VwGH vom 26.06.1996, 95/16/0307
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde der G-GmbH in P, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 13-7/G-374/45/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (in einer Zollrechtsangelegenheit), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom begehrte die Beschwerdeführerin betreffend die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen diverse Eingangsabgabenbescheide die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und brachte dazu im wesentlichen folgendes vor:
Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe der Mitarbeiterin S die mündliche Weisung erteilt, in Zukunft sämtliche für die Berufungserhebung erforderliche Unterlagen (darunter Originalrechnungen einschließlich der Speditionsrechnungen) nach deren Einlangen an den ständigen Vertreter der Beschwerdeführerin zu übersenden, damit dieser die Berufung erheben könne. Die genannte Mitarbeiterin habe in der Folge nach Erhalt der Unterlagen diese kontrolliert und die Rechnungen zunächst (wie üblich) an die Buchhaltungsabteilung zur Veranlassung der Bezahlung weitergeleitet. Sie habe dabei die Buchhaltungsabteilung mündlich davon informiert, daß die Originaldokumente nach Zahlung an sie zwecks Übersendung an den Rechtsanwalt zu retournieren seien. Da diese Rücksendung nicht erfolgt sei, sei S davon ausgegangen, daß die Buchhaltungsabteilung (zur Vermeidung eines unnotwendigen innerbetrieblichen Aktenvorganges) die Dokumente selbst an den Rechtsanwalt übersandt hätte. Eine Überprüfung dieses Umstandes sei nicht erfolgt. Erst anläßlich einer Nachfrage in einer anderen Sache sei festgestellt worden, daß an den Rechtsanwalt überhaupt keine Dokumente weitergeleitet worden seien. Dies stelle für den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein unvorhergesehenes und unabwendbares Hindernis dar, das die rechtzeitige Erhebung der Berufung verhindert habe.
Mit Bescheid vom wies das Hauptzollamt Wien den Wiedereinsetzungsantrag ab, wobei sie die Auffassung vertrat, die Beschwerdeführerin habe eine entsprechende Überwachung bzw. Kontrolle gegenüber ihren Mitarbeitern verabsäumt.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin, wobei sie nach Ergehen einer abweislichen Berufungsvorentscheidung fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat ebenfalls die Auffassung, auch ein Unternehmer habe im Rahmen der ihn treffenden Diligenzpflicht ähnlich wie ein Rechtsanwalt die Einhaltung von Fristen entsprechend zu überwachen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ua in ihrem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Den weitwendigen Beschwerdeausführungen, die sich im wesentlichen auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Wiedereinsetzungsfällen im Zusammenhang mit der Überwachungspflicht eines berufsmäßigen Parteienvertreters gegenüber seinem Kanzleipersonal stützen und die vermeinen, der vorliegende Fall sei anders zu behandeln, ist folgendes entgegenzuhalten:
Der Fall der Beschwerdeführerin zeichnet sich dadurch aus, daß das satzungsmäßig zu ihrer Vertretung berufene Organ, nämlich ihr Geschäftsführer, eine Mitarbeiterin mit der fristgerechten Weiterleitung von Unterlagen an den Rechtsanwalt betraute, ohne daß die Durchführung dieses Vorganges in irgendeiner Weise kontrolliert worden wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu solchen Fällen bereits wiederholt ausgesprochen, daß auch die Büroorganisation von Gebietskörperschaften (z.B. Gemeinden) oder Kapitalgesellschaften in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen muß. Dazu gehört insbesondere die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, daß Unzulänglichkeiten zufolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind (vgl. dazu die hg. Entscheidungen vom , Zl. 84/16/0073; , Zl. 87/08/0242 und vom , Zl. 89/17/0116, sowie die dort zitierte Vorjudikatur).
Damit ist aber das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden, weil das Fehlen jeglicher Kontrollmaßnahmen in der Büroorganisation der Beschwerdeführerin keinesfalls mehr als minderer Grad des Versehens anzusehen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen wobei die Entscheidung mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.