VwGH vom 20.10.1993, 92/13/0101

VwGH vom 20.10.1993, 92/13/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der W-Ges. m.b.H. in W, vertreten durch Dr. E, RA in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld, Berufungssenat III, vom , GZ. 6/2 - 2257/89-06, 6/2 - 2112/89-06, 6/2 - 2213/89-06, 6/2 - 2139/90-06, betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens ab dem bis 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde der beschwerdeführenden GmbH bei der Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zu den im Spruch genannten Stichtagen den Abzug von Verpflichtungen aus Abfertigungsvorsorgen und aus Pensionsanwartschaften als Schulden gemäß § 64 Abs. 1 BewG 1955. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 525/91-9, abgelehnt; die Beschwerde wurde mit diesem Beschluß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seinem Erkenntnis vom , 81/17/0048, hat der Verwaltungsgerichtshof mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß Vorsorgen für Abfertigungen keiner am Bewertungsstichtag bestehenden Verbindlichkeit entsprechen und daher für einen Abzug als Schulden im Sinne des § 64 Abs. 1 BewG nicht in Betracht kommen. An dieser Rechtsauffassung hielt der Verwaltungsgerichtshof auch in der Folge fest (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 86/15/0032, vom , 87/13/0148, vom , 87/15/0077, vom , 86/14/0029, 87/14/0069, vom , 89/15/0031, 0032, vom , 88/15/0053, 88/15/0078, vom , 88/15/0116, vom , 89/15/0052, und vom , 93/13/0034), und zwar in Kenntnis der in der Literatur geäußerten Kritik an dieser Rechtsprechung (vgl. Jabornegg-Strasser, Die bewertungsrechtliche Behandlung von Abfertigungsansprüchen aus zivilrechtlicher und arbeitsrechtlicher Sicht, Österreichische Steuerzeitung 1984, 114 ff).

Von der Beschwerdeführerin werden keine neuen Argumente vorgebracht, die geeignet wären, die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu erschüttern. Der Umstand, daß in der genannten Rechtsprechung regelmäßig von einem Abfertigungsanspruch die Rede ist, bedeutet dabei nicht, daß damit das Vorliegen einer Schuld aus der Sicht des Gläubigers und nicht aus der Sicht des Schuldners beurteilt worden ist.

Für die Frage der Absetzbarkeit von Abfertigungsansprüchen als Schulden im Sinne des § 64 Abs. 1 BewG sind die Bestimmungen des Rechnungslegungsgesetzes, des Pensionskassengesetzes, des Betriebspensionsgesetzes, des "Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskassengesetzes" sowie die einkommensteuerlichen Bestimmungen über die Wertpapierdeckung entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht von Bedeutung. Ebensowenig ist dafür die Vorgangsweise zur Feststellung eines Unternehmenswertes für Zwecke der Ermittlung des gemeinen Wertes von Anteilen an Kapitalgesellschaften maßgeblich.

Auch eine Bedachtnahme auf den Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ändert an der dargestellten Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nichts, zumal es sich bei diesem Grundsatz bloß um eine Richtlinie für die Beurteilung abgabenrechtlicher Sachverhalte nach deren inneren Gehalt handelt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/16/0082); mit der Beurteilung des Sachverhaltes hat sich der Gerichtshof im oben genannten Erkenntnis vom , 81/17/0048, aber ausführlich auseinandergesetzt.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Verneinung der Schuldeneigenschaft der Abfertigungsansprüche wendet, ist sie - über die dargestellten Gründe hinaus - auch wegen der erforderlichen Bedachtnahme auf § 6 Abs. 1 BewG, wonach Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, nicht berücksichtigt werden, unbegründet. Entgegen der in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Jabornegg/Strasser, a.a.O., S. 119) ist die rechtliche Entstehung des Abfertigungsanspruches wie auch dessen Höhe jedenfalls davon abhängig, daß der Arbeitnehmer weder selbst ohne wichtigen Grund aus dem Dienstverhältnis vorzeitig austritt noch vom Dienstgeber aus seinem Verschulden vorzeitig entlassen wird, daß das Unternehmen weiterbesteht, daß der Arbeitnehmer den für die Abfertigung maßgeblichen Zeitpunkt erlebt und daß beim Ableben des Arbeitnehmers gesetzliche Erben vorhanden sind, zu deren Erhaltung er gesetzlich verpflichtet war. Diese in der Zukunft liegenden Tatumstände stellen aufschiebende, und zwar in der Hauptsache verneinende Bedingungen (§ 696 ABGB) der Entstehung des Abfertigungsanspruches dar (vgl. das zur Erbschaftssteuer ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2214/63, Slg. Nr. 3050/F). Ein Abfertigungsanspruch ist daher als eine aufschiebend bedingte Last anzusehen, sodaß sein Abzug als Schuld im Sinne des § 64 Abs. 1 BewG ausgeschlossen ist.

Ebenso handelt es sich bei den beschwerdegegenständlichen Pensionszusagen um aufschiebend bedingte Lasten. Rückstellungen für nach dem Bewertungsstichtag anfallende Pensionen sind daher keine abziehbaren Schulden nach § 64 Abs. 1 BewG (vgl. neuerlich das auch diesbezüglich näher begründete Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 81/17/0048, mit weiteren Hinweisen).

Sowohl die von der Beschwerdeführerin ausführlich aufgezeigten Auswirkungen der dargestellten Rechtsauffassung auf die Abgaben, die auf der Grundlage des Einheitswertes des Betriebsvermögens festzusetzen sind, wie auch die unterschiedliche Behandlung von Abfertigungsansprüchen und Pensionszusagen im Bereich des Handelsrechts, des Bilanzsteuerrechts und des Bewertungsrechts sind in den anzuwendenden Gesetzen begründet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.