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VwGH vom 03.11.1992, 92/14/0147

VwGH vom 03.11.1992, 92/14/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des H in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I) vom , Zl. 114/2-6/92, betreffend Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war für die administrativen Angelegenheiten zuständiger Geschäftsführer einer Reinigungs-GmbH. Auf Grund der Aufzeichnungen der Gesellschaft wurden in einer beauftragten Steuerberatungskanzlei die Umsatzsteuervorauszahlungen errechnet und die Erlagscheine samt (auf der Rückseite befindlichen) Umsatzsteuervoranmeldungen ausgefüllt, welche in der Regel der Beschwerdeführer zur Bank brachte. Am wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Danach stellte sich heraus, daß für bestimmte Zeiträume die Entrichtung von Umsatzsteuer und Lohnabgaben, deren Höhe dem Finanzamt nicht bekanntgegeben worden waren, unterblieben ist.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem durch diesen bestätigten Erkenntnis des Spruchsenates wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Geschäftsführer der GmbH im Bereich des Finanzamtes K in der Zeit von August bis November 1990 und Jänner bis März 1991 Umsatzsteuervorauszahlungen in der Höhe von S 473.211,-- sowie in der Zeit von September bis Dezember 1990 und März bis Mai 1991 kumulierte Lohnabgaben in der Höhe von S 86.476,-- nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet. Er habe hiedurch eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 50.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 25 Tage) verhängt.

Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, nicht wegen eines solchen Finanzvergehens bestraft zu werden, verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, "wegen unzureichend genauer Bezeichnung der zur Last gelegten Tat im Spruch und wegen Verfahrensmängeln" aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer rügt die Tatzeitumschreibung im von der belangten Behörde bestätigten Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ("in der Zeit von August 1990 bis ..."). Der gebrauchten Formulierung entsprachen zwar die von der belangten Behörde übernommenen Feststellungen der Erstbehörde, die Bank der Gesellschaft habe wegen deren finanzieller Schwierigkeiten und Kontoüberziehungen ab August 1990 Überweisungen nicht mehr durchgeführt, in den jeweiligen Zeiten ab August 1990 seien Abgaben nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet worden. Allerdings sind diese Feststellungen - wie der Beschwerdeführer schon in seiner Berufung vorbrachte - aktenwidrig, da es sich nach der gesamten Aktenlage (vgl. etwa den Bescheid über die Einleitung des Strafverfahrens und die Aufstellung der nicht entrichteten Abgaben) um FÜR die betreffenden Zeiträume zu entrichtende Abgaben handelte, wie auch die belangte Behörde in der Gegenschrift einräumt. Daß dies aus dem Einleitungsbescheid, auf welchen nunmehr in der Gegenschrift verwiesen wird, klar hervorgeht, ändert nichts daran, daß der angefochtene Bescheid unzutreffende Tatzeitangaben enthält. Indem die belangte Behörde somit Voranmeldungs- bzw. Lohnzahlungszeiträume (durch deren Angabe die Tat eindeutig umschrieben hätte werden können) mit den Fälligkeitsmonaten (vgl. § 21 Abs. 1 UStG,§ 79 Abs. 1 EStG 1988,§ 43 Abs. 1 FLAG) verwechselte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet. Dieser ist wegen der Notwendigkeit genauer zeitlicher Zuordnung der den Gegenstand des Strafverfahrens bildenden nicht entrichteten Selbstbemessungsabgaben und der Gefahr einer Doppelbestrafung wesentlich.

Im übrigen stimmt mit einem Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum August 1990 und einem Lohnzahlungszeitraum September 1990 (wofür jeweils erstmals Zahlungen ausblieben) im Hinblick auf die jeweiligen Fälligkeiten überein, daß nach dem unwiderlegten Berufungsvorbringen die Hausbank der Gesellschaft Überweisungen ab Oktober 1990 nicht mehr durchführte. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr von einer erstmaligen Verweigerung der Durchführung von Überweisungen durch die Bank im November 1990 spricht, setzt er sich mit seinem eigenen Vorbringen im Verwaltungsverfahren in Widerspruch.

2. Der Beschwerdeführer behauptet, die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages sei weder richtig noch nachvollziehbar. Es trifft zu, daß der im Einleitungsbescheid (und in der aktenkundigen Aufstellung über die Errechnung des strafbestimmenden Wertbetrages) aufscheinende Umsatzsteuerbetrag von S 573.211,-- im erstinstanzlichen Straferkenntnis um S 100.000,-- reduziert wurde. Offenbar handelte es sich hiebei um eine Reaktion auf den Antrag des Beschwerdeführers, den Konkursakt zum Beweis einer nicht detaillierten Differenz zur Konkursanmeldung des Finanzamtes beizuschaffen, bzw. auf eine diesbezügliche (unbelegte und unklare) Aussage des Bruders des Beschwerdeführers. Zur Aufnahme von Erkundungsbeweisen wäre die belangte Behörde aber ohnehin nicht verpflichtet gewesen. Durch die allenfalls unbegründete Herabsetzung des strafbestimmenden Wertbetrages ist der Beschwerdeführer in seinen Rechten jedoch nicht verletzt worden.

Daß eine Aufschlüsselung der nicht entrichteten Abgaben im angefochtenen Bescheid nicht enthalten ist, vermag einen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentlichen Verfahrensmangel nicht zu begründen, weil in der Beschwerde nicht aufgezeigt wird, welcher andere Wertbetrag richtig wäre; dies, obwohl dem Beschwerdeführer die Höhe der einzelnen Beträge aus den nach Konkurseröffnung nachgereichten Voranmeldungen und aus den Kontonachrichten des Finanzamtes bekannt sein mußte.

3. Der Beschwerdeführer bestreitet vorsätzliches Handeln in Hinblick auf seine nach Rücklangen der ohne Vorwarnung von der Bank nicht mehr durchgeführten Überweisungen unternommenen Bemühungen, die künftige Bankfinanzierung sicherzustellen.

Den Tatbestand einer Finanzordnungswidrigkeit erfüllt nur vorsätzliches Handeln im Sinne des § 8 Abs. 1 FinStrG, wobei allerdings bedingter Vorsatz (letzter Halbsatz dieser Gesetzesstelle) hinreicht (vgl. Fellner, Kommentar zum FinStrG, § 49 Anm. 23, sowie das hg. Erkenntnis vom , 81/14/0062). Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlußfolgerungen als Ausfluß der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 90/13/0279).

Im Rahmen der ihm insoweit zustehenden Kontrollbefugnis (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seiten 548 ff) kann der Verwaltungsgerichtshof aber nicht finden, daß die belangte Behörde wegen der vom Beschwerdeführer geführten, schließlich gescheiterten Finanzierungsgespräche Vorsatz hätte verneinen müssen. Vor erfolgreichem Abschluß dieser Gespräche durch eine Zusage von Entscheidungsträgern der Bank konnte der Beschwerdeführer selbst im Falle günstiger Prognosen des Bankbetreuers der Gesellschaft nicht annehmen, daß die Bank Überweisungen wieder durchführen würde. Gegenteiliges ist im Beweisverfahren nicht hervorgekommen. Vielmehr hat der Bankbetreuer ausgesagt, wegen Überschreitung des Kreditrahmens seien die Überweisungen eingestellt und der Sammelauftrag zurückgeschickt worden; der vom Beschwerdeführer unterschriebene Blankokreditvertrag sei keine (neue) Kreditzusage gewesen; die Bank habe monatelang auf die geforderte Bilanz warten müssen und nach deren Vorlage eine Kreditgewährung schließlich abgelehnt.

Der Beschwerdeführer mußte jedenfalls aus dem erstmaligen Rücklangen nicht durchgeführter Überweisungen erkennen, daß die Abgabenentrichtung im Überweisungswege in Hinkunft nicht mehr erfolgen würde. Es war daher hinsichtlich danach liegender Abgabenfälligkeiten nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde die zumindest bedingt vorsätzliche Nichtentrichtung von Selbstbemessungsabgaben bejahte.

Daß die Höhe der geschuldeten Beträge dem Finanzamt - gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG strafbefreiend - fristgerecht bekanntgegeben worden wäre, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Ob ihn an dieser Unterlassung Verschulden trifft, ist irrelevant, weil sich der in der genannten Bestimmung geforderte Vorsatz (bloß) auf die tatbildmäßig relevante Versäumung des Termins für die Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben richten muß (vgl. Fellner a.a.O., sowie das hg. Erkenntnis vom , 87/15/0062).

4. Was hingegen die erstmalige Nichtentrichtung betrifft, so hat sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen, der Kreditrahmen sei auch schon vor Oktober 1990 überschritten worden, ohne daß die Bank Überweisungen nicht durchgeführt hätte, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Geht man nämlich von der Richtigkeit dieser Behauptung aus, so wäre die Annahme (bedingt) vorsätzlicher Nichtentrichtung der im Oktober 1990 fälligen Abgaben (Umsatzsteuer für August 1990, Lohnabgaben für September 1990) nicht schlüssig. Der Beschwerdeführer wäre dann nämlich - auch wenn ihm die finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft grundsätzlich bekannt waren - durch die erstmalige Nichtdurchführung von Abgabenüberweisungen überrascht worden. In diesem Zusammenhang wäre zu bedenken, daß selbst bedingter Vorsatz eine (die Abgabenverkürzung in Kauf nehmende) zielgerichtete subjektive Einstellung des Täters voraussetzt; bloßer Unbedacht und Leichtsinn reichen für die Annahme bedingten Vorsatzes nicht hin (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0064).

Daß der Beschwerdeführer nachträglich durch die Rücksendung von Belegen von der Nichtentrichtung der Abgaben Kenntnis erlangte, würde ihm nicht schaden, weil ein dolus superveniens, der bei Dauerdelikten relevant sein könnte, bei der gegenständlichen Finanzordnungswidrigkeit zu keiner Strafbarkeit führt (vgl. Fellner a.a.O., sowie das hg. Erkenntnis vom , 87/15/0062). Den Sachverhalten, die den von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierten Erkenntnissen vom , 81/14/0062, und vom , 82/14/0326, zugrunde lagen, ist der Beschwerdefall in wesentlichen Punkten nicht gleichgelagert.

Der angefochtene Bescheid war somit aus den zu 1. und 4. genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand der Ersatz von Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden kann (vgl. Dolp a.a.O., Seiten 686 f).