zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 23.04.1993, 92/17/0067

VwGH vom 23.04.1993, 92/17/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde 1. des FA und 2. der HA, beide in S und beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. MD/00/91567/91/5 (BBK/107/91), betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Verfahren wegen Kanalherstellungsbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom gab die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg dem Antrag der Beschwerdeführer vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist (gegen den Bescheid des Magistrates Salzburg vom ) gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht statt.

Nach der Begründung dieses Bescheides sei den Beschwerdeführern mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom ein Hauptkanalherstellungskostenbeitrag in näher bezeichneter Höhe vorgeschrieben worden. Dieser Bescheid sei den beiden Beschwerdeführern jeweils am zugestellt worden. Hinsichtlich der dadurch ausgelösten Berufungsfrist (Fristende ) sei in der Folge durch die beiden nunmehr anwaltlich vertretenen Einschreiter mit Schreiben vom ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid vom gestellt worden.

Wie es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiteres heißt, stütze sich der Antrag auf Wiedereinsetzung auf folgendes Vorbringen:

Das dem Kanalbeitragsvorschreibungsbescheid vom zugrundeliegende Grundstück sei mit Kaufvertrag vom an die Firma M-Gesellschaft m.b.H. verkauft worden. Die Einverleibung des Eigentumsrechtes sei in der Folge noch im Jahre 1990 erfolgt. Sämtliche den Verkäufern (Beschwerdeführern) noch zugehenden Poststücke seien umgehend an die Käuferin weitergeleitet worden, so auch am der Kanalbeitragsvorschreibungsbescheid vom . Die bei der Firma M-Gesellschaft m.b.H. die gesamte Post bearbeitende, erfahrene und äußerst zuverlässige Sekretärin habe den Beitragsbescheid (ebenso wie einen weiteren Beitragsbescheid) auf ihrem Schreibtisch an einen gesonderten Platz gegeben, da sie mit den Beschwerdeführern als den Bescheidadressaten in Verbindung treten wollte, um den genauen Zeitpunkt der Zustellung zwecks Berechnung der Frist zur Einbringung der Berufung in Erfahrung zu bringen. Die Sekretärin habe dann beabsichtigt, mit den Beschwerdeführern telefonisch in Verbindung zu treten. Dies sei ihr an diesem Tag nicht gelungen. Den gegenständlichen Kanalbeitragsvorschreibungsbescheid (sowie den weiteren diesbezüglichen Bescheid) habe sie auf ihrem Schreibtisch gesondert verwahrt liegen lassen und beabsichtigt, am nächsten Tag umgehend mit den Beschwerdeführern in Verbindung zu treten. Offensichtlich durch die Reinigungskraft sei im Zuge der Aufräum- und Putzarbeiten am Abend dieses Tages der gegenständliche (wie auch der zweite) Vorschreibungsbescheid versehentlich in das Fach für abzulegende Post (erledigte Akten) eingelegt worden. Die Sekretärin habe am nächsten Morgen die Bescheide nicht mehr auf ihrem Schreibtisch vorgefunden und sei - "dies war der weitere bedauerliche Irrtum in dieser Sache" - stillschweigend davon ausgegangen, daß die Bescheide von dem für Rechtsangelegenheiten zuständigen Mitarbeiter der Geschäftsführung Dr. L bereits zur weiteren Bearbeitung an sich genommen worden seien. Die Sekretärin sei dann davon ausgegangen, daß sie keine weiteren Tätigkeiten mehr zu unternehmen habe und die weitere Bearbeitung, insbesondere auch ein entsprechender Fristvormerk von Dr. L selbst erfolge. Erst im Zuge der Arbeiten zur Ablage erledigter Post- und Schriftstücke bzw. Akten sei in der Folge am nachmittags (Mittwoch) festgestellt worden, daß die Beitragsvorschreibungsbescheide zu den "abzulegenden" Schriftstücken gekommen seien (offensichtlich durch die Reinigungskraft). Auf Grund dieses bedauerlichen Irrtums sei die Wahrung der Frist zur Einbringung der Berufung durch ein für die Einschreiter unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis verhindert worden, wobei die im übrigen äußerst zuverlässige und erfahrene Sekretärin kein Verschulden treffe bzw., sofern ein Verschulden vorliegen sollte, dies äußerstenfalls als minderer Grad des Versehens anzusehen sei, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindere. Das Hindernis sei mit Auffinden der Bescheide in den abzulegenden Schriftstücken, somit per weggefallen, sodaß die Frist des § 71 Abs. 2 AVG gewahrt sei (bezogen auf den Wiedereinsetzungsantrag vom , zur Post gegeben am ).

Im Erwägungsteil der Begründung des angefochtenen Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde stimme im Ergebnis mit der Behörde erster Instanz überein, "daß die durch die Beschwerdeführer vorgenommene kommentarlose Weiterleitung ohne auf den Verpflichtungsbescheid bezughabende (konkrete) Absprachen oder Rücksprachen betr. die Frage der Gesetzmäßigkeit bzw. die Frage eines weiteren Vorgehens, insbesondere einer allfälligen Berufungserhebung zu treffen (vorzunehmen)" - auch im Hinblick auf eine bei nicht mit besonderen Rechtskenntnissen versehenen Person zu unterstellende erforderliche Sorgfaltspflicht - jedenfalls nicht mehr (nur) als minderer Grad des Versehens beurteilt werden könne. Auch nach Auffassung der belangten Behörde wäre es hier den Beschwerdeführern als Verpflichteten zugekommen, sich nach der Weiterleitung an die Käuferin ihrerseits (z.B. auch nur telefonisch) zu erkundigen, ob bzw. welche Schritte gegen den Verpflichtungsbescheid unternommen werden sollten, zumal für eine allfällige Berufungserhebung (auch) eine Vollmacht zu erteilen gewesen wäre (unter Hinweis auf den Umstand, daß es sich bei der Käuferin um eine juristische Person handle, sodaß diese auch keinesfalls aus dem Kaufvertrag habe legitimiert gewesen sein können, selbst namens der Verpflichteten Berufung einzubringen; daß eine auf eine physische Person für solche Fälle erteilte Vollmacht vorgelegen hätte, sei nicht einmal behauptet worden bzw. schreite der gegenständliche rechtsfreundliche Vertreter auch auf Grund einer offensichtlich "direkt" erteilten Vollmacht ein). Soweit - im Sinne des Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag - die Käuferin auf Grund des Kaufvertrages entsprechend einer vereinbarten bzw. geübten Vorgangsweise (im "inneren Verhältnis") allenfalls (doch) auf Grund eines Auftrages gehandelt haben sollte (das Vorliegen eines Auftrages zur Einbringung einer Berufung werde aber gar nicht behauptet), würde sich auch noch ein weiterer Umstand einer Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages entgegenstellen. Daran werden Begründungsdarlegungen über das im Wiedereinsetzungsantrag dargestellte Verhalten der Sekretärin angeschlossen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten, nämlich

"1. in ihrem gesetzlichen Recht, daß dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist Folge gegeben wird;

2. in ihrem gesetzlichen Recht, daß über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein ordnungsgemäßes, den Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze entsprechendes Verfahren durchgeführt wird;

3. in ihrem gesetzlichen Recht, daß der Berufung gegen den zugrundeliegenden Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom vollinhaltlich Folge gegeben wird;"

verletzt.

In der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, die Sekretärin habe die Bescheide "extra" aufgehoben, um mit den Beschwerdeführern Rücksprache betreffend das genaue Zustelldatum und den dadurch bedingten Fristvormerk zu machen. Durch bedauerliche Irrtümer in der Folge sei es dann zu einer Verlegung dieser Bescheide gekommen. Bei dieser Konstellation könne keinesfalls von einer auffallenden Sorglosigkeit und damit einem groben Verschulden gesprochen werden. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften enthält die Beschwerde weiters Darlegungen darüber, daß (hinsichtlich des Verhaltens der Sekretärin) von der belangten Behörde Vermutungen und Spekulationen aufgestellt würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 des gemäß § 14 Abs. 2 Anliegerleistungsgesetz, LGBl. Nr. 77/1976, anzuwendenden AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/17/0074, und vom , Zl. 84/11/0011) ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist.

Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof gestellten Prüfungsaufgabe kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag insbesondere nicht entnahm, daß die Beschwerdeführer die M-Gesellschaft m.b.H. bevollmächtigt hätte, als Parteienvertreterin (für die Beschwerdeführer) Verfahrenshandlungen zu setzen. Die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/11/0077), wonach ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen ist, vermag daher im Beschwerdefall - offenkundig entgegen der Meinung der Beschwerdeführer - nicht zum Tragen zu kommen. Mangels verfahrensrechtlicher Gleichstellung, wie sie sich für Partei und Parteienvertreter aus § 12 AVG ergibt (vgl. dazu insbesondere den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 9226/A), vermag daher ein in der Sphäre der M-Gesellschaft m.b.H. als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachtes "Ereignis" nicht - ohne weiteres - ein solches auch für die Beschwerdeführer darzustellen. Mit anderen Worten: In einem derartigen Fall hat der Wiedereinsetzungsgrund bei der Partei selbst vorzuliegen (vgl. dazu auch Walter, Die Wiedereinsetzung in der Bundesabgabenordnung im Lichte interner Prozeßrechtsvergleichung, ÖJZ 1961, 623). Es genügt nicht, wie dies im Verhältnis zwischen Partei und Parteienvertreter zutrifft, daß etwa ein Versehen einer Kanzleibediensteten FÜR einen Parteienvertreter und DAMIT für die von diesem vertretene Partei ein unvorhergesehenes (und unabwendbares) Ereignis darstellen kann (vgl. unter vielen nochmals den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom ).

Inwiefern nun das als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte "Ereignis" (Irrtum der Bediensteten der M-Gesellschaft m.b.H.) FÜR DIE BESCHWERDEFÜHRER ein unvorhergesehenes (oder unabwendbares) Ereignis darstellen soll, durch das sie (nämlich die Beschwerdeführer) verhindert gewesen wären, die Frist einzuhalten, so findet sich dazu - was die belangte Behörde zumindet im Ergebnis zutreffend erkannt hat - im Wiedereinsetzungsantrag keinerlei Hinweis.

War es damit aber den Beschwerdeführern nicht gelungen, glaubhaft zu machen, daß das geltend gemachte "Ereignis" überhaupt kausal für die Versäumung war, so hat schon aus diesem Grund die belangte Behörde dem Wiedereinsetzungsantrag mit Recht nicht stattgegeben. Derart hat es aber auch dahingestellt zu bleiben, ob die belangte Behörde rechtsrichtig vorging, wenn sie von einer den minderen Grad des Versehens übersteigenden Verletzung der Sorgfaltspflicht der Beschwerdeführer ausging. Das Gleiche hat für die (hilfsweisen) Begründungsdarlegungen hinsichtlich eines Organisationsverschuldens bei der M-Gesellschaft m.b.H. zu gelten, ohne daß auf das dahingehende Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Auf Grund des Gesagten wurden die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.