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VwGH vom 29.09.1997, 97/17/0290

VwGH vom 29.09.1997, 97/17/0290

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der A KG, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/1-BE-498-6/22-95, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erhebung einer Berufung gegen einen Bescheid nach dem Niederösterreichischen Standortabgabegesetz 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Lichtenwörth vom wurde der Beschwerdeführerin eine Standortgabe in der Höhe von S 263.100,-- vorgeschrieben.

Der Bürgermeister der Marktgemeinde Lichtenwörth wies mit Bescheid vom die dagegen durch die S. GmbH erhobene Berufung zurück. Dieser an die S. GmbH gerichtete Bescheid wurde dem auch für die Beschwerdeführerin einschreitenden Rechtsanwalt am zugestellt. Am langte ein mit einer Berufung verbundener Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin bei der Marktgemeinde Lichtenwörth ein. In diesem wird zur Begründung des Antrages - soweit entscheidungswesentlich - vorgebracht:

"Nachdem bereits fünf im wesentlichen gleichlautende Bescheide gegen die S. GmbH als Abgabenschuldnerin mit fünf ebenso im wesentlichen gleichlautenden Berufungen durch die Kanzlei des Vertreters der S. GmbH bekämpft worden waren, wurde dem Vertreter der Einschreiterin von dieser am der Abgabenbescheid vom übermittelt, mit dem Auftrag, auch gegen diesen Berufung zu erheben.

Diese Berufung wurde vom Vertreter der Einschreiterin am selben Tag diktiert und nach Übertragung zur Unterschrift vorgelegt. Der Vertreter der Einschreiterin unterfertigte den Schriftsatz, bemerkte jedoch dann, daß dieser so wie bei allen bisherigen Berufungen namens der S. GmbH und nicht namens der Einschreiterin ausgestellt worden war. Er gab daraufhin der Sekretärin den Auftrag, die Berufung neuerlich namens der Einschreiterin auszudrucken, was diese auch tat. Anschließend wurde die Berufung vom Vertreter der Einschreiterin unterfertigt und der Sekretärin zur Abfertigung übergeben. Bei dieser Abfertigung wurde aber dann offenbar die vorerst irrtümlich unterfertigte Fassung zur Post gegeben.

Der im Handakt des Vertreters der Einschreiterin befindliche Kanzleidurchschlag weist als Berufungswerberin die Einschreiterin aus.

Die Sekretärin ist seit mehr als fünf Jahren in der Kanzlei des Vertreters der Einschreiterin beschäftigt; ein derartiger Irrtum ist ihr noch nie unterlaufen."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Lichtenwörth vom wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Einvernahme der Kanzleikraft unter Hinweis auf § 229 der Niederösterreichischen Abgabenordnung keine Folge gegeben. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Lichtenwörth vom , Zl. 151/1/1994, keine Folge gegeben und der Bescheid erster Instanz bestätigt. Die belangte Behörde wies mit ihrem Bescheid vom die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.

Mit Beschluß vom , B 2832/95-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Dieser hat über die - ergänzte - Beschwerde erwogen:

Gemäß § 229 Abs. 1 NÖ AO 1977 ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 86 bis 88) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.

Diese Bestimmung entspricht inhaltlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 83/17/0178, 0179, 0180, 0185) der Fassung des § 308 Abs. 1 BAO idF vor dem insoweit mit in Kraft getretenen BGBl. Nr. 312/1987, die der zuletzt genannten Bestimmung folgenden Satz hinzugefügt hat:

"Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 229 Abs. 1 NÖ AO 1977 etwa aus dem Grunde, daß er den zuletzt genannten Zusatz nicht aufweist, keine Bedenken (vgl. das zur gleichlautenden Bestimmung des § 240 Abs. 1 WAO ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/17/0074, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).

Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den insofern gleichartigen Bestimmungen des § 46 Abs. 1 VwGG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 564/1985, des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 idF vor der Novelle BGBl. Nr. 367/1990, des § 308 Abs. 1 BAO in der oben erwähnten Fassung sowie des § 167 Abs. 1 FinStrG idF vor dem zweiten Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 312, war eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon dann ausgeschlossen, wenn die Partei leichtes Verschulden an dem als Wiedereinsetzungsgrund behaupteten Sachverhalt traf. Eine schuldhafte Verletzung der die Partei treffenden Diligenzpflicht war daher schon bei leichter Fahrlässigkeit, also bei - allerdings subjektiver - Voraussehbarkeit der möglichen Säumnis anzunehmen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom , mwN). Gleiches gilt auch für die Bestimmung des § 229 Abs. 1 NÖ AO 1977. Ein Verschulden des für sie einschreitenden Rechtsanwaltes muß sich die Partei wie ein eigenes Verschulden anrechnen lassen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom ).

Entgegen den Beschwerdeausführungen ist das Ereignis, das im Hinblick auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund zu beurteilen ist, nicht allein im Handeln der Kanzleiangestellten des Rechtsfreundes der Beschwerdeführerin zu sehen. Die Kuvertierung und Absendung der unrichtigerweise namens der S. GmbH erhobenen anwaltlich unterfertigten Berufung wäre nämlich unterblieben, hätte der einschreitende Rechtsanwalt den zu verbessernden Schriftsatz eindeutig als solchen gekennzeichnet. Dem Vertreter der Beschwerdeführerin ist daher vorzuwerfen, nach Leistung seiner Unterschrift den von ihm als fehlerhaft erkannten Schriftsatz nicht vernichtet bzw. zur Gänze oder zumindest im Hinblick auf seine Unterschrift durchgestrichen zu haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Fehler durch die Kanzleiangestellte beim Kuvertieren für den Rechtsfreund der Beschwerdeführerin tatsächlich ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der erwähnten Bestimmung der Niederösterreichischen Abgabenordnung bildete, ist ihm doch die vorangegangene kausale Unterlassung jedenfalls als eigenes schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen.

Der vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfte Bescheid erweist sich somit als zumindest im Ergebnis zutreffend.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.