VwGH vom 27.01.1994, 92/15/0127
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der M in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom , Zl. 129-GA4BK-MRö/90, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielte im Streitjahr aus der Vermietung (eines Teiles) ihres Wohn- und Geschäftshauses Einkünfte im Sinne des § 28 EStG 1988, deren Höhe im Beschwerdefall insoweit strittig ist, als die Beschwerdeführerin den im angefochtenen Bescheid auf die Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung (AfA) angewendeten AfA-Satz von 1,5 % nicht für ausreichend erachtet. Unbestritten ist, daß das in den Jahren 1957 bis 1958 errichtete Mietobjekt an der starken Verkehr aufweisenden Bundesstraße liegt. Vor dem Haus befindet sich ein Gehsteig von ca. 3 m Breite, im Ortsgebiet gilt eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h. Die Kellerwände sind aus massivem Beton, für die Erdgeschoß- und Obergeschoßwände wurden Betonhohlblockziegel verwendet. Die Hausdecken wurden als Fertigteildecken errichtet. Gegenstand des Mietvertrages ist das Erdgeschoß, in dessen Räumlichkeiten im Streitjahr eine Fleischhauerei betrieben wurde.
Die Beschwerdeführerin brachte im Verwaltungsverfahren zwei Gutachten von Baumeistern bei. Im ersten wurde ausgehend davon, daß durch den täglich äußerst starken Verkehr von schweren Lastfahrzeugen der Bauzustand des Gebäudes schwer betroffen sei, die Restnutzungsdauer des Gebäudes mit höchstens vierzig Jahren geschätzt; im zweiten ist davon die Rede, daß beim Vorbeifahren der schweren LKW das gesamte Gebäude erschüttert werde, wodurch das Erscheinungsbild eines schwachen Erdbebens entstehe. Bei der schon geschilderten Bauweise sei "in Hinkunft das Auftreten von Rissen in den Decken und Wänden mit großer Sicherheit" zu erwarten. Außerdem werde das Gebäude durch den von vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen gegen das Gebäude geschleuderten Schnee durchnässt. Aus diesen Gründen erscheine eine Restnutzungsdauer des Mietobjektes von zwanzig Jahren angemessen.
Aktenkundig ist weiters, daß bei dem Gebäude zwei Großsanierungen durchgeführt wurden, wobei "schon vorausschauend disponiert" wurde, um das Gebäude vor Nässe und Abgasen bestmöglich zu schützen.
In der Verhandlung vor der belangten Behörde stützte sich der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin auf eingetretene bzw. drohende Schäden durch die vom Schwerverkehr ausgehenden Erschütterungen (Haarrisse) und auf Spritzwasserschäden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab; dies nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe der maßgebenden Rechtsvorschriften im wesentlichen mit der Begründung, daß die von den Sachverständigen angeführten Gründe eine geringere Nutzungsdauer des Gebäudes, als sie in § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 unterstellt werde, nicht als wahrscheinlich erscheinen ließen. Keiner der Sachverständigen habe nach Besichtigung des Gebäudes schwerwiegende Mängel desselben feststellen können. Daß in Hinkunft derartige Schäden auftreten könnten, reiche als Nachweis für eine kürzere als die vom Gesetz unterstellte Zeit der Gebäudenutzung nicht aus. Erschütterungen eines Gebäudes durch den Straßenverkehr seien nämlich ebensowenig außergewöhnlich wie das Bespritzen von Gebäuden mit Schneematsch durch vorbeifahrende Kraftfahrzeuge.
Mit Beschluß vom lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der Rechtswidrigkeit (des Inhaltes) geltend machenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Anerkennung einer jährlichen AfA für das Streitjahr von über 1,5 % von der Bemessungsgrundlage des Gebäudes (nämlich von 4 %) verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, können nach der erstmals bei der Veranlagung für das Jahr 1989 anzuwendenden Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 % der Bemessungsgrundlage (lit. a bis d leg. cit) als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber vermutet daher bei Gebäuden, die der Vermietung und Verpachtung dienen, eine Nutzungsdauer von 66,6 Jahren. Die Beweislast für eine kürzere Nutzungsdauer trifft den eine solche Behauptung aufstellenden Steuerpflichtigen (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/14/0169, in welchem der Gerichtshof auch ausgesprochen hat, daß Bedenken an der Vereinbarkeit dieser Rechtslage mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht bestehen).
Unter betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes ist die Dauer seiner technischen und wirtschaftlichen Nutzbarkeit zu verstehen. Die technische Abnutzung ist der materielle Verschleiß des Wirtschaftsgutes, sein Substanzverzehr. Als wirtschaftliche Abnutzung wird die Verminderung oder das Aufhören der Verwendungsmöglichkeit des Wirtschaftsgutes für den Steuerpflichtigen bezeichnet. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes (und damit die Höhe des AfA-Satzes) kann regelmäßig nur geschätzt werden. Eine solche Schätzung obliegt grundsätzlich dem Abgabepflichtigen, der in aller Regel über einen besseren Einblick als die Abgabenbehörde verfügt, wie lange sich das von ihm angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut nach seinen Verhältnissen nutzen läßt. Die Abgabenbehörde ist allerdings befugt, die Schätzung des Abgabepflichtigen zu überprüfen und von ihr abzuweichen, wenn sie sich als unzutreffend erweist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/14/0141).
Während für die Gesamtnutzungsdauer eines neu errichteten Wohngebäudes in erster Linie die Bauweise maßgebend ist, hängt die Restnutzungsdauer eines erworbenen Gebäudes vornehmlich vom Bauzustand im Zeitpunkt des Erwerbes ab; hiebei ist auch auf Beeinträchtigungen aus verschiedensten Ursachen und auf die Vernachlässigung der notwendigen Erhaltungsarbeiten Bedacht zu nehmen (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/13/0119). Die Lage an einer verkehrsreichen Straße stellt keinen Umstand dar, auf Grund dessen eine kürzere als die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Gebäudes angenommen werden müßte; als solche Umstände kämen aber z.B. schlechter Bauzustand, schlechte Bauausführungen oder besondere statische Probleme in Betracht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/13/0064).
Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes richtet sich nicht nach dem Zeitraum der voraussichtlichen Benutzung durch den jeweiligen Besitzer oder nach anderen subjektiven Erwägungen, sondern nach der objektiven Möglichkeit einer Nutzung des Wirtschaftsgutes (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/14/0081).
Für die Schätzung der betriebsgewöhlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes können Erfahrungswerte herangezogen werden, wobei sich auch eine 100-jährige Gesamtnutzungsdauer durchaus im Rahmen dieser Erfahrungswerte halten kann (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/13/0073, mwN).
Im vorliegenden Fall stellt das erste der beiden von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren beigebrachten Sachverständigengutachten vom schon deswegen keinen geeigneten Nachweis für eine kürzere als die im Gesetz unterstellte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Gebäuden dar, weil der Sachverständige in seinem Gutachten selbst von einer "Restnutzungsdauer von höchstens 40 Jahren" spricht, woraus sich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes der Beschwerdeführerin in den Jahren 1957 und 1958 keine Unterschreitung der mit dem AfA-Satz von 1,5 % vom Gesetz unterstellten Nutzungsdauer von Gebäuden ergibt.
Das zweite von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren beigebrachte Sachverständigengutachten vom stützt den Schluß auf eine verbleibende Restnutzungsdauer des Gebäudes von 20 Jahren einzig auf das durch das Vorbeifahren von schweren LKW zu BESORGENDE Auftreten von Rissen in den Decken und Wänden des Gebäudes und auf die durch Spritzwasser von Kraftfahrzeugen bewirkte Gebäudedurchnässung. Diese beiden Umstände lassen aber angesichts der schon erwähnten Bauweise des Gebäudes, von zwei Großsanierungen und mangels jeglicher Anhaltspunkte für eine besondere Anfälligkeit des Gebäudes gegenüber den ins Treffen geführten Gefahren (wie etwa das Vorhandensein nicht standsicherer Fundamente im Hinblick auf die verkehrsbedingten Erschütterungen und das Fehlen von Betonschutz im Hinblick auf Spritzwasser) bzw. schon eingetretene Gebäudeschäden die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes sei nicht kürzer als im Regelfall zu schätzen, als durchaus schlüssig erscheinen.
Daß die aus der Gebäudevermietung erzielten Einkünfte der Beschwerdeführerin aus Vermietung und Verpachtung nicht durch die gewerbliche Betätigung des Mieters zu betrieblichen (gewerblichen) Einkünften wurden, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Da sohin der angefochtene Bescheid frei von der ihm zu Last gelegten Rechtswidrigkeit des Inhaltes ist und auch kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.