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VwGH vom 09.11.1994, 92/13/0305

VwGH vom 09.11.1994, 92/13/0305

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, vom , Zl. 6/1-1314/91-11, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der seinen Gewinn nach § 5 EStG ermittelt, habe im Jahre 1986 eine Rücklage für nichtentnommenen Gewinn nach § 11 EStG 1972 gebildet. Anläßlich einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer erst nach dem in den Betrieb Einlagen von zusammen S 500.000,-- geleistet hatte, welche er am wieder entnahm. Da der Prüfer die Auffassung vertrat, daß die Einlagen nur zu dem Zweck geleistet worden seien, eine Nachversteuerung der Rücklage nach § 11 Abs. 6 EStG 1972 zu vermeiden, löste er die für das Jahr 1986 gebildete Rücklage im Streitjahr auf, wobei er den aufzulösenden Betrag gemäß § 11 Abs. 7 EStG 1972 um 15 % erhöhte. Das Finanzamt schloß sich der Ansicht des Prüfers an und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren dementsprechende Bescheide über Einkommensteuer sowie Gewerbesteuer und Bundesgewerbesteuer samt Zuschlägen für das Jahr 1989.

In seiner gegen diese Bescheide erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, daß einem Unternehmer die Möglichkeit offenbleiben müsse, einen "sozusagen außerbetrieblichen Finanzfonds" zu schaffen, der aber ausschließlich für den Bedarf des Unternehmens bestimmt sei und jährlich in jedem Fall mit dem Vorjahresgewinn aufgefüllt werde. Das Einkommensteuerrecht kenne für eine solche Einrichtung nur den Begriff "Privatvermögen"; unter Bedachtnahme auf die Unvorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklung stellten aber Entnahmen keine Unterbrechung der langfristigen Kapitalbildung und Einlagen in Wahrheit nur die notwendige Anpassung an die Unsicherheiten des Wirtschaftslebens dar. Ob erhöhte Entnahmen die langfristige Kapitalbildung hinderten, sei nicht ohne weiteres festzustellen; worin eine Umgehung von Abgabenvorschriften in der vom Beschwerdeführer eingehaltenen Vorgangsweise gelegen sei, könne der Beschwerdeführer nicht erkennen. Gewiß sei die Einlage zu dem Zweck erfolgt, um die Rücklage "zu retten", was für sich allein wohl keine Umgehung darstelle. Die vorangegangenen Entnahmen seien jedoch nicht zum Zwecke einer Gewerbesteuerersparnis, sondern zur Sicherung des Finanzbedarfs auf das Sparbuch gelegt worden. Es hätten sich somit durch die Entnahmen und Einlagen des Beschwerdeführers im Jahr 1989 nur Änderungen im Liquiditätsbereich, aber keine Veränderungen an der langfristigen Kapitalbildung ergeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, eine Einlage, die schon so früh dem Betrieb wieder entzogen werde, daß eine langfristige Bindung von Kapital im Betrieb durch sie nicht bewirkt werde, hindere die Nachversteuerung von Rücklagen für nichtentnommenen Gewinn nicht, weil in ihr nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes eine abgabenrechtlich unzulässige Umgehungshandlung zu erblicken sei.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt Bescheidaufhebung; er erklärt sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben einer Nachversteuerung der Rücklage für nichtentnommenen Gewinn insofern als verletzt, als die belangte Behörde entgegen dem im Abgabenrecht geltenden Umgehungsbegriff eine Umgehung der Bestimmung des § 11 Abs. 6 EStG 1972 schon dann als gegeben erachtet habe, wenn Einlagen nur für kurze Zeit im Betrieb verblieben, und als die belangte Behörde den von ihm vorgebrachten wirtschaftlichen und sonst beachtlichen Gründen für die kurz vor dem Bilanzstichtag erfolgte Einlage und die kurz nach dem Bilanzstichtag erfolgte Entnahme keine Beachtung geschenkt habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben in dessen Verlauf noch weitere Schriftsätze erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Daß das dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nach als "außerbetrieblicher Finanzfonds ausschließlich für den Bedarf des Unternehmens" bestimmte Sparbuch im Beschwerdefall nicht als Betriebs-, sondern als Privatvermögen und dementsprechend die der steuerlichen Beurteilung zugrundeliegenden Überweisungsvorgänge rechtlich als Einlagen und Entnahmen beurteilt wurden, wird vom Beschwerdeführer nicht nur nicht bekämpft, sondern in seinem gesamten Vorbringen als zutreffend beurteilt und bildet konsequenterweise auch nicht den Gegenstand des Beschwerdepunktes. Es hat der Verwaltungsgerichtshof in der Prüfung des angefochtenen Bescheides demnach vom Vorliegen kurzfristig vor und nach dem Bilanzstichtag vorliegender Einlage- und Entnahmetatbestände unter Bedachtnahme auf die ebenso unstrittige Tatsache auszugehen, daß die im Jahr 1989 erfolgten Entnahmen ohne Berücksichtigung der kurz vor dem Bilanzstichtag dieses Jahres getätigten und kurz danach wieder entnommenen Einlagen den Gewinn des Vorjahres überschritten hatten.

Daß die solcherart vor dem Bilanzstichtag des Streitjahres getätigte und danach wieder entnommene Einlage des Beschwerdeführers aber nicht geeignet sein konnte, den Eintritt der Rechtsfolgen des § 11 Abs. 6 und 7 EStG 1972 zu verhindern, ist eine rechtliche Beurteilung, mit der die belangte Behörde sich im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befindet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 1763, 2136/78, vom , 951/78, vom , 82/14/0010, 0025, 0026, und vom , 89/14/0163). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch durch die Beschwerdeausführungen nicht veranlaßt. Der vom Beschwerdeführer einschlußweise behauptete Widerspruch der dargestellten Judikatur zu den vom Gerichtshof zur Bestimmung des § 22 Abs. 1 BAO entwickelten Grundsätzen besteht nicht: Daß die kurz vor dem Bilanzstichtag getätigte und kurz danach wieder entnommene Einlage in einem solchen Fall den Eintritt der Rechtsfolgen des § 11 Abs. 6 und 7 EStG 1972 hindern kann, in welchem es dem Abgabepflichtigen gelingt, beachtliche außersteuerliche Gründe für die Erforderlichkeit der Einlage, wie etwa unabweisliche Liquiditätsbedürfnisse des Betriebes, darzutun, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom , 951/78, ausdrücklich klargestellt.

Der Beschwerdeführer hat aber entgegen seinen Beschwerdebehauptungen im Verwaltungsverfahren einsichtige außersteuerliche Gründe für die kurz vor dem Bilanzstichtag des Streitjahres getätigte Einlage nicht dargestellt. Er hat in seiner Berufung im Gegenteil ausdrücklich erklärt, Geld eingelegt zu haben, "um die Rücklage zu retten". Seine an diese Erklärung geknüpfte Auffassung aber, daß darin keine Umgehung liegen könne, ist aus den Gründen der vorzitierten Judikatur verfehlt. Der Hinweis auf die Motive der vorangegangenen Entnahmen des Streitjahres geht ins Leere, weil die Gründe für die den Gewinn des Vorjahres im Sinn des § 11 Abs. 6 EStG 1972 übersteigenden Entnahmen rechtlich bedeutungslos sind. Soweit der Beschwerdeführer aber argumentiert, daß es durch seine Entnahmen (und Einlagen) zu einer Veränderung der langfristigen Kapitalbindung nicht gekommen sei, weil Entnahmen und Einlagen ohnehin primär durch den Finanzbedarf des Betriebes bedingt gewesen seien, setzt er sich mit der Behauptung "außerbetrieblicher Kapitalbildung" auf einem privaten Sparbuch in einen nicht auflösbaren Widerspruch zu seiner gleichzeitig wiederholt betonten Richtigkeit der Zuordnung dieses Sparbuches zum außerbetrieblichen Bereich.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erwies, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.