VwGH vom 08.11.1988, 88/14/0135
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde der T & G Gesellschaft mbH (vormals: T Gesellschaft mbH) in A, vertreten durch Dr. Gerhard Zenz, Rechtsanwalt in Mondsee, Rainerstraße 5, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 13/35/2-BK/Kr-1988, betreffend Körperschaftsteuer 1980 und Gewerbesteuer 1980, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Aufwandersatzmehrbegehren von S 690,-- wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH wurde 1977 von einem Ehepaar errichtet, von dem der Ehemann 25 vH und die Ehefrau den Rest des Stammkapitals von S 100.000,-- übernahm. 1978 wurde das Stammkapital um S 25.000,-- erhöht. Dieser Betrag wurde von einem dritten, fremden Gesellschafter (in der Folge: G) übernommen. Die Beschwerdeführerin betrieb die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften. Der erklärte Verlust des Wirtschaftsjahres 1977/1978 betrug rund S 234.000,--, der erklärte Gewinn im Wirtschaftsjahr 1978/1979 rund S 265.000,-- und 1979/1980 rund S 1,700.000,--.
Im Jahre 1980 schlossen sich die Beschwerdeführerin als Komplementärin und ihre Gesellschafter als Kommanditisten zu einer KG zusammen, die denselben Unternehmensgegenstand betrieb. Laut dem betreffenden Gesellschaftsvertrag übernahm die Beschwerdeführerin vom Kapital der KG von S 500.000.-- einen Anteil von 6 vH, den Rest des Kapitals übernahmen die Kommanditisten. Die Geschäftsführung wurde der Beschwerdeführerin von der KG vergütet. Die Beschwerdeführerin erhielt 3 vH ihres jeweiligen Stammkapitals als Haftungsentschädigung. Die Verteilung von Gewinn und Verlust erfolgte zwischen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Einlagen. Ihr (unbedeutendes) Anlagevermögen (Werkzeuge, Büroeinrichtung) vermietete die Beschwerdeführerin um jährlich S 73.200,-- zuzüglich Umsatzsteuer an die KG. Die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften wurde - ohne entsprechende vertragliche Absprache - ab dem Wirtschaftsjahr 1980/1981 nur mehr von der KG betrieben, die die Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin und deren Verbindlichkeiten von S 592.000,-- übernahm.
Auf Grund einer abgabenbehördlichen Prüfung wurden die Verfahren zur Festsetzung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer der Beschwerdeführerin für 1980 von Amts wegen wieder aufgenommen. Gleichzeitig ergingen neue Sachbescheide, in denen das Finanzamt entsprechend den Feststellungen des Prüfers von einer verdeckten Gewinnausschüttung von S 500.000,-- der Beschwerdeführerin an ihre Gesellschafter durch Überlassung eines Firmenwertes an die KG ohne entsprechende Gegenleistung ausging, die unter fremden Personen nicht denkbar gewesen wäre.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die erwähnten Sachbescheide als unbegründet ab. Nach Ansicht der belangten Behörde habe das Finanzamt einen Firmenwert zu Unrecht angesetzt. Die Voraussetzungen für einen solchen fehlten, weil der Firmenwert weder entgeltlich erworben, noch durch besondere Aufwendungen geschaffen worden sei und sich eine feste allgemeine Verkehrsauffassung über einen Firmenwert bei Unternehmen dieser Art nicht gebildet habe. Einen Gestaltungsmissbrauch verneinte die belangte Behörde ebenfalls. Sie gelangte aber trotzdem zum gleichen Ergebnis wie das Finanzamt, weil eine "den Gesellschaftern fremd gegenüberstehende GmbH" unter denselben Bedingungen nicht in die von den Gesellschaftern gegründete KG eingetreten wäre. Ein Fremder hätte nämlich auf einer entsprechend höheren Gewinnbeteiligung oder einer Ablöse bestehender und künftiger Gewinnaussichten bestanden. Diese Gewinnaussichten erschloss die belangte Behörde aus den wirtschaftlichen Erfolgen der vorangegangenen beiden Wirtschaftsjahre. Außerdem habe die KG Geschäftsbeziehungen der Beschwerdeführerin übernommen. Einen gewissen Wert habe trotz der Personalfluktuation in der Branche auch die Übernahme des Personals dargestellt, jedoch spiele diese keine wesentliche wertbestimmende Rolle für die Höhe einer Ablösezahlung. Da die Errichtung der KG mit Vertrag vom rückwirkend auf den (Anfang des Wirtschaftsjahres der Beschwerdeführerin) erfolgt sei, müsse die KG "de facto" bestehende Aufträge der Beschwerdeführerin übernommen haben. Ausgehend vom Gewinn der Wirtschaftsjahre 1978/1979 und 1979/1980 legte die belangte Behörde ihrer Berechnung einen durchschnittlichen Jahresgewinn der Beschwerdeführerin von S 860.000,-- zu Grunde. Sie unterstellte in Anlehnung an eine Bemerkung der Beschwerdeführerin in einer ihrer Eingaben eine Nachhaltigkeitsdauer der Gewinnaussichten von vier Jahren und gelangte nach Abzinsung und einem Risikoabschlag von 50 vH zu einem "Übergewinn" von S 1,350.000,-- (nennenswertes Anlagevermögen war nicht vorhanden). Von diesem Betrag zog die belangte Behörde 10 vH Verzinsung der Kommanditeinlagen für vier Jahre und die von der KG übernommenen Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin von S 592.000,-- ab und gelangte so zu einem den Gesellschaftern zugewendeten Vorteil im Sinne des § 8 Abs. 1 zweiter Satz KStG von S 540.000,--. Die vom Finanzamt in Anschlag gebrachte verdeckte Gewinnausschüttung im Ausmaß von S 500.000,-- sei daher im Ergebnis jedenfalls gerechtfertigt. Die Zuwendungsabsicht könne aus den Ergebnissen des angestellten Fremdvergleiches erschlossen werden.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf gesetzmäßige Festsetzung der Körperschaft- und Gewerbesteuer 1980 (ohne Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung) verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bekämpft in ihrer Berufung ausdrücklich auch die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer 1980. Laut Vorlagebericht (Blatt 46) wurde auch diese Berufung der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt. Eine Erledigung der betreffenden Berufung ist der Aktenlage nicht zu entnehmen. Im Hinblick auf § 289 Abs. 1 BAO hat die Berufungsbehörde auch § 307 Abs. 1 BAO zu beachten. Danach widerspricht es dem Gesetz, die Berufung gegen die Wiederaufnahme unerledigt zu lassen und vorerst über die Berufung gegen den neuen Sachbescheid abzusprechen. Eine derartige Vorgangsweise belastet die Entscheidung der Berufungsbehörde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. etwa hg. Erkenntnis vom , 87/13/0222). Auf diese Rechtswidrigkeit war im Rahmen des Beschwerdepunktes vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen Rücksicht zu nehmen. Der angefochtene Bescheid musste schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Der belangten Behörde kann aber auch in der Frage der verdeckten Gewinnausschüttung nicht gefolgt werden.
Verdeckte Gewinnausschüttungen sind alle unmittelbaren oder mittelbaren nicht ohne weiteres als Ausschüttung von Gewinnanteilen erkennbaren Zuwendungen aus dem Vermögen einer Körperschaft an die an ihr beteiligten Personen, die sich als Zuwendungen von Teilen des Einkommens des Jahres darstellen, dessen Einkommen zu besteuern ist (vgl. VwSlg. 529 F/1952). Schon diese Definition verbietet es, die Überlassung von Gewinnchancen zukünftiger Abgabenjahre als verdeckte Gewinnausschüttung zu verstehen, weil sie nicht Teile des Einkommens des betreffenden Steuerjahres sind.
Auf derartige Zuwendungen konnte sich die belangte Behörde auch im übrigen nicht stützen. Sie geht selbst davon aus, dass dem Personal kein wesentlicher wertbestimmender Faktor zukam. Diese Ansicht ist zutreffend, weil sich aus dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt kein Anhaltspunkt dafür ergeben hat, dass die Beschwerdeführerin nach Lage der Verhältnisse über ihre Arbeitnehmer hätte disponieren, sie also an einem geschlossenen Abwandern zu einem anderen Arbeitgeber hätte hindern können.
Die im Gesellschaftsvertrag der KG vereinbarte Rückwirkung auf den erlaubt nicht den Schluss, die KG habe "de facto" bestehende Aufträge der GmbH übernommen. Eine Übernahme solcher Aufträge war von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren bestritten worden. Ein Nachweis für Auftragsübernahmen wurde nicht erbracht. Abgesehen davon wäre die Abrede der Rückwirkung des Gesellschaftsvertrages steuerlich unbeachtlich.
Das Anlagevermögen war von untergeordneter Bedeutung und wurde von der Beschwerdeführerin an die KG zu einem jährlichen Zins vermietet, den die belangte Behörde selbst nicht als unangemessen bezeichnet hat.
Was jedoch den Kundenstock anlangt, durfte die belangte Behörde auf Grund der von ihr unwiderlegt gelassenen Behauptungen der Beschwerdeführerin nicht unterstellen, dass der Beschwerdeführerin ein solcher zur Überlassung an ihre Gesellschafter zur Verfügung gestanden wäre:
Dass die Ertragslage erst durch den Eintritt des G in die GmbH positiv wurde, blieb stets unbestritten (vgl. OZ 42 der Verwaltungsakten). Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid ausdrücklich der Behauptung der Beschwerdeführerin gefolgt, dass G wertvolle Geschäftsverbindungen mitgebracht hat (Seite 19 des angefochtenen Bescheides). Eine Verpflichtung des G gegenüber der Beschwerdeführerin, dieser die guten Geschäftsbeziehungen zu übertragen, bestand jedoch nach dem festgestellten Sachverhalt nicht. Der Beschwerdeführerin stand hierauf also kein Anspruch zu. Sie konnte daher über diese guten Geschäftsbeziehungen und auch über die Geschicklichkeit des G, dessen Tätigkeit der Beschwerdeführerin erst überhaupt zu positiven Ergebnissen verhalf, nicht wie über einen ihr gehörigen Vermögenswert verfügen. Sie konnte diese Vorteile daher auch ihren Gesellschaftern nicht zuwenden. Dazu kommt, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin, G habe schon seinen Eintritt in die GmbH an die Bedingung geknüpft, später für die gleiche Tätigkeit eine Personengesellschaft zu gründen (vgl. zuletzt die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde, OZ 48, Seite 2, der Verwaltungsakten) von der belangten Behörde nicht in Frage gestellt wurde. Es wäre daher davon auszugehen gewesen, dass G für den Fall der Nichterfüllung der Bedingung (allenfalls nach Rücklegung seiner Stellung als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin) jederzeit seine Geschäftsbeziehungen und seine Geschicklichkeit anderweitig hätte einsetzen dürfen und können, der Beschwerdeführerin hievon folglich nichts Wesentliches verblieben, sie vielmehr in die schlechte Ertragslage des ersten Wirtschaftsjahres zurückgefallen wäre.
Aus der Ansicht der belangten Behörde, es könne nicht behauptet werden, dass das Unternehmen nur von seinen Geschäftsführern derart erfolgreich zu führen gewesen wäre, lässt sich nichts für das Vorhandensein eines Kundenstocks gewinnen, der der Beschwerdeführerin verfügbar gewesen und den sie ihren Gesellschaftern im Streitjahr hätte zuwenden können.
Die Beschwerdeführerin hat im Abgabenverfahren darauf hingewiesen, dass sie nur aus Gründen des Gewerberechts (G hatte keine Meisterprüfung) nicht liquidiert, sondern als Komplementärin in die KG aufgenommen worden sei (vgl. OZ 43, Seite 1/2 der Verwaltungsakten). Andernfalls wäre überhaupt eine neue Komplementär-GmbH errichtet worden. Auch diese Behauptung blieb unwiderlegt. Aus diesem gewerberechtlichen Moment hat die belangte Behörde selbst keinen vermögenswerten Vorteil abgeleitet, der den Gesellschaftern zugewendet worden sei.
Die belangte Behörde ist daher nach der gegebenen Sachlage zu Unrecht von einer verdeckten Gewinnausschüttung an die Gesellschafter ausgegangen.
Auch deshalb musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden, ohne dass es noch eines Eingehens auf die übrigen Beschwerdeausführungen bedurfte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243. Als notwendige Auslagen für Stempelgebühren waren zuzuerkennen: S 120,-- für die Vollmacht, S 360,-- Eingabengebühr zur Beschwerde, S 180,-- Beilagengebühr für eine gemäß § 28 Abs. 5 VwGG notwendige Ausfertigung oder Gleichschrift des angefochtenen Bescheides, S 360,-- Eingabengebühr für den Ergänzungsschriftsatz OZ 3, S 360,-- Beilagengebühr für drei Ausfertigungen des Handelsregisterauszuges und S 90,-- Beilagengebühr für drei Ausfertigungen des Generalversammlungsprotokolls vom , jeweils zum Nachweis der Firmenänderung der Beschwerdeführerin. Das Mehrbegehren auf Ersatz weiterer Stempelgebühren von S 690,-- war demnach abzuweisen.
Wien, am