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VwGH vom 23.05.1996, 95/15/0030

VwGH vom 23.05.1996, 95/15/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der E OHG in H, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 2173-2/93, betreffend Nachforderung an Lohnsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt u.a. eine Bäckerei. Anläßlich der für den Zeitraum 1988 bis 1990 durchgeführten Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer fest, in den an bestimmte Dienstnehmer (Bäcker) der Beschwerdeführerin gezahlten Urlaubsentgelten seien Zuschläge für Nachtarbeit und Überstunden im Sinne des § 68 EStG enthalten und als steuerfrei behandelt worden. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß derartige Zuschläge, soweit sie in Urlaubsentgelten enthalten seien, nicht unter die Begünstigung des § 68 EStG fielen. Er ermittelte die auf die Zuschläge entfallende Lohnsteuer mit S 31.436,-- (1988: S 11.101,--, 1989: S 9.666,--, 1990: S 10.669,--). Der Ansicht des Prüfers folgend erließ das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin einen Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein. Die Lohnsteuernachforderung ergebe sich aus der Nichtanerkennung der Steuerfreiheit für Zuschläge im Sinn des § 68 EStG, soweit sie in Urlaubsentgelten enthalten seien. Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer keine Arbeitsleistungen erbringen, komme die Begünstigung des § 68 grundsätzlich nicht zur Anwendung. § 68 Abs. 7 EStG 1988 normiere allerdings eine Ausnahme für Betriebsratsmitglieder, für Personalvertreter und für im Krankheitsfall gezahlte Zuschläge. Die Beschwerdeführerin erblicke eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darin, daß sich diese Ausnahme nicht auch auf Zuschläge für Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer urlaubsbedingt keine Arbeitsleistung erbringe, erstrecke.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin bestreite nicht, daß die Begünstigung des § 68 EStG auf Zuschläge für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer keine Arbeitsleistungen erbringen, grundsätzlich nicht anwendbar sei. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen falle aber in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom , B 1493/94-3, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie mit Beschluß vom , B 1493/94-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Einer auf § 34 Abs. 2 VwGG gestützten Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde mit Schriftsatz vom . Er bekämpft vor dem Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bringt im wesentlichen vor, die Steuerbefreiung des § 68 Abs. 1 EStG für Nachtarbeit und mit ihr zusammenhängende Überstundenzuschläge gelte auch für Bäcker im Urlaubsfalle, weil die Nachtarbeit zum integrierenden Bestandteil der Bäckertätigkeit gehöre. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, daß die gesetzlich geregelte Entgeltfortzahlung im Urlaubsfall hinsichtlich der Lohnbestandteile Nachtarbeitszuschlag und Überstundenzuschlag nicht steuerfrei sein sollte. Im übrigen sei es für die Lohnverrechnung faktisch unmöglich, jene Zuschläge, die auf Urlaubstage entfielen, von anderen Zuschlägen zu trennen. Die belangte Behörde sei im angefochtenen Bescheid auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen und habe daher ihre Begründungpflicht verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 und 2 EStG 1988 sowie gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1972 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie Zuschläge für Mehrarbeit unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. § 68 Abs. 7 EStG 1988 lautet:

"Gemäß Abs. 1 bis 5 sind auch zu behandeln


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-
Zulagen und Zuschläge, die in dem an freigestellte Mitglieder des Betriebsrates fortgezahlten Entgelt enthalten sind,
-
gleichartige Zulagen und Zuschläge an Personalvertreter im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes und ähnlicher landesgesetzlicher Vorschriften,
-
Zulagen und Zuschläge, die im Arbeitslohn, der an den Arbeitnehmer im Krankheitsfall weitergezahlt wird, enthalten sind."


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§ 68 Abs. 4 EStG 1972 idF der Novelle 1974, BGBl. 469, lautet:

"Gemäß Abs. 1 bis 3 sind auch Zulagen und Zuschläge zu behandeln, die in dem an freigestellte Mitglieder des Betriebsrates fortgezahlten Entgelt enthalten sind, ferner gleichartige Zulagen und Zuschläge an Personalvertreter im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes und ähnlicher landesgesetzlicher Vorschriften sowie Zulagen und Zuschläge gemäß Abs. 1 bis 3, die in dem Arbeitslohn, der an den Arbeitnehmer im Krankheitsfalle weitergezahlt wird, enthalten sind."

§ 68 Abs. 7 EStG 1988 und § 68 Abs. 4 EStG 1972 regeln Fälle, in denen die Begünstigungen des § 68 Abs. 1

und 2 EStG 1988 bzw. § 68 Abs. 1 EStG 1972 unabhängig davon zur Anwendung kommen, ob die Lohnbestandteile Arbeiten abgelten, die unter Umständen erfolgen, welche eine Verschmutzung bewirken, eine außerordentliche Erschwernis darstellen oder eine Gefährdung mit sich bringen, bzw. Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bzw. Mehrarbeit darstellen. § 68 Abs. 7 EStG 1988 und § 68 Abs. 4 EStG 1972 enthalten somit Ausnahmen von dem Grundgedanken des § 68, daß nur solche Lohnbestandteile, die für tatsächlich und unter bestimmten Voraussetzungen erbrachte Arbeitsleistungen ausgezahlt werden, begünstigt sind (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 68 Tz 58; Hofstätter/Reichel, § 68 EStG 1988 Tz 6 und 7). Dieser Grundgedanke liegt im übrigen auch der Neufassung des § 68 Abs. 4 EStG 1972 durch die EStG-Novelle 1974 zugrunde, mit welcher der im Krankheitsfalle weitergezahlte Arbeitslohn in den Katalog des § 68 Abs. 4 EStG 1972 aufgenommen worden ist (vgl. Pokorny, Die Einkommensteuergesetznovelle 1974, ÖStZ 1974, 230).

Während des Urlaubes behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgelt (vgl. § 6 Abs. 1 BG vom betreffend die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung, BGBl. Nr. 390). Weil der Dienstnehmer im Urlaub die durch § 68 Abs. 1 und 2 EStG 1988 und § 68 Abs. 1 EStG 1972 steuerlich begünstigten Leistungen nicht erbringt, ist die in diesen Gesetzesstellen normierte Steuerbefreiung für Bestandteile des Urlaubsentgeltes nicht anwendbar, zumal sich die Ausnahmebestimmungen des § 68 Abs. 7 EStG 1988 und § 68 Abs. 4 EStG 1972 nicht auf das Urlaubsentgelt erstrecken.

Auch das Gebot der verfassungskonformen Interpretation von Gesetzen zeitigt kein anderes Ergebnis. Die Differenzierung zwischen Urlaubsentgelt einerseits und Zahlungen an freigestellte Mitglieder des Betriebsrates, an Personalvertreter und an Arbeitnehmer im Krankheitsfall begegnet unter dem Gesichtspunkt der Sachlichkeit der Regelung deswegen keinen Bedenken, weil nur das Urlaubsentgelt für einen Zeitraum gewährt wird, welcher der allgemeinen Erholung des Dienstnehmers gewidmet ist (vgl. § 5 Abs. 2 BGBl. 390/1976). Aus diesem Grunde sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zur Stellung eines Antrages nach Art. 140 Abs. 1 B-VG veranlaßt.

Nicht nachvollziehbar ist für den Verwaltungsgerichtshof die Behauptung des Beschwerdeführers, daß ein Dienstgeber nicht in der Lage sei, Urlaubsentgelte (samt Zulagen) von anderen Entgelten zu trennen.

Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ihre Begründungspflicht (vgl. § 288 Abs. 1 lit. d BAO) verletzt habe. Die Berufung der Beschwerdeführerin ist ausschließlich mit der Verfassungswidrigkeit des § 68 Abs. 7 EStG 1988 begründet. Im angefochtenen Bescheid ist mit ausreichender Klarheit dargestellt, warum dieses Berufungsvorbringen zur Abweisung der Berufung geführt hat.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.