VwGH vom 28.01.1992, 88/14/0042
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des N in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat, vom , Zl. B 5-3/87, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1983 und 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erklärte für die Kalenderjahre 1983 und 1984 neben positiven Einkünften aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung (für das Kalenderjahr 1983 auch sonstige Einkünfte) Verluste aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb (letztere 1983: S 363.992,-- und 1984: S 433.204,--). In den Umsatzsteuererklärungen führte der Beschwerdeführer die Streitsache - Herstellung, Verkauf und Vermietung von Wohnmobilen - betreffend für das Jahr 1983 keine und für das Jahr 1984 S 40.000,-- erzielte Erlöse als Entgelte an. Als damit zusammenhängenden Vorsteuerabzug machte er für das Jahr 1983 S 98.745,-- und für das Jahr 1984 S 96.484,16 geltend.
Anläßlich der im Jahre 1986 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung gelangte der Prüfer - abgesehen von anderen, nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildenden Feststellungen - zur Auffassung, daß die an sich gewerbliche Tätigkeit betreffend die Wohnmobile steuerlich als Liebhaberei anzusehen sei. Daher könnten die Verluste aus Gewerbebetrieb mit anderen Einkünften nicht ausgeglichen und die damit im Zusammenhang stehenden Vorsteuern nicht abgezogen werden.
Das Finanzamt schloß sich den Ausführungen des Prüfers in dem von ihm gemäß § 151 Abs. 3 BAO erstatteten Bericht an und erließ für die Jahre 1983 und 1984 Bescheide, in denen es einerseits die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Null ansetzte und andererseits das im Zusammenhang mit der Liebhaberei stehende Entgelt und den geltend gemachten Vorsteuerabzug nicht berücksichtigte.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer die Streitsache betreffend ein, er habe im Jahre 1983 begonnen, Wohnmobile mit exclusiver Ausstattung für eine gehobene Käuferschicht zu bauen und einzurichten. Das erste Wohnmobil sei im Jahre 1984, das zweite und vorläufig letzte Wohnmobil im Jahre 1986 fertiggestellt worden. Er habe mit dem im Jahre 1984 fertiggestellten Wohnmobil nationale und internationale Messen besucht und für die Ausstellung auf der Essener Messe sogar einen Zuschuß seitens der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft erhalten. Darüber hinaus habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2216/54, ausgeführt, daß eine Gewinnabsicht jedenfalls dann bereits gegeben sei, wenn Überschüsse über die mit einer Tätigkeit verbundenen Ausgaben angestrebt würden; dies liege bei ihm sicherlich vor. Weiters vertrete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2373/71, die Auffassung, daß es jeglicher Erfahrung des täglichen Lebens widerspreche, wenn jemand die Tätigkeit eines Handelsvertreters als Liebhaberei ausübe. Nachdem der Beschwerdeführer nun den Gewerbeschein des Handelsagenten besitze, handle es sich eindeutig um Einkünfte aus Gewerbebetrieb und keinesfalls um Liebhaberei.
Das Finanzamt erließ hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 1984 aus nicht die Streitsache betreffenden Gründen eine teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidung und hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 1983 sowie der Umsatzsteuer für die Jahre 1983 und 1984 abweisende Berufungsvorentscheidungen. Dabei hielt es in der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof allein strittigen Frage, ob die an sich gewerbliche Tätigkeit des Beschwerdeführers, nämlich die Herstellung, der Verkauf bzw. die Vermietung von Wohnmobilen, als Liebhaberei anzusehen sei, den bisher eingenommenen Standpunkt unverändert aufrecht. Bei Tätigkeiten, die das typische Bild eines Gewerbebetriebes aufweisen, könne nur in Ausnahmefällen davon gesprochen werden, daß sie keine Einkunftsquelle darstellen, weil das Auftreten von Verlusten für sich allein nicht ausreiche, die Aufgabe des Gewinnstrebens anzunehmen und den Betrieb als Liebhaberei zu qualifizieren. Es müßten noch weitere Umstände hinzutreten, wie ein besonders auffallendes Mißverhältnis zwischen Verlusten und getätigten Umsätzen, insbesondere das Vorliegen von Einkünften auf einem anderen Gebiet, die dem Steuerpflichtigen die Finanzierung der Verluste ermöglichten. Ob eine Tätigkeit nach den genannten Kriterien einer bestimmten Einkunftsart zuzurechnen oder als Liebhaberei im steuerlichen Sinn zu werten sei, könne regelmäßig erst nach einem gewissen Zeitraum beurteilt werden. Diese Regel gelte allerdings nicht, wenn bei einer Tätigkeit nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles die Erzielung von (positven) Einkünften von vornherein aussichtslos erscheine. In den Jahren 1983 und 1984 seien hohe Verluste enstanden und in den kommenden Jahren seien keine Gewinne zu erwarten, weil einerseits das Wohnmobil nicht verkauft bzw. nur zeitweise vermietet werde und andererseits die Fixkosten eine beträchtliche Höhe aufwiesen. Diese Feststellungen würden durch die Tatsache erhärtet, daß die Wertminderung des Wohnmobiles in den ersten Jahren derart groß sei, daß mit Gewinnen bei einem Verkauf in den Folgejahren nicht zu rechnen sei. Aus den vorstehenden Gründen werde daher die an sich gewerbliche Tätigkeit steuerlich als Liebhaberei angesehen.
Im Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz verwies der Beschwerdeführer auf die Ausführungen in der Berufung.
Die belangte Behörde folgte mit dem nun angefochtenen Bescheid in der Frage der Liebhaberei dem Standpunkt des Finanzamtes. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
In der Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde möge als unbegründet und kostenpflichtig abgewiesen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1972 ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 bezeichneten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben. Aus der Umschreibung der Begriffe "Einkommen" und "Einkünfte" haben Schrifttum und Rechtsprechung abgeleitet, daß nur Tätigkeiten, die auf Dauer gesehen Gewinne erwarten lassen, als Einkunftsquelle in Betracht kommen und mit ihrem Ergebnis bei der Ermittlung des steuerlichen Einkommens zu berücksichtigen sind. Fehlt dagegen bei einer Tätigkeit objektiv gesehen die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen, oder mangelt es einem Abgabepflichtigen an der entsprechenden Absicht, so liegt keine Einkunftsquelle, sondern Liebhaberei in steuerrechtlichem Sinn vor. Dabei ist zu beachten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des jeweiligen Falles in erster Linie auf die objektiven Merkmale (Gewinnerzielungsmöglichkeit) Bedacht genommen werden muß, während den subjektiven Merkmalen (Absicht des Steuerpflichtigen) nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Ob nun eine Tätigkeit nach den genannten Kriterien einer bestimmten Einkunftsart zuzuordnen oder als Liebhaberei im weiteren steuerlichen Sinn zu werten ist, kann regelmäßig erst nach einem gewissen Zeitraum beurteilt werden. Diese Regel gilt allerdings nicht auch dann, wenn bei einer Tätigkeit nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles die Erzielung von positiven Einkünften von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 86/14/0105, sowie die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur).
Der Beschwerdeführer meint nun, die belangte Behörde führe als Kriterium für die Annahme einer "Liebhaberei" allein die Tatsache des Vorliegens von Verlusten in den ersten vier Jahren an, woraus sie geschlossen habe, daß die Erzielung von positiven Einkünften von vornherein aussichtslos erscheine. Gerade aus der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/14/0079, hätte die belangte Behörde nicht nur den Grundsatz erkennen müssen, daß Liebhaberei bei einem typischen Gewerbebetrieb nur in Ausnahmefällen gegeben sein könne, sondern auch, daß eine Annahme der Liebhaberei von Beginn der Tätigkeit an nur dann angebracht sei, wenn eine klare Aussichtslosigkeit, jemals Gewinne zu erzielen, von vornherein feststehe. Bei einem Gewerbebetrieb sei bei der Feststellung, ob Liebhaberei vorliege, zunächst von objektiven Merkmalen auszugehen, und zwar davon, ob es sich um einen Betrieb mit allen typischen Merkmalen eines Gewerbebetriebes handle und ob der Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werde. Hiebei könnten auch subjektive Gründe gegeben sein, die für eine Liebhaberei sprechen könnten, wie besondere persönliche Beweggründe. Von der belangten Behörde seien aber weder objektive noch subjektive Merkmale untersucht worden, die einen Schluß in der einen oder anderen Richtung zugelassen hätten.
Dieser Einwand ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Es trifft zu, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Gewerbebetrieben in der Regel ein Beobachtungszeitraum von etwa 8 Jahren geboten erscheint. Das Finanzamt ist zunächst bei der Beurteilung, ob Liebhaberei angenommen werden könne, sogar nur von einem Zeitraum von zwei Jahren ausgegangen. Erst bei Erlassung der Berufungsentscheidung durch die belangte Behörde war die Weiterentwicklung der gewerblichen Tätigkeit in den Jahren 1985 und 1986 bekannt. Im übrigen hätte ein (etwa) achtjähriger Beobachtungszeitraum gar nicht ausgeschöpft werden können, weil der Beschwerdeführer mit mitteilte, daß er das Projekt eingestellt habe. Hat die Behörde anhand eines nur sehr kurzen Beobachtungszeitraumes die Entscheidung in Richtung Liebhaberei getroffen, dann ist ein besonders strenger Maßstab bei der Heranziehung der Merkmale anzulegen, die für die Beurteilung maßgebend waren. Dabei kann der Behörde letztlich aber kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie nach erfolgter Prüfung feststellte, daß die Umsätze bei weitem nicht die AfA und Fixkosten decken und die Geschäftsführung eine Änderung dieser Situation auch in den Folgejahren nicht habe erwarten lassen. Wie nämlich anläßlich der Berufungsvorentscheidung und der Berufungsverhandlung festgestellt worden ist, hat der Beschwerdeführer das Wohnmobil teils privat verwendet, teils - laut Beschwerde - nur einem ausgewählten Personenkreis, (Bekannten) vermietet, weil dieses wertvolle Objekt seiner Ansicht nach schonend und pfleglich behandelt werden müsse.
Unstrittig ist zwar, daß Tätigkeiten, die das typische Bild eines Gewerbebetriebes aufweisen, die Vermutung einer steuerlich relevanten Tätigkeit für sich haben. Hieran fehlt es vorliegend schon deshalb, weil der Beschwerdeführer - wie oben erwähnt - das Wohnmobil nur teilweise zur Vermietung verwendete, und dies wieder nur an Bekannte. Vom typischen Bild eines Gewerbebetriebes kann schon deshalb keine Rede sein. Bei der gegebenen Sachlage kann der belangten Behörde aber auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie unter Hinweis auf AfA und Fixkosten, welche bereits die Einnahmen bei weitem überstiegen, zum Schluß gelangt ist, daß die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit, jedenfalls in der Art wie er sie betrieben hat, objektiv gesehen auf Dauer Gewinne nicht erwarten ließ und daher als Einkunftsquelle nicht in Betracht kommt. Da somit die Prüfung der objektiven Merkmale - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - zu einem eindeutigen Ergebnis führte, waren seine von ihm auch in der Beschwerde immer wieder betonten subjektiven Absichten nicht mehr ausschlaggebend (vgl. das Erkenntnis vom , 90/14/0086), weil ihnen - wie das geschilderte Vorgehen zeigte - die Ernsthaftigkeit fehlte. Daran ändert letztlich auch die Teilnahme an Messen und die Zuerkennung eines Zuschusses der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in der Höhe der Aufwendungen für die Teilnahme sowie die Anfertigung und Versendung von Werbematerial nichts.
Soweit der Beschwerdeführer einwendet, er habe den Markt in Amerika durch den Dollarverfall verloren und es wäre in Erwägung zu ziehen, daß er auch einen Veräußerungsgewinn bei Verkauf des Unternehmens erzielen könne, reicht es aus - ungeachtet dessen, daß der Beschwerdeführer mit diesen Vorbringen zum Teil gegen das sich aus § 41 VwGG ergebende Neuerungsverbot verstößt -, darauf hinzuweisen, daß er im Verfahren nicht dargelegt hat, auf dem amerikanischen Markt überhaupt präsent gewesen zu sein. Die Erzielung eines Veräußerungsgewinnes beim Verkauf des Unternehmens erschöpft sich letztlich in der bloßen Behauptung einer Möglichkeit, die durch keine Anhaltspunkte begründet war.
Die Beschwerde erweist sich somit dem gesamten Inhalt nach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.