VwGH vom 09.09.1998, 95/14/0160
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des J S in K , vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer und Dr. Roman Bacher, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Erlerstraße 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat I, vom , 70.580-7/95 betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 1988 als selbständiger Handelsvertreter tätig. In den für die Streitjahre erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen erklärte der Beschwerdeführer Erlöse aus Provisionen von rund 251.000 S, rund 692.000 S und rund 1,119.000 S.
Im Zug einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, der Beschwerdeführer habe gegenüber seinen Geschäftsherren zum Forderungen aus bereits abgerechneten Provisionen von rund 3,410.000 S gehabt. Der Prüfer vertrat die Ansicht, es lägen keine wirtschaftlich notwendigen Gründe für die unterlassene Auszahlung eines Großteiles der bereits abgerechneten Provisionen im Streitzeitraum vor. Wie der Beschwerdeführer im Zug der abgabenbehördlichen Prüfung zunächst ausgeführt habe, seien die bereits abgerechneten Provisionen im Einvernehmen mit den Geschäftsherren im Streitzeitraum nicht ausbezahlt worden, um es ihm so zu ermöglichen, für einen Großteil dieser Provisionen bei der zu erwartenden Ermittlung des Übergangsgewinnes im Jahr 1992 die Bestimmungen des § 37 EStG 1998 in Anspruch zu nehmen. Die bereits abgerechneten Provisionen seien dem Beschwerdeführer im Jahr 1992 ausbezahlt worden. Der Prüfer erblickte in der vom Beschwerdeführer gewählten Vorgangsweise einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes iSd § 22 BAO, weil die verzögerte Auszahlung der bereits abgerechneten Provisionen ohne das Resultat der zu erwartenden Steuerminderung im Jahr 1992 völlig unverständlich wäre. Daran vermögen die erst anläßlich der Schlußbesprechung vorgebrachten Argumente des Beschwerdeführers, die Geschäftsherren hätten sich durch die verzögerte Auszahlung seiner Provisionen Zinsen erspart und ihm daher günstige Vertretungs- und Provisionskonditionen gewährt, ebenso nichts zu ändern, wie die von den Geschäftsherren aufgestellte Behauptung, durch die verzögerte Auszahlung sei sichergestellt worden, daß der Beschwerdeführer keine übereilten, für sie nachteiligen Abschlüsse tätige. Diese Ausführungen seien völlig praxisfremd und könnten nur als mühsamer Versuch angesehen werden, die ungewöhnliche Vorgangsweise zum Zweck der Steuersparnis wirtschaftlich plausibel zu machen. In den von ihm gemäß § 151 Abs 3 BAO erstatteten Bericht rechnete der Prüfer rund 1,928.000 S als in den Streitjahren bezogen den erklärten Provisionserlösen zu, was zu dementsprechenden Gewinnerhöhungen führte.
Das Finanzamt schloß sich der Ansicht des Prüfers an und erließ dementsprechende Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für die Streitjahre.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, in der Auszahlung eines Großteiles der in den Streitjahren bereits abgerechneten Provisionen erst im Jahr 1992 könne kein Mißbrauch iSd § 22 BAO erblickt werden, weil es jedermann freistehe, Zahlungsmodalitäten zu vereinbaren. Er habe bereits im Jänner 1989 mit seinen Geschäftsherrn vereinbart, daß "jeweils im Jahr der Leistung" die jeweilige Provision dem Geschäftsherrn in Rechnung gestellt werde. Angesichts der beträchtlichen Vorteile für beide Seiten sollte die Auszahlung der in den Streitjahren bereits abgerechneten Provisionen nur insofern in den Streitjahren erfolgen, als dies zum Erreichen eines von ihm zu erzielenden steuerlichen Einkommens von etwa 400.000 S pro Jahr ausreiche. Alle darüber hinausgehenden Beträge seien erst im Jahr 1992 auszuzahlen. Zum Beweis der Richtigkeit seiner Ausführungen wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen sein Vorbringen anläßlich der Schlußbesprechung. Es seien ihm in den Streitjahren zweifellos nur die erklärten Provisionen zugeflossen. Darüber hinausgehende Beträge seien ihm auch nicht gutgeschrieben worden. Er habe daher über die von ihm bereits abgerechneten, vom Prüfer zugerechneten Beträge nicht vor dem Jahr 1992 verfügen können.
In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, für die Beurteilung der Frage, wann die bereits abgerechneten Provisionen dem Beschwerdeführer zugeflossen seien, sei entscheidend, in wessen Interesse die Auszahlung der vom Beschwerdeführer bereits abgerechneten Provisionen in das Jahr 1992 verschoben worden sei. Das persönliche Interesse deute nämlich darauf hin, wer tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die vom Beschwerdeführer bereits abgerechneten Provisionen besitze. Der Beschwerdeführer habe ein persönliches Interesse an der verzögerten Auszahlung der bereits abgerechneten Provisionen insofern gehabt, als er dadurch eine erhebliche Steuersparnis hätte erzielen können. Es sei daher vom Zufließen der in Rede stehenden Provisionen an den Beschwerdeführer in den Streitjahren auszugehen.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es könne keineswegs davon ausgegangen werden, daß nur er ein persönliches Interesse an der verzögerten Auszahlung der bereits abgerechneten Provisionen gehabt hätte. Wie bereits ausgeführt, hätten auch die Geschäftsherren daran ein persönliches Interesse gehabt. Es könne für den Zufluß von Beträgen nicht entscheidend sein, wer ein persönliches Interesse an der verzögerten Auszahlung von bereits abgerechneten Beträgen habe. Denn in diesem Fall müßte bei jeder Zahlung beurteilt werden, in wessen überwiegendem Interesse diese Zahlung erfolgt sei. Bei einer derartigen Beurteilung würde die Abgabenbehörde das überwiegende Interesse in der Regel anders als der Steuerpflichtige beurteilen, weswegen keine einzige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung schlüssig zu erstellen wäre. Der Zufluß von Beträgen sei daher nicht nach dem überwiegenden Interesse an einer Zahlung, sondern nach § 19 EStG 1988 zu beurteilen.
Die belangte Behörde stellte auf Grund umfangreicher ergänzender Ermittlungen fest, dem Beschwerdeführer seien iSd Ausführungen des Prüfers nicht rund 1,928.000 S sondern rund 3,143.000 S als in den Streitjahren bezogen den erklärten Provisionserlösen zuzurechnen. Gegen die Höhe des von der belangten Behörde ermittelten Betrages erhob der Beschwerdeführer keine Einwendungen. Der Beschwerdeführer behauptete, die Initiative zu den Vereinbarungen über die Rechnungslegung und die verzögerte Auszahlung der in den Streitjahren bereits abgerechneten Provisionen sei von seinen Geschäftsherren ausgegangen. Diese hätten nämlich Ende des Jahres 1988 ein Grundstück um 5,780.000 S erworben, weswegen sie an der verzögerten Auszahlung der Provisionen Interesse gehabt hätten.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid vertritt die belangte Behörde im wesentlichen die Ansicht, die vom Beschwerdeführer bereits in den Streitjahren abgerechneten Provisionen von rund 3,143.000 S habe der Beschwerdeführer nicht wie erklärt im Jahr 1992, sondern in den Streitjahren bezogen. Zur Begründung führt die belangte Behörde aus, nach dem im Beschwerdefall anzuwendenden Handelsvertretergesetz 1921 (idF: HVG) werde nach dessen § 13 der Anspruch auf die Provision an dem Tag fällig, an dem nach der getroffenen Vereinbarung oder nach dem Gesetz die Abrechnung stattfinden solle. Da in den im Jänner 1989 abgeschlossenen Vereinbarungen bestimmt worden sei, daß die jeweilige Provision "jeweils im Jahr der Leistung" dem Geschäftsherrn in Rechnung gestellt werde, sei der Anspruch auf die jeweilige Provision nicht erst im Jahr 1992, sondern bereits mit der Abrechnung der jeweils erbrachten Leistung fällig geworden. Das Entstehen des jeweiligen Provisionsanspruches sei in den im Jänner 1989 abgeschlossenen Vereinbarungen nicht geregelt, weswegen nach § 6 HVG der Anspruch auf die jeweilige Provision mangels anderer Vereinbarung mit der Ausführung des Geschäftes als erworben und nach § 14 Abs 1 leg cit mit seiner Geltendmachung (Abrechnung) auch als fällig anzusehen sei. Für die Beurteilung der Frage, wann die bereits abgerechneten Provisionen dem Beschwerdeführer zugeflossen seien, sei entscheidend, in wessen Interesse nur Abrechnungen, jedoch keine Auszahlung von Beträgen vor dem Jahr 1992 erfolgen sollte. Aus den im Jänner 1989 abgeschlossenen Vereinbarungen seien nicht nur den Geschäftsherren Zinsvorteile erwachsen. Denn mit einem nach außen hin in Gestalt günstiger Vertretungs- und Provisionskonditionen in Erscheinung getretenen (verdeckten) Zinsanteil der in den Streitjahren entstandenen Forderungen seien die bei den Geschäftsherren entstandenen Zinsvorteile zum Teil an den Beschwerdeführer weitergegeben worden, worauf auch der Beschwerdeführer hinweise. Die vereinbarten Zahlungsmodalitäten seien daher zwar auch für die Geschäftsherren vorteilhaft, allerdings sei das Interesse des Beschwerdeführers an der verzögerten Auszahlung der bereits abgerechneten Provisionen zweifellos höher einzuschätzen. Daran vermöchten auch die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Denn auf welche Art und Weise durch die verzögerte Auszahlung der bereits abgerechneten Provisionen sichergestellt werden sollte, daß der Beschwerdeführer keine übereilten, für die Geschäftsherren nachteilige Abschlüsse tätige, sei nicht einsichtig und werde auch vom Beschwerdeführer nicht dargetan. Es wäre den Geschäftsherren beispielsweise freigestanden, dem Beschwerdeführer Auflagen zu erteilen oder bei für sie nachteiligen Abschlüssen die Zahlung von Provisionen zu verweigern. Das von den Geschäftsherren Ende des Jahres 1988 erworbene Grundstück sei am veräußert worden, weswegen ab diesem Zeitpunkt seitens der Geschäftsherren kein Grund für die verzögerte Auszahlung der Provisionen - etwa mangels Liquidität der Geschäftsherren - mehr vorhanden gewesen sei. Unbestritten sei, daß die bereits in den Streitjahren abgerechneten Provisionen dem Beschwerdeführer erst im Jahr 1992 zugeflossen seien. Nichtsdestoweniger habe der Beschwerdeführer über diese Provisionen bereits in den Streitjahren insofern verfügt, als deren Auszahlung mit seinem Einverständnis in das Jahr 1992 verschoben worden sei. In diesem Zusammenhang werde auf die Ausführungen des Beschwerdeführers im Zug der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen, wonach die bereits abgerechneten Provisionen nicht ausbezahlt worden seien, um es ihm so zu ermöglichen, für einen Großteil dieser Provisionen bei der zu erwartenden Ermittlung des Übergangsgewinnes im Jahr 1992 die Bestimmungen des § 37 EStG 1988 in Anspruch zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legt die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Gegensatz zu den Ausführungen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde ihre Entscheidung nicht auf den Mißbrauchstatbestand des § 22 BAO gestützt. Es erübrigt sich daher, auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, der Tatbestand des § 22 BAO sei in Ansehung der mit den Geschäftsherren im Jänner 1989 abgeschlossenen Vereinbarungen nicht verwirklicht worden, einzugehen.
Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren als Handelsvertreter tätig, weswegen im Beschwerdefall die Bestimmungen des HVG anzuwenden sind. Wie die belangte Behörde unter Hinweis auf § 13 HVG und den zwischen dem Beschwerdeführer und den Geschäftsherren im Jänner 1989 abgeschlossenen Vereinbarungen, in denen bestimmt worden ist, daß die jeweilige Provision "jeweils im Jahr der Leistung" den Geschäftsherren in Rechnung gestellt wird, zu Recht ausgeführt hat, ist der Anspruch auf die jeweilige Provision nicht erst im Jahr 1992, sondern bereits mit der Abrechnung der jeweils erbrachten Leistung fällig geworden. Der Beschwerdeführer hat die Provisionen vereinbarungsgemäß in Rechnung gestellt, weswegen diese iSd Ausführungen der belangten Behörde in den Streitjahren fällig geworden sind. Der Beschwerdeführer hat über die bereits fällig gewordenen Provisionen insofern verfügt, als er im Einvernehmen mit den Geschäftsherren die Auszahlung dieser Provisionen in das Jahr 1992 verschoben, somit gestundet hat, wobei in der Beschwerde nicht mehr in Abrede gestellt wird, daß diese Verschiebung im überwiegenden Interesse des Beschwerdeführers erfolgt ist.
Nach § 19 EStG sind Einnahmen dann als zugeflossen anzusehen, wenn der Empfänger über sie rechtlich und wirtschaftlich verfügen kann (vgl das hg Erkenntnis vom , 92/15/0048, mwA). Wird die Auszahlung eines fälligen Betrages auf Wunsch des Empfängers verschoben, obwohl der Schuldner zahlungswillig ist, dann verfügt der Empfänger damit über den Betrag. Dieser Betrag ist daher bereits in diesem Zeitpunkt und nicht erst mit der späteren Auszahlung zugeflossen (vgl Doralt, EStG3, § 19 Tz 23).
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie zur Ansicht gelangt ist, daß der Beschwerdeführer über die in den Streitjahren bereits abgerechneten und damit fällig gewordenen Provisionen iSd § 19 EStG 1988 nicht im Jahr 1992, sondern bereits in den Streitjahren rechtlich und wirtschaftlich verfügt hat.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.