TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 20.02.2003, 2000/16/0012

VwGH vom 20.02.2003, 2000/16/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der A AG in Wien-Schwechat, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/380-09/06/98, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verkaufte mit Kaufvertrag vom zwei näher bezeichnete Grundstücke im Gesamtausmaß von 191.856 m2 um den Kaufpreis von S 55,846.800,-- an die Flughafen Wien Aktiengesellschaft (im Folgenden: VIE). Für diesen Erwerbsvorgang wurde vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien Grunderwerbsteuer vorgeschrieben.

Am selben Tag haben die Partner dieses Kaufvertrages einen Baurechtsvertrag abgeschlossen, in dem unter Bezugnahme auf den genannten Kaufvertrag VIE zugunsten der Beschwerdeführerin an Teilen der gegenständlichen Liegenschaft im Gesamtausmaß von

152.301 m2 ein Baurecht für die Zeit bis bestellte. Die Beschwerdeführerin wurde berechtigt und verpflichtet, auf dem Baurechtsgrund eine Wartungsstation zu errichten, wobei vereinbart wurde, dass alle Anlagen Zugehör des Baurechtes würden und auf die Dauer dieses Vertrages im Eigentum der Beschwerdeführerin stünden. Als Bauzins wurden S 20,28 pro Quadratmeter und Jahr vereinbart. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages und des Baurechtsvertrages wurde für den Fall vorgesehen, dass die Beschwerdeführerin aus Gründen, die nicht in ihrer Einflusssphäre lägen, die Wartungsstation nicht errichten könne.

Dieser Baurechtsvertrag wurde dem Finanzamt mit der Erklärung angezeigt, dass die Gegenleistung "0,00" betrage. In einem Begleitschreiben erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe die gegenständlichen Liegenschaften im Jahr 1991 erworben, um ihre Wartungsstation zu errichten. Es habe sich nach langjährigen Verwaltungsverfahren herausgestellt, dass diese Errichtung nur möglich ist, wenn formal das Eigentum an den Grundstücken an die VIE abgetreten werde. Aufgrund des abgeschlossenen Kaufvertrages einerseits und des Baurechtsvertrages andererseits habe sich an der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an den für die Errichtung der Wartungsstation erforderlichen Grundstücken keine Änderung ergeben. Die Beschwerdeführerin habe in keiner Phase die wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese Grundstücke aus der Hand gegeben. Die Beschwerdeführerin habe durch diese Vertragskonstellation nie darauf verzichtet, dass ihr das wirtschaftliche Eigentum nach wie vor zustehe. Daher liege ein Erwerbsvorgang aufgrund des Baurechtsvertrages nicht vor.

In einer weiteren Stellungnahme verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass der Baurechtsvertrag nur einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllen könne, sodass die wirtschaftliche Betrachtungsweise anzuwenden sei. Da die Beschwerdeführerin die wirtschaftliche Verfügungsgewalt hinsichtlich der Baurechtsgrundstücke niemals aufgegeben habe, sei mangels Verwirklichung eines Erwerbsvorganges nach § 1 Abs. 2 GrEStG eine Grunderwebsteuerpflicht nicht gegeben.

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien für den Baurechtsvertrag Grunderwerbsteuer gemäß § 7 Z. 3 GrEStG vor. Als Bemessungsgrundlage wurde der 18-fache Jahreszins herangezogen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom als unbegründet abgewiesen, worauf die Beschwerdeführerin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages habe die Beschwerdeführerin die Liegenschaften ausdrücklich mit allen Rechten und Vorteilen, wie sie diese bisher besessen und benützt hatte, an VIE übertragen. Damit habe VIE zumindest für eine juristische Sekunde jene Verfügungsmacht über die Grundstücke erlangt, wie sie vorher die Beschwerdeführerin hatte. Damit wurden die Grundstücke auch in das wirtschaftliche Eigentum übertragen. Bei der Übertragung der Liegenschaften an die VIE aufgrund des Kaufvertrages und der anschließenden Bestellung des Baurechtes habe es sich um zwei gesonderte grunderwerbsteuerbare Vorgänge gehandelt. Erst nach Erwerb des Eigentums durch die VIE sei überhaupt erst die Begründung des Baurechtes rechtlich möglich gewesen, weshalb zwei zeitlich aufeinander folgende Vorgänge vorgelegen seien. Die belangte Behörde ließ dahingestellt, ob der Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG oder des § 1 Abs. 2 GrEStG vorliege; auch in letzterem Falle habe die Beschwerdeführerin durch die Baurechtsbestellung die Befugnis erlangt, die nunmehr im Eigentum der VIE stehenden Grundstücke durch Errichtung der Wartungsstation zu verwerten, weshalb auch dieser Grunderwerbsteuertatbestand verwirklicht worden sei.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem gemäß § 1 GrEStG 1987 gesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, dass die Grunderwerbsteuer nur für die gesetzlich "beschriebenen" Erwerbsvorgänge erhoben werde. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit sich der Kaufvertrag auf ein inländisches Grundstück bezieht. Nach § 2 Abs. 1 GrEStG sind unter Grundstücken im Sinne dieses Gesetzes Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechtes zu verstehen. Abs. 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass Baurechte den Grundstücken gleichstehen.

Der Grunderwerbsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 2 GrEStG auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruches auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

Unstrittig ist die Lehre und Rechtsprechung, dass die Begründung eines Baurechtes einen grunderwerbsteuerlichen Vorgang nach § 1 GrEStG auslöst; strittig ist allein, ob der Vorgang nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG oder nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbar ist.

Zum Stand der Diskussion zu dieser Frage ist, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Darlegungen bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II 3 Grunderwerbsteuergesetz, Rz 263 zu § 1 GrEStG bzw. Rz 47 zu § 2 GrEStG, sowie bei Arnold/Arnold, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 I, Rz 87 zu § 2 GrEStG, zu verweisen. Hervorzuheben ist allerdings, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung, der Erwerb des Baurechtes sei eine Verwertung im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG, zuletzt im Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0030, in Anwendung des GrEStG 1955 wiederholt hat. Zum formell neuen Gesetz, nämlich dem GrEStG 1987, liegt diesbezüglich keine Rechtsprechung vor.

Überzeugend hat Fellner die Auffassung im Erkenntnis vom , VwSlg. Nr. 2269/F, widerlegt, der Baurechtsvertrag ermögliche es dem dort Begünstigten rechtlich und wirtschaftlich, ein inländisches Grundstück, dem das Baurecht gleichzuhalten sei, durch Errichtung eines Hauses zu verwerten. Wenn nämlich das Baurecht als solches dem Grundstück gleichsteht, wird durch den Vertrag über die Begründung des Baurechtes der Anspruch auf Übereignung des Baurechtes selbst begründet, sodass für die Annahme einer Verwertungsbefugnis kein Raum bleibt. Auch Arnold/Arnold weisen aaO darauf hin, dass der Rechtsvorgang nicht auf die Einräumung einer Verwertungsbefugnis, sondern auf die Einräumung eines Rechtes abzielt. Diese Autoren folgen gleichfalls der von ihnen zitierten Rechtsprechung des BFH, wonach das Baurecht ein selbständiges Recht bilde, sodass der Baurechtsvertrag ein Rechtsgeschäft auf Übereignung, d.h. Bestellung eines Baurechtes laute und daher dem Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG unterliege. Dem kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht verschließen.

Daraus folgt aber, dass das Vertragsgeflecht vom zwei selbständige Erwerbsvorgänge beinhaltet, die beide dem § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG zuzuordnen sind; nur die Einräumung einer Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG hätte eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugelassen (siehe die Nachweise bei Fellner aaO, Rz 33 zu § 1 GrEStG). Damit kommt es auf die (von der belangten Behörde unbestrittenen) Motive, warum es zu dieser Vertragsgestaltung gekommen ist, nicht an.

Die Beschwerdeführerin vergleicht das hier gegenständliche Vertragsgeflecht mit einer "sale and lease back Transaktion"; tatsächlich hat der Verwaltungsgerichtshof, wie die Gegenschrift richtig aufzeigt, im Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0345, bei einer derartigen Vertragskonstellation ausgesprochen, dass bezüglich des Leasingvertrages, bei dem vorgesehen war, dass mit Bezahlung der letzten Leasingrate das Eigentum an den früheren Verkäufer und nunmehrigen Leasingnehmer zurückfällt, die Steuer gemäß § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG nicht festzusetzen ist. Der grundlegende Unterschied zum Baurechtsvertrag besteht allerdings darin, dass hier nach Ablauf der Vertragsdauer nicht etwa das Grundstück an den Bauberechtigten übergeht, sondern vielmehr das Bauwerk in das Eigentum des Grundeigentümers (§ 9 Abs. 1 BauRG). Es kann somit keine Rede davon sein, dass der Baurechtsvertrag in Wahrheit die Rückabwicklung des Kaufvertrages über das Grundstück darstelle.

Da der herangezogene Abgabentatbestand an die äußere zivil- bzw. formalrechtliche Gestaltung anknüpft, kam es, wie schon dargelegt, auf die Motive der vertragsschließenden Parteien nicht an. Der belangten Behörde ist daher kein Verfahrensfehler anzulasten, wenn sie die zu diesem Thema namhaft gemachten Zeugen nicht gehört hat.

Damit erweist sich die Beschwerde aber zur Gänze als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am