VwGH vom 13.12.1990, 90/06/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-550-1513/3, betreffend die Abweisung eines Bauansuchens (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Sch, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am bei der mitbeteiligten Gemeinde die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den "Wiederaufbau des Gebäudes nnn1 Sch, das durch Brandstiftung am zerstört wurde". Dieses Haus sollte - der vom Beschwerdeführer beigeschlossenen Baubeschreibung zufolge - als Einfamilienhaus dienen. Dieses Bauansuchen wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom gemäß den §§ 31 Abs. 3 und 50 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO) LGBl. Nr. 43/1978, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 19/1984, wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan der Gemeinde abgelehnt (Spruchpunkt I) und gleichzeitig der Abbruch des bestehenden Gebäudes bzw. der Gebäudeteile innerhalb eines Monates ab Rechtskraft des Bescheides angeordnet (Spruchpunkt II). In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß ein Bauansuchen ohne Durchführung einer mündlichen Behandlung abzuweisen sei, wenn sich bereits aus dem Ansuchen bzw. den Unterlagen ergebe, daß das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspreche. Am sei ein bestehendes Gebäude auf der Pz nnn der Katastralgemeinde Sch, welches in den letzten Jahren nicht bewohnt gewesen sei und einen desolaten Bauzustand aufgewiesen habe, durch Brand vollkommen zerstört worden. Das - aus den Einreichplänen ersichtliche - Gebäude entspreche nicht dem alten Gebäude. Nach dem Flächenwidmungsplan liege die "Bauparzelle" nnn überdies im Freiland. Dieser Bescheid wurde im Instanzenzug und zuletzt mit Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom bestätigt.
Am stellte der Beschwerdeführer ein "Ansuchen um Wiederaufbau des Gebäudes Sch 160 im ursprünglichen Zustand"; dieses Gebäude sollte - wieder der vom Beschwerdeführer vorgelegten Baubeschreibung zufolge - als "Wirtschaftsgebäude" dienen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde auch dieser Antrag gemäß § 31 Abs. 3 TBO unter Hinweis darauf, daß die "Bauparzelle" Nr. nnn im Freiland liege, abgewiesen. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete sich der Beschwerdeführer gegen die Freilandwidmung seines Grundstückes mit der Begründung, daß dort seit "mindestens 200 Jahren" ein Gebäude gestanden sei, dessen Wiederaufbau der Beschwerdeführer anstrebe. Diese Grundparzelle könne "nicht zu seinem Nachteil in Freiland umgewandelt werden". Ein Wiederaufbau im ursprünglichen Zustand widerspreche nicht den Bestimmungen der §§ 20 bzw. 29 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, da sonst alle Gebäude, die sich im Freiland befinden, zwangsweise entfernt werden müßten.
Mit Bescheid vom gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge, die gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen.
Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende (ausdrücklich) Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde zunächst nicht den (auch aus den bei den Verwaltungsakten befindlichen bildlichen Darstellungen ersichtlichen) Umstand, daß die Überreste des auf der Gp. Nr. nnn abgebrannten Bauwerks nur aus dem Fundament und dem (schwerbeschädigten) seitlichen Mauerwerk bestehen, die (zumindest) nicht mehr raumbildend sind. Dies hat in rechtlicher Hinsicht zwei Konsequenzen: Zum einen ist dadurch der (tatsächlich bestandene oder - vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 6509/A, und vom , Zl. 83/06/0217, BauSlg. 233, uva. - vermutete) Baukonsens untergegangen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1559/77) und zum andern ist die Wiedererrichtung des Gebäudes gemäß § 3 Abs. 5 TBO selbst dann ein Neubau, wenn Teile dieses Gebäudes, wie etwa die Fundamente oder die Mauern wieder verwendet werden.
Die Bewilligungsfähigkeit eines solchen Neubaues ist daher nicht am (konsensgemäßen) ehemaligen Altbestand zu messen; es kommt (in Ermangelung einer anderslautenden Übergangsbestimmung) vielmehr ausschließlich auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Baubehörde letzter Instanz an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/05/0063, BauSlg. 1102, mit zahlreichen Hinweisen). Der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Antrag stammt vom , also aus einer Zeit nach dem Inkrafttreten der 3. Bauordnungs-Novelle, LGBl. Nr. 10/1989, und der Wiederverlautbarung der Tiroler Bauordnung im LGBl. Nr. 33/1989. Die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung sind daher in der letztgenannten Fassung anzuwenden.
Gemäß § 4 Abs. 1 TBO dürfen bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden, die sich u.a. nach ihrer Widmung für die vorgesehene Bebauung eignen.
Gemäß § 15 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4 idF LGBl. Nr. 38/1984 (TROG) gehören zum Freiland alle Grundflächen des Gemeindegebietes, die nicht als Bauland oder als Hauptverkehrsflächen gewidmet sind.
Gemäß § 15 Abs. 2 TROG sind im Freiland - ausgenommen auf hier nicht vorliegenden Sonderflächen - die Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen nur nach Maßgabe der Absätze 3 bis 7 zulässig. Dies sind entweder Bauten für bestehende land- und forstwirtschaftliche Betriebe (Abs. 3) oder zwecks Neugründung eines solchen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes (Abs. 4), dies jeweils unter weiteren, im Gesetz näher genannten Voraussetzungen und überdies nur unter der weiteren Voraussetzung des § 15 Abs. 5 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 lit. b TROG ("Zersiedelungsverbot" hinsichtlich landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und von Erholungsräumen). Im übrigen sind bei bestehenden Gebäuden nur Um- oder Zubauten geringen Umfanges zulässig (§ 15 Abs. 6 TROG).
Der Beschwerdeführer hat das Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 15 TROG im bisherigen Verfahren nie geltend gemacht. Erstmals in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bringt er vor, daß er in unmittelbarer Nähe dieser Parzelle "Grünflächen sowie einen Waldanteil" besitze und das Objekt dazu vorgesehen hätte, Heu, Stroh, Holz, Düngemittel sowie die benötigten Gerätschaften unterzubringen bzw. "allenfalls" im Felsenkeller "in kleinem Ausmaß Champignons zu kultivieren".
Dieses Vorbringen verstößt zum einen gegen das sich aus § 41 Abs. 1 VwGG für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergebende Neuerungsverbot. Zum anderen wird damit vom Beschwerdeführer weder ein bestehender noch ein zu gründender landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargetan (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 85/05/0030, BauSlg. 452, und vom , Zl. 87/05/0149, BauSlg. 1031, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 10592/A), da hiefür eine nebenberufliche oder hobbymäßige Ausübung von Tätigkeiten des Typus Land- und Forstwirtschaft nicht als ausreichend angesehen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 10592/A, und vom , Zl. 85/05/0078, BauSlg. 494). Damit erweist sich das Projekt des Beschwerdeführers unabhängig davon, ob es sich um ein Wirtschaftsgebäude oder um ein Wohnhaus handelt, als widmungswidrig und daher nicht bewilligungsfähig.
Für die Übereinstimmung eines Bauvorhabens mit der bestehenden Widmung ist - entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers - auch nicht die Bezeichnung dieser Fläche im Grundbuch oder in den Planunterlagen des Vermessungsamtes maßgebend, sondern ausschließlich der bestehende Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde aus dem Jahre 1978, in welchem diese Liegenschaft als "Freiland" ausgewiesen ist (und gegen dessen rechtsgültiges Zustandekommen der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde keine substantiellen Bedenken vorzutragen vermag).
Gegen diesen Flächenwidmungsplan führt der Beschwerdeführer lediglich ins Treffen, daß es unzulässig sei, eine in seinem Eigentum stehende Parzelle, auf der sich ein "seit Menschengedenken bewohntes" Gebäude befinde, in "Freiland" zu widmen. Damit wird einschlußweise die Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde geltend gemacht. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Argumente sind allerdings nicht geeignet, beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken in dieser Richtung zu erwecken und ein Verordnungsprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig zu machen: Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten handelt es sich bei dem abgebrannten Gebäude um einen in früherer Zeit benützten Pferdestall, wobei der angrenzende Stollen als Bierkeller gedient hatte. Dieses Gebäude hat der Beschwerdeführer im Jahre 1981 (also bereits nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde aus dem Jahre 1978) käuflich erworben. Nach einem ebenfalls bei den Verwaltungsakten befindlichen Schätzungsgutachten vom war dieses Gebäude auch im Zeitpunkt des Brandes unbewohnt, waren Strom und Wasser nicht vorhanden und der Zustand des Gebäudes als sehr schlecht zu bezeichnen. Dieses Gutachten wurde insoweit auch in der Begründung des Bescheides des Bürgermeisters vom wiedergegeben und war somit Grundlage des (rechtskräftigen) Abbruchauftrages im Spruchpunkt II dieses Bescheides, ohne daß der Beschwerdeführer diesen tatsächlichen Feststellungen in seinen Rechtsmitteln entgegengetreten wäre. Auch in seiner Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer nicht, daß das Haus in den letzten 15 Jahren, insbesondere aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächenwidmungsplanes bewohnt gewesen wäre.
Gemäß § 10 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes hat die Gemeinde den Flächenwidmungsplan unter Bedachtnahme auf die Ziele der örtlichen Raumordnung und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Bestandsaufnahme zu erlassen.
Die Gemeinde ist daher hinsichtlich der konkret vorzunehmenden Widmung für eine bestimmte Grundfläche nicht (schlechthin) an die bisherige Verwendung dieses Grundstückes gebunden, sondern kann auch künftigen, nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz zulässigen planerischen Zielsetzungen dabei zum Durchbruch verhelfen. Gemäß § 8 Abs. 2 lit. a und b des Gesetzes sind die bestmögliche Anordnung und Gliederung des Baulandes einerseits und die Erhaltung zusammenhängender, unverbaut bleibender landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und Erholungsräume andererseits solche zulässigen Planungsziele. Es entspricht diesen Planungszielen, wenn die Gemeinde bei Erstellung ihres Flächenwidmungsplanes das Grundstück Nr. nnn, ungeachtet des sich auf diesem Grundstück befindlichen Bauwerkes, unter Berücksichtigung des dieses Grundstück umgebenden, weithin unverbauten Gebietes nicht als Bauland gewidmet, sondern in das Freiland einbezogen hat.
Die somit insgesamt unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.