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VwGH vom 30.11.1993, 89/14/0144

VwGH vom 30.11.1993, 89/14/0144

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde der H in S, vertreten durch Dr. C, zum Verfahrenshelfer bestellter Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 53/3-GA 6-DMe/88, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 112 Abs. 3 BAO wegen beleidigender Schreibweise eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 2.000,-- verhängt. Im einzelnen wurde in nachstehenden schriftlichen Äußerungen der Beschwerdeführerin eine beleidigende Schreibweise erblickt:

1. Zahlungserleichterungsansuchen vom :

"... zumal bei einem anhängigen Berufungsverfahren die zwangsweise Einbringung des angefochtenen Betrages QUASI ALS RAUBRITTERMETHODE bereits als verfassungswidrig erklärt wurde ...".

2. Antrag auf Entscheidung über eine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom :

"... und kann der Hinweis auf die Rahmenfrist ... NUR EIN

SCHLECHTER SCHERZ SEIN, da die Verfassungswidrigkeit der

Einbringung im schwebenden Verfahren durch die Erstellung der

Rahmenfrist nicht aufgehoben wird, sondern legitimiert sie

allenfalls für vereinzelte Fälle ... DIE STAATLICHE

WEGELAGEREI".

3. Berufung vom :

"Somit wären (richtig wäre) ... jeder Bescheid, so er auch

noch so rechtswidrig und BLÖDSINNIG sein mag, sofort rechtskräftig. Dies entspricht jedoch nicht dem verfassungsmäßig garantierten Recht auf ordnungsgemäße Verteidigung, welches auch nicht von einem SUBALTERNEN BEAMTEN geschmälert werden darf".

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorerst ist zu prüfen, ob die Abgabenbehörde erster Instanz zur Verhängung einer Ordnungsstrafe zuständig ist, wenn eine beleidigende Schreibweise in einer Berufung bzw. im Antrag auf Entscheidung über eine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz enthalten ist, oder ob diesbezüglich nur die Zuständigkeit der Abgabenbehörde zweiter Instanz gegeben wäre. Mit Rücksicht darauf, daß Anbringen der genannten Art nach den Vorschriften der Bundesabgabenordnung durch die Abgabenbehörde erster Instanz erledigt werden können, sei es mit Zurückweisung (§§ 273 und 276 Abs. 1 letzter Satz BAO), sei es mit Berufungsvorentscheidung (§ 276 Abs. 1 BAO), vertritt der Gerichtshof die Auffassung, daß eine beleidigende Schreibweise in solchen Anbringen (auch) von der Abgabenbehörde erster Instanz aufgegriffen und zum Anlaß für die Verhängung einer Ordnungsstrafe im Sinne des § 112 Abs. 3 BAO genommen werden kann. Die hg. Rechtsprechung zu § 34 AVG, wonach für eine beleidigende Schreibweise in einer Berufung nur von der Rechtsmittelbehörde eine Ordnungsstrafe verhängt werden darf (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 12.429/A, ergangen zur Rechtslage vor der Novelle 1990), ist im Hinblick auf die erwähnten Besonderheiten der Bundesabgabenordnung auf diese nicht übertragbar.

Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, daß die Vorschreibung der Ordnungsstrafe von S 2.000,-- bereits Kosten in Höhe von rund S 7.000,-- verursacht habe, wobei der Personal- und Sachaufwand der Abgabenbehörde noch nicht berücksichtigt sei. Durch diese Vorgangsweise werde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin den von ihr behaupteten Aufwand zur "Hereinbringung" der Ordnungsstrafe nicht näher erläutert - möglicherweise meint sie damit den Kostenersatz, der ihr in einem vorangegangenen, wegen Klaglosstellung eingestellten verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugesprochen wurde -, dient das Verhängen einer Ordnungsstrafe nicht der Einnahmenerzielung durch die Behörde, sondern dazu, eine Person zur Besserung ihres Verhaltens im Abgabenverfahren zu bewegen. Eine "Kosten-Nutzen-Rechnung", wie sie der Beschwerdeführerin offenbar vorschwebt, vermag daher schon aus diesem Grund keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen, daß die Ordnungsstrafe mit S 2.000,-- der Höhe nach unverändert geblieben sei, obwohl die belangte Behörde nicht in allen Formulierungen, die von der Abgabenbehörde erster Instanz als beleidigende Schreibweise qualifiziert worden waren, eine solche erblickt und die "Straftatbestände" von fünf auf drei reduziert habe; die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, daß sich ein "Wegfallen von Straftatbeständen ... zwangsläufig ... in einer Strafreduzierung auswirken" müsse. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 112 Abs. 2 BAO kann gegen Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, eine Ordnungsstrafe bis S 2.000,-- verhängt werden. Die gleiche Ordnungsstrafe kann die Abgabenbehörde gemäß Abs. 3 der zitierten Bestimmung gegen Personen verhängen, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen. Die Begrenzung einer Ordnungsstrafe mit S 2.000,-- bedeutet nicht, daß eine Person, die sich in mehreren Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedient, nur einmal in diesem Höchstausmaß bestraft werden dürfte. Vielmehr hat die Verhängung einer Ordnungsstrafe grundsätzlich für jede Eingabe, in der eine beleidigende Schreibweise enthalten ist, getrennt zu erfolgen und kann in bezug auf jede Eingabe das Höchstausmaß erreichen. Verhängt die Abgabenbehörde ungeachtet dieser Möglichkeit nur eine Ordnungsstrafe, obwohl sich eine Person in mehreren Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedient hat, so kann darin allein, insofern die Verhängung einer Ordnungsstrafe in dem betreffenden Bescheid nicht mit der Verhängung weiterer Ordnungsstrafen verknüpft ist, keine Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechtes erblickt werden. Zu prüfen ist allenfalls nur, ob die verhängte Ordnungsstrafe ihrer Höhe nach gerechtfertigt erscheint, wenn sie nur in bezug zu einer von mehreren Eingaben gebracht wird. Maßgebend für das Ausmaß einer Ordnungsstrafe ist die Überlegung, welche Strafhöhe innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine Änderung des Fehlverhaltens jener Person erwarten läßt, die sich der beleidigenden Schreibweise bedient.

Im Beschwerdefall vermag der Gerichtshof die Ahndung einer jeden der drei Eingaben mit Ordnungsstrafe aus den nachstehenden Überlegungen nicht als rechtswidrig zu erkennen, wobei anhand der Kriterien des § 112 BAO im Sinne des hinsichtlich des Strafausmaßes dargestellten normativen Gehaltes gegen die volle Ausschöpfung des Strafrahmens in Ansehung bereits jeder einzelnen der drei Eingaben auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Bedenken entstanden sind:

1. Die Beschwerdeführerin verwendet im Zusammenhang mit der zwangsweisen Einbringung von Abgaben die Wortfolge "quasi als RAUBRITTERMETHODE". In der Beschwerde wird - erkennbar unter Bezugnahme auf das Gesetzesprüfungsverfahren des Verfassungsgerichtshofes, G 119/86, betreffend § 254 BAO - betont, es werde damit nur "treffender" zum Ausdruck gebracht, daß es verfassungswidrig sei, Abgaben ungeachtet von gegen deren Vorschreibung erhobenen Rechtsmitteln zwangsweise einzuheben. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin, daß eine beleidigende Schreibweise auch vorliegen kann, wenn das hinter den gewählten Worten stehende Anliegen berechtigt ist. Es mag zutreffen, daß mit "Raubrittermethoden" ein gesetzloses Vorgehen umschrieben werden kann; beleidigend ist diese Ausdrucksweise dennoch, weil sie den Boden sachlicher Kritik verläßt und demjenigen eine niedrige Gesinnung und eine nach der Sittenordnung verpönte Vorgangsweise unterstellt, dem eine solche Methode vorgeworfen wird. Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Wort "quasi", dem sie abschwächenden Inhalt im Sinne von "fast" beimißt, ändert nichts am Vorliegen einer beleidigenden Schreibweise, zumal das Wort "quasi" meist im Sinne von "gleichsam" und damit einen Vergleich zum Ausdruck bringend verwendet wird.

2. Was den Ausdruck "STAATLICHE WEGELAGEREI" im Schreiben vom betrifft, so gilt hinsichtlich seines beleidigenden Charakters dasselbe wie für den Ausdruck "Raubrittermethoden". Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, daß die im Schreiben vom gewählte Schreibweise zwar bereits im erstinstanzlichen Bescheid als beleidigend bezeichnet worden sei, daß aber das Finanzamt nicht ausgeführt habe, worin es im einzelnen eine Beleidigung erblicke. Dieses Schreiben sei daher "der Bewertung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz entrückt".

Dieser Rechtsansicht kann nicht beigepflichtet werden. Es ist zwar richtig, daß die nicht näher ausgeführte und begründete Behauptung, eine bestimmte Eingabe enthalte eine beleidigende Schreibweise, den Bescheid, mit dem deswegen eine Ordnungsstrafe verhängt wird, mit Rechtswidrigkeit belastet, weil das dem Bestraften zur Last gelegte Verhalten nicht ausreichend determiniert wird. Das ändert aber nichts daran, daß Sache im Sinne des § 289 BAO die Bestrafung wegen einer beleidigenden Schreibweise in einem bestimmt bezeichneten Anbringen ist. Die Entscheidungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz umfaßt in dieser "Sache" auch eine nähere Auseinandersetzung mit jenen Teilen des im erstinstanzlichen Bescheid genannten Schreibens, die von der Abgabenbehörde zweiter Instanz erstmals zitiert und als beleidigend angesehen werden. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist somit nicht bloß eine ganz bestimmte Ausdrucksweise, sondern die in Streit gezogene beleidigende Schreibweise in einem bestimmten Anbringen.

3. Mit der Schreibweise, "somit wäre ... jeder Bescheid, so er auch noch so rechtswidrig und BLÖDSINNIG sein mag, sofort rechtskräftig ..." wird auf die Möglichkeit hingewiesen, daß es "blödsinnige" Bescheide geben könnte. Nun ist unter einer beleidigenden Schreibweise nicht nur eine solche zu verstehen, die geeignet ist, ein Behördenorgan in seiner Ehre herabzusetzen; vielmehr ist als "beleidigende Schreibweise" auch eine solche anzusehen, die das Verhandlungsklima zwischen Behörde und Einschreiter durch unsachliche Ausdrücke, unpassende Vergleiche, Anspielungen etc. dergestalt belastet, daß eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen erschwert, wenn nicht gar verhindert wird. Dies trifft im Beschwerdefall sowohl auf den Hinweis zu, das Finanzamt könnte blödsinnige Bescheide erlassen, als auch auf die Feststellung, sich von einem "subalternen Beamten" nicht in seinen Rechten schmälern lassen zu wollen.

Die Beschwerdeführerin hat sich daher in allen drei Schreiben einer beleidigenden Schreibweise bedient, sodaß dahingestellt bleiben kann, ob der zusätzlich verwendete Ausdruck "kann ... nur ein schlechter Scherz sein ..." als beleidigende Schreibweise zu qualifizieren ist.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.