VfGH vom 13.12.2017, G408/2016 ua
Leitsatz
Abweisung von Anträgen des Bundesverwaltungsgerichtes auf Aufhebung der Bestimmungen über die - in die Zuständigkeit der Finanzmarktaufsichtsbehörde fallende - Verhängung von Geldstrafen über juristische Personen wegen Übertretungen des BankwesenG; Änderung der Rechtsprechung des VfGH zur Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts; Höhe der Strafdrohung kein taugliches Abgrenzungskriterium; keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Übertragung der Verfahren über die Verhängung der im BankwesenG angedrohten Geldstrafen angesichts ihrer spezifischen Funktion in die Zuständigkeit der ordentlichen Strafgerichte
Spruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Anträge
1. Mit dem vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten, beim Verfassungsgerichtshof zu G408/2016 protokollierten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht,
"1. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 zur Gänze,
in eventu
2. § 99d Abs 1, 2 und 3 Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013,
3. § 99d Abs 3 Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013,
in eventu
4. Folgende Teile des § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013: Die Wortfolge ', Abs 5a' in den Abs 1 und 2 sowie der Abs 3 [zur] Gänze,
in eventu
5. Folgende Teile des § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013: Die Wortfolge ', Abs 5a' in den Abs 1 und 2 sowie im Abs 3 die Wortfolge 'bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs 4 oder'
in eventu
6. Folgende Teile des § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013: Die Wortfolge ', Abs 5a' in den Abs 1 und 2 sowie im Abs 3 die Wortfolge 'bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs 4 oder',
in eventu
7. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 2 zuzüglich des Absatzes 4
in eventu
8. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 3 zuzüglich des Absatzes 4
in eventu
9. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 4 zuzüglich des Absatzes 4
in eventu
10. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 5 zuzüglich des Absatzes 4
11. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 6 zuzüglich des Absatzes 4
in eventu
12. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 2 zuzüglich der Absätze 4 und 5
in eventu
13. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 3 zuzüglich der Absätze 4 und 5
in eventu
14. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 4 zuzüglich der Absätze 4 und 5
in eventu
15. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 5 zuzüglich der Absätze 4 und 5
16. § 99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 6 zuzüglich der Absätze 4 und 5"
als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Darüber hinaus stellte das Bundesverwaltungsgericht weitere Anträge mit im Wesentlichen gleichlautendem Aufhebungsbegehren, welche beim Verfassungsgerichtshof zu G412/2016, G2/2017, G21/2017 und G54/2017 protokolliert wurden. Alle diese Anträge teilen denselben Hauptantrag, hinsichtlich der Eventualanträge bestehen geringfügige Abweichungen in der Textierung.
II.Rechtslage
§98, § 99 und § 99d des Bundesgesetzes über das Bankwesen (Bankwesengesetz – BWG), BGBl 532/1993, idF BGBl I 118/2016, lauten (die mit den jeweiligen [Haupt-]Anträgen angefochtene Bestimmung des § 99d ist in der bekämpften Fassung BGBl I 184/2013 wiedergegeben und hervorgehoben):
"§98. (1) Wer Bankgeschäfte gemäß Art 4 Abs 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 ohne die erforderliche Berechtigung betreibt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, zu bestrafen.
(1a) Wer andere als die in Abs 1 angeführten Bankgeschäfte ohne die erforderliche Berechtigung betreibt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 100 000 Euro zu bestrafen.
(2) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstituts oder, bei einem Kreditinstitute-Verbund im Falle der Z 1, 2, 4b, 7, 7a, 8 und 11 als Verantwortlicher (§9 VStG) der Zentralorganisation
1. die schriftliche Anzeige nach § 10 Abs 5 über Änderungen der Bedingungen der Angaben nach § 10 Abs 2 Z 2 bis 4 und Abs 4 Z 2 bis 6 an die FMA unterlässt;
2. die Anzeige der Tätigkeiten nach den Nummern 1 bis 15 des Anhangs I zur Richtlinie 2013/36/EU gemäß § 10 Abs 6 an die FMA unterlässt;
(Anm.: Z 3 und 4 aufgehoben durch BGBl I Nr 184/2013)
4a. die schriftliche Anzeige des Ergebnisses der Wahl zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates gemäß § 28a Abs 4 unterlässt;
(Anm.: Z 4b aufgehoben durch BGBl I Nr 184/2013)
5. dem übergeordneten Kreditinstitut nicht alle für die Konsolidierung erforderlichen Auskünfte gemäß § 30 Abs 7 erteilt;
5a. der Zentralorganisation nicht alle für die Konsolidierung erforderlichen Auskünfte gemäß § 30a Abs 8 erteilt;
(Anm.: Z 6 aufgehoben durch BGBl I Nr 37/2010)
7. die unverzügliche schriftliche Anzeige von in § 73 Abs 1 oder in der Verordnung (EU) Nr 575/2013 genannten Sachverhalten an die FMA unterlässt;
7a. die schriftliche Anzeige über Änderungen in der Zusammensetzung der Mitglieder des Kreditinstitute-Verbundes oder hinsichtlich des Wegfalls der Voraussetzungen gemäß Abs 1 oder, wenn der Kreditinstitute-Verbund nicht mehr in der Lage ist, den Aufsichtsanforderungen gemäß Abs 7 zu genügen, gemäß § 30a Abs 5 BWG unterlässt;
8. die in §§74, 74a und 75 vorgesehenen Meldungen der FMA oder der Oesterreichischen Nationalbank wiederholt nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen oder wiederholt nicht den gesetzlichen oder durch Verordnung festgelegten Formvorschriften entsprechend oder wiederholt unrichtig oder wiederholt unvollständig vorlegt;
(Anm.: Z 9 aufgehoben durch BGBl I Nr 184/2013)
(Anm.: Z 10 aufgehoben durch BGBl I Nr 117/2015)
11. die in § 73 Abs 4 und 4a oder die gemäß einer Verordnung der FMA gemäß § 21a vorgesehenen Anzeigepflichten oder die in § 44 Abs 1 bis 6 vorgesehenen Vorlage- und Übermittlungspflichten verletzt;
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 60 000 Euro zu bestrafen.
(3) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes
1. den für eine Spareinlage geltenden Jahreszinssatz nicht gemäß § 32 Abs 6 in der Sparurkunde an auffälliger Stelle ersichtlich macht;
2. Änderungen des Jahreszinssatzes nicht unter Angabe des Tages, von dem an sie gelten, gemäß § 32 Abs 6 bei der nächsten Vorlage der Sparurkunde in dieser vermerkt;
3. die unverzügliche schriftliche Anzeige gemäß § 73 Abs 3 unterlässt;
(Anm.: Z 4 bis 7 aufgehoben durch BGBl I Nr 28/2010)
8. Verbrauchergirokontoverträge abschließt, die nicht die gemäß § 34 Abs 2 erforderlichen Angaben enthalten;
9. die vierteljährliche Bekanntgabe des Kontostandes gemäß § 34 Abs 3 unterläßt;
10. die in § 35 Abs 1 und § 103 Z 32 geforderten Angaben im Kassensaal nicht aushängt oder die Information der Einleger unterläßt;
(Anm.: Z 11 aufgehoben durch BGBl I Nr 28/2010)
11a. der Preisauszeichnungspflicht gemäß § 35 Abs 3 nicht oder nicht vollständig entspricht;
12. die Sorgfaltspflichten des § 36 verletzt,
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 10 000 Euro zu bestrafen.
(4) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes, wenn auch nur fahrlässig, dem Verbot der Verfügung über Konten gemäß § 78 Abs 7 zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu 100 000 Euro zu bestrafen.
(5) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes
1. zulässt, dass das Kreditinstitut wiederholt oder kontinuierlich nicht über liquide Aktiva gemäß Art 412 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 verfügt;
2. Forderungen eingeht, die über die in Art 395 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 festgelegten Obergrenzen hinausgehen;
3. entgegen den Vorschriften des § 24 Zahlungen an Inhaber von Instrumenten leistet, die Teil der Eigenmittel des Kreditinstitutes sind, oder wenn solche Zahlungen gemäß den Art 28, 52 oder 63 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 an Inhaber von Eigenmittelinstrumenten nicht zulässig sind;
4. die Pflichten des § 39 oder einer aufgrund § 39 Abs 4 erlassenen Verordnung der FMA verletzt;
5. die Konzessionserteilung nach § 4 Abs 1 durch unrichtige Angaben oder durch täuschende Handlungen herbeigeführt oder anderweitig erschlichen hat,
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, zu bestrafen.
(5a) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes
1. die schriftliche Anzeige eines jeden Erwerbes und jeder Abtretung gemäß § 20 Abs 1 und 2 gemäß § 20 Abs 3 an die FMA unterlässt;
2. die schriftliche Anzeige der Identität der Aktionäre oder sonstiger Gesellschafter, die qualifizierte Beteiligungen halten, sowie den Betrag, wie er sich insbesondere aus den anlässlich der jährlichen Hauptversammlung der Aktionäre oder sonstigen Gesellschafter oder auf Grund der §§91 bis 94 Börsegesetz 1989 erhaltenen Informationen ergibt, gemäß § 20 Abs 3 an die FMA unterlässt;
(Anm.: Z 3 aufgehoben durch Art 4 Z 52, BGBl I Nr 118/2016)
4. die Meldungen über die Erfüllung der Eigenmittelanforderungen nach Art 92 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 an die FMA gemäß Art 99 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 unterlässt, unvollständig oder unrichtig durchführt;
5. die gemäß Art 101 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 festgelegten Daten zu Verlusten aus Immobiliensicherheiten nicht oder unvollständig oder unrichtig an die FMA übermittelt;
6. die Meldungen von Großkrediten gemäß Art 394 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 unterlässt, unvollständig oder unrichtig durchführt;
7. die Meldungen über die Liquiditätslage an die FMA gemäß Art 415 Abs 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 unterlässt, unvollständig oder unrichtig durchführt;
8. die gemäß Art 430 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 festgelegten Informationen über die Verschuldungsquote nicht oder unvollständig oder unrichtig an die FMA übermittelt;
9. im Falle, dass das Kreditinstitut dem Kreditrisiko einer Verbriefungsposition ausgesetzt ist, die in Art 405 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 festgelegten Bedingungen nicht erfüllt;
10. die gemäß Art 431 Abs 1 bis 3 oder Art 451 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 vorgeschriebenen Informationen nicht offenlegt oder unvollständige oder falsche Angaben macht;
11. die Pflichten zur Informationsweitergabe an Sicherungseinrichtungen gemäß § 93 verletzt;
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 150 000 Euro, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß Z 3 mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen.
(5b) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) einer Zweigstelle eines Kreditinstituts gemäß § 9 Abs 1
1. die in §§74, 74a und 75 vorgesehenen Meldungen der FMA oder der Oesterreichischen Nationalbank wiederholt nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen oder wiederholt nicht den gesetzlichen oder durch Verordnung festgelegten Formvorschriften entsprechend oder wiederholt unrichtig oder wiederholt unvollständig vorlegt;
2. die in § 44 Abs 3 bis 6 vorgesehenen Vorlage- und Übermittlungspflichten verletzt;
3. den für eine Spareinlage geltenden Jahreszinssatz nicht gemäß § 32 Abs 6 in der Sparurkunde an auffälliger Stelle ersichtlich macht;
4. Änderungen des Jahreszinssatzes nicht unter Angabe des Tages, von dem an sie gelten, gemäß § 32 Abs 6 bei der nächsten Vorlage der Sparurkunde in dieser vermerkt;
5. Verbrauchergirokontoverträge abschließt, die nicht die gemäß § 34 Abs 2 erforderlichen Angaben enthalten;
6. die vierteljährliche Bekanntgabe des Kontostandes gemäß § 34 Abs 3 unterlässt;
7. die in § 35 Abs 1 und § 103 Z 32 geforderten Angaben im Kassensaal nicht aushängt oder die Information der Einleger unterlässt;
8. der Preisauszeichnungspflicht gemäß § 35 Abs 3 nicht oder nicht vollständig entspricht;
9. die Sorgfaltspflichten des § 36 verletzt;
10. die Pflichten des § 39 verletzt;
11. die Bestimmungen über den Deckungsstock gemäß § 216 ABGB (§§66 bis 68) verletzt;
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA hinsichtlich der Z 1, 2 und 11 mit Geldstrafe bis zu 60 000 Euro, hinsichtlich der Z 3 bis 9 mit Geldstrafe bis zu 10 000 Euro und hinsichtlich der Z 10 mit Geldstrafe bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, zu bestrafen.
(5c) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) einer Zweigstelle eines Finanzinstituts gemäß § 11 oder § 13
1. die in §§74, 74a und 75 vorgesehenen Meldungen der FMA oder der Oesterreichischen Nationalbank wiederholt nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen oder wiederholt nicht den gesetzlichen oder durch Verordnung festgelegten Formvorschriften entsprechend oder wiederholt unrichtig oder wiederholt unvollständig vorlegt;
2. die in § 44 Abs 3 bis 6 vorgesehenen Vorlage- und Übermittlungspflichten verletzt;
3. Verbrauchergirokontoverträge abschließt, die nicht die gemäß § 34 Abs 2 erforderlichen Angaben enthalten;
4. die vierteljährliche Bekanntgabe des Kontostandes gemäß § 34 Abs 3 unterlässt;
5. die in § 35 Abs 1 und § 103 Z 32 geforderten Angaben im Kassensaal nicht aushängt oder die Information der Einleger unterlässt;
6. der Preisauszeichnungspflicht gemäß § 35 Abs 3 nicht oder nicht vollständig entspricht;
7. die Sorgfaltspflichten des § 36 verletzt;
8. die Pflichten des § 39 verletzt;
begeht, soweit die genannten Bestimmungen gemäß § 11 Abs 5 oder § 13 Abs 4 vom Finanzinstitut für die von ihm erbrachten Tätigkeiten einzuhalten sind und sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA hinsichtlich der Z 1 und 2 mit Geldstrafe bis zu 60 000 Euro, hinsichtlich der Z 3 bis 7 mit Geldstrafe bis zu 10 000 Euro und hinsichtlich der Z 8 mit Geldstrafe bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, zu bestrafen.
(6) Bei Verletzung einer Verpflichtung gemäß § 10 Abs 5 über die Anzeige von Änderungen der Bedingungen der Angaben nach § 10 Abs 2 Z 2 bis 4 und Abs 4 Z 2, § 10 Abs 6, § 20 Abs 3, § 73 Abs 1 Z 1 hinsichtlich Satzungsänderungen, § 73 Abs 1 Z 4 und 7, § 73 Abs 1 Z 11 und 14 sowie § 73 Abs 2 hat die FMA von der Einleitung und Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen, wenn die nicht ordnungsgemäß erstattete Anzeige nachgeholt wurde, bevor die FMA oder die Oesterreichische Nationalbank Kenntnis von dieser Übertretung erlangt hat. Dies gilt auch für Verfahren nach § 99d Abs 1 und 2.
§99. (1) Wer
1. als Verantwortlicher (§9 VStG) einer Finanzholdinggesellschaft oder einer gemischten Finanzholdinggesellschaft die schriftliche Anzeige gemäß § 73 Abs 1a unterlässt;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl I Nr 59/2014)
3. die schriftliche Anzeige eines jeden Erwerbes und jeder Abtretung gemäß § 20 Abs 1 oder 2 an die FMA unterlässt;
4. einen Erwerb oder eine Abtretung nach § 20 Abs 1 oder 2 während des Beurteilungszeitraums nach § 20a Abs 1 oder entgegen einer Untersagung gemäß § 20a Abs 2 durchführt;
(Anm.: Z 5 aufgehoben durch BGBl I Nr 184/2013)
6. als Verantwortlicher (§9 VStG) eines nachgeordneten Instituts oder einer übergeordneten Finanz-Holdinggesellschaft dem übergeordneten Kreditinstitut nicht alle für die Konsolidierung erforderlichen Auskünfte gemäß § 30 Abs 7 erteilt;
6a. als Verantwortlicher (§9 VStG) einer übergeordneten Finanzholdinggesellschaft, gemischten Finanzholdinggesellschaft oder gemischten Holdinggesellschaft oder eines Tochterunternehmens solcher Gesellschaften dem Kreditinstitut nicht alle Auskünfte gemäß § 70a Abs 1 erteilt;
6b. als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Institutes, das einer Zentralorganisation oder einem der Zentralorganisation zugeordneten Kreditinstitut nachgeordnet ist, der Zentralorganisation nicht alle für die Konsolidierung erforderlichen Auskünfte gemäß § 30a Abs 8 erteilt;
7. ohne hiezu berechtigt zu sein die Bezeichnung 'Sparbuch', 'Sparbrief' oder 'Sparkassenbuch' entgegen § 31 Abs 2 führt;
(Anm.: Z 8 aufgehoben durch BGBl I Nr 37/2010)
(Anm.: Z 9 aufgehoben durch Art 4 Z 54, BGBl I Nr 118/2016)
10. als Bankprüfer entgegen § 63 Abs 3 von ihm festgestellte Tatsachen oder begründete Zweifel gemäß § 63 Abs 3 nicht unverzüglich, bei kurzfristigen behebbaren, geringfügigen Mängeln erst dann, wenn die Bank die Mängel nicht binnen einer von ihm bestimmten Frist von längstens drei Monaten behoben hat, mit Erläuterungen der FMA und der Oesterreichischen Nationalbank schriftlich anzeigt oder es nicht anzeigt, wenn die Geschäftsleiter eine von ihm geforderte Auskunft nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist erteilen; dies gilt in Fällen, in denen eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Bankprüfer bestellt wird, auch für die nach § 88 Abs 7 WTBG namhaft gemachten natürlichen Personen;
11. als Verantwortlicher (§9 VStG) einer Repräsentanz seinen Meldepflichten gemäß § 73 Abs 2 nicht binnen eines Monats nachkommt;
12. als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Finanzinstitutes oder eines Unternehmens der Vertragsversicherung der Meldepflicht gemäß § 75 nicht entspricht;
(Anm.: Z 13 aufgehoben durch BGBl I Nr 159/2015)
(Anm.: Z 14 aufgehoben durch BGBl I Nr 117/2015)
15. ohne hiezu berechtigt zu sein die Bezeichnung 'Geldinstitut', 'Kreditinstitut', 'Finanzinstitut', 'Finanz-Holdinggesellschaft, Wertpapierfirma', 'Kreditunternehmung', 'Kreditunternehmen', 'Bank', 'Bankier', 'Sparkasse', 'Bausparkasse', 'Volksbank', 'Landes-Hypothekenbank', 'Raiffeisen' oder eine Bezeichnung in der eines dieser Wörter enthalten ist, entgegen § 94 führt;
16. als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes oder als Prüfungsorgan nach § 216 ABGB die Bestimmungen über den Deckungsstock gemäß § 216 ABGB (§§66 bis 68) verletzt;
17. entgegen unmittelbar anzuwendenden EU-Rechtsvorschriften Verfügungen über Konten durchführt oder sonst Finanzdienstleistungen erbringt, ohne dass die Handlung eine Verwaltungsübertretung nach dem Devisengesetz darstellt;
18. entgegen § 31 Abs 5 Sparurkunden, für die noch keine Identitätsfeststellung gemäß gemäß den Bestimmungen des FM-GwG erfolgt ist, rechtsgeschäftlich überträgt oder erwirbt,
(Anm.: Z 19 aufgehoben durch Art 4 Z 54, BGBl I Nr 118/2016)
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 60 000 Euro, im Falle der Z 10 jedoch mit bis zu 100 000 Euro, zu bestrafen.
(Anm.: Abs 2 aufgehoben durch Art 4 Z 54, BGBl I Nr 118/2016)
[…]
§99d. (1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn Personen, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt haben und eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person aufgrund
1. der Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,
2. der Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder
3. einer Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person
innehaben, gegen die in § 98 Abs 1, Abs 2 Z 7 und 11, Abs 5, Abs 5a oder § 99 Abs 1 Z 3 oder 4 angeführten Verpflichtungen verstoßen haben, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Juristische Personen können wegen Verstößen gegen die in § 98 Abs 1, Abs 2 Z 7 und 11, Abs 5, Abs 5a oder § 99 Abs 1 Z 3 oder 4 angeführten Pflichten auch verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs 1 genannte Person die Begehung dieser Verstöße durch eine für die juristische Person tätige Person ermöglicht hat, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(3) Die Geldstrafe gemäß Abs 1 oder 2 beträgt bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs 4 oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt.
(4) Der jährliche Gesamtnettoumsatz gemäß Abs 3 ist bei Kreditinstituten der Gesamtbetrag aller in Z 1 bis 7 der Anlage 2 zu § 43 angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen; handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Tochtergesellschaft, ist auf den jährlichen Gesamtnettoumsatz abzustellen, der im vorangegangenen Geschäftsjahr im konsolidierten Abschluss der Muttergesellschaft an der Spitze der Gruppe ausgewiesen ist. Bei sonstigen juristischen Personen ist der jährliche Gesamtumsatz maßgeblich. Soweit die FMA die Grundlagen für den Gesamtumsatz nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(5) Die FMA kann von der Bestrafung eines Verantwortlichen gemäß § 9 VStG absehen, wenn für denselben Verstoß bereits eine Verwaltungsstrafe gegen die juristische Person verhängt wird und keine besonderen Umstände vorliegen, die einem Absehen von der Bestrafung entgegenstehen."
III.Antragsvorbringen und Vorverfahren
1.G408/2016
1.1.Beim Bundesverwaltungsgericht ist ein Verfahren anhängig, welches die Beschwerde eines Kreditinstituts gegen ein Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom zum Gegenstand hat. Mit diesem Straferkenntnis hatte die Finanzmarktaufsichtsbehörde über das Kreditinstitut für mehrere Übertretungen des § 98 Abs 5a Z 3 BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, in den Jahren 2014 und 2015 gemäß § 99d BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt € 953.700,– verhängt. Der pro Übertretung höchstmögliche Strafrahmen war von der Finanzmarktaufsichtsbehörde in Bezug auf das betroffene Kreditinstitut mit € 3.135.494,83 errechnet worden.
Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G408/2016 protokollierten Antrag auf Aufhebung des § 99d BWG, in eventu näher bezeichneter Teile dieser Bestimmung.
1.2. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):
"1. Verhältnis der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum unionsrechtlichen Rahmen
Der Gesetzgeber bleibt auch bei der Umsetzung des Unionsrechts jedenfalls insofern an bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben gebunden, als eine Umsetzung durch diese nicht inhibiert wird, was in der Lehre als 'doppelte Bindung' des Gesetzgebers bei Umsetzung von Gemeinschaftsrecht bezeichnet wird (VfSlg 14.963/1997, 17.347/2004).
Zu diesem Grundsatz hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 17.347/2004 Folgendes bemerkt:
'Stehen der Anwendung des Gemeinschaftsrechts verfassungsrechtliche Bestimmungen entgegen, so kann eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung meist durch Unangewendet-sein-Lassen einer Verfassungsnorm erreicht werden (VfSlg 15.427/1999 - Telekom Control-Kommission). Würde hingegen das bloße Unangewendet-sein-Lassen einer Verfassungsnorm keine gemeinschaftsrechts-konforme Lösung ermöglichen, so hat der Verfassungsgesetzgeber tätig zu werden (; vgl. auch Korinek, Die doppelte Bedingtheit von gemeinschaftsrechts-ausführenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften, in: FS Öhlinger, 2004, 131 ff., insb. 139).'
Ein Unangewendet-sein-Lassen, wie es der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 15.427/1999 (Telekom-Control-Kommission) handhaben konnte, kommt im Bereich des EU-Richtlinienrechts allerdings nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie gegeben sind.
Waren diese Voraussetzungen im Fall des Erkenntnisses VfSlg 15.427/1999 noch gegeben, so ist dies im vorliegenden Bereich zu bezweifeln: Dies folgt schon daraus, dass die hier relevanten Richtlinienbestimmungen darauf abzielen, dass die Mitgliedstaaten belastende, pönalisierende Sanktionen festlegen. Eine Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien ist aber, dass die fragliche Richtlinienbestimmung dem Einzelnen Rechte verleiht. Belastende Richtlinienbestimmungen, insbesondere jene im Strafrechtsbereich, kommen dafür nicht in Betracht (vgl. nur verb. Rs. C-387/02, C-391/02 und C-403/02 Berlusconi u.a., Rn 77).
Die Richtlinie kann aber eine 'Inhibierung' der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 91 B-VG auch deswegen nicht bewirken, weil sie es den Mitgliedstaaten grundsätzlich offen lässt, das zu pönalisierende Verhalten (alternativ) auch mit Mitteln des gerichtlichen Strafrechts zu sanktionieren (siehe Art 65 der Richtlinie: 'Beschließt ein Mitgliedstaat, bei Verstößen, die dem nationalen Strafrecht unterliegen, keine Vorschriften für Verwaltungssanktionen festzulegen, teilt er der Kommission die einschlägigen strafrechtlichen Vorschriften mit'). Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes muss die Richtlinie in diesem Punkt schon deswegen im Sinne einer Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten bei der näheren Ausgestaltung der innerstaatlichen Sanktionsmodalitäten interpretiert werden, weil sich der Unionsgesetzgeber zu ihrer Erlassung nicht auf die für die Schaffung harmonisierter Strafrechtsregelungen vorgesehene besondere Kompetenzgrundlage des Art 83 Abs 2 AEUV (und das dafür vorgesehene besondere Verfahren) berufen hat, sondern auf Art 53 AEUV (zu Art 83 Abs 2 AEUV siehe Murschetz in Mayer/Stöger, [Hrsg] EUV/AEUV, Art 83 AEUV [Stand: Juni 2016, rdb.at]).
Schließlich wäre auch daran zu denken, ob eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit zur Verhängung der in der Richtlinie vorgesehenen Sanktionen nicht ohnehin auch unter Einhaltung der Zuordnung zur (ordentlichen) Strafgerichtsbarkeit vorgesehen werden könnte: Art 94 B-VG erlaubt in einzelnen Bereichen die Einrichtung eines Instanzenzugs von einer Verwaltungsbehörde an ein ordentliches Gericht. Dass diese Möglichkeit auch im Bereich der Strafgerichtsbarkeit besteht, ist nicht von vornherein ausgeschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher bis auf Weiteres davon aus, dass der einfache Gesetzgeber bei Ausgestaltung der von ihm in § 99d BWG vorgesehenen Sanktionen der doppelten Bindung sowohl durch das Verfassungsrecht als auch das Unionsrecht unterlag.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 91 B-VG
Das Bundesverwaltungsgericht hegt gegen die angefochtenen Vorschriften das Bedenken der Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen Art 91 B-VG.
Die zitierte Verfassungsbestimmung lautet:
'Artikel 91. (1) Das Volk hat an der Rechtsprechung mitzuwirken.
(2) Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen entscheiden Geschworene über die Schuld des Angeklagten.
(3) Im Strafverfahren wegen anderer strafbarer Handlungen nehmen Schöffen an der Rechtsprechung teil, wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet.'
Artikel 91 B-VG ist Teil des Abschnitts B. des Dritten Hauptstückes ('Vollziehung des Bundes'), den der Verfassungsgesetzgeber mit der Überschrift 'Ordentliche Gerichtsbarkeit' versehen hat.
Die Organisation und Zuständigkeit der 'Ordentlichen Gerichte' weist der Bundesverfassungsgesetzgeber der Regelung durch Bundesgesetz zu (Art83 Abs 1 B-VG).
Art90a B-VG erklärt Staatsanwälte zu Organen der 'Ordentlichen Gerichtsbarkeit' und bestimmt, dass diese '[i]n Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen […] Ermittlungs- und Anklagefunktionen wahr[nehmen]'.
Als 'Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen' sieht Art 92 Abs 1 B-VG den 'Oberste[n] Gerichtshof' vor. Diesem kommt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine 'Leitfunktion' für Zivil- und Strafsachen zu, wie sie für den Bereich des Verwaltungsrechts Art 130 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zuweist und wie sie dem Verfassungsgerichtshof für die einheitliche Auslegung und Anwendung des Verfassungsrechts zukommt (VfSlg 19.730/2012, 19.909/2014).
Die Strafgerichtsbarkeit ist daher von der Bundesverfassung als eine innerhalb der 'Ordentlichen Gerichtsbarkeit' eingerichtete Gerichtsbarkeit vorgesehen, an deren Spitze als oberste Instanz der Oberste Gerichtshof fungiert und in deren Verfahren Staatsanwälte als 'Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit' Funktionen der Ermittlung und Anklage wahrnehmen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen (beginnend mit VfSlg 12.151/1989, bekräftigt mit VfSlg 12.282/1990, 12.389/1990, 12.471/1990, 12.546/1990, 12.547/1990, 12.920/1991 und 14.361/1995), dass die aus Art 91 B-VG abzuleitenden Grundsätze es bei Zutreffen bestimmter Voraussetzungen gebieten, die Zuständigkeit des Strafgerichts vorzusehen. Dies dann, wenn der Gesetzgeber sich im Hinblick auf die nach seiner Wertung gegebene hohe Sozialschädlichkeit eines Verhaltens veranlasst sieht, zu dessen Hintanhaltung eine schwerwiegende, in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fallende Strafdrohung festzulegen, wozu auch die Androhung besonders hoher Geldstrafen zählt.
Dabei definiert der Verfassungsgerichtshof den 'Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit' anhand von 'Umständen quantitativer und qualitativer Natur' so, 'daß der unterhalb der (Geschwor[e]nen- und) Schöffengerichtsbarkeit liegende Teil der Strafgerichtsbarkeit einen für diesen typischen Kernbereich strafbarer Handlungen enthält' (VfSlg 12.151/1989 uvm).
Zu einer in den 'Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit' fallenden Sanktion zählt auch die Androhung besonders hoher Geldstrafen.
Aus der Rechtsprechung geht auch hervor, dass jedenfalls eine Strafdrohung von (damals) 2 Mio. Schilling (VfSlg 12.282/1990) in den umschriebenen Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fällt (vgl. VfSlg 12.151/1989, S 104 und 106; 12.389/1990, S 614). Diese Grenze entspräche ca. € 145.000,- und ist – auch ohne Inflationsbereinigung – beim hier in Rede stehenden Strafrahmen von bis zu € 3.135.494,83 weit überschritten.
Beim anzulegenden Beurteilungsmaßstab ist auf das vom Gesetz vorgesehene Höchstausmaß der Strafdrohung abzustellen (nicht aber auch die im einzelnen Anlassfall konkret verhängte Geldstrafe).
Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig im Einklang mit der Berechnung im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die hier anzuwendende Regelung bei der beschwerdeführenden Gesellschaft zu einem Strafrahmen führt, der eine höchstmögliche Strafhöhe von € 3.135.494,83 pro Verstoß erlaubt. Es geht davon aus, dass diese Regelung angesichts dieser Obergrenze des Strafrahmens in den von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes umschriebenen 'Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit' hineinreicht. Eine vergleichbare Regelungstechnik des Strafrahmens lag auch jenen Regelungen zugrunde, die der Verfassungsgerichtshof in früheren Erkenntnissen wegen Verstoßes gegen Art 91 B-VG aufgehoben hat (Beispiele: 'Geldstrafe bis zum Fünfzigfachen des Verkürzungsbetrages' [VfSlg 12.547/1990]; 'bis zum Dreißigfachen des Verkürzungsbetrages' [VfSlg 12.471/1990]; dreifacher Verkürzungsbetrag [VfSlg 12.389/1990]; 'bis zum Fünfzigfachen des Verkürzungsbetrages' [VfSlg 12.282/1990]).
Das Bundesverwaltungsgericht kann sich auch nicht dem Gedanken anschließen, dass die Einrichtung der Verwaltungsgerichte mit der Verwaltungsgerichts-barkeits-Novelle 2012 zu einem Entfall oder einer Relativierung der aus Art 91 B-VG resultierenden Vorgaben geführt hätte. Die durch die Einrichtung von Verwaltungsgerichten erzielte Verbesserung des Rechtsschutzes im Verwaltungsrecht kann nicht dazu führen, dass die Garantien, die das Verfassungsrecht für das Strafrecht (im materiellen Sinn) vorsieht, erloschen wären. Bereits im Zusammenhang mit der Einrichtung der UVS hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass das damit gewonnene Element der Unabhängigkeit nichts an der Rechtsprechung zum Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit ändert, zumal die Unabhängigkeit der Strafgerichte nur ein 'Nebenargument' dieser Rechtsprechung darstellt (dazu s VfSlg 14.361/1995); nichts anderes kann mit Blick auf die Verwaltungsgerichte gelten. Im Übrigen hatte der Verfassungsgerichtshof auch schon nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 über einen Normenprüfungsantrag eines Verwaltungsgerichtes zu entscheiden, in dem eine Verletzung der aus Art 91 B-VG resultierenden Grenzen geltend gemacht wurde; er beurteilte das Vorbringen unverändert auf Basis seiner ständigen Rechtsprechung zum Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit, ohne dass er diese als durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 überholt erachtete (VfSlg 19.960/2015). Das Bundesverwaltungsgericht misst aber noch einem weiteren Umstand Bedeutung zu: Die Zuordnung einer Strafnorm zur Zuständigkeit der Strafgerichte bewirkt grundsätzlich nicht nur die bloße Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichts, sondern es sind mit der Zuständigkeit des ordentlichen Strafgerichts aus verfassungsrechtlichen Gründen im Bereich des Strafrechts in der Regel auch weitere Folgen verbunden, nämlich die Zugehörigkeit zu jener Gerichtsbarkeit, in der der verfassungsgesetzlich für das gerichtliche Strafrecht eingerichtete Oberste Gerichtshof eine 'Leitfunktion' wahrnimmt (VfSlg 19.730/2012, 19.909/2014), in der der Staatsanwaltschaft von Verfassungs wegen Funktionen der Ermittlung und Anklage zukommen, und in der das Anklageprinzip (Art90 Abs 2 B-VG) und das Mündlichkeitsprinzip des Art 90 Abs 1 B-VG gelten (Letzteres geht über die für das Verwaltungs[straf]recht anwendbaren Garantien des Art 6 EMRK bzw. 47 GRC hinaus; vgl. Herbst in Korinek/Holoubek, Art 90 Rz 39). Sowohl was die Organisation als auch die Ausgestaltung des Verfahrens betrifft, hat die Zuordnung daher verfassungsrechtliche Konsequenzen, die für den Gehalt des Kernbereichs der Strafgerichtsbarkeit nach Art 91 B-VG und für die Grenzziehung dieses Bereichs bestimmend sind.
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht auch nicht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Zusammenhang mit Geldbußen im Bereich des Kartellrechts, das Sanktionshöchstdrohungen in beträchtlichem Ausmaß erreicht (vgl. zB ). Der Oberste Gerichtshof ordnet diese Geldbußen, die historisch auf das Vorbild des unionsrechtlichen Wettbewerbsrechts zurückgehen, aufgrund ihrer Rechtsnatur als 'Sanktion mit strafrechtsähnlichem Charakter' ein und folgt dabei den Literaturstimmen, wonach es sich um 'zivilrechtliche Strafen' handelt, die 'nicht zum allgemeinen (Kriminal)Strafrecht, aber doch zum Strafrecht im weiteren Sinn zählen' ( unter Hinweis auf Rosbaud, Das Kartellstrafrecht ist tot! Lang lebe das 'Kartellstrafrecht'! Zur Rechtsnatur der Geldbuße nach § 142 Z 1 KartG idF KartG-Novelle 2002, JBl 2003, 907 ff; sowie unter Hinweis auch Reisner, Das kartellrechtliche Geldbußensystem, 88). Der OGH hält somit fest, dass der Gesetzgeber diese Geldbußen als 'Mittel des staatlichen Zwangs, um die kartellrechtlich vorgesehene Wirtschaftsordnung durchzusetzen' vorgesehen und damit 'jedenfalls keine echten Kriminalstrafen' normiert habe (). Stillschweigend dürfte der Oberste Gerichtshof davon ausgehen, dass der einfache Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 91 B-VG trotz der potentiellen Sanktionshöhe nicht verletzt habe (bzw. ihnen mit der kartellgerichtlichen Zuständigkeit ausreichend Genüge getan hätte).
Anders als im Bereich des Rechts der kartellrechtlichen Geldbußen (deren Verfassungskonformität bislang nicht an den Verfassungsgerichtshof herangetragen worden sein dürfte) handelt es sich bei der hier angefochtenen Gesetzesbestimmung um eine Regelung, bei der der Gesetzgeber eine ausdrückliche Einordnung als (Verwaltungs-)Strafnorm vorgenommen hat und den pönalen Charakter somit – auch losgelöst von der Sanktionshöhe – klar zum Ausdruck gebracht hat.
Auch die Bundesregierung dürfte von der Auffassung ausgegangen sein, dass es sich bei den hier in Rede stehenden Strafdrohungen um Sanktionen handelt, die in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit hineinreichen: Noch in der Regierungsvorlage zur einschlägigen Novelle des Bankwesengesetzes schlug die Bundesregierung vor, die entsprechenden Strafdrohungen als Bestimmungen in Verfassungsrang zu normieren und begründete dies in den Erläuterungen wie folgt (RV 2438 BlgNR 24. GP):
'… Aufgrund der in den lita und b festgesetzten Höhe der Strafdrohungen im Verwaltungsstrafverfahren (bis zu 5 Millionen Euro, bis zu zweifacher Höhe des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens), welche durch die Richtlinie 2013/xx/EU vorgegeben sind und somit umgesetzt werden müssen, ist im Hinblick auf Art 91 B-VG bzw. die dazu ergangene Judikatur des VfGH der Bestand dieser Strafdrohungen verfassungsgesetzlich abzusichern. …'
Dieser Vorgangsweise schloss sich auch der Finanzausschuss des Nationalrates an (AB 2514 BlgNR 24. GP), infolge eines Abänderungsantrags der Abgeordneten Stummvoll, Krainer und Kolleginnen und Kollegen (AA 355 24. GP) wurde von der Erlassung dieser Verfassungsbestimmungen jedoch Abstand genommen und das Gesetz bloß mit einfacher Mehrheit des Nationalrates beschlossen, wobei sich in den Stenographischen Protokollen des Nationalrates die Wortmeldung findet: 'Eine Zweidrittelmehrheit wäre sich nicht ausgegangen!' (StenProt 216. Sitzung, 24. GP, 116).
Das Bundesverwaltungsgericht verweist ergänzend darauf, dass auch der Umstand, dass eine Materie dem Wirtschaftsrecht zugehörig ist, keine Rechtfertigung dafür bieten dürfte, von den Erfordernissen des Art 91 B-VG abzusehen, gelingt es dem Gesetzgeber doch auch etwa im Bereich des Finanzstrafrechts, eine an der Sanktionshöhe anknüpfende Abgrenzung zwischen der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit einerseits und der strafgerichtlichen Zuständigkeit andererseits vorzunehmen (vgl. § 53 FinStrG).
Als Gesichtspunkt, der die hier in Rede stehende Strafdrohung noch zusätzlich schwer wiegend erscheinen lässt, ist anzuführen, dass das derzeit für diese Strafdrohung anzuwendende Verwaltungsstrafverfahrensrecht vom Kumulationsprinzip (§22 Abs 2 VStG) ausgeht, so dass jeder einzelne Verstoß mit der hier heranzuziehenden Höchststrafdrohung (€ 3.135.494,83) strafbewehrt ist, während im gerichtlichen Strafrecht das Absorptionsprinzip zur Anwendung käme (§28 StGB). Nach diesem Prinzip hat das Gericht, wenn 'jemand durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere strafbare Handlungen derselben oder verschiedener Art begangen [hat]' und wenn 'über diese strafbaren Handlungen gleichzeitig erkannt [wird]', auf 'eine einzige Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zu erkennen'.
Dass das Richtlinienrecht der Union zu der hier angeordneten Regelung der Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde unter nachprüfender Kontrolle eines Verwaltungsgerichtes gezwungen hätte, ist für das Bundesverwaltungsgericht […] nicht ersichtlich.
Aufgrund der Höhe der Strafdrohung geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Gesetzgeber eine Sanktion vorgesehen hat, die nach den Anforderungen des Art 91 B-VG in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fällt und daher nicht als Verwaltungsstrafe unter der nachprüfenden Kontrolle eines Verwaltungsgerichtes normiert werden durfte.
Gemäß seiner Verpflichtung nach Art 135 Abs 4 und Art 89 Abs 2 B-VG beantragt es daher die Aufhebung der angefochtenen Gesetzesstellen.
[…]"
1.3.Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne die Hervorhebungen im Original):
"I.
Zur Rechtslage und zu den Prozessvoraussetzungen:
Mit seinen auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Bundesverwaltungsgericht aus Anlass zweier bei ihm anhängigen Verwaltungsstrafsachen die Aufhebung des § 99d des Bankwesengesetzes, BGBl Nr 532/1993, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 184/2013. Die genannten Verwaltungsstrafsachen betreffen die Beschwerden zweier Kreditinstitute jeweils gegen ein Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA), mit dem die FMA über das jeweilige Kreditinstitut auf Grund der Bestimmung des § 99d des Bankwesengesetzes – BWG (Strafbarkeit juristischer Personen), BGBl Nr 532/1993, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 184/2013, in Verbindung u.a. mit § 98 Abs 5a Z 3 BWG (Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung) eine Geldstrafe im einen Fall in Höhe von insgesamt EUR 867.000,-- und im anderen Fall in Höhe von insgesamt EUR 209.000,-- verhängt hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hegt die Bedenken, dass die angefochtene Bestimmung gegen Art 91 B-VG verstoße, weil aufgrund der Höhe der Strafdrohung vom Gesetzgeber eine Sanktion vorgesehen wurde, die in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit falle und daher nicht als Verwaltungsstrafe unter der nachprüfenden Kontrolle eines Verwaltungsgerichtes normiert werden dürfe.
1. Zur Rechtslage:
[…]
Ähnliche Verwaltungsstrafbestimmungen mit Höchststrafrahmen betreffend juristische Personen (ein gewisser Prozentsatz des jährlichen Gesamtnettoumsatzes oder eines Vielfachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens bzw. erzielten Vermögensvorteiles oder vermiedenen Verlustes) in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben finden sich noch in zahlreichen anderen innerstaatlichen Finanzmarktrechtsvorschriften [Sämtliche der angeführten Strafbestimmungen haben gemeinsam, dass sie sich gegen juristische Personen mit einer Konzession gemäß BWG, somit Kreditinstitute im weiteren Sinn, richten. Daneben bestehen noch zahlreiche weitere vergleichbare Strafbestimmungen in unionsrechtlichen Vorgaben; zu nennen sind hier die Richtlinie 2013/50/EU zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG ('Transparenz-Richtlinie'), ABl. Nr L 294 vom , S. 13, deren Strafbestimmungen in den §§95a und 95b BörseG umgesetzt wurden; Art 30 der Verordnung (EU) Nr 596/2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung), ABl. Nr L 173 vom , S. 1, der in § 48c ff BörseG umgesetzt wurde; Art 42 der Verordnung (EU) Nr 2016/1011 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, ABl. Nr L 171 vom , S. 1; Art 24 der Verordnung (EU) Nr 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP), ABl. Nr L 352 vom , S. 1.] (z.B. § 190a Investmentfondsgesetz 2011 – InvFG 2011, § 153 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz – BaSAG, § 5 Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz – ZvVG und § 4 SFT-Vollzugsgesetz). In naher Zukunft werden auch die Strafbestimmungen von Art 70 (Sanktionen bei Verstößen) der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente ('MiFID II'), ABl. Nr L 173 vom , S. 349, in innerstaatliches Recht umzusetzen sein.
[…]
2. Zu den Prozessvoraussetzungen:
Für die Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Zulässigkeit der Anträge und die Präjudizialität (bzw. einen untrennbaren Zusammenhang) der angefochtenen Bestimmung sprechen würden.
II.
Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:
1. Einleitung:
Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl. VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012 und und G679/2015 zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.
Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (beginnend mit VfSlg 12.151/1989, bekräftigt mit VfSlg 12.282/1990, 12.389/1990, 12.471/1990, 12.546/1990, 12.547/1990, 12.920/199, 13.790/1994 und 14.361/1995) dargetan, dass die aus Art 91 B-VG abzuleitenden Grundsätze es dem Gesetzgeber gebieten, die Zuständigkeit des Strafgerichtes vorzusehen, wenn der Gesetzgeber sich im Hinblick auf die nach seiner Wertung gegebene hohe Sozialschädlichkeit eines Verhaltens veranlasst sieht, zu dessen Hintanhaltung eine schwerwiegende, in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fallende Strafdrohung festzulegen, wozu auch die Androhung besonders hoher Geldstrafen zählt.
Wie im Folgenden näher begründet werden soll, fordert nach Ansicht der Bundesregierung das Unionsrecht zwingend Verwaltungssanktionen für den Finanzmarktbereich und steht daher insoweit der Anwendung des Art 91 B-VG entgegen. Weiters haben sich nach Ansicht der Bundesregierung die Umstände – insbesondere auf Grund der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit – derart geändert, dass diese Rechtsprechung zu hohen Geldstrafen jedenfalls für den Finanzmarktbereich nicht mehr fortgeführt und dem Gesetzgeber ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von hohen Geldstrafen im Verwaltungsstrafrecht eingeräumt werden sollte.
2. Zu den unionsrechtlichen Vorgaben und zum Prinzip der doppelten Bindung des österreichischen Gesetzgebers:
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinen Anträgen davon aus, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung der in den Art 66 und 67 der Richtlinie 2013/36/EU (im Folgenden kurz: CRD IV) angeführten Verwaltungssanktionen – im konkreten Fall die in Art 67 Abs 2 lite CRD IV genannten Bußgelder für juristische Personen – der doppelten Bindung sowohl durch das Verfassungsrecht als auch das Unionsrecht unterlag. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bleibe der Gesetzgeber auch bei der Umsetzung des Unionsrechtes insofern an die bundesverfassungsgesetzlichen Vorgaben gebunden, als eine Umsetzung durch diese nicht inhibiert wird. Eine solche Inhibierung der verfassungsgesetzlichen Vorgaben des Art 91 B-VG könne aber nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die CRD IV nicht bewirken, weil es die genannte Richtlinie den Mitgliedstaaten offenlasse, 'das zu pönalisierende Verhalten (alternativ) auch mit Mitteln des gerichtlichen Strafrechtes zu sanktionieren'. Hierbei verweist das Bundesverwaltungsgericht in seinen Anträgen auf den Wortlaut des zweiten Satzes in Art 65 Abs 1 CRD IV und die Tatsache, dass sich der Unionsgesetzgeber nicht auf die Kompetenzgrundlage des Art 83 Abs 2 AEUV gestützt habe. Diese Sichtweise kann aus mehreren Gründen von der Bundesregierung nicht geteilt werden.
a) Unionsrechtliche Vorgaben
Als Lehre aus der weltweiten Krise der Finanzmärkte hat sich die Europäische Kommission (EK) dazu entschlossen, im Rahmen der Überarbeitung des einschlägigen Unionsrechtes die Sanktionsregelungen im Finanzdienstleistungssektor zu stärken. Im Dezember 2010 veröffentlichte die EK eine Mitteilung [Mitteilung der Kommission vom an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Stärkung der Sanktionsregelungen im Finanzdienstleistungssektor, KOM(2010) 716 endgültig (im Folgenden: Mitteilung).], in der sie ihre Einschätzung zu dem damals bestehenden Rechtsrahmen darlegte und zu dem Schluss kam, dass die unterschiedlichen Sanktionssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten die kohärente und wirksame Anwendung der Unionsvorschriften gefährden. Eine der Schwächen, die in dieser Einschätzung identifiziert wurden, war die sehr unterschiedliche und teilweise unzureichende Höhe der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehenen Geldbußen für Verstöße gegen die Finanzdienstleistungsvorschriften. [Mitteilung, 8.] Die EK zog den Schluss, 'dass konvergentere und strengere Sanktionsregelungen erforderlich sind, um der Gefahr unzureichender Finanzmärkte vorzubeugen'. [Mitteilung, 12.] Als zentrale Bereiche für eine Harmonisierung der Sanktionsregelungen identifizierte die EK u.a. einerseits die Schaffung angemessener Verwaltungssanktionen (inkl. Bußgelder), welche die zuständigen (Aufsichts-)Behörden bei Verstößen gegen zentrale Bestimmungen [Mitteilung, 13.] verhängen können sollen (also ein unionsweit harmonisierter Mindestkatalog an Verwaltungsmaßnahmen und -sanktionen sowie Tatbeständen, für die Verwaltungssanktionen vorgesehen werden sollen), sowie andererseits die Festlegung einer Untergrenze für Verwaltungsstrafen [Mitteilung, 14.], die 'von den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der Bandbreite ihrer Bußgelder für ihre nationalen Vorschriften' eingehalten werden müsse.
Diesem Prinzip ist auch der Unionsgesetzgeber bei der Schaffung des Systems für Verwaltungssanktionen gemäß CRD IV gefolgt. Nach Ansicht der Bundesregierung sehen nämlich die Art 65 ff CRD IV die verpflichtende Umsetzung der in Art 67 Abs 2 lite CRD IV genannten Bußgelder für juristische Personen als Verwaltungsstrafen in der österreichischen Rechtsordnung vor. Wenn das Bundesverwaltungsgericht auf die Möglichkeit einer alternativen Sanktionierung im Wege des gerichtlichen Strafrechtes hinweist, lässt es die klare Zielsetzung des europäischen Gesetzgebers außer Acht, einen unionsweit harmonisierten Rechtsrahmen für Verwaltungssanktionen, der auch Mindestvorgaben für die Höhe von Verwaltungsstrafen beinhaltet, zu schaffen. Dieses Ziel des Unionsgesetzgebers ergibt sich nicht nur bereits aus dem Wortlaut der Art 65 bis 67 CRD IV, welche die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, Verwaltungssanktionen und Verwaltungsmaßnahmen vorzusehen. Der Unionsgesetzgeber geht sogar noch weiter und schreibt in den Art 66 Abs 2 und 67 Abs 2 CRD IV explizit vor, dass diese Verwaltungssanktionen, die von den für die Wahrnehmung der Aufgaben nach der CRD IV benannten zuständigen Verwaltungsbehörden angewendet werden sollen, die Verhängung von Bußgeldern bis zu einer vorgegebenen Höhe im Verwaltungsverfahren umfassen sollen. Die dargestellte Absicht des Unionsgesetzgebers ergibt sich auch aus den Erwägungsgründen zur CRD IV, im Lichte derer die Art 65 ff CRD IV auszulegen sind. So ergibt sich aus Erwägungsgrund 36, dass die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach der CRD IV benannten zuständigen Behörden insbesondere befugt sein sollen, 'Bußgelder zu verhängen, die so hoch sind, dass sie den zu erwartenden Nutzen aufwiegen und selbst auf größere Institute und deren Geschäftsleitung abschreckend wirken'. Erwägungsgrund 37 weist explizit darauf hin, dass 'unionsweit Kohärenz bei der Verhängung von Verwaltungssanktionen' gewährleistet werden soll.
Vor diesem Hintergrund ist auch jener zweite Satz in Art 65 Abs 1 CRD IV zu lesen, aus dem das Bundesverwaltungsgericht in seinen Anträgen eine 'Wahlfreiheit' des österreichischen Gesetzgebers ableitet, gerichtliche Strafen anstelle von Verwaltungsstrafen vorzusehen. Weder eine teleologische Interpretation noch die Wortinterpretation der zitierten Stelle führen zu dem Ergebnis, dass es sich bei Art 65 Abs 1 zweiter Satz CRD IV um ein 'Wahlrecht' bei der Umsetzung der unionsrechtlichen Bestimmungen zu Verwaltungssanktionen handelt. Eine solche Wahlfreiheit würde nicht nur der Intention des Unionsgesetzgebers zur Schaffung eines unionsweit harmonisierten Systems von Verwaltungssanktionen im Bereich der Finanzmarktaufsichtsregulierung widersprechen; sie würde genau zum gegenteiligen Ergebnis dessen führen, was der Unionsgesetzgeber durch die Harmonisierung des Verwaltungssanktionssystems in der CRD IV – nämlich die unionsweite Kohärenz bei der Durchsetzung von Unionsrecht mit Mitteln des Verwaltungsrechtes – bezweckte. Die behauptete 'Wahlfreiheit' ist auch nicht aus dem Wortlaut der zitierten Bestimmung abzuleiten, der nach Ansicht der Bundesregierung vor dem Hintergrund der skizzierten Zielsetzung auch so verstanden werden kann, dass er an einer bereits bestehenden gerichtlichen Strafbarkeit der genannten Verstöße zum Zeitpunkt der Umsetzung der CRD IV anknüpft und die Intention des Unionsgesetzgebers, bestehende Straftatbestände gleichsam 'zu versteinern', zum Ausdruck bringt ('[…] bei Verstößen, die dem nationalen Strafrecht unterliegen'; sogenanntes 'Grandfathering'). Dass der Unionsgesetzgeber sich nicht auf die Rechtsgrundlage des Art 83 Abs 2 AEUV gestützt hat, zeigt umso deutlicher, dass eine Verschiebung der in Art 65 ff CRD IV zur Umsetzung vorgesehenen Verwaltungssanktionen in das gerichtliche Strafrecht gerade nicht angedacht war. Wäre eine solche Verschiebung intendiert gewesen, hätte der Unionsgesetzgeber nämlich Mindestanforderungen für gerichtliche Straftatbestände und Strafhöhen vorgegeben, um sein Ziel, die kohärente und einheitliche Anwendung des Unionsrechtes im Bereich der Finanzmarktaufsichtsregulierung, zu erreichen. Gerade dies hat der Unionsgesetzgeber beispielsweise in der Marktmissbrauchsrichtlinie [Richtlinie 2014/57/EU über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie = 'MAD'), ABl. Nr L 173 vom , S. 179.] getan, welche als einzige Richtlinie Regelungen zu Mindestvorschriften zu gerichtlichen Straftatbeständen enthält und daher als bislang einzige in Kraft getretene Richtlinie auf Art 83 Abs 2 AEUV gestützt worden ist. [Vgl. dazu Kudlich, MADness Takes Its Toll – Ein Zeitsprung im Europäischen Strafrecht? AG 2016, 459 (461 f)]
Im Übrigen sind die Art 65 bis 67 CRD IV auch im gesamteuropäischen Kontext zu sehen. Durch die Verordnung (EU) Nr 1024/2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank ('SSM-VO') [ABl. Nr L 287 vom , S. 63.] wurden der Europäischen Zentralbank (EZB) Aufgaben der prudentiellen Bankenaufsicht auf Basis des Art 127 Abs 6 AEUV übertragen. Innerhalb des durch die SSM-VO neu geschaffenen einheitlichen Aufsichtsmechanismus ('Single Supervisory Mechanism' = SSM) kommt der EZB die Aufsicht über die als bedeutend eingestuften Kreditinstitute zu, wohingegen die nationalen zuständigen Behörden weiterhin die weniger bedeutenden Kreditinstitute beaufsichtigen. [Art6 SSM-VO.] Die materiell-rechtlichen Grundlagen, deren Einhaltung die EZB und die national zuständigen Behörden sicherzustellen haben, finden sich im sogenannten einschlägigen Unionsrecht. [Art4 Abs 3 SSM-VO.] Dieses einschlägige Unionsrecht umfasst gemäß Art 4 Abs 3 SSM-VO jenes Unionsrecht, das aus Verordnungen besteht, und, wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, jene nationalen Rechtsvorschriften, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden. Das einschlägige Unionsrecht lässt sich in drei Kategorien klassifizieren. Es umfasst (i) jenen Rechtsbestand, der die von Kreditinstituten einzuhaltenden materiell-rechtlichen Bestimmungen enthält [Im Wesentlichen referenziert der Unionsgesetzgeber damit auf die Verordnung (EU) Nr 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen ('CRR'), ABl. Nr L 176 vom , S. 1, und die CRD IV.], (ii) jene Bestimmungen, welche die Stellung der EZB als zuständige Behörde für bedeutende Kreditinstitute und die ihr zukommenden Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse näher definieren, und (iii) jene Bestimmungen, welche den nationalen zuständigen Aufsichtsbehörden auf Grund der Umsetzung des einschlägigen Unionsrechtes innerhalb des SSM zukommen (müssen). Wenngleich die SSM-VO in den Art 9 bis 12 und 16 bis 18 SSM-VO der EZB die wesentlichen Befugnisse für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verfügung stellt, stehen diese Befugnisse sehr oft unter dem Vorbehalt, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der CRD IV genau diese Befugnisse auch für die national zuständigen Behörden vorgesehen haben (z.B. Art 9 SSM-VO, Art 18 SSM-VO). Diese Systematik entspringt dem Ziel des Unionsgesetzgebers, dass innerhalb des SSM alle teilnehmenden prudentiellen Bankaufsichtsbehörden dieselben Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse haben sollen – nämlich die in den Art 65 bis 67 CRD IV vorgesehenen harmonisierten Sanktionsbefugnisse und die in Art 104 ff CRD IV vorgesehenen harmonisierten Aufsichtsbefugnisse. [ErwGr 45.]
Die SSM-VO bestimmt die EZB 'nach Maßgabe des einschlägigen Unionsrechtes' als jene Behörde, die für die Überwachung der Einhaltung des einschlägigen, materiellen Bankenaufsichtsrechtes (direkt anwendbares Unionsrecht, Umsetzung von Richtlinienbestimmungen durch den nationalen Gesetzgeber) durch bedeutende Kreditinstitute zuständig ist. [Art9 Abs 1 UAbs1 SSM-VO.] Als solcher stehen der EZB sämtliche Befugnisse zur Verfügung, 'die zuständige und benannte Behörden nach dem einschlägigen Unionsrecht haben'. Durch Art 18 Abs 1 SSM-VO wird der EZB ebenfalls die Befugnis zur Verhängung von Verwaltungsgeldbußen eingeräumt. Diese Befugnis hat der Unionsgesetzgeber doppelt beschränkt: Die EZB kann Verwaltungsgeldbußen (i) ausschließlich gegen juristische Personen (ii) bei Verstößen von bedeutenden Kreditinstituten gegen Bestimmungen direkt anwendbaren einschlägigen Unionsrechtes selbst verhängen. [Art18 Abs 1 SSM-VO.] Dabei setzt diese Befugnis der EZB voraus, dass 'den zuständigen Behörden nach dem Unionsrecht wegen dieses Verstoßes die Möglichkeit, Verwaltungsgeldbußen zu verhängen, zur Verfügung gestellt wird'. [Art18 Abs 1 SSM-VO. Die englische Sprachfassung ('shall be made available') zeigt den Konnex und die Verpflichtung zur Umsetzung der Art 65 ff CRD IV noch deutlicher. Ebenso ergibt sich diese Auslegung aus der französischen Sprachfassung ('sont habilitées à imposer') wie auch der italienischen Sprachfassung ('vengono messe a disposizione').] In allen anderen Anwendungsfällen (Verhängung einer Verwaltungssanktion wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares einschlägiges Unionsrecht gegen natürliche Personen, Verhängung einer Verwaltungssanktion gegen natürliche oder juristische Personen wegen eines Verstoßes gegen nationales Recht, das einschlägiges Unionsrecht aus einer Richtlinie umsetzt) bleibt die Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Behörde zur Verhängung von Verwaltungssanktionen bestehen. [Art18 Abs 5 SSM-VO.] Jedoch sieht Art 18 Abs 5 SSM-VO für diese Anwendungsfälle ein Weisungsrecht der EZB gegenüber den für die prudentielle Bankenaufsicht nationalen zuständigen Behörden vor, bei Verstößen von bedeutenden Kreditinstituten gegen materiell-rechtliche Bestimmungen aus umzusetzendem einschlägigen Unionsrecht Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten, damit Maßnahmen ergriffen werden, 'um sicherzustellen, dass im Einklang mit den Rechtsakten nach Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 [= CRD IV] geeignete Sanktionen verhängt werden'. Gemäß Art 18 Abs 5 UAbs2 SSM-VO soll dieses Weisungsrecht gegenüber den nationalen zuständigen Behörden insbesondere gelten 'für Geldbußen, die gegen Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften oder gemischte Finanzholdinggesellschaften wegen eines Verstoßes gegen nationale Rechtsvorschriften zu verhängen sind, mit denen einschlägige Richtlinien umgesetzt werden'.
Würde, wie das Bundesverwaltungsgericht meint, Art 65 CRD IV den Mitgliedstaaten bei Umsetzung der in Art 66 ff CRD IV genannten Verwaltungssanktionen eine 'Wahlfreiheit' zwischen gerichtlichem Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht einräumen, wäre dies neben dem Wortlaut und Sinn und Zweck auch nicht mit der klaren Intention des Unionsgesetzgebers bei der Schaffung des SSM zu vereinbaren. Noch dazu hätte dies vor dem Hintergrund der geteilten Zuständigkeit im SSM für die Verhängung von Verwaltungsgeldbußen durch die EZB einerseits und die Verhängung von Verwaltungsstrafen durch die nationalen zuständigen Behörden andererseits gerade in einem Kernbereich der prudentiellen Bankenaufsicht – den Vorschriften zur internen Unternehmensführung und Kontrolle ('Governance') – enorme Auswirkungen, die ebenfalls nicht der Intention des Unionsgesetzgebers entsprechen und die Effektivität des SSM untergraben würden: Da Art 74 CRD IV eine umzusetzende Richtlinienbestimmung ist, steht der EZB bei jedem Verstoß eines von ihr beaufsichtigten bedeutenden Kreditinstitutes gegen jene nationale(n) Bestimmung(en), die Art 74 CRD IV umsetzen, nur die Weisungsbefugnis gemäß Art 18 Abs 5 SSM-VO gegenüber der jeweiligen national zuständigen Behörde zur Verfügung, um sicherzustellen, dass solche Verstöße im Wege eines Verwaltungsstrafverfahrens von der national zuständigen Behörde geahndet werden.
Bestünde die vom Bundesverwaltungsgericht behauptete 'Wahlfreiheit' der Mitgliedstaaten, Verstöße gegen Art 74 CRD IV im gerichtlichen Strafrecht zu verankern, würde dies zur Konsequenz haben, dass der EZB die Weisungsbefugnis gegenüber der national zuständigen Behörde in der in Art 18 Abs 5 SSM-VO vorgesehenen Weise abhandenkäme, und sie damit ihrer einzigen Handhabe zur Sanktionierung von Verstößen gegen nationale Bestimmungen, die Richtlinienrecht umsetzen, verlustig ginge.
Damit ergibt sich auch aus der Systematik der SSM-VO und dem Gesamtziel, das der Unionsgesetzgeber der SSM-VO bei der Schaffung der sogenannten Bankenunion zu Grunde gelegt hat, nicht nur, dass die in Art 66 und 67 CRD IV angeführten Verstöße einen Mindestkatalog von Tatbeständen für Verwaltungsübertretungen darstellen, sondern auch, dass diese Verstöße samt ihrer Rechtsfolgen (= Geldbußen) zwingend als Verwaltungsstrafen im nationalen Recht umzusetzen sind. Man kann nämlich dem europäischen Gesetzgeber nicht unterstellen, dass er die Befugnis der EZB zur Verhängung von Geldbußen an die nationale Umsetzung der CRD IV knüpft, wenn er durch Art 65 Abs 1 CRD IV tatsächlich die Möglichkeit vorgesehen hätte, dass einzelne Mitgliedstaaten durch das Vorsehen gerichtlicher Strafen der EZB die Kompetenz zur Verhängung von Verwaltungsgeldbußen entziehen und damit die (effektive) Wirksamkeit der Bankenaufsicht durch eine Institution der Union im einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) untergraben könnten.
Es ist daher festzuhalten, dass das Unionsrecht eine verpflichtende Umsetzung der in Art 67 Abs 2 lite CRD IV genannten Bußgelder für juristische Personen als Verwaltungsstrafen in die nationale Rechtsordnung vorsieht.
b) Prinzip der doppelten Bindung des Gesetzgebers
Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass der Gesetzgeber auch bei der Umsetzung von [Unions]recht an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden ist (Grundsatz der doppelten Bindung). [VfSlg 14.863/1997.] Stehen der Anwendung des [Unions]rechtes verfassungsrechtliche Bestimmungen entgegen, so kann eine [unionsrechts]konforme Regelung meist durch Unangewendet-sein-Lassen einer Verfassungsnorm erreicht werden. Würde hingegen das bloße Unangewendet-sein-Lassen einer Verfassungsnorm keine [unionsrechts]konforme Lösung ermöglichen, so hat der Verfassungsgesetzgeber tätig zu werden. [VfSlg 17.347/2004 mit Verweis auf VfSlg 15.427/1999 und VfSlg 17.001/2003.] Das Bundesverwaltungsgericht vertritt die Ansicht, dass in den gegenständlichen Fällen ein bloßes Unangewendet-sein-Lassen einer Verfassungsnorm (hier: Art 91 B-VG) nicht in Betracht komme, und der einfache Gesetzgeber daher der doppelten Bindung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unterlag.
Dass auf Grund der doppelten Bindung bei der Umsetzung des Art 67 Abs 2 lite CRD IV (einfachgesetzlich) Verwaltungsstrafen unter der nachprüfenden Kontrolle des Bundesverwaltungsgerichtes nicht hätten vorgesehen werden dürfen, trifft nach Ansicht der Bundesregierung nicht zu. Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) ergeben sich Grundsätze, welche die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Unionsrecht zu berücksichtigen haben. Allen voran haben die Mitgliedstaaten jene Umsetzungsakte zu setzen, die zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit ('effet utile') des Unionsrechtes am besten geeignet sind. [Vcelouch in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV, Art 288 AEUV Rz 37 mit Verweis auf , Royer, Slg. 1976, 497.] Nach der Rechtsprechung des EuGH muss der nationale Umsetzungsakt die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie gewährleisten. [Vcelouch in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV, Art 288 AEUV Rz 51 mit Verweis auf , Von Colson/Land Nordrhein-Westfalen, Slg. 1984, 1891.] Zwar sind Richtlinien nach dem Wortlaut von Art 288 AEUV (nur) hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich und überlassen den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel zur Umsetzung. [Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art 288 AEUV Rz 112.] Jedoch besteht nach der Rechtsprechung des EuGH die Wahlfreiheit hinsichtlich der Form und Mittel zur Ausführung einer Richtlinie nur in dem Umfang, in dem die Richtlinie keine Festlegung des gebotenen Rechtszustandes vornimmt. [Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art 288 AEUV Rz 132.] Erreichen Richtlinien einen solchen Grad an inhaltlicher Detailliertheit, dass für innerstaatliche Umsetzung materiell nur noch wenig Raum verbleibt, reduziert sich die mitgliedstaatliche Richtlinien-Umsetzung auf das 'Gebot perfekter Umsetzung'. [Vcelouch in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV, Art 288 AEUV Rz 49.] Enthalten Richtlinien so präzise Aussagen über den im staatlichen Recht herzustellenden Rechtszustand, besteht keine Durchführungsfreiheit mehr. [Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht6 (2014) 122 Rz 85.]
Wie oben dargestellt, ergibt sich aus dem umzusetzenden Unionsrecht die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, einen Tatbestandskatalog und einen harmonisierten Strafrahmen für Verwaltungsstrafen bei Verstößen gegen die in diesem Tatbestandskatalog aufgeführten unionsrechtlichen Bestimmungen vorzusehen, die von Verwaltungsbehörden verhängt werden. Vor dem Hintergrund des 'effet utile' erscheint eine andere Art der Umsetzung – z.B. eine Verschiebung in das gerichtliche Strafrecht, wie sie das Bundesverwaltungsgericht argumentiert – gerade nicht zulässig, weil dies mit den Zielen und dem Regelungszustand, den der Unionsgesetzgeber schaffen will, nicht zu vereinbaren wäre. Die Art 65 ff CRD IV schränken die Umsetzungsmöglichkeiten des einfachen Gesetzgebers deutlich ein, weil es das Ziel des Unionsgesetzgebers ist, ein harmonisiertes System von Verwaltungssanktionen, die von Verwaltungsbehörden verhängt werden, zu schaffen, um die kohärente und wirksame Anwendung des Unionsrechtes auch durch abschreckende Verwaltungsstrafen sicherzustellen. Ebenso beschränkt Art 18 Abs 5 SSM-VO die Umsetzungsmöglichkeiten des einfachen Gesetzgebers, weil der Unionsgesetzgeber auch im Rahmen des SSM das Ziel verfolgt, ein System von Verwaltungsbehörden zu errichten, die innerhalb des SSM einen harmonisierten Katalog von Verwaltungssanktionen für Verstöße gegen die in den Art 65 ff CRD IV aufgeführten unionsrechtlichen Bestimmungen im Rahmen der ihnen zukommenden Zuständigkeit verhängen können sollen. Die Annahme einer 'Wahlfreiheit' hinsichtlich der Umsetzung von Art 65 ff CRD IV würde daher nicht nur den Zielen und dem Regelungszustand zuwiderlaufen, den der Unionsgesetzgeber durch die zitierten Bestimmungen erreichen wollte, sondern würde auch das gesamteuropäische System der Bankenaufsicht (SSM) beeinträchtigen.
Schließlich ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 18.642/2008 (bestätigt in G25, 26/2016) im Hinblick auf die doppelte Bindung des einfachen Gesetzgebers bei der Umsetzung von Unionsrecht festgestellt hat, dass auf Grund des Vorranges des Unionsrechtes auch vor dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten die Aufhebung einer Bestimmung, die Unionsrecht umsetzt, unzulässig wäre, wenn das Unionsrecht dem innerstaatlichen Gesetzgeber keinen Spielraum für die inhaltliche Gestaltung einräumt, sodass der Gesetzgeber keine Möglichkeit hätte, eine Ersatzregelung zu schaffen, die sowohl dem Unionsrecht als auch dem innerstaatlichen Verfassungsrecht entspricht. Der Gesetzgeber hatte und hätte bei der Umsetzung der Art 65 ff CRD IV keine andere Möglichkeit, eine Regelung zu schaffen, die sowohl dem Unionsrecht als auch dem innerstaatlichen Verfassungsrecht entspricht. Jedoch kann eine unionsrechtskonforme Regelung entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes durch ein (sofern hier überhaupt erforderliches, siehe dazu sogleich unter Punkt 3) Unangewendet-sein-Lassen des Art 91 B-VG erreicht werden, ohne dass der Verfassungsgesetzgeber tätig werden müsste.
Im Ergebnis war daher ein Tätigwerden des Verfassungsgesetzgebers bei der Umsetzung des Art 67 Abs 2 lite CRD IV in § 99d BWG auch schon deshalb nicht notwendig, weil im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur doppelten Bindung ein unionsrechtskonformer Zustand bereits durch das (allfällige) Unangewendet-sein-Lassen einer Verfassungsnorm erreicht wird.
3. Zur Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und zum Bundesverwaltungsgericht als Spezial-Gericht (mit einem eigens dafür eingerichteten Senat) für Finanzmarktrechtsangelegenheiten mit voller Kognitionsbefugnis in Tatsachen- und Rechtsfragen:
Da auch das Verwaltungsstrafrecht unter den in Art 6 EMRK verwendeten Begriff der strafrechtlichen Anklage ('criminal charge') fällt, [Vgl. etwa VfSlg 12.162/1989.] ist im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes die Zuständigkeit eines Tribunals im Sinne des Art 6 EMRK geboten. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist die Verhängung von Strafen durch Verwaltungsbehörden daher zulässig, wenn dagegen ein Tribunal mit voller Rechts- und auch Sachverhaltskognition – wie die Verwaltungsgerichte der Länder und das Bundesverwaltungsgericht – angerufen werden kann. [Vgl. Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 (2014) Rz 648. Siehe auch VfSlg 12.162/1989, worin der Verfassungsgerichtshof mit Verweis u.a. auf VfSlg 11.506/1987 festhielt, dass die frühere (bloß) nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof nicht den Garantien des Art 6 EMRK genügte.] Der Verfassungsgerichtshof sprach diesbezüglich bereits aus, dass diesem Erfordernis durch die Einsetzung der Verwaltungsgerichte als Beschwerdeinstanz gemäß Art 130 Abs 1 B-VG Rechnung getragen wurde. [VfSlg 19.825/2013 zum Landesverwaltungsgericht Wien. Vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) Rz 971.]
Im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 richtete der österreichische Gesetzgeber in Art 129 ff B-VG Verwaltungsgerichte mit dem Ziel ein, den Rechtsschutz im Bereich der Verwaltung durch eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erhöhen. [Siehe dazu ErlRV 1618 BlgNR XXIV. GP 3 ff.] Hierbei besteht die zentrale Aufgabe der Verwaltungsgerichte erster Instanz in der Rechtmäßigkeitskontrolle, oder besser Rechtmäßigkeitsgewährleistung des hoheitlichen Verwaltungshandelns. Dies ergibt sich schon daraus, dass in Art 130 Abs 4 B-VG der Vorrang der Sachentscheidung festgeschrieben ist. Diesem System ist immanent, dass die Verwaltungsgerichte die typisch richterliche Entscheidungsperspektive einnehmen, wenn zwischen dem Einzelnen und der Verwaltung Streit darüber besteht, ob die Verwaltungsrechtsetzung seitens der Verwaltungsbehörde auf Grund des Gesetzes ergangen ist. [So Holoubek, Demokratie, Rechtsstaat und Verwaltungsgerichtsbarkeit, ZfV 2015, 164 (169); danach ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit gerade nicht im Sinn einer sukzessiven Zuständigkeit zu verstehen, wonach mit der (gedanklichen) Kassation des fehlerhaften Verwaltungsaktes die Zuständigkeit zur Entscheidung 'in der Sache selbst' auf das Verwaltungsgericht übergeht.]
Die richterlichen Mitglieder der Verwaltungsgerichte der Länder und des Bundesverwaltungsgerichtes genießen die verfassungsrechtlichen Garantien der richterlichen Unabhängigkeit (Art87 Abs 1 B-VG), Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit (Art88 Abs 2 B-VG) und sind damit den Richtern der ordentlichen Gerichte in verfassungsrechtlicher Hinsicht gleichgestellt. [Art134 Abs 7 B-VG verweist auf Art 87 Abs 1 und 2 sowie Art 88 Abs 1 und 2 B-VG.] Insofern gehen die den Verwaltungsgerichten zukommenden verfassungsrechtlichen Garantien auch weit über jene der Unabhängigen Verwaltungssenate hinaus, welche sich als 'weisungsfreie Verwaltungsbehörden' lediglich durch ihre verfassungsrechtliche Unabhängigkeit auszeichneten. [Vgl. etwa VfSlg 14.361/1995.]
Die Verwaltungsgerichte erkennen in der Regel durch Einzelrichter, doch kann im Verfahrensgesetz oder in Materiengesetzen eine Entscheidung durch einen Senat vorgesehen werden. Dies ist im Vollzugsbereich der FMA durch § 22 Abs 2a FMABG erfolgt, welcher eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung durch Senat vorsieht, wenn die von der FMA verhängte Geldstrafe den Betrag von EUR 600 übersteigt. Die Verwaltungsgerichte haben weiters meritorisch, somit in der Sache selbst zu entscheiden (Art130 Abs 4 B-VG) und dabei auch Ermessen im gleichen Umfang wie die Verwaltungsbehörde selbst auszuüben (Art130 Abs 3 B-VG gilt nicht in Verwaltungsstrafsachen). [Vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) Rz 1216; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 (2014) Rz 662. Insoweit kommt den Verwaltungsgerichten damit sogar eine weitergehende Überprüfungsmöglichkeit als den (zweitinstanzlichen) Strafgerichten zu.] Der Rechtszug gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte führt schließlich gemäß Art 133 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof und kann nur bei geringen Geldstrafen ausgeschlossen werden (Art133 Abs 4 B-VG; § 25a Abs 4 VwGG). Für einen Ausschluss der Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs 4 VwGG besteht im Finanzmarktaufsichtsrecht aber selbst unter Außerachtlassung der 'neuen' Höchststrafdrohungen de facto kein Anwendungsbereich. Auf Grund der Komplexität der in Anwendung des Finanzmarktrechtes regelmäßig auftretenden Rechtsfragen ist nach Ansicht der Bundesregierung davon auszugehen, dass die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Art 133 Abs 4 B-VG regelmäßig einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegen werden.
Der österreichische Gesetzgeber hat bei der Einrichtung der Verwaltungsgerichte aber auch die in Art 6 Abs 2 und 3 EMRK normierten spezifischen Verfahrensgarantien für Strafverfahren – insbesondere die Unschuldsvermutung, Verteidigungsrechte, das Recht auf Verfahrenshilfe sowie das Gebot der Waffengleichheit – ebenso wie die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – zu nennen sind die Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie die Verpflichtung zur Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist – berücksichtigt. [Vgl. EGMR Jancikova; VfSlg 18.609/2008.] Dies ist durch die Schaffung der (besonderen) Verfahrensbestimmungen für das Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten in den §§40 ff VwGVG erfolgt. [Vgl. dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) Rz 971 und 1195.] Darüber hinaus sind im Verwaltungsstrafverfahren auch die aus Art 6 EMRK abgeleiteten Grundsätze des Schuldstrafrechtes (vgl. § 5 VStG) sowie des Verbots des Zwangs zur Selbstbezichtigung verankert. Im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrensrechtes sind durch die Einrichtung der Verwaltungsgerichte somit sämtliche von Art 6 EMRK geforderten Verfahrensgarantien für Strafverfahren einfach- und verfassungsgesetzlich abgesichert.
Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die FMA Parteistellung. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet unabhängig und meritorisch über die Verhängung einer Geldstrafe gegen den Beschwerdeführer (Beschuldigten). § 22 Abs 2a FMABG sieht vor, dass über Geldstrafen, die von der FMA verhängt werden und EUR 600 übersteigen, drei Berufsrichter im Senat zu entscheiden haben (während hingegen etwa im Schöffenverfahren (Art91 Abs 3 B-VG) gemäß § 32 Abs 1 StPO ein – bzw. gemäß Abs 1a: zwei – Berufsrichter und zwei Schöffen vorgesehen sind).
Nach Ansicht der Bundesregierung ist daher die vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu hohen Geldstrafen auf Fälle wie die hier gegenständlichen nicht übertragbar, weil sie die Einführung der Verwaltungsgerichte der Länder und insbesondere die Schaffung des Bundesverwaltungsgerichtes als Spezial-Gericht (mit einem eigens dafür eingerichteten Senat) für Finanzmarktrechtsangelegenheiten mit voller Tatsachen- und Kognitionsbefugnis noch nicht berücksichtigen konnte. Auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Erkenntnis zu VfSlg 19.960/2015 befasste sich der Verfassungsgerichtshof nicht mit der Frage, ob seine bisherige Rechtsprechung angesichts der Einführung der Verwaltungsgerichte der Länder (und des Bundesverwaltungsgerichtes) uneingeschränkt aufrechterhalten werden müsste, weil im konkreten Anlassfall schon auf Grund der angedrohten Strafhöhen eine Verletzung des Art 91 B-VG ausschied und er die Bedeutung der Verwaltungsgerichte für die bisherige Rechtsprechung daher nicht weiter zu prüfen hatte (und sich mangels dahingehenden Vorbringens der Parteien wohl dazu auch nicht veranlasst sah).
Der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Oberste Gerichtshof gemäß Art 92 Abs 1 B-VG eine 'Leitfunktion' für den Bereich des Zivil- und gerichtlichen Strafrechtes wahrnimmt, trifft zu. Aus diesem Umstand folgt aber nach Ansicht der Bundesregierung keine Vorgabe für den Gesetzgeber, eine bestimmte Strafsache der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuzuweisen. Entscheidet sich der Gesetzgeber – unter Einhaltung der übrigen verfassungsrechtlichen Vorgaben – für das Verwaltungsstrafrecht, kommt eben dem Verwaltungsgerichtshof eine äquivalente 'Leitfunktion' zu, wie sie in Art 133 B-VG für den Bereich des Verwaltungsrechtes verankert ist (VfSlg 19.730/2012). Diese Leitfunktion nimmt der Verwaltungsgerichtshof seit Einführung der zweigliedrigen Verwaltungsgerichtsbarkeit auch intensiv in Anspruch, weil er etwa zu zahlreichen verfahrensrechtlichen Fragen bereits Leitlinien vorgegeben hat. [Vgl. etwa nur die umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 27 VwGVG.]
Durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde nach Ansicht der Bundesregierung eine (nachprüfende) gerichtliche Instanz mit voller Kognitionsbefugnis in Tatsachen- und Rechtsfragen eingeführt, die den (ordentlichen) Strafgerichten verfassungsrechtlich gleichgestellt ist. Die Verwaltungsrichter des Bundesverwaltungsgerichtes genießen dieselben richterlichen Garantien, nämlich die Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit, wie Zivil- oder Strafrichter. Das Bundesverwaltungsgericht hat meritorisch, d.h. in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch Ermessen im gleichen Umfang wie die Verwaltungsbehörde selbst auszuüben. Auch ist das Bundesverwaltungsgericht mit den – einem Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK – entsprechenden Verfahrensgarantien ausgestattet.
Des Weiteren führt der Rechtszug nach dem Bundesverwaltungsgericht an den Verwaltungsgerichtshof, welcher lediglich bei sehr geringen Geldstrafen ausgeschlossen ist. Eine sämtliche Verfahrensgrundsätze des gerichtlichen Strafrechtes sowie die Verfahrensgrundrechte der Parteien berücksichtigende (nachprüfende) gerichtliche Kontrolle der von der FMA verhängten Geldstrafen ist damit jedenfalls gewährleistet.
Zum vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Aspekt des Kumulationsprinzips, der die in Rede stehenden Strafdrohungen noch zusätzlich schwerwiegend erscheinen lasse, verweist die Bundesregierung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 13.790/1994, wonach die Verhängung gebündelter Strafen als Folge der Vervielfachung des Unrechtsgehalts (wegen mehrerer Übertretungen bzw. wegen gehäufter Begehung von Straftaten) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
Ein Verstoß gegen Art 91 B-VG liegt somit nach Ansicht der Bundesregierung nicht vor.
4. Exkurs: Zu Zweck und Zulässigkeit von hohen, umsatzbezogenen Verwaltungsstrafen im Finanzmarktrecht:
Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt in seinen Anträgen unter Berufung auf die oben zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art 91 B-VG die grundsätzliche Zulässigkeit der Zuweisung von hohen, umsatzbezogenen Strafrahmen zum Verwaltungsstrafrecht an. Dieser Ansicht kann sich die Bundesregierung für den Bereich des Finanzmarktrechtes – ergänzend zu den obigen Ausführungen – auch aus folgenden Gründen nicht anschließen:
Finanzielle Sanktionen stellen ein verhaltenssteuerndes, nämlich spezial- und generalpräventiv wirkendes Instrument dar, weil sie darauf gerichtet sind, den Normadressaten wirtschaftliche Anreize zu rechtswidrigem Verhalten zu nehmen, indem sie ihnen für den Fall einer Normübertretung Kosten androhen, die mindestens deren erwarteten Nutzen aufwiegen. Die Höhe der angedrohten finanziellen Sanktion sollte dabei so bemessen sein, dass sich bei einer rentabilitätsgesteuerten unternehmerischen Entscheidung für oder gegen die Einhaltung der sanktionsbewehrten Norm die Waage zugunsten der Rechtstreue neigt. Mit einer nur auf Gewinnabschöpfung gerichteten Sanktion ist dieses Ziel in der Regel nicht erreichbar, zumal dabei jene Fälle außer Betracht bleiben, in denen der Rechtsverletzer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit rechnen kann, dass sein rechtswidriges Verhalten unentdeckt bleibt und er der dadurch verwirkten Sanktion entgeht. Bei der Höhe der finanziellen Sanktion ist somit sowohl der Betrag des Verletzergewinns als auch die Aufdeckungs- bzw. Geheimhaltungswahrscheinlichkeit zu berücksichtigen. [Vgl. Ackermann, Unternehmenssteuerung durch finanzielle Sanktionen, ZHR 179 (2015) 538 (540 f); .]
Dies vertritt auch die EK für den Finanzsektor:
'Verstöße gegen die Finanzdienstleistungsvorschriften können Gewinne von mehreren Millionen Euro ermöglichen, die weit über den von einigen Mitgliedstaaten vorgesehenen Geldhöchststrafen liegen. Eine Strafe, die niedriger ist als der bei einem Verstoß zu erwartende Gewinn, dürfte kaum eine starke Abschreckung darstellen. Zudem kann ein potenzieller Rechtsbrecher stets hoffen, dass sein Verstoß unentdeckt bleibt. Um zu gewährleisten, dass eine Strafe einen rational handelnden Marktteilnehmer ausreichend abschreckt, muss die Möglichkeit, dass ein Verstoß unentdeckt bleibt, dadurch an Attraktivität verlieren, dass die verhängten Geldbußen deutlich höher liegen als der aus einem Verstoß gegen die Finanzdienstleistungsvorschriften resultierende Nutzen. Im Finanzsektor, wo die potenziellen Rechtsbrecher großenteils grenzübergreifend tätige Finanzinstitute mit außerordentlich hohen Umsätzen sind, können Geldbußen von einigen Tausend Euro nicht als ausreichende Abschreckung angesehen werden.' [Vgl. Mitteilung, 7. Jedenfalls sah die EK das vor Umsetzung der CRD IV in den EU-Mitgliedstaaten geltende Niveau an Höchststrafdrohungen von Verwaltungsstrafen als deutlich zu niedrig an: 'Die Höhe der von den Verwaltungen verhängten Geldstrafen ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich und in einigen Mitgliedstaaten unzureichend: Auch die Höchst- und Mindestbeträge, die die nationalen Rechtsvorschriften für Geldstrafen vorsehen, sind sehr unterschiedlich, wobei die Höchstbeträge mitunter so niedrig sind, dass kaum von ausreichender Abschreckung die Rede sein kann. So sehen beispielsweise im Bankensektor sechs Mitgliedstaaten für den Fall eines Verstoßes Geldstrafen unbegrenzter oder variabler Höhe, neun Mitgliedstaaten Geldstrafen von mehr als einer Million Euro und sieben Mitgliedstaaten Geldstrafen von weniger als 150 000 Euro vor.' Auch die in Deutschland vor Änderung des § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) in Geltung gestandenen Bußgeldrahmen für juristische Personen von EUR 1 Mio. für vorsätzliches Handeln und EUR 500.000 für fahrlässiges Handeln wurden angesichts der im Bereich der Wirtschaftskriminalität erzielten Vorteile für nicht mehr angemessen, weil zu niedrig, erachtet und wurden daher, angestoßen durch einen Evaluierungsbericht der OECD, angehoben. Korrespondierend dazu erfolgte in § 130 OWiG eine Erhöhung des Bußgeldrahmens auf EUR 10 Mio. Vgl. dazu Meyberg in Graf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar OWiG5 (2014) § 30 Rz 96a, 96b mwN.]
Fehlende Abschreckung und unwirksame Anwendung von Sanktionen können nach Einschätzung der EK nicht nur zur Nichteinhaltung unionsrechtlicher Finanzvorschriften führen, sondern auch Verbraucherschutz und Marktintegrität erheblich untergraben, Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt bewirken, sich nachteilig auf die Finanzaufsicht auswirken und letztlich auch das Vertrauen in den Finanzsektor untergraben. [Mitteilung, S. 11.] Bedenken im Hinblick auf eine allfällige Existenzgefährdung sanktionierter juristischer Personen wird zum einen durch eine generelle Deckelung der Höchstbeträge der Geldstrafen und zum anderen durch den im Einzelfall zu berücksichtigenden Einwand der fehlenden Finanzkraft der juristischen Person – und damit der 'inability to pay' – Rechnung getragen. [Siehe dazu die bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Kriterien gemäß Art 70 CRD IV bzw. § 99e BWG, welche auch die Finanzkraft der juristischen Person umfassen. Vgl. Ackermann, Unternehmenssteuerung durch finanzielle Sanktionen, ZHR 179 (2015) 538 (555 f).] Letztlich belassen finanzielle Sanktionen – im Gegensatz zu einem unmittelbaren Eingriff in organisatorische Strukturen, etwa mittels verwaltungsrechtlicher Maßnahmen – den betroffenen Unternehmen die Freiheit, wie sie im Rahmen ihrer Organisation mit dem Anreiz umgehen, sich künftig rechtskonform zu verhalten. [Siehe dazu Ackermann, Unternehmenssteuerung durch finanzielle Sanktionen, ZHR 179 (2015) 538 (557).]
Der deutsche Bundesgerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit Kartellgeldbußen zu umsatzbezogenen – dem gegenständlichen Strafrahmen in § 99d BWG vergleichbaren – Bußgeldobergrenzen nach dem Vorbild des EU-Kartellrechtes Stellung genommen und diese für verfassungskonform erachtet. [BGH , KRB 20/12, BGHSt 58, 158.] In seinem Urteil führte der Bundesgerichtshof aus, dass eine 'feste, wenngleich auch erst über den Umsatz zu bestimmende Obergrenze' einen hinreichend bestimmten Rahmen für die Verhängung von Bußgeld anhand allgemeiner Zumessungskriterien bilde. Die Anknüpfung an Indikatoren zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens sei für eine angemessene Sanktionierung und Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit unumgänglich. Demgegenüber führe ein starrer, fester Bußgeldrahmen für kleinere und mittlere Unternehmen zu einer geringeren Vorhersehbarkeit einer möglichen zukünftigen Ahndung. [Vgl. dazu auch Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2014) Rz 355 ff.] Bedenken im Hinblick auf eine allfällige Verfassungswidrigkeit hoher (umsatzbezogener) Bußgeldrahmen, welche zuletzt auch in Deutschland auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben vermehrt in den kapitalmarktrechtlichen Vorschriften eingeführt wurden, werden in der aktuellen deutschen Literatur nicht diskutiert. [Vgl. etwa Kudlich, MADness Takes Its Toll – Ein Zeitsprung im Europäischen Strafrecht? AG 2016, 459; Nartowska/Walla, Das Sanktionsregime für Verstöße gegen die Beteiligungstransparenz nach der Transparenzrichtlinie 2013, AG 2014, 891.]
Zu Recht werden auch im Schrifttum starre Höchststrafrahmen für finanzielle Sanktionen als kritisch angesehen, weil sie insbesondere bei hoch profitablen Verstößen großer Unternehmen oft nicht erlauben, die zu verhängende Sanktion für den jeweiligen Verstoß so zu kalibrieren, dass sie präventiv wirkt. [Vgl. etwa Ackermann, Unternehmenssteuerung durch finanzielle Sanktionen, ZHR 179 (2015) 538 (542). Siehe dazu insbesondere auch BGH , KRB 20/12, BGHSt 58, 158.] Dies zeigte sich etwa bei der Verhängung einer Geldbuße in Höhe von EUR 145.000,-- gegen den weltweit größten Suchmaschinenbetreiber Google wegen einer als höchst gravierend angesehenen Verletzung des deutschen Datenschutzrechtes, nämlich des systematischen unerlaubten Sammelns personenbezogener Daten, weil die verhängte Geldbuße zwar den verfügbaren Bußgeldrahmen beinahe zur Gänze ausschöpfte, aber gerade einmal 0,002 % des jährlichen Gesamtnettogewinns von Google ausmachte. [Vgl. etwa The New York Times vom , Germany Fines Google Over Data Collection, abrufbar unter http://www.nytimes.com/2013/04/23/technology/germany-fines-google-over-data-collection.html.]
Bei einer Verwaltungssanktion wie in den Anlassfällen geht es darum, den aus der Verwaltungsübertretung gezogenen Nutzen auszugleichen und gleichzeitig – über die Höhe des erzielten oder zumindest erzielbaren Nutzens hinaus – im Sinne des spezial- und generalpräventiven Bedürfnisses eine neuerliche Tatbegehung zu verhindern. Verwaltungssanktionen sollen auf diese Weise sowohl für den einzelnen Bestraften als auch, durch die Abschreckungswirkung, für alle anderen Teilnehmer am Rechtsverkehr verhaltenssteuernd wirken. [Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes soll eine strafbare Handlung dann in den Kernbereich des (Justiz-)Strafrechtes fallen, wenn die angedrohte Strafe 'als für den Bestraften besonders empfindlich einzustufen' ist. Wie soeben dargestellt, ist dies aber gerade nicht die Intention hoher Verwaltungsstrafen wie jener in den Anlassfällen: Die konkret verhängte Strafe soll nicht durch deren besondere Höhe vom Bestraften als besonders schwer empfunden werden.]
Für den Bereich des Finanzmarktrechtes, im konkreten Fall im Rahmen der Bankenaufsicht, spielt diese Verhaltenssteuerung der Marktteilnehmer eine wesentliche Rolle, zumal hierdurch die obersten Ziele der Finanzmarktaufsicht, nämlich die Wahrung der Finanzmarktstabilität und die Sicherung des Vertrauens der Marktteilnehmer, und dies nicht bloß auf nationaler Ebene, erreicht werden sollen. Welche Bedeutung eine effektive Überwachung der Einhaltung der Vorschriften zur Bankenaufsicht hat, sei etwa anhand folgender Beispiele erläutert:
Gemäß § 39 Abs 2 und 4 BWG [Die korrespondierende unionsrechtliche Bestimmung ist Art 67 Abs 1 litd CRD IV.] haben die Kreditinstitute angemessene interne Kontrollsysteme ('IKS') hinsichtlich sämtlicher bankgeschäftlicher und bankbetrieblicher Risiken (z.B. Kredit-, Markt- und Liquiditätsrisiken) einzurichten. So ist das IKS beispielweise dahingehend auszugestalten, dass dieses stets das Vorhalten eines ausreichend hohen und qualitativen Liquiditätspuffers durch das Kreditinstitut sicherstellt (§12 Abs 1 Kreditinstitute-Risikomanagementverordnung [BGBl II Nr 487/2013 in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 235/2014.]). Ist das Kreditinstitut wesentliche Verbindlichkeiten in Fremdwährungen eingegangen, werden diese aber nicht bei Berechnung und Aufstellung des Puffers berücksichtigt, so ignoriert das Kreditinstitut das Liquiditätsrisiko hinter der betreffenden Fremdwährung. Kommt es zu einem idio-synkratischen oder marktweiten Liquiditätsengpass, so müsste das Kreditinstitut in kürzester Zeit die Fremdwährung aufwändig beschaffen, um alle Liquiditätsabflüsse zeitgerecht decken zu können.
Ebenso soll das Großkreditregime insbesondere das Eingehen übermäßiger Klumpenrisiken durch Kreditinstitute verhindern. Geht das Kreditinstitut Risikopositionen (z.B. Kredite) gegenüber einem einzigen, oder einer Gruppe ökonomisch oder rechtlich verbundener, Kunden ein, so darf die Höhe dieser Risikoposition nicht den Betrag von 25 % der anrechenbaren Eigenmittel überschreiten (Art395 Abs 1 CRR; § 98 Abs 5 Z 2 BWG). Gemäß dem bankaufsichtlichen Konzept der CRR sollen Kreditinstitute damit zu einer Streuung der Risikopositionen (Diversifikation) gezwungen werden: Der Ausfall eines einzigen Kunden bzw. einer Gruppe verbundener Kunden darf keinesfalls zum Scheitern des Kreditinstitutes führen können. Ignoriert ein Kreditinstitut diese Vorgaben, so gilt das Portfolio des Unternehmens als übermäßig konzentriert und höchst anfällig für Kettenreaktionen.
Der Unionsgesetzgeber hat in den Art 66 und 67 CRD IV eine Zuordnung schwerwiegender Verstöße gegen für die Erhaltung des Finanzmarktsystems besonders relevante Bestimmungen vorgenommen und diese mit abschreckenden Mindest-Höchststrafdrohungen versehen, um die effektive Durchsetzung der Einhaltung dieser Vorschriften zu sichern. Darunter fallen nach dem Willen des Unionsgesetzgebers auch die in Art 67 Abs 1 lito CRD IV genannten schwerwiegenden Verstöße gegen die in den konkreten Anlassfällen relevanten Bestimmungen zur Prävention von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. In diesem Zusammenhang zeigt die Aufsichtspraxis, dass Verstöße gegen diese Bestimmungen das Gros der nach den Strafrahmen der CRD IV sanktionierten Delikte darstellen. [Nach den der Bundesregierung und der FMA vorliegenden Zahlen wurden im Zeitraum bis in EU-Mitgliedstaaten insgesamt 13 veröffentlichte Geldstrafen nach dem Sanktionsregime der CRD IV, hiervon 11 wegen Verstößen gegen Bestimmungen zur Prävention von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, verhängt. Die geringste verhängte Geldstrafe betrug EUR 105.000,--, die höchste EUR 5.109.392,08. Fünf der verhängten Geldstrafen betrugen mehr als EUR 1 Mio., zwei Geldstrafen mehr als EUR 2 Mio., drei Geldstrafen mehr als EUR 3 Mio. und eine Geldstrafe mehr als EUR 5 Mio.]
Die Vorschriften gemäß den §§40 ff BWG, welche in Umsetzung der in Art 67 Abs 1 lito CRD IV genannten Richtlinie 2005/60/EG ('3. Geldwäsche-Richtlinie') [Richtlinie 2005/60/EG zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. Nr L 309 vom , S. 15.] geschaffen wurden, sind als lex specialis zu § 39 BWG [Vgl. § 39 Abs 2b Z 11 BWG.] und daher als für die Erhaltung des Kapitalmarktsystems besonders relevante Bestimmungen anzusehen. Insofern erachtet die Bundesregierung auch die Anwendung des in Art 67 CRD IV vorgesehenen – und in § 99d BWG umgesetzten – hohen Strafrahmens für Verwaltungsstrafen, wie in den konkreten Anlassfällen, als sachgerecht.
In der hier gegenständlichen Bestimmung des § 99d BWG ist ein einheitlicher Verwaltungsstrafrahmen von 10 % des jährlichen Gesamtnettoumsatzes des Kreditinstitutes vorgesehen. Im deutschen Ordnungswidrigkeitengesetz, nämlich in § 30 OWiG, hat der deutsche Gesetzgeber einen vergleichbaren Strafrahmen vorgesehen und bloß eine einfache Typisierung des Sanktionsrahmens vorgenommen. [Bei vorsätzlichen Straftaten beträgt die Geldbuße bis zu EUR 10 Mio., bei fahrlässigen Straftaten beträgt sie bis zu EUR 5 Mio.] Dabei erschien dem deutschen Gesetzgeber bei der Vielzahl der Strafandrohungstypen eine zusätzliche Abstufung nach der Höhe der angedrohten Strafe unzweckmäßig. Wie im österreichischen Verwaltungsstrafrecht erfolgt die Festsetzung der konkreten Geldbuße damit im Einzelfall durch die Verwaltungsbehörde im Rahmen des im Vollzug eingeräumten Ermessens unter Berücksichtigung der konkreten Ordnungswidrigkeit (Verwaltungsübertretung). [Vgl. Rogall, Karlsruher Kommentar zum OWiG4 (2014) § 30 Rz 130.]
Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung der Bestimmungen der CRD IV in nationales Recht die darin festgeschriebenen hohen Verwaltungsstrafen auch mit dem folgenden Argument begründet:
'Dieser besonders hohe Bußgeldrahmen wird in Umsetzung der Artikel 66 Absatz 2 Buchstabe d und Artikel 67 Absatz 2 Buchstabe e der Richtlinie 2012/…/EU eingeführt. Er ist auf Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Finanzsektors beschränkt und hat keinerlei Auswirkungen auf das übrige Gefüge der Bußgeldandrohungen. Die Übernahme des hohen Bußgeldrahmens in das KWG ist im Hinblick auf die außerordentlichen staatlichen Maßnahmen zur Sicherung und Wiederherstellung der Finanzmarktstabilität gerechtfertigt. So wurde allein in Deutschland für den SoFFin ein Garantierahmen von 400 Mrd. Euro geschaffen. Darüber hinaus waren zur Stabilisierung von bestimmten Instituten Beteiligungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro aus Steuermitteln erforderlich. Der Finanzmarktstabilisierungsfonds schloss im Jahr 2011 mit einem Fehlbetrag von 13 Mrd. Euro (im Ergebnis zu Lasten des Bundeshaushalts) ab. Aufgrund dieser Summen ist es erforderlich mit der außerordentlichen Erhöhung des Bußgeldrahmens zu signalisieren, dass die Zuwiderhandlung gegen aufsichtsrechtliche Anforderungen und Gebote ein besonders gefährliches und unter Umständen gesellschaftsschädliches Verhalten darstellt. Im Hinblick auf die aufgrund solcher Zuwiderhandlungen möglichen allgemeinen und außergewöhnlich hohen Belastungen der öffentlichen Finanzen und damit im Ergebnis jedes einzelnen Bürgers entsteht ein gesteigertes Bedürfnis des Staates, über Sanktionsmöglichkeiten mittels hoher Geldbußen im Rahmen einer Generalprävention für eine Einhaltung aufsichtsrechtlicher Normen zu sorgen. Die Erhöhung des Bußgeldrahmens für Ordnungswidrigkeiten auf bis zu 5 Mio. Euro nach dem KWG folgt somit einem gesteigerten Schutzbedürfnis vor schuldhaftem Verhalten im Finanzsektor. Um die im Bereich des Finanzsektors insgesamt gestiegenen Bußgeldobergrenzen zu reflektieren, wird die unterste Grenze auf bis zu 100 000 Euro angehoben (Nummer 4).' [Erläuterungen zum deutschen CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drs 17/10974 (Gesetzentwurf), 96.]
Dieses Argument ist auch für Österreich anwendbar, zumal auch die Republik Österreich im Gefolge der Finanzkrise 2008 umfangreiche Stabilisierungsmaßnahmen für den österreichischen Finanzmarkt vorgenommen hat, wie in den Erläuterungen zum Stabilitätsabgabegesetz – StabAbgG (BGBl I Nr 111/2010) festgehalten ist:
'Die weltweite Finanzkrise hat spürbare Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Staatsfinanzen gehabt. Einer der wesentlichen Verursacher dieser Finanzkrise waren die Finanzmärkte, von denen sich die Krise auf die reale Wirtschaft übertragen hat. Die Republik Österreich hat seit dem Jahr 2008 durch umfangreiche Bankenhilfspakete, Konjunkturpakete und weitere Stabilisierungsmaßnahmen die Folgen der Finanzkrise so weit wie möglich abgefedert und durch diese Maßnahmen wesentlich zu einer Stabilisierung der Finanzmärkte und Banken in Österreich beigetragen. Durch diese Maßnahmen wurde der Staatshaushalt in den Jahren von 2008 bis 2010 erheblich belastet.
[…]
Der Bankensektor in Österreich verzeichnete in den letzten Jahren ein starkes Wachstum. Österreich hat mit einem Bankenhilfspaket von ursprünglich bis zu 100 Mrd. Euro sehr früh auf die Finanzkrise reagiert und damit stabilisierend gewirkt. Österreichische Banken konnten daher auch in den Krisenjahren 2008 und 2009 grundsätzlich positiv bilanzieren und weisen beruhigende Kapitalquoten auf. Die Bankenhilfspakete, die Erweiterung der Einlagensicherung sowie liquiditätsfördernde Maßnahmen haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. […]
Im Vergleich zu den anderen Teilnehmern des Finanzmarktes (zB Versicherungen, Wertpapierdienstleistungsunternehmen) hat der Bankensektor in Österreich den größten Teil der finanzmarktkrisenbedingten Kosten für den Staatshaushalt verursacht. Die Bankenhilfspakete, die Erhöhung der Einlagensicherung und die Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes haben in erster Linie den Bankensektor betroffen. Zudem stellen instabile Banken im Vergleich zu den anderen Finanzinstituten ein wesentlich höheres systemisches Risiko für den Staat und die gesamte Volkswirtschaft dar. Der Konkurs einer Bank begründet aufgrund der zu erwartenden Folgewirkungen für den Staat ein hohes budgetäres Risiko; dies gilt insbesondere für Banken, die eine bestimmte Größe überschreiten und somit als für die heimische aber auch europäische Volkswirtschaft systemrelevante Bankinstitute bezeichnet werden können. Der Staat unterliegt in diesen Fällen einem wesentlich höheren Druck, Banken durch Rettungspakete oder Verstaatlichungen aufzufangen, um die negativen volkswirtschaftlichen Konsequenzen abzuwehren, als bei allen anderen Teilnehmern des Finanzmarktes.' [ErlRV 981 BlgNR XXIV. GP 7 und 104.]
Angesichts dieser Erwägungen des Gesetzgebers erscheint es daher nur konsequent, dass die gemäß § 99d BWG verhängten Geldstrafen gemäß § 101a BWG dem Bund zufließen.
Zu Unterschieden zwischen gerichtlichem Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht:
Dem gerichtlichen Strafrecht ist das Wesen des Tadels immanent: Die gerichtlich verhängte Strafe soll nach dem Willen des Gesetzgebers als Übel empfunden und durch ihren Übelcharakter kriminalpolitisch wirksam werden; sie kennzeichnet rückschauend die Unwerthöhe der Tat und bedeutet einen Tadel. [Lässig in Höpfel/Ratz, WK2 Vorbemerkungen Rz 3 mit Verweis auf EBRV 1971, 99. So auch in Deutschland, vgl. insbesondere die ständige Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes, wonach als Kennzeichen für eine echte Kriminalstrafe ein sozialethisches Unwerturteil gelte, z.B. BVerfG , 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18, 29 = NJW 1969, 1619, 1621; siehe auch Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG4 (2014), Einleitung Rz 84 ff mwN. Den deutschen Gesetzgeber haben bereits im Jahr 1968 mit der Schaffung des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) verfassungsrechtliche Überlegungen und insbesondere das Bestreben nach Entkriminalisierung zur formalen Trennung zwischen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht veranlasst; vgl. dazu Bohnert, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten23 (2015) Einführung IX ff; Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG4 (2014), Einleitung Rz 89. Die formale Zuordnung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch den Gesetzgeber hat das deutsche Bundesverfassungsgericht wiederholt als verfassungskonform bestätigt; siehe dazu etwa auch Gürtler in Göhler/Gürtler/Seitz, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten16 (2012) Vor § 1 Rz 32 ff.] Dieser Zielsetzung folgend müssen Strafmittel und Strafmaß stets so gewählt werden, dass sie unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit von der Allgemeinheit wie vom Täter selbst als der Tat adäquates Übel verstanden werden können. Auch durch die Geldbuße nach VbVG soll ein sozialethischer Tadel zum Ausdruck gebracht werden, wenn auch – im Unterschied zur Strafe des Individualstrafrechtes – kein individualethischer Tadel. [Vgl. Hilf/Zeder in Höpfel/Ratz, WK2 VbVG § 4 Rz 1.] Ein dem gerichtlichen Strafrecht vergleichbarer sozialethischer Tadel bzw. eine sozialethische Missbilligung ist dem Verwaltungsstrafrecht dagegen fremd. [So auch schon Miklau, Zur Funktion der Geldstrafe. Ist die Höhe der Strafdrohung ein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen dem Justiz- und dem Verwaltungsstrafrecht? ÖJZ 1991, 361. Für Deutschland vgl. z.B. BVerfG , 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18, 33 = NJW 1969, 1619, 1622; Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG4 (2014), Einleitung Rz 85 mwN; Bohnert, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten23 (2015) Einführung XII: 'Als These des geltenden Rechtszustandes gelten Straftaten generell als sozialethisch verwerflich, Ordnungswidrigkeiten dagegen nicht.' Im deutschen Schrifttum findet sich dazu auch ein Ansatz zur Kategorisierung von (Justiz-)Straftaten und Verwaltungsstrafrecht (Ordnungswidrigkeiten), wonach die Ahndungswürdigkeit unmittelbarer Beeinträchtigungen von Individualrechtsgütern stets zwingend in das Kriminalstrafrecht führe, während Ordnungswidrigkeitenrecht jenen Verfehlungen vorbehalten bleibe, die sich gegen überindividuelle Interessen richten; vgl. Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG4 (2014), Einleitung Rz 115.]
Diese Differenzierung anhand des vom Gesetzgeber einem bestimmten Verhalten zugemessenen Tadels ist auch für die vorliegenden Anlassfälle relevant: Bestimmungen zu Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung finden sich einerseits im gerichtlichen Strafrecht, wo die Erfüllung des Tatbestands der Geldwäscherei bzw. der Terrorismusfinanzierung gemäß § 165 StGB strafbewehrt ist, und andererseits im Verwaltungsstrafrecht, wo sie die Prävention von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zum Gegenstand haben. Folgt man der Meinung des Bundesverwaltungsgerichtes, hätte dies eine mit der Überführung der Verwaltungsstraftatbestände in das gerichtliche Strafrecht verbundene Gleichstellung dieser doch in ihrem Schutzzweck sehr unterschiedlichen Straftatbestände und damit eine 'Kriminalisierung' zur Folge. Damit verbunden wäre auch der mit dem gerichtlichen Strafrecht regelmäßig einhergehende Tadel, der dem Verwaltungsstrafrecht fremd ist. In diesem Sinn erscheint es nicht angebracht, einen wegen Geldwäscherei gemäß § 165 StGB Bestraften einem Kreditinstitut, dessen interne Kontrollsysteme entgegen den Bestimmungen der §§40 ff BWG nicht hinreichend sicherstellen, dass Delikte der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung erkannt und verhindert werden, gleich zu stellen. Auch der mit einer strafrechtlichen Verurteilung notwendig verbundene Tadel (die sozialethische Missbilligung), einhergehend mit der Eintragung der Strafe in das Strafregister, erscheint nach Ansicht der Bundesregierung für einen systemischen Mangel im kreditinstitutsinternen Kontrollsystem nicht sachgerecht.
Zusammengefasst erscheint es wesentlich, dass das Verwaltungsstrafrecht in einem wirtschaftsrechtlichen Zusammenhang seine verhaltenssteuernde – und somit präventive – Funktion bewahren kann, ohne dass damit zugleich der mit 'schweren Strafen' einhergehende Tadel verbunden sein muss. Dass es für die Qualifikation einer Rechtsfolge, nämlich ob es sich um eine (schwere) Strafe handelt, nicht in erster Linie auf die Höhe absoluter Beträge ankommen kann, zeigt auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den Zinsen gemäß § 97 BWG. Wenn nämlich eine wirtschaftsaufsichtsrechtliche Maßnahme – unabhängig von der absoluten Höhe – verfassungsrechtlich unbedenklich bestehen kann, [Vgl. und , B862/11.] dann muss dies erst recht für jene Verwaltungs(straf)sanktionen gelten, die das Finanzmarktaufsichtsrecht typischerweise mit sich bringt.
Zur Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen:
Die Strafbestimmungen der Art 66 und 67 CRD IV, ebenso wie Art 99 UCITS V, Art 70 MiFID II oder Art 110 und 111 BRRD differenzieren im Hinblick auf den Höchststrafrahmen zwischen juristischen und natürlichen Personen. Eine derartige Differenzierung in dem Sinn, dass für juristische Personen höhere Strafrahmen vorzusehen sind als für natürliche Personen, erscheint auf Basis des Gleichheitssatzes angesichts der obigen Ausführungen zur Präventionswirkung von Verwaltungsstrafen auch geboten. So erkannte auch das deutsche Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der nur juristischen Personen auferlegten Verzinsungspflicht von Kartellbußen (§81 Abs 6 dGWB) keine Verletzung des Gleichheitssatzes und hielt die Erwägung des deutschen Gesetzgebers, wonach die rechtsmissbräuchliche Einlegung von Einsprüchen zur Erzielung finanzieller Vorteile auf Grund des Aufschubs der Zahlung bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung besonders bei juristischen Personen zu befürchten sei, für nachvollziehbar. [BVerfG , 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1 - 33.] Zweifel an der Verfassungskonformität von in dem Judikat angeführten Bußgeldhöhen von EUR 6,4 Mio. hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang übrigens weder im Hinblick auf die Höhe der Geldbußen noch auf deren Klassifizierung als Ordnungswidrigkeit (Verwaltungsübertretung) gehegt.
Exkurs: Rechtslage in Portugal:
Portugal [Portugal hat das deutsche OWiG beinahe wörtlich in seinen Rechtsbestand übernommen und weist insofern eine vergleichbare Rechtslage wie Deutschland oder Österreich auf.] hat bereits seit dem Jahr 2009, also schon vor Erlassung von CRR und CRD IV, in seinen nationalen Bestimmungen zur Bankenaufsicht Höchststrafrahmen von bis zu EUR 2 Mio. für (Verwaltungs-)Geldstrafen gegen natürliche Personen sowie bis zu EUR 5 Mio., wenn sich (Verwaltungs-)Geldstrafen gegen juristische Personen richten, vorgesehen. Für den Fall mehrfacher Verstöße darf die (Verwaltungs-)Geldstrafe sogar bis zum doppelten Höchststrafrahmen, somit EUR 4 Mio. bzw. EUR 10 Mio., betragen. Die Aufsichtsbehörde Banco de Portugal verhängt regelmäßig (Verwaltungs-)Geldstrafen unter Ausnutzung dieser Höchststrafrahmen, welche von den portugiesischen Gerichten, auch dem portugiesischen Verfassungsgericht, auch regelmäßig bestätigt werden. Zuletzt verhängte die Banco de Portugal im Mai 2016 in einem Fall gegen drei juristische und neun natürliche Personen Geldstrafen bis zur Höhe von EUR 4 Mio. (gegen eine natürliche Person) und EUR 2,5 Mio. (gegen eine juristische Person). [Da sich der entscheidungsgegenständliche Sachverhalt vor Februar 2014 ereignete, kamen die Bestimmungen der CRR und CRD IV nicht zur Anwendung. Vgl. hierzu etwa einen Presseartikel vom , abrufbar unter http://algarvedailynews.com/news/9046-ricardo-salgado-to-appeal-4-million-bank-of-portugal-fine.] Sogar schon vor 2009 konnte die Banco de Portugal (Verwaltungs-)Geldstrafen in Höhe von bis zu EUR 1 Mio. gegen natürliche Personen bzw. bis zu EUR 2,5 Mio. gegen juristische Personen verhängen, wobei auch diese Strafrahmen in mehreren Fällen beinahe zur Gänze ausgeschöpft wurden; auch diese Geldstrafen wurden von den portugiesischen Gerichten bestätigt.
Das portugiesische Verfassungsgericht führt hierzu in ständiger Rechtsprechung aus, dass Verwaltungsübertretungen ('Ordnungswidrigkeiten') und die in diesem Zusammenhang verhängten Verwaltungsstrafen keine strafbaren Handlungen und Strafen nach dem Justizstrafrecht darstellen und daher auch nicht automatisch die verfassungsrechtlichen Grundsätze eines gerichtlichen Strafverfahrens auf Verwaltungsstrafen zur Anwendung gelangen. [Vgl. Tribunal Constitutional Portugal , Nº 574/95; , Nº 41/2004; , Nº 612/2014.] Entscheidend ist hierbei für das portugiesische Verfassungsgericht der Umstand, dass die Entscheidungen der Verwaltungsbehörde von einem unabhängigen Gericht im Wege einer nachprüfenden Kontrolle umfassend überprüft werden können. [Vgl. Tribunal Constitutional Portugal , Nº 574/95; , Nº41/2004; , Nº612/2014. In dieser nachprüfenden Kontrolle sieht das Verfassungsgericht auch keine Verletzung des Prinzips der Gewaltentrennung, vgl. Tribunal Constitutional Portugal , Nº278/2011.] Als Rechtfertigungsgründe für einen Strafrahmen für Verwaltungsstrafen bis zu einer Höhe von EUR 5 Mio. führt das portugiesische Verfassungsgericht an, dass es bei den relevanten materiell-rechtlichen Bestimmungen um solche mit einem besonders hohen Schutzzweck gehe, deren Verletzung weitreichende Konsequenzen mit sich bringen würden, dass in solchen Rechtsbereichen oftmals (natürliche und juristische) Personen mit besonders großer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auftreten, und dass die Anwendung der gesetzlich festgelegten Kriterien für die Strafzumessung in der Entscheidung ausführlich zu begründen ist. [Vgl. Tribunal Constitutional Portugal , Nº612/2014.]
Zusammenfassung:
Zu hohen, umsatzbezogenen Geldstrafen im Verwaltungsstrafrecht ist somit zusammenfassend ins Treffen zu führen, dass den Sanktionen im Verwaltungsstrafrecht keine dem gerichtlichen Strafrecht vergleichbare sozialethische Missbilligung bzw. auch kein Tadel anhaftet. Hohe Verwaltungsstrafen sollen vielmehr – wie dies auch die EK, die Erwägungsgründe der CRD IV oder das deutsche Schrifttum vertreten – eine Präventionswirkung entfalten, indem die mögliche Strafe den zu erwartenden Nutzen aus der Rechtsverletzung übersteigt, und so im Sinne des obersten Ziels der Finanzmarktstabilität für die Marktteilnehmer verhaltenssteuernd wirken.
5. Exkurs: Zur Konzentration von prudentieller Aufsicht und Verwaltungsstrafkompetenz in der Hand einer Allfinanzbehörde:
Folgt der Verfassungsgerichtshof dem Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach die Zuständigkeit der (Sonder-)Verwaltungsbehörde 'FMA' für die Verhängung hoher Verwaltungsstrafen gegen juristische Personen verfassungswidrig sei, so berührte dies auch die effektive Ausübung der der FMA vom Verfassungsgesetz zugewiesenen Aufgaben. Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 1 FMABG ist zur Durchführung der Bankenaufsicht unter der Bezeichnung 'Finanzmarktaufsichtsbehörde' (FMA) eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet. [Diese Bestimmung hat auf Grund der besonderen organisatorischen Stellung der FMA (in Verbindung mit deren Zuständigkeit zur Verhängung von Verwaltungsstrafen) außerhalb der allgemeinen staatlichen Verwaltung trotz der mittlerweile erfolgten Novellierung des Art 20 B-VG durch das 'Erste[.] Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz', BGBl I Nr 2/2008, eine eigenständige Bedeutung behalten. Vgl. dazu auch N. Raschauer, Strukturprobleme des europäischen und österreichischen Bankenaufsichtsrechts (2010) 17.] In § 2 Abs 1 FMABG sind die der FMA im Rahmen der Bankenaufsicht zum Vollzug zugewiesenen Aufsichtsgesetze aufgezählt, u.a. das Bankwesengesetz. Die von der FMA (auch in ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde) ausgeübte Bankenaufsicht – worunter, wie der Verfassungsgerichtshof jüngst bestätigte, auch die Abwicklung von Kreditinstituten fällt – [Vgl. u.a., V14/2015 u.a.] ist eine Wirtschaftsaufsicht im öffentlichen Interesse, die neben dem Schutz der Einleger (gesicherter Einlagen) primär dem klaglosen Funktionieren des Bankwesens und dem Vertrauen in den Kapitalmarkt, somit der Wahrung der Stabilität des Finanzmarktes, dient. [Vgl. ; auch ; , 2013/17/0199.] Insbesondere seit Wirksamwerden der Bankenunion – des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) als erster Säule sowie des einheitlichen Abwicklungsmechanismus ('Single Resolution Mechanism' = SRM) als zweiter Säule – hat sich das Aufgabenspektrum der 'Bankenaufsicht' stetig dynamisch, systematisch fortentwickelt.
Im Zuge der Schaffung der FMA hatte der (Verfassungs-)Gesetzgeber die Errichtung einer Allfinanzbehörde vor Augen, welche sämtliche Kompetenzen der prudentiellen Aufsicht ebenso wie die Zuständigkeit zur Erlassung von Verwaltungsstrafen – und damit auch die alleinige Auslegungskompetenz – im gesamten Finanzmarktbereich in einer Sonder-Verwaltungsbehörde sui generis vereint […]:
'Das vorliegende Sammelgesetz, dessen Kern die Schaffung einer Finanzmarktaufsichtsbehörde darstellt, umfasst zwei inhaltliche Schwerpunktbereiche:
Zum einen die organisatorische Umgestaltung der Bankenaufsicht, Versicherungsaufsicht, Wertpapieraufsicht und Pensionskassenaufsicht durch Vereinigung der bisherigen Kapazitäten im Bundesministerium für Finanzen, der BWA und teilweise in der Oesterreichischen Nationalbank und Zusammenführung dieser Kapazitäten in einer neu zu errichtenden öffentlich-rechtlichen Anstalt. Diese Finanzmarktaufsichtsbehörde – FMA – wird nach Aufnahme der bestehenden, insbesondere personellen Ressourcen als unabhängige weisungsfreie Allfinanzaufsichtsbehörde errichtet.
Zum anderen wird das materielle Aufsichtsrecht in einigen Punkten geändert, bei denen sich in der Vollziehung Defizite gezeigt haben. Zielsetzung hierbei ist die erhöhte Schnelligkeit und Durchsetzbarkeit aufsichtsrechtlicher Maßnahmen. […] Schließlich wird die aufsichtsrechtliche Verfahrenszuständigkeit, die Vollstreckungskompetenz und die Verwaltungsstrafzuständigkeit bei einer Behörde zusammengeführt. Damit erhält die FMA erhebliche Autorität und Durchsetzungskraft.
Die strukturelle Entscheidung, eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit allen Aufsichtsfunktionen zu betrauen, ist wie folgt zu begründen:
– Die operationelle Unabhängigkeit der Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsbehörden entspricht dem internationalen Standard und wird in den maßgeblichen internationalen Aufsichtsgremien (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, IOSCO für Börse- und Wertpapieraufsicht und IAIS für Versicherungsaufsicht) als wesentliche Anforderung gesehen.
– Die Schaffung einer Allfinanzaufsicht führt zur größtmöglichen Synergiennutzung und entspricht auf Seite der beaufsichtigten Unternehmen der Tendenz zu deren zunehmender Verflechtung ('Allfinanzkonzerne'). Dieser Trend zeigt sich auch auf internationaler Ebene, es sind in jüngerer Zeit zunehmend Allfinanz-Aufsichtsbehörden geschaffen worden (zB Vereinigtes Königreich) bzw. weiterhin im Entstehen begriffen (zB Deutschland). Auch die EU-Beitrittskandidaten setzen zunehmend auf diese Organisationsform und wird dies von der EU positiv beurteilt.
– Die Betrauung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit den Aufgaben der Finanzmarktaufsicht entspricht einerseits der behördlich-hoheitlichen Natur der Aufsichtstätigkeit besser als einer 'echten' Ausgliederung auf einen privaten Rechtsträger. Andererseits erlaubt diese rechtlich selbständige Organisationsform jene Flexibilität, die sowohl in Bezug auf personelle und sachliche Ressourcen als auch zur Erfüllung der sich in ständigem Wandel befindlichen EU-rechtlichen Vorgaben erforderlich [ist]. […].' [ErlRV 641 BlgNR XXI. GP 67; vgl. auch den Bericht des Finanzausschusses 1019 BlgNR XXI. GP 3 mit dem Verweis auf das Erkenntnis des zu G269/01-13, G287/01-16, G321/01-11, G331/01-10, G332/01-10 [= VfSlg 16.400/2001 zur 'Bundes-Wertpapieraufsicht' (BWA)], welches auf Grund der Kompetenz der FMA zur Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren auch diese betrifft.]
Mit der Schaffung der FMA als weisungsfreie Allfinanzbehörde mit Aufsichts- und Strafkompetenz hat der (Verfassungs-)Gesetzgeber auch den Anforderungen der für die Finanzmarktaufsicht gültigen internationalen Standards im Bereich der Bankenaufsicht (Basler Ausschuss), [Bei den vom Basel Committee on Banking Supervision herausgegebenen Core Principles for Effective Banking Supervision (September 2012) ist insbesondere 'Principle 29: Abuse of financial services' hervorzuheben: 'The supervisor determines that banks have adequate policies and processes, including strict customer due diligence (CDD) rules to promote high ethical and professional standards in the financial sector and prevent the bank from being used, intentionally or unintentionally, for criminal activities.'] der Wertpapieraufsicht (IOSCO) sowie der Versicherungsaufsicht Rechnung getragen. [Bericht des Finanzausschusses 1019 BlgNR XXI. GP 4.]
Der Vorteil einer Konzentration der Zuständigkeit bei der FMA als Allfinanzbehörde für sämtliche Aufsichts- und Verwaltungsstrafagenden im Bereich der Finanzmarktaufsicht geht auch aus den Erwägungen zur CRD IV klar hervor: Danach soll es möglich sein, Verwaltungsstrafen mit (anderen) Verwaltungsmaßnahmen zu kombinieren. Der für die Strafen zuständigen Behörde soll also ein umfassendes und kohärentes Instrumentarium zur Bekämpfung einschlägiger Verstöße zur Verfügung stehen. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die für die vorgesehenen Strafmaßnahmen 'zuständige Behörde' jene Institution sein soll, die generell zur Aufsicht über Finanzinstitute zuständig ist. Denn nach den Erwägungsgründen der CRD IV (vgl. ErwGr 35 ff) könnte nur diese Behörde die angesprochenen vorbeugenden 'Maßnahmen' treffen und nur diese Behörde verfügt über jenes Fachwissen und jene Sachkompetenz, die es ermöglicht, 'Maßnahmen' und Strafsanktionen in sich konsistent und aufeinander abgestimmt zu handhaben und dadurch die angestrebte Effektivität zu erreichen. In Österreich ist dies die FMA, die auch schon nach geltendem Recht Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz ist. Es erscheint daher im Lichte des 'effet utile' in Österreich keine andere Lösung vertretbar, als die FMA mit der Verhängung der in der CRD IV vorgesehenen Geldstrafen zu betrauen.
Die Absicht des (Verfassungs-)Gesetzgebers, welcher die FMA im Jahr 2001 als weisungsfreie Aufsichtsbehörde mit Strafkompetenzen einrichtete, war es, im Sinne eines unionsrechtlichen wie internationalen Konsenses die nationalen Aufsichtsbehörden mit ausreichenden und effektiven Aufsichtsbefugnissen auszustatten und auf diese Weise Aufsichtsarbitrage hintanzuhalten, dies auch vor dem Hintergrund der sich in ständigem Wandel befindlichen EU-rechtlichen Vorgaben (dynamische, systematische Fortentwicklung des EU-Finanzmarktrechtes). Durch eine Überführung von bisherigen Strafkompetenzen der FMA in das gerichtliche Strafrecht würden weite Teile des Finanzmarktaufsichtsrechtes aus der Aufsichtszuständigkeit der FMA ausgegliedert werden und würde dadurch die bereits in der Vergangenheit getroffene Grundsatzentscheidung des Verfassungsgesetzgebers unterlaufen. Des Weiteren würde dies auch im gänzlichen Gegensatz zu den Intentionen und Zielen des Unionsgesetzgebers im Finanzmarktbereich stehen (z.B. das Ziel einer raschen und effektiven Finanzmarktaufsicht oder einer Abwicklungsentscheidung über ein Kreditinstitut über das Wochenende) und die ständige Weiterentwicklung des EU-Finanzmarktrechtes nicht berücksichtigen.
6. Zusammenfassung:
Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass § 99d des Bankwesengesetzes, BGBl Nr 532/1993, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 184/2013, nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."
1.4.Die Finanzmarktaufsichtsbehörde erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag vorgebrachten Bedenken im Wesentlichen Folgendes entgegenhält:
Um eine wirksame Aufsicht über den Finanzdienstleistungssektor zu gewährleisten, habe sich der Unionsgesetzgeber entschlossen, einen unionsweit harmonisierten Rechtsrahmen für Verwaltungssanktionen zu schaffen, der auch Mindestvorgaben hinsichtlich der Sanktionshöhe beinhalte. Diese Zielsetzung ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Art 65 bis 67 der Richtlinie 2013/36/EU – welche von "Verwaltungssanktionen", "Verwaltungsmaßnahmen" und "Verwaltungsbehörden" sprächen –, darüber hinaus aber auch aus den Erwägungsgründen der genannten Richtlinie, denen zufolge eine unionsweite Kohärenz bei der Verhängung von Verwaltungssanktionen sichergestellt werden müsse.
Vor diesem Hintergrund müsse Art 65 Abs 1 zweiter Satz der Richtlinie 2013/36/EU gelesen werden, mit der Konsequenz, dass daraus nicht die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Antrag festgestellte Wahlfreiheit des nationalen Gesetzgebers abgeleitet werden könne. Vielmehr knüpfe Art 65 Abs 1 zweiter Satz der Richtlinie 2013/36/EU lediglich an zum Zeitpunkt der Umsetzungsverpflichtung bereits bestehende Zuständigkeiten der ordentlichen (Straf-)Gerichte an und bringe die Intention des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, diese Zuständigkeiten gleichsam zu "versteinern" ("Grandfathering"). Dass eine Verschiebung der in den Art 65 ff. der Richtlinie 2013/36/EU vorgesehenen Verwaltungssanktionen in das gerichtliche Strafrecht nicht im Sinne des Unionsgesetzgebers sein könne, zeige sich auch darin, dass die Richtlinie 2013/36/EU – anders als die "Marktmissbrauchsrichtlinie" 2014/57/EU – nicht auf die Rechtsgrundlage des Art 83 Abs 2 AEUV gestützt worden sei.
Im Übrigen ergäben sich gleichartige Überlegungen auch aus einer Betrachtung des gesamteuropäischen Kontextes: So führe das europäische System der Finanzmarktaufsicht, welches insbesondere durch die Vorgaben der Verordnung (EU) Nr 1024/2013 geprägt sei, zu einer engen Verflechtung zwischen den Kompetenzen der Europäischen Zentralbank und der nationalen Aufsichtsbehörden innerhalb eines "einheitlichen Aufsichtsmechanismus". Nach der Intention des Unionsgesetzgebers sollten allen an diesem System teilnehmenden Aufsichtsbehörden dieselben Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse zukommen, nämlich jene die in den Art 65 bis 67 und 104 ff. der Richtlinie 2013/36/EU in harmonisierter Weise vorgegeben seien. Darauf aufbauend sehe die Verordnung (EU) Nr 1024/2013 Weisungszusammenhänge zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Aufsichtsbehörden sowie Abhängigkeiten der Befugnisausübung vor: Unter anderem könne die Europäische Zentralbank von manchen Befugnissen nur dann Gebrauch machen, wenn diese auf Grund der einschlägigen Unionsrechtsakte auch den nationalen Aufsichtsbehörden zukämen. Vor diesem Hintergrund stünden auch die Vorgaben der Verordnung (EU) Nr 1024/2013 und die Effektivität des Unionsrechts einer Betrauung der ordentlichen Gerichte mit Sanktionsaufgaben bzw. einem Weisungsrecht der Europäischen Zentralbank an die Staatsanwaltschaft oder die Gerichte im Rahmen der Finanzmarktaufsicht entgegen.
Im Gegensatz zur Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes in seinem Antrag an den Verfassungsgerichtshof könne ein unionsrechtskonformer Zustand durch das Unangewendet-sein-Lassen des Art 91 B-VG erreicht werden; ein Tätigwerden des Verfassungsgesetzgebers sei nicht erforderlich.
Ferner habe sich die Rechtslage seit der Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 grundlegend geändert, weshalb die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Abgrenzung des Verwaltungsstrafrechts vom gerichtlichen Strafrecht vor dem Hintergrund des Art 91 B-VG nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Die neu geschaffenen Verwaltungsgerichte erster Instanz entsprächen der Garantie des Art 6 EMRK und gewährleisteten – unter anderem durch die ihnen verbürgte richterliche Unabhängigkeit, die Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache und die Stellung der belangten Behörde – einen der ordentlichen Gerichtsbarkeit vergleichbaren Rechtsschutz.
Darüber hinaus sei zu bemerken, dass die von den Sekundärrechtsakten vorgegebene Sanktionshöhe erforderlich sei, um eine präventive Wirkung zu erzeugen, würden feste Strafobergrenzen von umsatzstarken Unternehmen doch kaum als Abschreckung wahrgenommen. Insbesondere im Bereich der Finanzmarktaufsicht sei es demnach gerechtfertigt, Strafen in Höhe von bis zu 10 Prozent des jährlichen Gesamtnettoumsatzes und eine Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen vorzusehen.
Schließlich sei auch der grundsätzliche Unterschied zwischen Verwaltungssanktionen und gerichtlichen Strafen zu beachten und könne auf die Rechtslage in Portugal verwiesen werden, wo das Verfassungsgericht wiederholt keine Bedenken gegen die Verhängung hoher Geldstrafen im Bereich der Finanzmarktaufsicht erkannt habe.
1.5.Das im verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligte Kreditinstitut erstattete eine Äußerung, in der es dem Vorbringen des Bundesverwaltungsgerichtes beitrat.
2.G412/2016
2.1.Beim Bundesverwaltungsgericht ist ein Verfahren anhängig, welches die Beschwerde eines Kreditinstituts gegen ein Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom zum Gegenstand hat. Mit diesem Straferkenntnis hatte die Finanzmarktaufsichtsbehörde über das Kreditinstitut wegen Übertretung des § 98 Abs 5a Z 3 BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, im Zeitraum von bis gemäß § 99d BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, eine Geldstrafe in Höhe von € 209.000,– verhängt. Der pro Übertretung höchstmögliche Strafrahmen war von der Finanzmarktaufsichtsbehörde in Bezug auf das Kreditinstitut mit € 6.991.479,06 errechnet worden.
Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G412/2016 protokollierten Antrag auf Aufhebung des § 99d BWG, in eventu näher bezeichneter Teile dieser Bestimmung.
2.2.Der Antrag und die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken entsprechen im Wesentlichen Antrag und Bedenken, wie sie im zu G408/2016 protokollierten Antrag dargelegt wurden.
2.3.Die Bundesregierung erstattete dieselbe Äußerung wie in dem zu G408/2016 protokollierten Verfahren.
2.4.Die Finanzmarktaufsichtsbehörde erstattete dieselbe Äußerung wie in dem zu G408/2016 protokollierten Verfahren.
2.5.Das im verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligte Kreditinstitut erstattete eine Äußerung, in der es sich den Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes anschließt.
3.G2/2017
3.1.Beim Bundesverwaltungsgericht ist ein Verfahren anhängig, welches die Beschwerde eines Kreditinstituts gegen ein Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom zum Gegenstand hat. Mit diesem Straferkenntnis hatte die Finanzmarktaufsichtsbehörde über das Kreditinstitut wegen Übertretung des § 98 Abs 2 Z 11 BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, gemäß § 99d BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, eine Geldstrafe in Höhe von drei Mal € 3.000,– verhängt. Der pro Übertretung höchstmögliche Strafrahmen war von der Finanzmarktaufsichtsbehörde in Bezug auf das Kreditinstitut mit € 4.017.980,098 errechnet worden.
Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G2/2017 protokollierten Antrag auf Aufhebung des § 99d BWG, in eventu näher bezeichneter Teile dieser Bestimmung.
3.2.Der Antrag und die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken entsprechen im Wesentlichen Antrag und Bedenken, wie sie im zu G408/2016 protokollierten Antrag dargelegt wurden.
3.3.Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie auf ihr Vorbringen in den – der Äußerung beigefügten – Stellungnahmen zu den zu G408/2016 und G412/2016 protokollierten Verfahren verwies.
4.G21/2017
4.1.Beim Bundesverwaltungsgericht ist ein Verfahren anhängig, welches die Beschwerde eines Kreditinstituts gegen ein Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom zum Gegenstand hat. Mit diesem Straferkenntnis hatte die Finanzmarktaufsichtsbehörde über das Kreditinstitut wegen Übertretungen des § 98 Abs 2 Z 11 BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, gemäß § 99d BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, eine Geldstrafe in Höhe von jeweils € 9.000,– verhängt. Der pro Übertretung höchstmögliche Strafrahmen war von der Finanzmarktaufsichtsbehörde in Bezug auf das Kreditinstitut mit € 4.017.980,098 errechnet worden.
Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G21/2017 protokollierten Antrag auf Aufhebung des § 99d BWG, in eventu näher bezeichneter Teile dieser Bestimmung.
4.2.Der Antrag und die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken entsprechen im Wesentlichen Antrag und Bedenken, wie sie im zu G408/2016 protokollierten Antrag dargelegt wurden.
4.3.Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie auf ihr Vorbringen in den – der Äußerung beigefügten – Stellungnahmen zu den zu G408/2016 und G412/2016 protokollierten Verfahren verwies.
5.G54/2017
5.1.Beim Bundesverwaltungsgericht ist ein Verfahren anhängig, welches die Beschwerde eines Kreditinstituts gegen ein Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom zum Gegenstand hat. Mit diesem Straferkenntnis hatte die Finanzmarktaufsichtsbehörde über das Kreditinstitut wegen Übertretung des § 98 Abs 2 Z 11 BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, gemäß § 99d BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, eine Geldstrafe in Höhe von jeweils € 27.000,– verhängt. Der pro Übertretung höchstmögliche Strafrahmen war von der Finanzmarktaufsichtsbehörde in Bezug auf das Kreditinstitut mit € 3.135.494,83 errechnet worden.
Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G54/2017 protokollierten Antrag auf Aufhebung des § 99d BWG, in eventu näher bezeichneter Teile dieser Bestimmung.
5.2.Der Antrag und die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken entsprechen im Wesentlichen Antrag und Bedenken, wie sie im zu G408/2016 protokollierten Antrag dargelegt wurden.
5.3.Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie auf ihr Vorbringen in den – der Äußerung beigefügten – Stellungnahmen zu den zu G408/2016 und G412/2016 protokollierten Verfahren verwies.
6.Am fand eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher insbesondere die Folgerungen aus der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts vor dem Hintergrund des Art 91 B-VG und die Implikationen des Unionsrechts erörtert wurden.
IV.Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung des § 187 und § 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1.Zur Zulässigkeit der Anträge
1.1.Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2.Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl. VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; ). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; ).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach § 62 Abs 1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN ua.; vgl. auch ; , G103-104/2016 ua.). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; ua.).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; ; , G183/2016 ua.).
Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. zB VfSlg 19.939/2014; ), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.
1.3.Die Bundesregierung erklärte in ihrer Äußerung, keine Anhaltspunkte zu erkennen, die gegen die Zulässigkeit der Anträge und die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen (bzw. gegen den untrennbaren Zusammenhang dieser Bestimmungen) sprächen.
1.4.Da die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde ihre Straferkenntnisse jeweils auf § 99d Abs 1 und 2 (iVm § 98 Abs 2 Z 11 bzw. § 98 Abs 5a) BWG stützte und die Strafbemessung anhand der Vorgaben der Absätze 3 und 4 leg.cit. vornahm, hat das Bundesverwaltungsgericht diese Bestimmungen bei der Prüfung der Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Straferkenntnisse jedenfalls anzuwenden. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass § 99d Abs 5 BWG offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bildet.
1.5.Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die (Haupt-)Anträge des Bundesverwaltungsgerichtes auf Aufhebung des § 99d BWG zur Gänze insgesamt als zulässig. Aus diesem Grund erübrigt es sich, auf die Eventualanträge einzugehen.
2.In der Sache
Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Die Anträge sind nicht begründet.
2.1.Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinen Anträgen zusammengefasst aus, § 99d BWG verstoße gegen Art 91 B-VG, weil der von § 99d BWG festgelegte Strafrahmen in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit reiche. Die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz und die damit bewirkte Verbesserung des Rechtschutzes könnten nicht dazu führen, dass die Garantien, welche das Verfassungsrecht für das Strafrecht im materiellen Sinn vorsehe, erloschen wären. Ebenso wenig ändere der unionsrechtliche Hintergrund der angefochtenen Bestimmung etwas an deren Verfassungswidrigkeit, zumal die maßgeblichen Richtlinienbestimmungen nicht unmittelbar anwendbar seien, diese dem nationalen Gesetzgeber einen Spielraum dahingehend beließen, die Zuständigkeit der Strafgerichte vorzusehen, und Art 94 B-VG die Einrichtung eines Instanzenzuges von Verwaltungsbehörden an die ordentlichen Gerichte erlaube. Schließlich seien die in § 99d BWG vorgesehenen Sanktionen auch nicht mit den Geldbußen im Bereich des Wettbewerbsrechts zu vergleichen, die vom Obersten Gerichtshof als "zivilrechtliche Strafen" angesehen würden.
2.2.Die Bundesregierung und die Finanzmarktaufsichtsbehörde halten diesen Bedenken in ihren Stellungnahmen entgegen, dass eine Betrauung der ordentlichen Gerichte mit der Sanktionsbefugnis den unionsrechtlichen Vorgaben, deren Umsetzung § 99d BWG diene, widerspräche und (nur) durch die Nichtanwendung des Art 91 B-VG ein unionsrechtskonformes Ergebnis erzielt werden könne. Das Unionsrecht ziele nämlich darauf ab, einen unionsweit harmonisierten Rechtsrahmen für Verwaltungssanktionen zu schaffen, der auch Mindestvorgaben für die Höhe der Verwaltungsstrafen beinhalte. Einer Einbindung der ordentlichen (Straf-)Gerichte in diesen Rechtsrahmen stünden sowohl das maßgebliche Sekundärrecht als auch der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts entgegen. Überdies sei die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art 91 B-VG nicht auf die Rechtslage nach der Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz übertragbar. Durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sei eine gerichtliche Instanz im Bereich der Verwaltung geschaffen worden, die den (ordentlichen) Strafgerichten verfassungsrechtlich gleichgestellt sei. Dabei dürften auch die Sonderverfahrensbestimmungen im Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechts, wie etwa die Senatszuständigkeit bei einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, nicht außer Acht gelassen werden.
2.3.§99d BWG regelt die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen für Verstöße gegen näher bezeichnete Bestimmungen des Bankwesengesetzes. Diese Verantwortlichkeit kann entweder darin begründet sein, dass Personen, die alleine oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt haben und eine Führungsrolle innerhalb der juristischen Person innehaben, gegen die genannten Verpflichtungen verstoßen (§99d Abs 1 BWG), oder darin, dass eine mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch diese Personen die Begehung derartiger Verstöße durch eine für die juristische Person tätige Person ermöglicht hat (§99d Abs 2 BWG); jeweils ist dafür vorausgesetzt, dass die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Als Sanktion sieht § 99d Abs 3 BWG die Verhängung von Geldstrafen gegen die juristische Person vor und zwar in der Höhe von bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt. § 99d Abs 4 BWG enthält damit zusammenhängend nähere Bestimmungen zur Berechnung des jährlichen Gesamtnettoumsatzes. Sofern gegen die juristische Person in Anwendung des § 99d BWG eine Geldstrafe verhängt wurde, ermöglicht § 99d Abs 5 BWG der Finanzmarktaufsichtsbehörde, von der Bestrafung eines Verantwortlichen gemäß § 9 VStG (für denselben Verstoß) abzusehen, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die einem Absehen von der Bestrafung entgegenstehen.
Als Übertretungen, welche die Verfügung einer Geldbuße gemäß § 99d BWG zur Folge haben können, nennen § 99d Abs 1 und 2 BWG unter anderem die in den Anlassfällen präjudiziellen Bestimmungen des § 98 Abs 2 Z 11 (Verletzung von Anzeige-, Vorlage- und Übermittlungspflichten gemäß § 37 Abs 4 und 4a sowie § 44 Abs 1 bis 6 BWG bzw. einer Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde gemäß § 21a BWG) und § 98 Abs 5a BWG (Verletzung von Anzeige-, Offenlegungs- oder Meldepflichten, zum Teil in Zusammenhang mit der Verordnung [EU] Nr 575/2013).
2.4.Der Verfassungsgerichtshof setzte sich erstmals in seinem Erkenntnis VfSlg 12.151/1989 mit der Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts auseinander. Dabei erwog der Verfassungsgerichtshof, dass den Vorgaben des Art 91 B-VG die Vorstellung eines (auch) nach den Strafdrohungen klassifizierbaren strafrechtlichen Systems zugrunde liege und auch der unterhalb der (Geschworenen- und) Schöffengerichtsbarkeit liegende Teil der Strafgerichtsbarkeit einen für diesen typischen Kernbereich strafbarer Handlungen enthalte. In diesem Sinn sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet, mit der Ahndung von als besonders sozialschädlich bewerteten und demgemäß mit schwerwiegender Strafe bedrohten Handlungen die Organe der Strafgerichtsbarkeit zu betrauen. Eine strafbare Handlung sei diesem Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit jedenfalls dann zuzuordnen, wenn die angedrohte Strafe – vor dem Hintergrund des in der Strafrechtsordnung enthaltenen, unterhalb der Grenze zur Schöffengerichtsbarkeit liegenden Systems von Strafen unterschiedlicher Höhe – als für den Bestraften besonders empfindlich einzustufen ist. Gemessen an diesen Kriterien könnten auch Verfahren über die Verhängung von Geldstrafen in die (Kern-)Zuständigkeit der Strafgerichtsbarkeit fallen.
Diese Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof in weiterer Folge mehrfach bestätigt (VfSlg 12.282/1990, 12.389/1990, 12.471/1990, 12.546/1990, 12.547/1990, 12.920/1991, 13.790/1994, 14.361/1995, 14.973/1997, 15.772/2000, 19.960/2015).
2.5.Der Verfassungsgerichtshof geht weiterhin davon aus, dass die Ahndung bestimmter Straftaten gemäß Art 91 Abs 2 und 3 B-VG der Zuständigkeit der Schöffen- und Geschworenengerichte vorbehalten ist (gemäß Art 91 Abs 2 B-VG entscheiden Geschworene "[b]ei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen"; gemäß Art 91 Abs 3 B-VG entscheiden Schöffengerichte in Strafverfahren "wegen anderer strafbarer Handlungen […], wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet."). Im Übrigen hält aber der Verfassungsgerichtshof seine auf Art 91 B-VG gestützte Rechtsprechung zur Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts (unterhalb der Schöffen- und Geschworenengerichtsbarkeit) mit dem bisherigen Inhalt nicht aufrecht:
Die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gründet sich – wie insbesondere aus dem Erkenntnis VfSlg 12.151/1989 hervorgeht – auf eine verfassungsrechtlich vorgegebene Organisationsstruktur der Strafgerichtsbarkeit (vgl. Art 92 Abs 1, Art 140 Abs 1 Z 1 litd, Art 90a B-VG, § 8 Abs 5 litd ÜG 1920) und die in Art 91 Abs 2 und 3 B-VG zum Ausdruck kommende Abgrenzung nach der Strenge der strafrechtlichen Sanktion. Aus diesen Vorgaben leitete der Verfassungsgerichtshof ab, "daß die Zuweisung eines durchaus erheblichen Teilbereichs der Strafsachen an die Strafgerichtsbarkeit von Verfassungs wegen vorausgesetzt wird". Die Grenze zwischen dem Bereich des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts zog der Verfassungsgerichtshof im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber in der angedrohten Strafe die Sozialschädlichkeit des verbotenen Verhaltens zum Ausdruck bringt, an deren Ausmaß (vgl. zur Maßgeblichkeit der Strafdrohung für die Bewertung der Sozialschädlichkeit des verbotenen Verhaltens insbesondere VfSlg 19.960/2015). Vor dem Hintergrund der Organisationsstruktur des gerichtlichen Strafrechts und der Entscheidung im gerichtlichen Strafrecht durch einen Richter anstelle des Vollzugs des Verwaltungsstrafrechts durch Verwaltungsbehörden unter eingeschränkter nachprüfender Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof lag dieser Rechtsprechung gleichzeitig auch ein Rechtsschutzgedanke zugrunde.
Wie die Anlassfälle vor dem antragstellenden Bundesverwaltungsgericht zeigen, wird die durch diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art 91 B-VG vorgenommene Grenzziehung zwischen dem gerichtlichen Strafrecht und dem Verwaltungsstrafrecht der Vielfalt an möglichen Sachverhalten nicht (mehr) gerecht: Zum Ersten überzeugt nicht, dass die Zuständigkeitsabgrenzung ausschließlich nach dem Kriterium der Strafdrohung zu erfolgen hat; dies gilt sowohl innerhalb der Strafgerichtsbarkeit als auch für die Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts (vgl. Burgstaller, Art 91 Abs 2 und 3 B-VG, in Korinek/Holoubek ua. [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 43). Zum Zweiten lässt das alleinige Abstellen auf die durch den Gesetzgeber für die jeweilige Straftat normierte Obergrenze der angedrohten Geldstrafe für die Zuordnung zu einem der beiden Vollzugsbereiche die unterschiedliche Funktion der Geldstrafe im gerichtlichen und im Verwaltungsstrafrecht sowie die mit ihrer Verhängung jeweils einhergehenden Folgen außer Acht. Zum Dritten kann die schematische Orientierung an der für die Straftat vorgesehenen Obergrenze der angedrohten Geldstrafe für die Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts nicht die Unterschiede zwischen juristischen und natürlichen sowie zwischen vermögenden und weniger vermögenden Personen erfassen und damit letztlich nur ein unzureichendes Urteil über die "Schwere" einer Strafe bieten. Zum Vierten werden in der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die vom Gesetzgeber mit der Zuordnung verbundenen rechtspolitischen Zielsetzungen – allen voran jene der Stigmatisierung und der Entkriminalisierung – nicht zureichend berücksichtigt. Dadurch erweist sich die Höhe der angedrohten Sanktion im Ergebnis als kein taugliches Mittel für die Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts (vgl. auch Miklau, Ist die Höhe der Strafdrohung ein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen dem Justiz- und dem Verwaltungsstrafrecht?, ÖJZ 1991, 361).
2.6.Im Übrigen hat das Rechtsschutzgefüge der Bundesverfassung durch die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit der Novelle BGBl I 51/2012 insgesamt eine tiefgreifende Veränderung erfahren (vgl. zur Kritik an der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vor dem Hintergrund der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz auch Burgstaller, Art 91 Abs 2 und 3 B-VG, in Korinek/Holoubek ua. [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 42 ff.):
Mit dieser Novelle schuf der (Verfassungs-)Gesetzgeber Verwaltungsgerichte erster Instanz, deren Mitglieder gemäß Art 134 Abs 7 B-VG Richter sind. Diese Richter der Verwaltungsgerichte erste Instanz genießen – ebenso wie die Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit – die richterlichen Garantien des Art 87 Abs 1 und 2 bzw. Art 88 Abs 1 und 2 B-VG (Art134 Abs 7 B-VG; vgl. auch die Entschließungen zum AB 1771 BlgNR, XXIV. GP, in denen unter anderem ein einheitliches Richterbild gefordert wird; weiters VfSlg 19.825/2013).
Durch die Einräumung der richterlichen Garantien unterscheiden sich die neu geschaffenen Verwaltungsgerichte erster Instanz grundsätzlich von den zuvor bestehenden Rechtsschutzeinrichtungen in Gestalt der Unabhängigen Verwaltungssenate: Letztere waren zum einen nur mit bestimmten, nicht aber mit den vollen richterlichen Unabhängigkeitsgarantien ausgestattete Berufungsbehörden (vgl. insbesondere die bloß mit einer Mindestvorgabe festgelegte Bestellungsdauer gemäß Art 129b Abs 1 B-VG; darüber hinausgehende Gewährleistungen waren nur durch einfaches Gesetz vorgesehen), zum anderen waren sie nicht der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit, sondern jener der Verwaltung zuzuordnen (AB 817 BlgNR, XVII. GP, 4 f.).
2.7. Der Verfassungsgerichtshof gelangt damit zur Auffassung, dass seine bisherige Judikatur zur Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts vor dem Hintergrund des Art 91 B-VG mit dem bisherigen Inhalt nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Dies bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber künftig gänzlich frei darin wäre, welchem Organ er die Zuständigkeit zur Verhängung von Strafen überträgt. Verfassungsrechtliche Grenzen, welche in diesem Zusammenhang beachtet werden müssen, ergeben sich auch weiterhin insbesondere aus den spezifischen Zuständigkeiten der Schöffen- und Geschworenengerichte gemäß Art 91 Abs 2 und 3 B-VG, aus dem Bundesverfassungsgesetz vom über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988, sowie aus dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot, welches exzessiven Strafdrohungen entgegensteht (ua. VfSlg 19.960/2015).
2.8. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Gesetzgeber durch Art 91 B-VG nicht verpflichtet ist, Verfahren über die Verhängung der in § 99d BWG angedrohten Geldstrafen angesichts deren spezifischer Funktion im gerichtlichen Strafrecht und im Verwaltungsstrafrecht in die Zuständigkeit der ordentlichen (Straf-)Gerichte zu übertragen. Damit ist den verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes der Boden entzogen.
V.Ergebnis
Die ob der Verfassungsmäßigkeit des § 99d BWG erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Die Anträge sind daher abzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2017:G408.2016 |
Schlagworte: | Bankwesen, Strafrecht, Verwaltungsstrafrecht, Strafgerichtsbarkeit (Kernbereich), Gerichtsbarkeit Trennung von der Verwaltung, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Rechtsschutz, VfGH / Präjudizialität |
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