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VwGH vom 21.10.1993, 92/15/0100

VwGH vom 21.10.1993, 92/15/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 458-2/92, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Umsatzsteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die in der Kanzlei eines Wirtschaftstreuhänders verfaßte und vom Beschwerdeführer selbst unterschriebene, beim Finanzamt Bregenz am eingegangene Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1989 weist keine steuerpflichtigen Umsätze, wohl aber abziehbare Vorsteuern in Höhe von S 25.242,-- aus. Weder in dieser Erklärung noch zuvor hatte der Beschwerdeführer den Antrag auf Regelbesteuerung gemäß § 21 Abs. 8 UStG gestellt.

Mit Schriftsatz vom stellte der durch den Wirtschaftstreuhänder vertretene Beschwerdeführer "gem.

§ 308 BAO den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend den Antrag auf Regelbesteuerung gem. § 21 Abs. 8 UStG für das Veranlagungsjahr 1989"; dies sinngemäß mit der Begründung, die Frist zur Stellung des Antrages auf Regelbesteuerung bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres sei durch ein Versehen einer namentlich genannten, sonst sehr verläßlichen und selbständig arbeitenden Dienstnehmerin des Wirtschaftstreuhänders versäumt worden. Der Wirtschaftstreuhänder habe seine Kanzleiangestellte aber noch vor Einreichung der Abgabenerklärung auf die Notwendigkeit zur Stellung eines Antrages auf Regelbesteuerung gemäß § 21 Abs. 8 UStG hingewiesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei innerhalb eines Monats ab Bekanntwerden der Fristversäumung und somit rechtzeitig gestellt worden. Zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde der bis dahin versäumte Antrag auf Regelbesteuerung gemäß § 21 Abs. 8 UStG gestellt.

Nach Einvernahme der Kanzleiangestellten wies das Finanzamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bescheidmäßig ab.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde zunächst vom Finanzamt mittels Berufungsvorentscheidung und - nach rechtzeitiger Stellung des Antrages auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz - nunmehr durch die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid abgewiesen. Der letztangeführte Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß mit dem vom Wirtschaftstreuhänder seiner Kanzleiangestellten anläßlich der Verfassung der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1989 erteilten Auftrag, "mit der Einreichung der

Umsatzsteuererklärung ... für 1989 auch noch den

Regelbesteuerungsantrag fristgerecht und somit vor Ablauf des Jahres 1991 zu stellen", für den Beschwerdeführer noch nichts gewonnen sei, weil dessen Vertreter auch durch eine entsprechende Kontrolle dafür hätte vorsorgen müssen, "daß die Weisung bezüglich der fristgerechten Stellung des Regelbesteuerungsantrages auch tatsächlich befolgt wird". Derartiges sei aber im Berufungsverfahren nicht substantiiert behauptet worden. Es sei vielmehr im Berufungsverfahren zugestanden worden, daß der Wirtschaftstreuhänder die Ausführung seines Auftrages "wegen Arbeitsüberlastung" nicht überwacht habe. Das vom Wirtschaftstreuhänder offengelegte Organisationsschema seiner Kanzlei und Organigramm gewährleiste offensichtlich nicht die Wahrung von Fristen im Zusammenhang mit der Stellung von Regelbesteuerungsanträgen. Da somit das Kontrollsystem des Wirtschaftstreuhänders in bezug auf die Wahrung von Fristen zur Stellung von Regelbesteuerungsanträgen mangelhaft sei, liege ein über einen bloß minderen Grad des Versehens hinausgehendes Überwachungsverschulden des Parteienvertreters vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages auf Regelbesteuerung für das Jahr 1989" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Voranzuschicken ist, daß auch die Frist zur Einreichung einer Erklärung gemäß § 21 Abs. 8 UStG im Sinne des § 310 Abs. 3 zweiter Satz BAO idF der Novelle BGBl. Nr. 151/1980 einer Wiedereinsetzung zugänglich ist.

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die zitierte Vorschrift entspricht inhaltlich § 46 VwGG; die für die Auslegung dieser Vorschrift in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätze können daher auch hier zur Anwendung kommen.

Ein Verschulden der Partei an der Fristversäumung, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd §§ 1324, 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während das Verschulden eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Parteienvertreters dem Verschulden der Partei oder des bevollmächtigten Parteienvertreters nicht gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines Kanzleibediensteten stellt für den Parteienvertreter und damit für die von ihm vertretene Partei dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO dar, wenn der Parteienvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibediensteten nachgekommen ist.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen, weil die Fristversäumnis nicht nur auf einem Verschulden der mit der Verfassung der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1989 befaßt gewesenen Kanzleiangestellten des Wirtschaftstreuhänders beruhe, sondern letzteren selbst auch ein nicht als minderer Grad des Versehens zu qualifizierendes Verschulden treffe, das sich der Beschwerdeführer zurechnen lassen müsse.

Nach gefestigter Rechtsprechung hat ein berufsmäßiger Parteienvertreter die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, daß auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozeßhandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln oder von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, gesichert erscheint. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Das, was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht vorgenommen hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten. Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung des oben genannten Zieles nicht gewährleistet ist, ist das Kontrollsystem in diesem Sinne unzureichend oder hat der Antragsteller das Bestehen einer solchen Aufsichtspflicht überhaupt nicht erkannt, kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung gehört es zu den Organisationserfordernissen, daß in einer Kanzlei eines berufsmäßigen Parteienvertreters eine Endkontrolle stattfindet, die sicherstellt, daß fristwahrende Schriftsätze tatsächlich gefertigt und abgesandt werden. Für diese Ausgangskontrolle ist ein FRISTENKALENDER unabdingbar, in dem das Fristende vermerkt und diese Fristeintragung erst gestrichen wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist. Nur bei einer solchen Handhabung kann die Eintragung im Fristenkalender ihren Sicherungszweck erfüllen. Eine derartige End- oder Ausgangskontrolle gehört zu den Organisationserfordernissen, die zur Vermeidung von Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen unumgänglich sind (vgl. zu allen wiedergegebenen Rechtssätzen bspw. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 90/16/0197, 0229, und die dort zitierten Vorentscheidungen).

Der Beschwerdeführer gesteht in seiner Beschwerde zu, daß sein steuerlicher Vertreter nach Kontrolle der von seiner Kanzleiangestellten verfaßten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1989 nicht überprüft hat, ob dem von ihm dieser Kanzleiangestellten erteilten Auftrag zur Stellung eines Antrages gemäß § 21 Abs. 8 UStG fristgerecht entsprochen worden ist. Der Beschwerdeführer meint, eine solche Überprüfung sei seinem steuerlichen Vertreter wegen dessen großer Arbeitsbelastung (nicht ArbeitsÜBERlastung) nicht zumutbar gewesen, zumal die der Kanzleiangestellten aufgetragene Ergänzung durch Anbringung eines einfachen Passus hätte bewirkt werden können. Im übrigen führe sein steuerlicher Vertreter ebenso wie jeder Sachbearbeiter seiner Kanzlei einen Fristenkalender.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt erkannt, daß ein berufsmäßiger Parteienvertreter seine ihm zumutbare Überwachungspflicht gegenüber Kanzleiangestellten auch dann verletzt, wenn er ein in einem wesentlichen Punkt noch zu verbesserndes Original vor Durchführung der Korrektur unterfertigt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/04/0313, und den dort zitierten hg. Beschluß vom , Zl. 85/06/0003). Keine andere Überwachungspflicht des berufsmäßigen Parteienvertreters kann für den der vorliegenden Beschwerde zugrundeliegenden Fall gelten, daß nicht der berufsmäßige Parteienvertreter, sondern der Steuerpflichtige die von ersterem an ihn weitergeleitete Abgabenerklärung unterfertigt. Ist dies beabsichtigt, so obliegt es dem berufsmäßigen Parteienvertreter, eine von seinem Kanzleiangestellten verfaßte, aber in einem wesentlichen Punkt noch zu verbessernde Abgabenerklärung vor der Weiterleitung an den Steuerpflichtigen noch selbst einer Endkorrektur zu unterwerfen, widrigenfalls er seine ihm zumutbare Überwachungspflicht gröblich verletzt. Die Notwendigkeit zu einer solchen Endkorrektur ergibt sich bei in Abgabenerklärungen oder außerhalb solcher binnen bestimmter Frist zu stellender Anträge auch dann, wenn die Antragstellung an sich einfach ist.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Führung von Fristenkalendern durch seinen steuerlichen Vertreter und durch seine Kanzleiangestellten beruft, handelt es sich um ein erstmaliges Tatsachenvorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welches im Hinblick auf das dort geltende Neuerungsverbot unbeachtlich ist.

Da somit dem angefochtenen Bescheid weder die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch auch ein wesentlicher Verfahrensmangel anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.