VwGH vom 19.11.1998, 97/15/0100
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Steiermark gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B L6-8/96, betreffend Einkommensteuer 1993 (mitbeteiligte Partei: P, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist als Beamter im Bereich eines Landesinvalidenamtes tätig. Im Streitjahr 1993 erzielte er aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zudem erhielt er im Streitjahr als zweiter Vorsitzender des Landesvorstandes der BVA als Funktionsgebühren deklarierte Einnahmen von brutto 91.000 S und aufgrund einer Funktion bei der Gewerkschaft öffentlicher Dienst solche von brutto 81.060 S. Als Beilage zur Einkommensteuererklärung legte er eine Liste diverser Ausgaben im Gesamtbetrag von 31.142,80 S vor, die nach seinen Angaben im Zusammenhang mit der Tätigkeit als "Vorsitzendenstellvertreter" der Gewerkschaft stünden und als Werbungskosten zu berücksichtigen seien.
Die genannte Liste enthält 103 Positionen, die betragsmäßig zwischen 20 S 3.2. Kaffe Fachausschuß") und 852 S 1.6. Einl. Koll. Pichler") liegen, bei nachstehenden Positionen aber den Betrag von 1.000 S übersteigen:
"19.1 Einl. Bundessektionsl. Bef 3.611 S
5.3. Einl.v. Kollegen Schimeistersch. Arbeitsmarktverw. 1.739 S
27.10. Einl. Koll. BVA 5.455 S
10.12. Einl. Führungskräfte LAA 1.567 S
27.12. Abogebühr Steirerkrone 1.881 S"
UA sind in der Liste folgende Positionen aufzufinden:
"19.2. Einl. Büro Faschingsdienstag 199,80 S
13.4. Einl. Koll. Pirker, Zugfahrt Wien-Bruck, 130 S
19.4. Einl. Geburtstagsfeier Büro 226,50 S
19.4. Zuschuß Geburt Fr. Weingartmann 50 S
6.5. Zuschuß f. Prof. Maturatreff. 200 S
15.5. Maturajub. Einl. d. Prof. 100 S
7.7. Süßigkeiten f. Tochter v. Sekret. Arbesleitner 180 S
16.9. Spende Kaffekasse Gewerkschaft 50 S
25.11. Spende f. Maturakr. Schulschw. 200 S
2.12. Spende Maturakr. Pestalozzi 200 S
3.12. Krampusgesch. f. Büro 57 S"
Bei Erlassung des Einkommensteuerbescheides anerkannte das Finanzamt diese auf der Liste angeführten Ausgaben nicht als Werbungskosten. Aufwendungen für Spenden, Bewirtung, Repräsentation und dergleichen seien gemäß § 20 EStG keine Werbungskosten.
Der Mitbeteiligte berief. Die Ausgaben seien Zahlungen iSd § 20 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988. Sie seien im Zuge der Gewerkschaftstätigkeit bei verschiedenen Veranstaltungen für die von ihm zu vertretenden Kolleginnen und Kollegen getätigt worden.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung, in welcher auf das Abzugsverbot des § 20 EStG verwiesen wurde, stellte der Mitbeteiligte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und anerkannte die Ausgaben als Werbungskosten im Rahmen der sonstigen Einkünfte nach § 29 Z. 4 EStG 1988. Zur Begründung wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, die Ausgaben stünden überwiegend mit der Personalvertretungsfunktion des Mitbeteiligten in Zusammenhang, die wiederum die Voraussetzung für die Erlangung bzw Beibehaltung der Gewerkschaftsfunktion sei; die Ausgaben seien dem Mitbeteiligten daher zwangsläufig erwachsen. Die weitaus überwiegende berufliche Veranlassung ergebe sich vor allem daraus, daß für die Wiederwahl in die Funktion als Personalvertreter - und in der Folge als Gewerkschaftsfunktionär - ein "splendides" Verhalten bei diversen Veranstaltungen und Anlässen erforderlich sei und erwartet werde.
Über die gegen diesen Bescheid vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Werbungskosten sind Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen (§ 16 Abs. 1 EStG 1988).
Gemäß § 20 Abs. 1 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
"2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen
...
3. Repräsentationsaufwendungen oder Repräsentationsausgaben. Darunter fallen auch Aufwendungen oder Ausgaben anläßlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden, außer der Steuerpflichtige weist nach, daß die Bewirtung der Werbung dient und die betriebliche oder berufliche Veranlassung weitaus überwiegt. ..."
Wenn sich der Mitbeteiligte etwa am offenkundig im Rahmen eines Maturajubiläums durch die Einladung von Professoren mit 100 S verausgabt hat oder wenn er sich am 7. Juli jenes Jahres durch Süßigkeitsspenden "splendid" gegeben hat, ist nicht zu erkennen, daß ein solches Verhalten unterblieben wäre, hätte er nicht die entsprechende Gewerkschaftsfunktion ausgeübt. Ein Zusammenhang zwischen den genannten Ausgaben und den Einkünften des Beschwerdeführers ist nicht auszumachen.
Hinsichtlich vieler anderer der geltend gemachten Ausgaben kann der Mitbeteiligte demgegenüber darauf verweisen, daß er sie im Hinblick auf seine gewerkschaftliche Funktion und für deren Erhaltung getätigt habe. Sie haben nämlich in Spenden für Kaffee, zu Geburtstagsfeiern und anderen Anlässen sowie Ausgaben für Einladungen bestanden und den Kollegenkreis und damit den Kreis der potentiellen Wähler betroffen.
Der Mitbeteiligte bringt hiezu in der Gegenschrift vor, er wäre nicht als Funktionär gewählt worden, wenn er niemals jemanden eingeladen hätte, nie Kaffeespenden gemacht oder sich an den Kosten von Geschenken bzw von Feiern beteiligt hätte. Dabei gehe es aber nicht um Geld, sondern darum, den Kollegen zu zeigen, daß eine Verbundenheit in Gemeinschaftlichkeit und Solidarität bestehe.
Der Mitbeteiligte bringt in seiner Gegenschrift zum Ausdruck, daß Wählerstimmen nicht "gekauft" werden könnten, es sohin nicht um den materiellen Wert der Spenden und Einladungen gegangen sei. Die belangte Behörde geht nicht von einer gegenteiligen Sachverhaltsannahme aus. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen anspricht, so meint sie damit offenkundig, daß diese Aufwendungen die emotionale Verbundenheit zwischen dem Mitbeteiligten als Personalvertreter und Gewerkschafter einerseits und dem Personal andererseits herbeiführen oder bestärken sollte. In diesem Sinne verweist der Mitbeteiligte in seiner Gegenschrift auf die Gemeinschaftlichkeit und die Solidarität. Solche Werte können aber, wie dies die allgemeine Lebenserfahrung zeigt, nicht durch einseitige Einladungen und Geschenke herbeigeführt werden, wiewohl Einladungen und Gegeneinladungen - eingebettet in einen größeren Zusammenhang - durchaus zu ihrem Entstehen beitragen können. Allein, es ist nicht erkennbar, wie der über die bezogenen Vorteile hinausgehende Aufwand des einzelnen an der Entwicklung von Gemeinschaftlichkeit und Solidarität für steuerliche Zwecke bemessen werden könnte. Dies läßt erkennen, wie zweckmäßig die Entscheidung des Gesetzgebers ist, derartige Aufwendungen im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Stellung und der Repräsentation generell von der Abzugsfähigkeit auszuschließen.
Die Beschwerde zeigt sohin zu Recht auf, daß Aufwendungen für gesellige Zusammenkünfte, wie Geburtstagsfeiern oder die Bewirtung von Arbeitskollegen, aber auch Gelegenheitsgeschenke, zu den nichtabzugsfähigen Repräsentationsaufwendungen gehören (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, Tz 7.3., und die hg. Erkenntnisse vom , 91/13/0145, und vom , 91/14/0036). Daß die Bewirtung eine Werbemaßnahme gewesen wäre und solcherart die betriebliche oder berufliche Veranlassung weitaus überwogen hätte (vgl. § 20 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988), ist den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen nicht zu entnehmen.
Auch der Bezug einer Tageszeitung führt in aller Regel zu nichtabzugsfähigen Aufwendungen der privaten Lebensführung iSd § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 (vgl. die bei Doralt, EStG2, § 20 Tz 163 "Zeitungen" zitierte hg. Rechtsprechung sowie das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0198).
Der angefochtene Bescheid ist somit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am