VwGH vom 07.10.2003, 2000/15/0151
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des A in D, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , GZ. RV 1025/1-V6/2000, betreffend Einkommensteuer 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Angestellter einer Versicherungsgesellschaft. In seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1998 machte der Beschwerdeführer u.a. nach näheren monatlichen Zusammenstellungen über beruflich veranlasste Reisen ("über 25 km u. über drei Stunden") so genannte Diäten-Differenzbeträge geltend (insgesamt handelte es sich um einen Betrag von 16.950 S). Mit der Begründung, auf Grund der langjährigen Tätigkeit im Außendienst sei es als erwiesen anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer die günstigsten Verpflegungsmöglichkeiten in den von ihm bereisten Orten soweit bekannt seien, dass ein Verpflegungsmehraufwand ebenso ausgeschlossen werden könne, wie bei einem an ein und demselben Ort tätigen Arbeitnehmer, berücksichtigte das Finanzamt die geltend gemachten Tagesdiäten nicht als Werbungskosten im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1998.
In der Berufung machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, er könne auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit im Außendienst behaupten, dass die günstigsten Verpflegungsmöglichkeiten an den bereisten Orten immer noch höher seien als die normale Haushaltsführung. Es entstehe dadurch ein Verpflegungsmehraufwand und somit ein Anspruch auf Berücksichtigung von Tagesdiäten.
Das Finanzamt gab der Berufung im Streitpunkt der Tagesdiäten mit Berufungsvorentscheidung keine Folge. Da sich die regelmäßigen Reisen des Beschwerdeführers seit mehreren Jahren (eine gewisse Anlaufphase sei daher gegeben) über sein ständiges Betreuungsgebiet erstreckten, sei davon auszugehen, dass kein Verpflegungsmehraufwand entstanden sei (Kenntnis der preisgünstigen Verpflegungsmöglichkeiten).
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer vor, die Begründung der Berufungsvorentscheidung könne mit seiner Reisetätigkeit nicht in Verbindung gebracht werden. Bei seinen Reisen handle es sich nicht "um eine Regelmäßigkeit, und nicht um ein einheitliches Zielgebiet". Es sei daher nicht möglich und auch nicht zumutbar, dass er "von verschiedenen bereisten Orten die preisgünstigen Verpflegungsmöglichkeiten kenne und kennen muss". Unbestritten sei, dass auch die günstigste Verpflegung in einem Gasthaus teurer sei, als die Verpflegung zu Hause und daher ein Verpflegungsmehraufwand entstehe. Auch seine mehrjährige Reisetätigkeit könne keine Begründung für die Ablehnung der Berücksichtigung der beantragten Diäten als Werbungskosten darstellen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung in Bezug auf die Reisediäten keine Folge. Die Annahme eines Verpflegungsmehraufwandes rechtfertigende Reisen im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 lägen nicht vor. Den Mittelpunkt der Tätigkeit könne nicht nur ein einzelner Ort, sondern auch ein mehrere Orte umfassendes Einsatzgebiet bilden. Nach den vom Beschwerdeführer dem Finanzamt vorgelegten Aufstellungen sei der Ausgangspunkt seiner Reisen stets Dornbirn gewesen, wo sich der Wohnsitz des Beschwerdeführers und eine Geschäftsstelle seiner Arbeitgeberin befinde. Betriebsort seiner Arbeitgeberin sei Feldkirch. Die in den Aufstellungen genannten Zielorte lägen (mit einer Ausnahme) sämtliche in Vorarlberg und außerhalb oder im Randgebiet der 25 km-Zone von Dornbirn. Im Einzelnen habe der Beschwerdeführer folgende Städte und Gemeinden außerhalb der genannten Zone bereist:
Bludenz: in den Monaten II, III, IV, VII, IX, XI und XII insgesamt 8x,
Feldkirch: in den Monaten Juni, September, Oktober und November insgesamt 7x,
Frastanz: in den Monaten I, II, IV, V, VII, IX, X, XI und XII insgesamt 13x,
Hohneweiler: in den Monaten I, III, V, VII, VIII, IX, X, XI und XII insgesamt 13x,
Krumbach: im August 1x,
Nenzing: im Oktober 1x,
Satteins: in den Monaten II, V, VII, X und XI insgesamt 6x,
Schnepfau: in den Monaten Mai, Juni, November und Dezember insgesamt 4x,
Schoppernau: in den Monaten II, VII, IX und X insgesamt 5x,
Schruns: im Juni 1x,
Sibratsgfäll: im Mai 1x,
Thüringen: in den Monaten Mai, Juni und Oktober insgesamt 3x,
Tschagguns: im Juni 1x,
Im Jahr 1997 und offenbar auch in den Jahren davor seien die Umstände ähnlich gewesen. Wenn - wie aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/13/0132, hervorgehe - das Gebiet des gesamten Bundeslandes Burgenland mit einer Nord-Süd-Erstreckung von ca. 160 km und einer Fläche von 3.965 km2 als ein Einsatzgebiet anzusehen sei, müsse dies auch für die Fälle gelten, in denen Arbeitnehmer ein Gebiet bereisten, das in Größe und Ausdehnung dem bewohnten und verkehrsmäßig gut erschlossenen Teil des Bundeslandes Vorarlberg mit der Gesamtfläche von
2.602 km2 entspreche. Auch wenn der Beschwerdeführer im Streitjahr 1998 Orte in den meisten Talschaften Vorarlbergs und damit den Großteil des besiedelten und verkehrsmäßig erschlossenen Teiles Vorarlbergs bereist habe, sei dessen Reisegebiet nicht größer bzw. nicht so groß gewesen wie beispielsweise die Fläche des Burgenlandes. Die beruflich veranlassten Reisen des Beschwerdeführers in die näher bezeichneten Städte und Gemeinden Vorarlbergs außerhalb der 25-km-Zone seien daher nach ihrer Ansicht nicht als Reisen "zu Einsatzorten, sondern als Reisen in seinem Einsatzgebiet zu beurteilen". Dadurch sei das Reisegebiet des Beschwerdeführers aber zu einem Mittelpunkt seiner Tätigkeit geworden, sodass Verpflegungsaufwendungen - auch hinsichtlich eines Mehraufwandes - nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Auch sei der vom Beschwerdeführer herangezogene Vergleich der Kosten der Verpflegung in einem Gasthaus mit den Kosten der Verpflegung zu Hause nicht zielführend, da zu den nach § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähigen Aufwendungen auch jener Verpflegungsaufwand gehöre, der einer Vielzahl von Steuerpflichtigen dadurch erwachse, dass sie aus beruflichen Gründen genötigt seien, Mahlzeiten außer Haus einzunehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem Begriff der "Reise" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt auseinander gesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Aufenthalt an einem Ort, der als Mittelpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen angesehen werden muss, keine Reise darstellt, wobei auf Grund längeren Aufenthalts des Steuerpflichtigen ein Ort zu einem (weiteren) Mittelpunkt der Tätigkeit wird. Der längere Aufenthalt ermöglicht es ihm, sich dort über die Verpflegungsmöglichkeiten zu informieren und so jenen Verpflegungsmehraufwand zu vermeiden, der allein die Annahme von Werbungskosten statt nicht abzugsfähiger (üblicher) Verpflegungsaufwendungen der privaten Lebensführung rechtfertigt. Erstreckt sich die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf mehrere Orte in der Weise, dass jeder Ort - für sich betrachtet - Mittelpunkt der Tätigkeit sein könnte, dann ist jeder dieser Orte als Mittelpunkt der Tätigkeit zu qualifizieren und der Aufenthalt an ihm keine Reise. Sowohl eine mit Unterbrechungen ausgeübte Beschäftigung an einem Ort als auch wiederkehrende Beschäftigungen an einzelnen nicht zusammenhängenden Tagen können die Eignung eines Ortes zu einem weiteren Mittelpunkt der Tätigkeit begründen, sofern die Dauer einer solchen wiederkehrenden Beschäftigung am selben Ort insgesamt ein Ausmaß erreicht, welches zum Wegfall der Voraussetzungen des in typisierender Betrachtungsweise unterstellten Verpflegungsmehraufwandes zu führen hat (vgl. dazu das Erkenntnis vom , 95/14/0022). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon ein mehrmals täglich befahrenes "Gebiet der ständigen Patrouillentätigkeit" als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit angesehen (vgl. das Erkenntnis vom , 94/13/0101, weiters das Erkenntnis vom , 94/15/0045) und unter der Voraussetzung der häufigen Wiederkehr an die gleichen Orte eine Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten "im betrauten Sprengel" angenommen (vgl. das Erkenntnis vom , 96/13/0132, sowie das Erkenntnis vom , 99/14/0317).
Die Rechtfertigung der Annahme von Werbungskosten anlässlich einer ausschließlich beruflich veranlassten Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 liegt bei kurzfristigen Aufenthalten in dem bei derartigen Reisebewegungen in typisierender Betrachtungsweise angenommenen Verpflegungsmehraufwand gegenüber den ansonsten am jeweiligen Aufenthaltsort anfallenden und gemäß § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähigen (üblichen) Verpflegungsaufwendungen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 94/13/0253, 0254). Die steuerliche Anerkennung eines Verpflegungsmehraufwandes unter dem Titel der Reise ist nach der Rechtsprechung im Ergebnis dann nicht möglich, wenn von einer auch die Kenntnis der Verpflegungsmöglichkeiten bewirkenden Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten ausgegangen werden kann (vgl. die Erkenntnisse vom , 99/13/0001, und vom , 99/13/0034). Auch hier gilt die typisierende Betrachtungsweise (vgl. das Erkenntnis vom , 96/13/0132).
Da es auf die Verpflegungsmöglichkeiten am jeweiligen Aufenthaltsort ankommt (vgl. etwa auch das Erkenntnis vom , 92/15/0225), scheidet ein Vergleich mit der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren angesprochenen Verpflegung am Wohnort ("zu Hause") aus.
In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, im Hinblick auf den Umstand, dass die Kundenbesuche stets im Bedarfs- bzw. Einzelfall erfolgten und die Bereisung der Kunden nicht systematisch - z.B. alle Kunden eines bestimmten Ortes - vorgenommen werde, und im Hinblick auf die "Einzelfallhaftigkeit" dieser Kundenbesuche müsse die Reiseroute dementsprechend unterschiedlich geplant werden; dies bedinge zwangsläufig einen die steuerlichen Tagesgelder rechtfertigenden Verpflegungsmehraufwand des Beschwerdeführers, der u.a. auch deshalb gegeben sei, weil die bedarfsorientierte Reisetätigkeit nur ad hoc geplant werden könne und der Beschwerdeführer sich daher zu jeweils ganz verschiedenen Tageszeiten in Orten entlang der Reiseroute aufhalte. Dies bedinge wiederum, dass trotz mehrmaligen Aufenthaltes in derselben Gemeinde innerhalb eines Jahres für den Beschwerdeführer keinerlei Möglichkeit bestehe, besonders kostengünstige Möglichkeiten für die Einnahme einer Mittagsmahlzeit auszukundschaften, wenn er einmal in den Vormittagsstunden und dann wieder in den Abendstunden in einer derartigen Gemeinde kurz tätig ist.
Dieses Vorbringen ist aber nicht geeignet, in nachvollziehbarer Weise darzutun, inwiefern dem Beschwerdeführer selbst in diesem Fall der von ihm vorgebrachten bedarfsorientierten ("nicht systematisierten") Reisetätigkeit die Vertrautheit mit den - voraussetzungsgemäß gegebenen - Verpflegungsmöglichkeiten des bereisten Gebietes nicht ebenfalls die Möglichkeit geboten hat, einen Verpflegungsmehraufwand - allenfalls durch eine entsprechende zeitliche Lagerung von Mahlzeiten oder die Mitnahme von Lebensmitteln - abzufangen (vgl. in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse vom , 95/14/0156, vom , 95/14/ 0013, und vom , 99/13/0001). Inwiefern der in der Beschwerde angesprochene Umstand, dass ein "diagonales" Passieren von Gebirgen zu einer in einer anderen Talschaft gelegenen kostengünstigeren Verpflegungsmöglichkeit in der Regel nicht möglich oder deren Aufsuchen zumindest mit einem gänzlich unverhältnismäßigen Zeit- und Fahrtaufwand verbunden sei (und daher der von der belangten Behörde herangezogene Vergleich mit dem Burgenland hinke), ein Vermeiden von Verpflegungsmehraufwendungen am jeweiligen Aufenthaltsort (im Vergleich zu den dort gegebenen Verpflegungsmöglichkeiten) verhindert hätte, zeigt die Beschwerde ebenfalls nicht auf.
Die Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am