Errichtung einer Garage für die Beschwerdeführerin diene, wobei hiefür zumindest der Besitz erforderlich sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 19 Abs. 5 lit. a ForstG sind im Rodungsverfahren die Berechtigten gemäß Abs. 2 im Umfang ihres Antragsrechtes Parteien im Sinne des § 8 AVG. Nach § 19 Abs. 2 lit. a leg. cit. ist zur Einbringung eines Antrages auf Rodungsbewilligung der Waldeigentümer berechtigt. Diesem kommt daher aufgrund des § 19 Abs. 5 lit. a ForstG im Rodungsverfahren Parteistellung zu. Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, richtet sich die Frage, wer (Wald)Eigentümer ist, nach den Bestimmungen des Zivilrechts. Gemäß dem in § 431 ABGB und im Grundbuchsrecht verankerten Eintragungsgrundsatz kann die Erwerbung und Übertragung bücherlicher Rechte grundsätzlich nur durch Eintragung im Grundbuch bewirkt werden. Von diesem Grundsatz bestehen Ausnahmen, z.B. Erwerb des Erben durch Einantwortung, Erwerb des Erstehers bei einer Zwangsversteigerung durch Zuschlag, Erwerb durch Enteignung entsprechend den jeweiligen Verwaltungsvorschriften, (vgl. Spielbüchler, in: Rummel2, Rz 2 zu § 431) doch liegt im Beschwerdefall keine solche Ausnahme vor. Die Beschwerdeführerin stützt ihr "außerbücherliches Eigentum" auf einen auf den Erwerb der Rodungsfläche gerichteten Kaufvertrag. Ein Kaufvertrag stellt aber lediglich den Titel zum Eigentumserwerb dar; der Titel allein gibt kein dingliches Recht, sondern nur einen obligatorischen Anspruch und bewirkt damit keinen Eigentumserwerb. Die Beschwerdeführerin war daher nicht Eigentümerin der Rodungsfläche, und zwar auch nicht außerbücherliche Eigentümerin. Da § 19 Abs. 5 lit. a ForstG iVm § 19 Abs. 2 lit. a leg. cit. eindeutig nur dem Waldeigentümer Parteistellung zuerkennt, ist für eine Ausdehnung der Parteistellung - etwa im Wege eines Größenschlusses - auf den aufgrund eines Kaufvertrages Berechtigten kein Raum.
Die Beschwerdeführerin behauptet eine Parteistellung aber auch mit der Begründung, sie sei aufgrund des Besitzes an der Rodungsfläche dinglich berechtigt.
Nach § 19 Abs. 5 lit. b ForstG ist im Rodungsverfahren der an der zur Rodung beantragten Waldfläche dinglich Berechtigte Partei. Nach § 308 ABGB sind dingliche Sachenrechte das Recht des Besitzes, des Eigentumes, des Pfandes, der Dienstbarkeit und des Erbrechtes. Das ABGB zählt also zu den dinglichen Rechten auch den Besitz. Die Beschwerdeführerin hat allerdings im Zuge des Verwaltungsverfahrens nie ausdrücklich vorgebracht, sie sei Besitzerin der Rodungsfläche. Dies ergibt sich - entgegen der in der Beschwerde geäußerten Auffassung - auch nicht aus dem Umstand, daß die Rodefläche zur Errichtung einer Garage für die Beschwerdeführerin verwendet werden soll. Der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie sei Besitzerin der Rodefläche, steht daher das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen.
Selbst wenn man aber davon ausginge, eine Berufung auf "außerbücherliches Eigentum" und eine damit verbundene dingliche Verfügungsmacht impliziere auch die Behauptung des Besitzes am Grundstück, wäre daraus für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen.
§ 19 Abs. 5 lit. b ForstG erkennt dem an der zur Rodung beantragten Waldfläche dinglich Berechtigten und damit auch dem Besitzer Parteistellung zu. Die Parteistellung ist das prozessuale Mittel zur Durchsetzung materieller Rechte (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl., Rz 122). Die Parteistellung reicht daher auch nicht weiter als die Rechte, zu deren Durchsetzung sie dient. Wieweit die Parteistellung reicht, ist nicht aus der sie einräumenden Bestimmung des § 19 ForstG zu entnehmen, sondern ergibt sich erst aus einer Untersuchung der übrigen Bestimmungen des ForstG daraufhin, welche Rechte das Gesetz den dinglich Berechtigten einräumt. Daß die die Parteistellung einräumende Norm selbst - im Beschwerdefall § 19 Abs. 5 lit. b ForstG - keine Einschränkungen der Parteistellung enthält, bedeutet daher nicht, daß der Partei ein uneingeschränktes Mitspracherecht zusteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N.F. 8481/A, und vom , Zl. 88/07/0142).
Strittig ist im Beschwerdefall, ob der Beschwerdeführerin das Recht der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach zukam, mit welchem der Antrag der Waldeigentümer auf Erteilung der Rodungsbewilligung abgewiesen wurde. § 19 Abs. 2 lit. a ForstG räumt das Recht zur Einbringung eines Antrages auf Rodungsbewilligung dem Waldeigentümer, nicht aber dem dinglich Berechtigten ein. Daraus ist abzuleiten, daß auch nur der Waldeigentümer ein Recht auf Erteilung einer Rodungsbewilligung hat; die Parteistellung des dinglich Berechtigten dient hingegen der Abwehr von mit einer Rodung für seine Rechte verbundenen Nachteilen. Der dinglich Berechtigte kann daher durch die Nichterteilung einer Rodungsbewilligung nicht in seinen Rechten verletzt werden; seine Parteistellung umfaßt nicht die Durchsetzung einer Rodungsbewilligung. Die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach betraf daher eine Frage, bezüglich der sie auch aus dem Titel eines dinglichen Rechtes an der Rodefläche keine Parteistellung geltend machen konnte.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerde unbegründet ist, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991.