VwGH vom 28.03.1984, 84/09/0029
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Liska, Dr. Griesmacher und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der H-Bauaktiengesellschaft in W und der Dipl.Ing. B-Baugesellschaft in W, zusammengeschlossen in der Arbeitsgemeinschaft "E-Estrich" in W, vertreten durch Dr. Heinrich Schöll, Rechtsanwalt in Wien I, Brandstätte 4, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom , Zl. IVb/2022B, betreffend Rückerstattung einer Schlechtwetterentschädigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Gesellschaften Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 8.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beiden beschwerdeführenden Baugesellschaften hatten an zwei auf der Baustelle X beschäftigte Arbeiter Schlechtwetterentschädigungen nach dem Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, BGBl. Nr. 129, in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 284/1963, BGBl. Nr. 314/1964, BGBl. Nr. 4/1971 und BGBl. Nr. 219/1975 (BSchEG 1957), ausgezahlt.
Mit Antrag vom hatten sie beim Arbeitsamt Bau-Holz in Wien für den Abrechnungszeitraum Februar 1983 die Rückerstattung der ausgezahlten Schlechtwetterentschädigungen in Höhe von insgesamt S 10.602,05 gemäß § 8 Abs. 1 BSchEG 1957 beantragt.
Diesem Antrag hatte das Arbeitsamt Bau-Holz mit Bescheid vom gemäß § 11 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 BSchEG 1957 mit der Begründung nicht stattgegeben, für die Beurteilung, ob die Arbeitsgemeinschaft "E-Estrich" unter den Geltungsbereich des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes 1957 falle, sei davon auszugehen, daß die Arbeitsgemeinschaft als Betrieb zu werten sei, dessen hauptsächliche Tätigkeit Estricharbeiten seien. Die von den beiden beschwerdeführenden Gesellschaften angeführte Haupttätigkeit, nämlich der Hoch- und Tiefbau, sei daher in bezug auf die Arbeitsgemeinschaft als Betrieb mit einem eigenen abgegrenzten Tätigkeitsbereich (Estricharbeiten) nicht maßgebend. Auch daß es sich bei den von den beiden beschwerdeführenden Gesellschaften beigestellten gewerblichen Dienstnehmern vorwiegend um Betonierer und Maurer sowie Hilfsarbeiter handle, die jederzeit, wenn die Möglichkeit vorhanden sei, auf anderen Baustellen der Stammfirmen in ihrem Beruf eingesetzt werden könnten, habe auf die Unterstellung der Arbeitsgemeinschaft unter das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 keinen Einfluß. Da im § 1 Abs. 1 BSchEG 1957 die Betriebsart "Estrichleger" nicht angeführt sei, unterliege die Arbeitsgemeinschaft nicht dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaften, in der sie sich gegen die Behandlung ihrer Arbeitsgemeinschaft als Betrieb wandten, keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe des § 1 Abs. 1 und des § 11 BSchEG 1957 ausgeführt, mangels einer gesetzlichen Umschreibung des Begriffes "Betrieb" im Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 sei die im § 34 Abs. 1 des Arbeitsverfassungsgesetzes - ArbVG, BGBl. Nr. 22/1974, enthaltene Definition heranzuziehen. Die Anwendung dieser nicht auf den rechtlichen Unternehmenscharakter, sondern die organisatorische Einheit abstellenden Begriffsbestimmung entspreche dem Sinn und Zweck des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes 1957 und sei auch aus der historischen Entwicklung ableitbar, wonach schon vor dem Inkrafttreten des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes 1957 bestimmte schlechtwettergefährdete Baustellen und Bauvorhaben (also organisatorische Einheiten und nicht Rechtsfiguren) in die Schlechtwetterregelung einbezogen gewesen seien. Ein Betrieb im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes werde von der Rechtsprechung bei Großbaustellen, die auf längere Sicht bestehen bleiben, angenommen, so daß in der Regel Arbeitsgemeinschaften den Anforderungen des arbeitsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffes entsprächen. Auch nach § 35 ArbVG gleichzustellende Arbeitsstätten würden als Betriebe im Sinne des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes 1957 anzusehen sein. Für den Bereich des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes 1957 werde darüber hinaus im Hinblick auf § 1 dieses Gesetzes bei gegebener Trennungsmöglichkeit (insbesondere der Lohnverrechnung) selbst eine arbeitsverfassungsrechtlich nicht als Betrieb anzusehende Arbeitsgemeinschaft aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes auszuscheiden sein, wenn diese Arbeitsgemeinschaft in der Hauptsache nicht dem § 1 Abs. 1 BSchEG zuzuordnende Arbeiten ausführe. Auch die Anführung der Arbeitsgemeinschaften unter den kleinsten statistischen Einheiten (Arten) der Betriebssystematik 1968 untermauere im Zusammenhang mit einer teleologischen Auslegung des Gesetzes die Auffassung, daß Arbeitsgemeinschaften im Regelfall hinsichtlich der Zugehörigkeit zum Geltungsbereich des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes 1957 unabhängig von den beistellenden Gesellschaften als Betrieb zu betrachten seien. Da als erwiesen anzunehmen sei, daß die Arbeitsgemeinschaft "E-Estrich" überwiegend Estricharbeiten durchführe und die angeführte Arbeitsgemeinschaft laut vorstehenden Ausführungen als Betrieb anzusehen sei, müsse der Geltungsbereich des § 1 BSchEG 1957 für diesen Betrieb ausgeschlossen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die beschwerdeführenden Gesellschaften in dem Recht auf Rückerstattung des genannten Schlechtwetterentschädigungsbetrages verletzt. Sie führen hiezu aus, es möge dahingestellt bleiben, welchen privatrechtlichen Charakter die Arbeitsgemeinschaft "E-Estrich" an der Baustelle gehabt habe, ob es sich um eine Organisationsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder nicht einmal um diese Erscheinungsform gehandelt habe. Gewiß scheine, daß die Beurteilung der offenen Frage davon auszugehen habe, daß die an Ort und Stelle einschreitende Arbeitsgemeinschaft, die eine bessere Koordinierung der Arbeit zum Gegenstand gehabt habe, keine eigene juristische Person sei, vor allem diese Arbeitsgemeinschaft kein Betrieb an sich gewesen sein könne, vielmehr die Beteiligten bei den beschwerdeführenden Gesellschaften je für sich eigene Betriebs- und Organisationsform hatten. Eine andere Auslegung des Gesetzes würde an den gegebenen Sachen vorbeigehen und damit den Sachverhalt in seinem Wesen verkennen.
Gemäß dem § 1 Abs. 1 BSchEG 1957 fallen bestimmte Betriebe unter den Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes, und zwar hinsichtlich der von diesen Betrieben beschäftigten Arbeiter, wobei § 2 dieses Gesetzes gewisse Ausnahmen anordnet. Nach der Anordnung der §§ 4 ff BSchEG 1957 haben die Dienstgeber den Arbeitern, die wegen Schlechtwetters einen Arbeitsausfall erleiden, der mit einem Lohnausfall verbunden ist, in einem durch das Gesetz näher bestimmten Ausmaß und für eine gesetzlich näher bestimmte Höchstzahl von Stunden Schlechtwetterentschädigungen zu gewähren, die vom Dienstgeber am Lohnzahlungstag gleichzeitig mit dem Lohn auszuzahlen sind. Der § 8 Abs. 1 BSchEG 1957 bestimmt, daß dem Dienstgeber auf Antrag die als Schlechtwetterentschädigung ausgezahlten Beträge zuzüglich eines Pauschbetrages (als Abgeltung für die in der Zeit des Arbeitsausfalles geleisteten sozialen Abgaben) rückzuerstatten sind.
In Streit steht vorwiegend die Rechtsfrage, ob die von den beiden beschwerdeführenden Gesellschaften gegründete Arbeitsgemeinschaft "E-Estrich" dem Begriff "Betrieb" unterstellt werden kann oder nicht.
Der Gesetzgeber ist in diesem Fall sowie in zahlreichen anderen Gesetzen arbeitsrechtlichen Inhaltes offenbar davon ausgegangen, daß der Betriebsbegriff bereits vorgegeben ist. Dies konnte er umso eher tun, als einerseits der Begriff "Betrieb" sowie der Begriff des Dienstnehmers, der arbeitnehmerähnlichen Person, des Unternehmens udgl. zu den Grundbegriffen des Arbeitsrechtes gehört (vgl. Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz von Floretta-Strasser, S. 199) und andererseits das Arbeitsverfassungsgesetz, welches eine der für die Wahrung der Dienstnehmerinteressen wesentlichsten Grundlagen der österreichischen Rechtsordnung darstellt, in seinem § 34 Abs. 1 eine sehr eingehende Umschreibung des Betriebsbegriffes enthält. Man wird daher im allgemeinen davon ausgehen können, daß der Gesetzgeber diesen Begriff bei der Regelung verwandter Materien im gleichen Sinne gebraucht wissen wollte, dies umso mehr, als das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 Leistungsverbesserungen für Arbeiter aus sozialen Gründen zum Gegenstand hat und somit einen Teil des Arbeitsrechtes darstellt, in welches es sich einfügt und solcherart keine Sonderbehandlung verlangt. Wie auch der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom , Zl. 307/63, dargetan hat, folgt aus der Einheit der Rechtsordnung der Auslegungsgrundsatz der Einheit der Rechtssprache.
Gemäß dem § 34 Abs. 1 ArbVG gilt als Betrieb jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht.
Im Bereich der Bauwirtschaft ist die Arbeitsgemeinschaft eine verbreitete Form des Unternehmerzusammenschlusses. Mehrere Bauunternehmer schließen sich auf eine gewisse Zeit zusammen, um ein Bauobjekt, das die Kapazität des einzelnen Unternehmens übersteigt, durchzuführen (vgl. im Zusammenhang Krejci, Das Recht der Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft, Wien 1979, S. V). Ob eine von mehreren Bauunternehmungen gegründete Bau-Arbeitsgemeinschaft einen Betrieb im Sinne des § 34 Abs. 1 ArbVG führt und somit Betriebsinhaber ist, ist in jedem EINZELFALL gesondert zu untersuchen. Bei Bau-Arbeitsgemeinschaften geht es wie bei Bauunternehmungen überhaupt um die Frage, unter welchen Gegebenheiten davon gesprochen werden kann, daß eine Baustelle ein Betrieb im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes ist (vgl. Krejci, S. 153). Nach der Rechtsprechung können Baustellen grundsätzlich nicht als Betriebe im Sinne des § 34 Abs. 1 ArbVG angesehen werden, es sei denn, daß ihre bautechnische und verwaltungsmäßige Organisation ausnahmsweise diejenige einer Bauleitung übertrifft (vgl. im Zusammenhang die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 817/50, Slg. N.F. Nr. 2067/A, und vom , Zl. 1952/52 (ArbSlg. Nr. 5603), vom , Zl. 2379/50, vom , Zl. 817/50 (ArbSlg. Nr. 5261), und das darauf fußende Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 4 Ob 32/53 (ArbSlg. Nr. 5653).
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit der Frage der Stellung, des Zweckes, der Dauer, der Organisation der von den beiden beschwerdeführenden Gesellschaften gegründeten Arbeitsgemeinschaft "E-Estrich" nicht auseinandergesetzt und ohne rechtliche Würdigung des Inhaltes des bezughabenden Gesellschaftsvertrages ausgesprochen, daß Arbeitsgemeinschaften "in der Regel" den Anforderungen des arbeitsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffes entsprechen. Es sind somit Feststellungen über den von der Arbeitsgemeinschaft verfolgten Zweck, die Dauer (arg.:
... "die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt
verfolgt ...") und die eingesetzten Personen und technischen Mittel der Zusammenarbeit der beiden beschwerdeführenden Gesellschaften unterblieben, weshalb sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet erweist. Entsprechend ihrer aus den §§ 58, 60 und 67 AVG 1950 erfließenden Verpflichtung, ihren Bescheid ausreichend, d.h. in einer der nachprüfenden Rechtskontrolle zugänglichen Art, zu begründen, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, eingehend darzulegen, worauf sich diese Annahme stützt. Durch die der Vorschrift des § 60 AVG 1950 nicht entsprechende Begründung des angefochtenen Bescheides waren im übrigen nicht nur die beiden beschwerdeführenden Gesellschaften an der Verfolgung ihrer Rechtsansprüche gehindert, sondern es war auch dem Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit genommen, den angefochtenen Bescheid auf seine Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Dazu kommt noch, daß auch jegliche Feststellungen und Auseinandersetzungen darüber fehlen, ob die von den beiden in der Arbeitsgemeinschaft "E-Estrich" zusammengeschlossenen Baugesellschaften (§ 157 Gewerbeordnung 1973) im Beschwerdefall durchgeführten Estricharbeiten (vgl. diesbezüglich die ÖNORM B 2232) von der Betriebsart "Hoch- und Tiefbaubetriebe" im Sinne des § 1 Abs. 1 BSchEG 1957 erfaßt werden.
Da der Verwaltungsgerichtshof wesentliche Mängel des Verwaltungsverfahrens auch ohne Antrag in der Beschwerde wahrzunehmen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221.
Wien, am