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VwGH vom 16.09.2003, 2000/14/0069

VwGH vom 16.09.2003, 2000/14/0069

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der W KG in H, vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in 4240 Freistadt, Hauptplatz 22, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. RV108/1- 7/1998, betreffend Feststellung von Einkünften für die Jahre 1995 und 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Ehegatten Andreas und Waltraud W gründeten mit Vertrag vom die beschwerdeführende KG. Der Komplementär Andreas W brachte sein Einzelunternehmen (Eisenhandlung) in Anrechnung auf seine Bareinlage von S 50.000,-- ein. Die Haft- und Kommanditeinlage von Waltraud W beträgt S 100.000,--. Aus der bilanzmäßigen Darstellung ergibt sich, dass Bankverbindlichkeiten (des ehemaligen Einzelunternehmens) gegenüber der V-Bank im Ausmaß von ca. S 1,450.000,-- nicht auf die KG übertragen und als Sonderbetriebsvermögen des Andreas W behandelt worden sind. Im Gesellschaftsvertrag wird die Gewinn- und Verlustverteilung wie folgt festgelegt:

"Der persönlich haftende Gesellschafter, Herr Andreas W, erhält für die Zurverfügungstellung seines Sonderbetriebsvermögens und zur Abgeltung in Zukunft hervorkommender stiller Reserven einen Gewinnvorwegbezug von S 200.000,--, in Worten Schilling zweihunderttausend, sowie jenen Betrag, den er an Zinsen für die im Sonderbetriebsvermögen zurückbehaltenen Schulden aufzuwenden hatte. Vom verbleibenden Reingewinn oder -verlust erhalten Herr Andreas und Frau Waltraud W je 50 %. Sozialversicherungsbeiträge der gewerblichen Wirtschaft für die Gesellschafter sind von der Gesellschaft zu vertreten."

Im Zuge einer den Zeitraum 1995 und 1996 umfassenden Buch- und Betriebsprüfung traf die Prüferin - soweit es für das gegenständliche Verfahren noch von Bedeutung ist - die Feststellung, der im Rahmen der Gewinnverteilung dem Gesellschafter Andreas W zugewiesene Vorwegbezug von S 200.000,-- jährlich könne mangels Fremdüblichkeit nicht anerkannt werden. Der Gesamtgewinn sei jeweils zur Hälfte den Gesellschaftern zuzuweisen. Ein fremder Gesellschafter wäre niemals damit einverstanden gewesen, dass einem anderen Gesellschafter für die Zurverfügungstellung eines negativen Sonderbetriebsvermögens und für das Hervorkommen zukünftiger stiller Reserven, die niemand vorhersagen könne und die nur durch das Handeln der neu entstandenen Gesellschaft entstehen könnten, ein Vorwegbezug gewährt werde.

In der Berufung gegen die den Feststellungen der Prüferin entsprechenden Bescheide brachte die Beschwerdeführerin vor, Waltraud W sei, soweit dies ihre Zeit neben der Ausübung ihres Berufes als Lehrerin erlaube, im Unternehmen der Beschwerdeführerin tätig (Verwaltung, Einkaufskontrolle, Kalkulation, Personalbeaufsichtigung). Sie hafte zudem persönlich für Bankverbindlichkeiten. Mit ihrem Gehalt aus der nichtselbständigen Tätigkeit finanziere sie im Wesentlichen den Lebensunterhalt der Familie, da der Ertrag des Unternehmens hiefür nicht ausreichen würde. Der Kommanditvertrag über die Errichtung der Beschwerdeführerin sei durch das Notariat F erstellt worden. In einer der Gesellschaftsgründung vorangehenden Punktation über den Gesellschaftsvertrag, welche vom steuerlichen Vertreter erstellt worden sei, sei festgehalten, dass Andreas W "für seine erbrachte Arbeitsleistung" einen Gewinnvorwegbezug von S 200.000,--

erhalte. Der steuerliche Vertreter habe nach einer Besprechung mit den Ehegatten W dem Notariat F fernmündlich zum Zweck der Berücksichtigung im zu verfassenden KG-Vertrag mitgeteilt, dass bei der Gewinnverteilung Andreas W als zusätzlichen Gewinnvorwegbezug den Betrag erhalten solle, den er an Zinsen für die im Sonderbetriebsvermögen zurückbehaltenen Schulden aufzuwenden habe. Im Zuge der Erstellung des KG-Vertrages sei diese Position in den Vertragspunkt betreffend die Gewinn- und Verlustverteilung übernommen worden, dabei sei aber die ursprünglich in der Punktation vereinbarte Begründung der Gewinnverteilung, nämlich die Arbeitsleistung des Andreas W, vergessen worden. Die Ehegatten W seien steuerlich zu wenig versiert gewesen, um eventuelle Auswirkungen dieses Fehlers beurteilen zu können. Die tatsächlichen Verhältnisse seien so, dass Andreas W, würde er die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausüben, einen kollektivvertraglichen Lohn als Filialleiter von brutto monatlich S 20.120,--, jährlich sohin ca. S 280.000,--, erhalten müsste. Der Gewinnvorwegbezug des Andreas W sei also nichts anderes als eine angemessene Entschädigung für seine Tätigkeit im Betrieb. Diese Gewinnverteilung entspreche einer unter Fremden durchgeführten Vereinbarung. Es werde im Übrigen auf die im Zuge der Betriebsprüfung vorgelegte schriftliche Stellungnahme verwiesen.

In dieser Stellungnahme wird ausgeführt, Andreas W habe ein funktionierendes, eingeführtes Unternehmen mit Firmenwert zur Verfügung gestellt. Jeder fremde Gesellschafter hätte allein dafür einen Gewinnvorwegbezug verlangt. Als persönlich haftender Geschäftsführer sei Andreas W zur vollen Arbeitsleistung, Geschäftsführung nach innen und Vertretung nach außen berechtigt und verpflichtet, ohne dass dies irgend einer gesonderten vertraglichen Bestimmung bedürfte. Jeder fremde Gesellschafter hätte für diese auch nachweislich erbrachte Arbeitsleistung Anspruch auf Berücksichtigung bei der Gewinnverteilung.

Die Betriebsprüferin führt in einer Stellungnahme zur Berufung aus, es sei nicht ersichtlich, worin stille Reserven des Einzelunternehmens gelegen sein sollten.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung. Dem begehrten Gewinnvorwegbezug von S 200.000,--

für Andreas W versagte sie die Anerkennung. Sie verteilte den Gewinn vielmehr zu gleichen Teilen auf die beiden Gesellschafter. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, das Einzelunternehmen des Andreas W habe in den dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages vorangegangenen sechs Wirtschaftsjahren folgende Ergebnisse erzielt (gerundet): 1989 -S 41.000,--, 1990: -S 14.000,--, 1991:

+ S 56.000,--, 1992: + S 18.000,--, 1993: + S 91.000,--, 1994: - S 29.000,--. Das Einzelunternehmen habe sich in einer finanziell und wirtschaftlich angespannten Lage befunden. Für die belangte Behörde stelle sich die Frage, ob ein fremder Dritter ein Gesellschaftsvertragsverhältnis unter folgenden Voraussetzungen eingegangen wäre:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Kommanditeinlage von S 100.000,-- samt unbeschränkter Haftung für bestimmte Bankschulden
-
Erbringung von Arbeitsleistungen, Tragung der Zinsen für Verbindlichkeiten im Sonderbetriebsvermögen des Komplementärs
-
Gewinnvorwegbezug des Komplementärs in Höhe von S 200.000,--
-
50 % Anteil des verbleibenden Gewinnes bzw. Verlustes.
Ein fremder Dritter würde die vorangegangenen Wirtschaftsjahre analysieren und dabei zum Ergebnis kommen, dass unter den gegebenen Umständen ausschließlich Verluste anfallen würden. In der gegebenen Form würde sich nach Ansicht der belangten Behörde ein fremder Dritter nicht am Einzelunternehmen des Andreas W beteiligen, zumal auch nicht geklärt sei, worin im gegenständlichen Fall ein Firmenwert gelegen bzw. wie hoch dieser allenfalls sein könnte. Nach Ansicht der belangten Behörde sei es bemerkenswert, dass im Gesellschaftsvertrag der Gewinnvorwegbezug u. a. damit begründet werde, dass Sonderbetriebsvermögen zur Verfügung gestellt werde und auch in Zukunft hervorkommende stille Reserven abgedeckt werden sollten. Diese Bestimmung bedeute nach Ansicht der belangten Behörde, ein Gesellschafter bekomme Geld dafür, dass er dem Unternehmen "Verbindlichkeiten in Millionenhöhe zur Verfügung stellt". Wo stille Reserven aufgedeckt werden könnten, sei nach Ansicht der belangten Behörde offen.
Wenn in der Berufung ausgeführt werde, der Gewinnvorwegbezug stehe im Hinblick auf die erbrachten Arbeitsleistungen zu, handle es sich um eine genauso pauschale und unzutreffende Behauptung als würde gesagt, Waltraud W habe für die Zurverfügungstellung des Kapitals und für ihre Haftung beispielsweise eine Verzinsung von 15 % der Einlage sowie für Arbeitsleistungen S 100.000,-- vorab zu erhalten. Tatsache bleibe nämlich, dass Vorwegbezüge grundsätzlich nur im Rahmen der tatsächlichen Möglichkeiten gewährt werden könnten. In der Regel könnten nur jene Gelder entnommen werden, die vorher erwirtschaftet worden seien; in den sechs vorangegangenen Jahren habe bei weitem nicht die Möglichkeit bestanden, Beträge in diesem Ausmaß zu entnehmen. Unter den gegebenen Umständen bewirke der Vorwegbezug nichts anderes als einen entsprechenden Verlust bei Waltraud W, was unter Fremden nicht üblich wäre. Es möge zutreffen, dass jeder Komplementär einen Vorwegbezug verlange. Das ändere aber nichts daran, dass ein Fremder einen solchen nicht akzeptieren würde. Es erübrige sich daher darauf einzugehen, ob die Aufnahme der Arbeitsleistung des Komplementärs in den Gesellschaftsvertrag vergessen worden sei oder nicht; dies vermöchte nämlich am Ergebnis nichts zu ändern. Die Gewinne der Beschwerdeführerin von S 159.195,-- (im Jahr 1995) und von S 224.409,-- (im Jahre 1996) seien daher zu je 50 % auf die Ehegatten W aufzuteilen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 93/13/0022, zum Ausdruck gebracht hat, kann bei nicht durch Nahebeziehungen verbundenen Gesellschaftern üblicherweise davon ausgegangen werden, dass eine Vereinbarung über die Gewinnverteilung einer Mitunternehmerschaft dem Beitrag der Gesellschafter zur Erreichung des Gesellschaftszweckes entspricht; sobald aber Nahebeziehungen zwischen den Gesellschaftern bestehen, kann ein mangelnder Interessengegensatz bewirken, dass Gewinnanteile aus privaten Gründen einer Person zugewiesen werden. Im Erkenntnis vom , 2385/79, Slg. 5519/F, hat der Gerichtshof zu Recht erkannt, dass ein im Verhältnis zur Tätigkeit des anderen Gesellschafters geringerer laufender Arbeitseinsatz eines Gesellschafters die Abgabenbehörde zu einer von der Parteienvereinbarung abweichenden Gewinnverteilung berechtigt, nicht aber dazu, ein Gesellschaftsverhältnis überhaupt in Abrede zu stellen.

Die Beschwerdeführerin räumt der belangten Behörde ein, dass die Erwartung über die Ertragsverhältnisse bei der Entscheidung, ob bzw. in welcher Form eine Beteiligung an einer Gesellschaft eingegangen wird, von Bedeutung ist. Die Beschwerdeführerin rügt aber, dass die belangte Behörde die Ertragserwartung aus den Ergebnissen der sechs vorangegangenen Geschäftsjahre abgeleitet habe, ohne auch auf die in der Folge gesetzten Maßnahmen und Zukunftsplanungen abzustellen. Es sei ein Konzept zur Verbesserung der Ertragssituation erstellt worden (betreffend Sortimentbereinigung, Lagerabbau, Personaleinsparung, Aktionen zur Umsatzsteigerung), welches der belangten Behörde bekannt gegeben worden wäre, hätte diese der Beschwerdeführerin vorgehalten, dass sie auf die - aus der vergangenheitsbezogenen Betrachtung abgeleitete - Gewinnentwicklung abstellen werde.

Es trifft zu, dass die Abgabenbehörde erster Instanz die Fremdüblichkeit der im gegenständlichen Fall getroffenen Gewinnverteilungsabrede nicht anhand der Einschätzung der Ertragsentwicklung geprüft hat. Es ist auch kein entsprechender Vorhalt der belangten Behörde ergangen. Solcherart war die Beschwerdeführerin nicht gehalten, im Verwaltungsverfahren entsprechendes Vorbringen zu den Maßnahmen betreffend die Ertragsverbesserung zu erstatten. Die entsprechende Argumentation im angefochtenen Bescheid verstößt daher gegen das Überraschungsverbot (vgl hiezu etwa das hg Erkenntnis vom , 94/13/0015). Damit kann dem hiezu vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdevorbringen das Neuerungsverbot nicht entgegengehalten werden.

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass bei der gegebenen Sachlage die Gesellschaftsgründung (bzw. die Beteiligung der Waltraud W) nicht als dem Grunde nach fremdunüblich angesehen werden könne, entspricht dies einer richtigen rechtlichen Beurteilung. Allein, die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid der Gesellschaftsgründung ohnedies nicht dem Grunde nach die Anerkennung versagt. Auf das auf die Frage der Anerkennung der Gesellschaftsgründung gemünzte Beschwerdevorbringen, ob Waltraud W frisches Geld als Kommanditeinlage eingebracht hat oder aber bloß eine - möglicherweise nur teilweise werthaltige - Darlehensforderung gegenüber dem Einzelunternehmer in eine Kommanditeinlage umgewandelt hat, braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrages zufolge sollte der Gewinnvorwegbezug von jährlich S 200.000,-- die Zurverfügungstellung des Sonderbetriebsvermögens des Andreas W und in Zukunft hervorkommende stille Reserven abgelten. Es liegt auf der Hand, dass für die Überlassung von negativem Sonderbetriebsvermögen (Schulden) der Gewinnvorwegbezug nicht fremdüblich sein kann. Dieser Gewinnvorwegbezug von S 200.000,-- jährlich kann aber auch nicht allfällige stille Reserven abgelten, ist doch ein exakter zahlenmäßiger Zusammenhang zwischen dem Vorwegbezug und dem Betrag der - hier im Übrigen gar nicht erwiesenen - stillen Reserven nicht vertraglich fixiert.

Die Angemessenheit der Gewinnverteilung einer Mitunternehmerschaft richtet sich nach den Gesellschafterbeiträgen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren auf die Arbeitsleistungen des Andreas W als Geschäftsführer und auf seine unbeschränkte Haftung verwiesen hat. In ihrer schon während des Betriebsprüfungsverfahrens eingebrachten Stellungnahme spricht die Beschwerdeführerin von voller Arbeitsleistung in der Geschäftsführung und Vertretung, während die Kommanditistin Waltraud W eine nichtselbständige Tätigkeit als Lehrerin ausübe und lediglich daneben im Betrieb mitarbeite. In der Berufungsschrift ist davon die Rede, dass Andreas W ein kollektivvertraglicher Lohn von S 280.000,-- pro Jahr zustehen würde, wäre er als Dienstnehmer tätig. Bei dieser Sachlage hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob insbesondere das Übergewicht der Gesellschafterbeiträge des Andreas W im Bereich der Erbringung von Arbeitsleistungen den Gewinnvorwegbezug von jährlich S 200.000,-- rechtfertigt. Indem die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht hat, auf die Erbringung der Arbeitsleistungen komme es im Beschwerdefall nicht an, hat sie die Rechtslage verkannt.

Entscheidend ist, ob sich die Gewinnverteilung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als angemessen erweist. Solcherart kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - lediglich auf ein Versehen des Notars als Vertragsverfasser zurückzuführen ist, dass die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Begründung für den Vorwegbezug von S 200.000,-- nicht auf die Arbeitsleistung des Andreas W abstellt.

Der angefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am