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VwGH vom 22.04.1998, 97/13/0163

VwGH vom 22.04.1998, 97/13/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der B GmbH in W, vertreten durch Dr. Hans Frieders, Dr. Christian Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Stadiongasse 6-8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 8 - 2162/93, betreffend Haftung für Lohnsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom unterzog das Finanzamt aufgrund einer den Zeitraum bis umfassenden Lohnsteuerprüfung (Prüfungsbericht vom ) die seitens der Beschwerdeführerin im Jahr 1990 steuerfrei ausbezahlten Schmutzzulagen in Höhe von monatlich S 3.500,-- je Arbeitnehmer, deren Aufgabenbereich das Auswechseln und Entsorgen mobiler WC-Anlagen darstellte, der Besteuerung.

In der dagegen erhobenen Berufung vom verwies die Beschwerdeführerin darauf, daß die eine Schmutzzulage erhaltenden Mitarbeiter fast ausschließlich zu verschmutzenden Tätigkeiten (Fäkalien) und gefährlichen Tätigkeiten (Chemikalien) eingesetzt würden und sich deshalb stundenweise Aufzeichnungen über deren Arbeiten erübrigten. Eine schmutz- und gestankreichere Arbeit als das Entleeren und Reinigen von Klosettanlagen sowie deren Befüllung mit frischer Chemie sei wohl nicht vorstellbar.

Mit Berufungvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, woraufhin die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom beantragte, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung unter Hinweis auf einen am durchgeführten Lokalaugenschein teilweise Folge und berichtigte die Lohnsteuernachforderung von S 18.480,-- auf S 13.142,--.

Die "Sachverhaltsfeststellungen" des erwähnten Lokalaugenscheines werden im angefochtenen Bescheid wie folgt wiedergegeben:

" ... Tätigkeitsbeschreibung:


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1)
Fahrzeit: überwiegender Teil der Arbeitszeit
2)
Reinigung und Wartung der Anlagen:
Die Arbeiten erfolgen ausnahmslos mit Gummihandschuhen. Zur Arbeitskleidung gehört weiters ein grüner Arbeitsmantel. Der Kunststoffbehälter wird mit der Absaugvorrichtung entleert, wobei fallweise durch Fremdkörper (Plastik ...) Verstopfungen auftreten können, die von der Absaugöffnung entfernt werden müssen. Anschließend wird in den Behälter eine mittelstark riechende Chemikalienlösung eingebracht. Dies geschieht durch das Absaugrohr mittels eines zweiten Schlauches. Diese Lösung dient in erster Linie zur Abdeckung der Exkremente.
Der Behälter (außen) und der Boden der Kabine werden ebenfalls mit dieser Lösung händisch mit einer Bürste gereinigt.
3)
Entleerung des LKW-Tanks:
Die Entsorgung erfolgt über die Ablaßanlagen der Wiener Stadtwerke. Dabei ist das Ablaßrohr am Tank zu öffnen und ein Ablaßschlauch anzuschließen. Bei auftretenden Verstopfungen muß der Schlauch abgenommen und die Verstopfung mit einer Stange beseitigt werden. Der Ablaßschlauch wird mit Wasser (Behälter an der LKW-Rückseite) gereinigt.
...
...
Die Steuerfreiheit einer Erschwerniszulage ist wegen der doch beträchtlichen Geruchsbelästigung bei der Entleerung der Behälter und bei der Arbeit mit Chemikalien gerechtfertigt.
...
Dauer der anspruchsbegründenden Tätigkeit:

Datum Uhrzeit Fahrzeit Reinigung

8h10-8h20 10 min

8h20-8h27 7 min

8h27-8h42 15 min

8h42-8h51 9 min

8h51-9h11 20 min

9h11-9h18 7 min

9h18-9h22 4 min

9h22-9h31 9 min

9h31-9h37 6 min

9h37-9h42 5 min

durchschnittliche Arbeitszeit pro Kabine: 7 min.

Lt. Herrn Z. werden durchschnittlich 15 Klosettanlagen täglich gewartet.

Es ergibt sich somit eine effektive zulagenbegründende Arbeitszeit von 1 h 45.

Unter Berücksichtigung aller weiteren Umstände, die zu einer Erschwernis führen, wie z.B. Entsorgung, Reinigungsarbeiten im Betrieb, Aufbereitung der Chemikalienlösung, unterschiedlich starke Verunreinigung der Anlagen scheint als Obergrenze die Berücksichtigung von 3 Stunden täglich gerechtfertigt. Dies

entspricht rund 65 Arbeitsstunden pro Monat ... Dieses Ausmaß

entspricht rund 38 % der gesamten Arbeitszeit."

Es unterliege - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - keinem Zweifel, daß die Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen mit einer außerordentlichen Erschwernis verbunden sei. Aus dem Bericht über den Lokalaugenschein gehe aber hervor, daß die unter außerordentlich erschwerenden Bedingungen tätigen Arbeitnehmer derartige Arbeiten nicht ausschließlich oder nahezu ausschließlich erfüllten, sondern zu einem nicht unbeträchtlichen Teil Tätigkeiten verrichteten, die allgemein üblichen Arbeitsbedingungen entsprächen, "wie dies etwa für die Hin- und Rückfahrten zu den einzelnen Einsatzorten zutrifft". Damit wären aber Zeitaufzeichnungen über die im einzelnen geleisteten Arbeiten erforderlich gewesen. Da diese fehlten, habe das Finanzamt Erhebungen über das zeitliche Ausmaß der "vorliegenden außerordentlichen Erschwernis" angestellt. Hiebei seien Fahrzeiten festgestellt worden, die "jedenfalls im Verhältnis zu den unter erschwerten Bedingungen erfolgenden Wartungs- und Reinigungsarbeiten ein nicht unbeträchtliches Ausmaß darstellen, weshalb es - selbst wenn man gewisse Unschärfen einer zeitlich punktuellen Erhebung einräumt - der gegebenen Sachlage entspricht, bei einer durchschnittlichen monatlichen Dienstzeit von 173 Stunden, die im Fahrbetrieb erbrachten Arbeitszeiten mit 50 % dieser Dienstzeit anzusetzen und eine steuerfreie Zulage im Ausmaß von 15 % zu berücksichtigen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge bis insgesamt S 4.940,-- monatlich (S 1.140,-- wöchentlich, S 190,-- täglich) steuerfrei.

Gemäß Abs. 5 leg. cit. sind unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die


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in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken,
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im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen, oder
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infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig ein Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.

Voraussetzung für die Gewährung der Begünstigung für Schmutz- und Erschwerniszulagen ist u.a., daß der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, die in erheblichem Maße eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung zwangsläufig bewirken oder im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen. Der Arbeitnehmer muß also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die die genannte Verschmutzung zwangsläufig bewirken oder eine außerordentliche Erschwernis darstellen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0057, m.w.N.).

Mit den - an sich zutreffenden - Ausführungen in der Gegenschrift, wonach für die Erlangung der in Rede stehenden Begünstigungen ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit überwiegend mit den zulagenbegründenden Arbeiten betraut sein müsse, gerät die belangte Behörde insofern in Widerspruch mit ihrer eigenen Entscheidung, als sie in dieser nur 50 % der Arbeitszeit unter den Bedingungen des § 68 Abs. 5 EStG 1988 geleistet ansah. Wegen des fehlenden "Überwiegens" hätte somit die begünstigte Besteuerung des § 68 Abs. 1 EStG 1978 überhaupt nicht Platz greifen dürfen. Dieses offenbar auch nicht den Intentionen der belangten Behörde entsprechende Ergebnis wäre allerdings Resultat einer Gesetzesauslegung, die dem Sinn der strittigen Bestimmung nicht gerecht würde. Daß die eigentliche (Reinigungs-)Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin unter erschwerenden und verschmutzenden Bedingungen im Sinn des § 68 Abs. 5 EStG 1988 stattfand, wird von der belangten Behörde


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zu Recht - nicht in Frage gestellt. Ebenso wie etwa
Arbeitspausen bei der Überprüfung der Ausschließlichkeit oder des Überwiegens einer Tätigkeit nach § 68 Abs. 5 EStG 1988 außer Betracht zu bleiben haben, gilt dies - insoweit anders als im Fall des hg. Erkenntnisses vom , 94/15/0156 - auch für die mit den qualifizierten Tätigkeiten in unmittelbarem Zusammenhang stehende Hilftätigkeiten, wie
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beschwerdefallbezogen - die notwendigen Fahrten zu bzw. zwischen verschiedenen Tätigkeitsorten. Diese Fahrzeiten hindern somit nicht die Zuordnung der Tätigkeit insgesamt zu den begünstigten Arbeiten nach § 68 Abs. 5 EStG 1988 (und waren daher insofern auch keine Aufzeichnungen über die im einzelnen geleisteten Tätigkeiten erforderlich). Da dies die belangte Behörde verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Es steht der belangten Behörde zwar grundsätzlich auch zu, die Angemessenheit einer gewährten Zulage nach § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu überprüfen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom , 85/13/0177). Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Kürzung auf eine "steuerfreie Zulage von 15 %" entbehrt allerdings jeder Begründung. Eine dem angefochtenen Bescheid fehlende Begründung kann in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden (vgl. z.B. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 533; im übrigen ist dem dort angesprochenen Aktenvermerk vom über eine Besprechung mit dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin nicht eindeutig zu entnehmen, dieser hätte sich mit der von der Behörde vorgeschlagenen Berechnung der Zulagen auf Basis einer Kürzung auf 15 % der laufenden Bezüge einverstanden erklärt).

Der angefochtene Bescheid war sohin insgesamt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.