VfGH vom 30.09.2010, g29/10
Sammlungsnummer
19184
Leitsatz
Aufhebung der im EStG 1988 normierten Steuerbefreiung von Einkünften für bestimmte Auslandstätigkeiten, zb Montage von Anlagen; Unsachlichkeit der Regelung im unionsrechtlich gebotenen erweiterten Anwendungsbereich auch auf Löhne von bei ausländischen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmern
Spruch
1. § 3 Abs 1 Z 10 des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der Stammfassung wird als verfassungswidrig aufgehoben.
2. § 3 Abs 1 Z 10 des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2005 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
3. Die Aufhebung des § 3 Abs 1 Z 10 des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2005 tritt mit Ablauf des in Kraft.
4. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
5. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit auf Art 140 Abs 1 B-VG gestützten Anträgen begehrt der
Verwaltungsgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof möge § 3 Abs 1 Z 10 des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. 400, in der Stammfassung (zu G29/10, G32/10, G33/10 und G49/10 protokolliert) bzw. idF BGBl. I 161/2005 (zu G30/10, G31/10, G50/10 und G51/10 protokolliert) als verfassungswidrig aufheben.
2. § 3 Abs 1 EStG 1988 enthält sachliche Steuerbefreiungen. Die vom Verwaltungsgerichtshof angefochtene Z 10 sieht in ihrer Stammfassung eine Befreiung für folgende Einkünfte vor:
"Einkünfte, die Arbeitnehmer inländischer Betriebe (lita) für eine begünstigte Auslandstätigkeit (litb) von ihren Arbeitgebern beziehen, wenn die Auslandstätigkeit jeweils ununterbrochen über den Zeitraum von einem Monat hinausgeht.
a) Inländische Betriebe sind Betriebe von inländischen Arbeitgebern oder inländische Betriebsstätten von im Ausland ansässigen Arbeitgebern.
b) Begünstigte Auslandstätigkeiten sind die Bauausführung, Montage, Montageüberwachung, Inbetriebnahme, Instandsetzung und Wartung von Anlagen, die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere Unternehmungen sowie die Planung, Beratung und Schulung, soweit sich alle diese Tätigkeiten auf die Errichtung von Anlagen im Ausland beziehen, weiters das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen im Ausland."
Mit BGBl. I 161/2005 wurde die litb dieser Bestimmung neu gefasst:
"b) Begünstigte Auslandstätigkeiten sind die Bauausführung, Montage, Montageüberwachung, Inbetriebnahme, Instandsetzung und Wartung von Anlagen, die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere inländische Betriebe sowie die Planung, Beratung und Schulung, soweit sich alle diese Tätigkeiten auf die Errichtung von Anlagen im Ausland beziehen, weiters das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen im Ausland."
Gemäß § 124b Z 128 EStG 1988 ist § 3 Abs 1 Z 10 leg.cit. idF BGBl. I 161/2005 erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2006 oder für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden, anzuwenden.
Die Novellierung des Gesetzestextes sollte sicherstellen, dass die Steuerfreiheit für gestellte Arbeitskräfte im Sinne der der bisherigen Verwaltungspraxis zugrunde liegenden, jedoch vom Verwaltungsgerichtshof (vgl. ) nicht geteilten Rechtsansicht weiterhin nur dann zusteht, wenn die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere inländische Betriebe erfolgt (vgl. RV 1187 BlgNR 22. GP).
3. Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zahlen 2006/15/0180 (G29/10), 2008/15/0184 (G30/10), 2008/15/0295 (G31/10), 2008/15/0151 (G32/10), 2008/15/0219 (G33/10) und 2008/15/0133 (G49/10) Beschwerden gegen Bescheide des Unabhängigen Finanzsenates betreffend Einkommensteuer, zur Zahl 2009/15/0117 (G50/10) eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates betreffend Kommunalsteuer und zur Zahl 2010/15/0045 (G51/10) eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag anhängig.
Diesen Beschwerden liegt jeweils folgender Sachverhalt zugrunde: Der in Österreich ansässige Dienstnehmer stand in einem Dienstverhältnis zu einem deutschen oder Schweizer Unternehmen, von dem er für eine in litb des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 genannte Tätigkeit (Montage, Anlagenerrichtung bzw. Personalgestellung) ins Ausland bzw. zu einer Baustelle innerhalb des Landes entsendet wurde. Die Beschwerden betrafen sowohl Zeiträume vor (G29/10, G32/10, G33/10 und G49/10) als auch nach (G30/10, G31/10, G50/10 und G51/10) In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. I 161/2005.
4. Seine Anträge begründet der antragstellende Gerichtshof wie folgt:
Der Verwaltungsgerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die von ihm angefochtene Vorschrift inhaltlich § 3 Z 14a EStG 1972 entspreche und durch BGBl. 550/1979 in dieses Gesetz eingefügt worden sei. Er zitiert in der Folge die einschlägigen Erläuterungen zur RV 113 BlgNR 15. GP:
"Da sich auf dem Sektor des Anlagenbaues im Ausland die Konkurrenzverhältnisse zunehmend verschärfen, wirkt sich die derzeitige steuerliche Behandlung der Arbeitslöhne von ins Ausland
entsendeten Arbeitnehmern im Vergleich mit anderen Ländern ... für
österreichische Unternehmen wettbewerbsnachteilig aus. Die vorliegende Novelle sieht daher eine Steuerbefreiung für alle Fälle einer Auslandstätigkeit von inländischen Arbeitnehmern vor, die mit der Errichtung von Anlagen im Ausland im Zusammenhang steht."
Die in Rede stehende Befreiungsbestimmung erfasse ihrem Wortlaut nach nur "inländische Betriebe". Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH verböten die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer jedoch alle Maßnahmen, die Unionsbürger in der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit im Unionsgebiet benachteiligen könnten. Innerhalb der Gruppe der in Österreich steuerpflichtigen Arbeitnehmer stelle die Beschränkung der Steuerbefreiung für begünstigte Auslandstätigkeiten auf Arbeitnehmer inländischer Betriebe im Lichte der Rechtsprechung des EuGH eine Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern dar, die die gleiche Tätigkeit ausüben, aber bei ausländischen Betrieben beschäftigt sind, die durchaus geeignet sei, einen bei einem inländischen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer davon abzuhalten, sein Herkunftsland zu verlassen und dieselbe Tätigkeit bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Betrieb auszuüben. Der Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 stehe daher, soweit darin das Vorliegen eines inländischen Betriebs verlangt wird, die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art 39 EGV (Art45 AEUV) entgegen. Die Verdrängungswirkung des Gemeinschaftsrechts (Unionsrechts) habe zur Folge, dass die nationale Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibe, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) steht.
Soweit der Sachverhalt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle, sei die Befreiungsbestimmung nach dem Gesagten auch auf Betriebe in Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. Damit werde aber das in den Erläuterungen als Begründung für die Regelung angeführte Ziel der Steuerbefreiung, die Förderung der österreichischen Exportwirtschaft, in einem bedeutsamen Teil der Anwendungsfälle nicht mehr erreicht.
Der Gesetzgeber bezwecke mit dem EStG die Besteuerung nach der am (Markt)Einkommen bemessenen Leistungsfähigkeit. Die konkrete Ausgestaltung der Besteuerung einschließlich der entlastenden Regelungen (Steuerbefreiungen) müsse dem Sachlichkeitsgebot des Art 7 Abs 1 B-VG entsprechen. Vergleiche man einen österreichischen Arbeitnehmer, der von der österreichischen Arbeitsstätte (zB in Wien) aus auf eine österreichische Baustelle (zB in Bregenz) entsendet wird, mit einem anderen österreichischen Arbeitnehmer, der von derselben österreichischen Arbeitsstätte aus auf eine ausländische Baustelle (zB in Bratislava) entsendet wird, liege die Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung (Steuerpflicht im erstgenannten Fall, Steuerbefreiung im zweiten Fall) nicht auf der Hand. Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer bestünden nicht.
Der Gesetzgeber begründe die Differenzierung mit Gründen der Exportförderung. Betrachte man die unmittelbar vom Normtext erfassten Fälle, möge diese wirtschaftspolitische Überlegung ein Rechtfertigungsgrund sein (der Verwaltungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf den hg. Beschluss vom , B987/05). Allerdings erfahre der Anwendungsbereich des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 in den Fällen, die in den Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit fallen, eine Ausweitung. Erfasst seien damit auch die in ausländischen Arbeitsstätten beschäftigten Grenzgänger aus Österreich, wenn sie an irgendeinen anderen ausländischen Ort entsendet würden. Im Hinblick auf die nicht unbeträchtlich große Zahl solcher Fälle erscheine der Rechtfertigungsgrund der "Exportförderung" nicht mehr hinzureichen. Der im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit modifizierte Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 10 leg.cit. sei nicht mehr auf inländische Betriebe eingeschränkt, sondern erfasse jedenfalls auch Betriebe in der Europäischen Union und der Schweiz.
§ 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 erfordere weiters eine "Auslandstätigkeit". Einer Auslegung, wonach dieses Tatbestandsmerkmal im Sinne einer Mindestentfernung der Entsendung zu verstehen ist, könne der Zweck der Regelung (Exportförderung) entgegenstehen. So unterscheide sich die Entsendung von dem in Wien gelegenen Arbeitsort nach Bratislava aus der Sicht der Exportförderung nicht von einer Entsendung auf relevante geografische Distanzen. Werde aber dem Tatbestandsmerkmal der Auslandsentsendung nicht eine besondere Art der Beschwerlichkeit in Form einer Mindestentfernung beigemessen, erweise sich die Regelung bei ihrer Anwendung auf Arbeitnehmer ausländischer Betriebe (in den Anwendungsfällen der Arbeitnehmerfreizügigkeit) als in besonderem Ausmaß willkürlich, weil jeder Aufenthalt außerhalb der ohnedies schon im Ausland befindlichen gewöhnlichen Arbeitsstätte als Auslandstätigkeit angesehen werden könne, die - wenn begünstigte Tätigkeiten im Verständnis des § 3 Abs 1 Z 10 litb EStG 1988 erbracht würden - steuerfrei sei.
Wörtlich fährt der Verwaltungsgerichtshof fort:
"Wird der Rechtfertigungsgrund der Exportförderung in einer Vielzahl von Fällen nicht mehr erreicht, verliert auch die Beschränkung auf bestimmte im Einzelnen aufgezählte Auslandstätigkeiten (im wesentlichen im Bereich des Anlagenbaus) ihre sachliche Rechtfertigung. Kann die Steuerbefreiung nicht mehr hinreichend mit der Förderung der österreichischen Exportwirtschaft begründet werden, besteht auch aus der Sicht des Arbeitgebers keine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung. Es ist kein Grund ersichtlich, Arbeitgeber, die ihre Arbeitnehmer zu anderen als den in der litc leg. cit. [gemeint wohl litb] angeführten Tätigkeiten ins Ausland entsenden, von der Steuerbefreiung auszuschließen. Die Regelung bewirkt damit auch eine willkürliche Differenzierung zwischen vergleichbaren Gruppen von Arbeitgebern, schlägt doch die Steuerfreiheit des Arbeitslohnes auch als Vorteil auf den Arbeitgeber durch (vgl. § 5 Abs 2 litc KommStG 1993,§ 41 Abs 4 litc FLAG 1967).
Die Wurzel der sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung ist die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs 1 Z. 10 EStG 1988. Daran ändert nichts, dass erst die auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit gestützte Ausweitung des Anwendungsbereichs der Regelung, und somit Gemeinschaftsrecht/Unionsrecht, die Untauglichkeit des Rechtfertigungsgrundes der Exportförderung offen legt. Nicht das Gemeinschaftsrecht ist in der Lage, die unsachliche Differenzierung zu beseitigen, sondern ausschließlich die Aufhebung der Regelung des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 durch den Verfassungsgerichtshof."
Abschließend weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass eine Einschränkung des Aufhebungsantrages auf die in den Beschwerdefällen betroffenen Tätigkeiten (Montage, Anlagenerrichtung bzw. Personalgestellung) zu weiteren nicht zu rechtfertigenden Differenzierungen führen würde, weshalb die gänzliche Aufhebung der Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 beantragt werde.
5. Die Bundesregierung hat mitgeteilt, von einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außer-Kraft-Treten eine Frist bis zum Ablauf des bestimmen, um ein unterjähriges Außer-Kraft-Treten eines Befreiungstatbestandes zu vermeiden und eine einfachere steuerliche Administrierbarkeit sicherzustellen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Die Anträge sind zulässig.
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung ein antragstellendes Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Es ist im Hinblick auf die vom Verwaltungsgerichtshof dargelegten unionsrechtlichen Überlegungen jedenfalls denkmöglich, dass er § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 jeweils in der angefochtenen Fassung in den den Anträgen zugrunde liegenden Verfahren anzuwenden hat.
Der Verfassungsgerichtshof teilt weiters die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung, dass der Aufhebungsantrag die gesamte Z 10 des § 3 Abs 1 EStG 1988 zu umfassen hat, weil eine Eingrenzung des Aufhebungsumfanges auf die in den Anlassfällen ausgeübten Tätigkeiten weitere - unsachliche - Differenzierungen zur Folge hätte.
Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.
2. Die Anträge sind auch begründet.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst fest, dass er sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003) und sohin ausschließlich zu beurteilen hat, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die vom antragstellenden Gerichtshof vertretene Prämisse, dass Befreiungsbestimmungen von der Art des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 als Ausnahmen von der sachlichen Steuerpflicht eines ansonsten zu versteuernden Einkommens verfassungsrechtlich nur dann unbedenklich sind, wenn ihnen eine sachliche Rechtfertigung zugrunde liegt. Hiebei ist dem Gesetzgeber allerdings ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Aus den vom antragstellenden Gerichtshof zitierten Materialien (RV 113 BlgNR 15. GP) ergibt sich, dass die in Rede stehende Befreiungsvorschrift seinerzeit (im Jahr 1979) in das EStG eingefügt wurde, um durch die Steuerbefreiung der Arbeitslöhne von ins Ausland entsendeten Arbeitnehmern Wettbewerbsnachteile für österreichische Unternehmer speziell auf dem Gebiet des Anlagenbaus auszugleichen. Dabei bleibt allerdings offen, in welcher Weise die Steuerbefreiung diesem Anliegen dienen soll. Zu denken ist einerseits daran, dass die Steuerentlastung es den Arbeitgebern ermöglicht, für Auslandstätigkeiten bei gleich bleibendem Nettolohnniveau geringere Bruttolöhne zu zahlen und auf diese Weise im internationalen Wettbewerb günstiger anbieten zu können. Andererseits könnte die Befreiung auch dazu führen, dass es wegen des attraktiveren Nettolohnes leichter fällt, qualifizierte Arbeitskräfte für beschwerliche Auslandstätigkeiten zu finden. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende Einkommensteuerbefreiung der Arbeitnehmer auf lohnabhängige Abgaben durchschlägt, daher die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber senkt und auf diese Weise ihre Wettbewerbsfähigkeit steigert.
Der Verfassungsgerichtshof hat in dem auch vom antragstellenden Gerichtshof zitierten Beschluss vom , B987/05, die Behandlung der damaligen, ebenfalls die Anwendung des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 betreffenden Beschwerde mit der Begründung abgelehnt, dass es dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht freistehe, eine zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft eingeführte steuerliche Begünstigung für den Anlagenbau im Ausland auf inländische Unternehmer bzw. inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmer und deren Arbeitnehmer zu beschränken.
Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gehen nunmehr in die Richtung, dass sich durch die unmittelbare Anwendbarkeit von Unionsrecht der Inhalt der Befreiungsvorschrift verändert habe, die Beschränkung der Befreiung auf Arbeitnehmer inländischer Arbeitgeber nicht mehr gegeben sei und die Vorschrift - im unionsrechtlich erweiterten Anwendungsbereich - daher ihre sachliche Rechtfertigung verloren habe.
Damit ist der Verwaltungsgerichtshof letztlich im Recht. Im Lichte der Grundfreiheiten des Unionsrechts (vgl. zum Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer u.a. , Kraus, Slg. 1993, I-1663; , Bosman, Slg. 1995, I-4921, Rz 93 ff., mwN) muss § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 entgegen dem Wortlaut so gelesen werden, dass die Steuerfreiheit für begünstigte Auslandstätigkeiten auch Arbeitnehmern zusteht, die nicht bei einem inländischen Betrieb, sondern bei einem Betrieb im übrigen Unionsgebiet, im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums oder - aufgrund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizer Eidgenossenschaft andererseits (Freizügigkeitsabkommen) - in der Schweiz beschäftigt sind, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Z 10 leg.cit. erfüllt sind (so auch die Rechtsmeinung des UFS unter Hinweis auf die Judikatur des EuGH: vgl. zB RV/0016-F/04; RV/0028-F/06; ; RV/0252-F/05; RV/0360-F/07; siehe dazu auch zB Bodis, RdW 2007, 692; Puchinger, FJ 2008, 107; Laudacher in Jakom, Einkommensteuergesetz³ [2010] § 3, Rz 37; Mooshammer, taxlex 2010, 265). Damit erstreckt sich die Befreiung - ungeachtet des engeren Wortlautes - offenbar auch auf die Arbeitslöhne von Arbeitnehmern, die zwar weiterhin im Inland ansässig und daher grundsätzlich unbeschränkt steuerpflichtig sind, aber bei ausländischen Arbeitgebern arbeiten und von diesen für eine Auslandstätigkeit eingesetzt werden. Gleiches gilt für Grenzgänger, die etwa bei einem deutschen Arbeitgeber in Grenznähe arbeiten und von diesem für eine begünstigte Tätigkeit in Deutschland außerhalb des normalen Einsatzortes eingesetzt werden.
Dem Verwaltungsgerichtshof ist beizupflichten, dass die seinerzeit von den Materialien angeführte Begründung - Förderung der im ausländischen Anlagenbau tätigen österreichischen Arbeitgeber - für § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 in dem durch das Unionsrecht bedingten erweiterten Verständnis nicht mehr geeignet ist, die Befreiung zu rechtfertigen, kommt diese doch nunmehr auch den (im Inland ansässigen) Arbeitnehmern ausländischer Arbeitgeber für eine begünstigte Auslandstätigkeit zugute. Gleichgültig, welche Wirkung der Gesetzgeber sich von der seinerzeit eingeführten Befreiung erwartet hat: Es liegt auf der Hand, dass eine Vorschrift, die (nunmehr) auch die Löhne von bei ausländischen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmern bei bestimmten Auslandstätigkeiten von der österreichischen Lohnsteuer befreit, nicht mit dem Argument der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit inländischer Arbeitgeber gerechtfertigt werden kann.
Für eine derart erweiterte Steuerbefreiung ist aber auch keine andere sachliche Rechtfertigung erkennbar: Der Umstand, dass (im Inland ansässige) Arbeitnehmer im Ausland beschäftigt sind, kann für sich allein eine Steuerbefreiung der hiefür ausbezahlten Bezüge nicht rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht aufzeigt, hat die Tatsache der Auslandstätigkeit allein nicht eine typische Art von Beschwer zur Folge (die allenfalls eine Steuerbefreiung rechtfertigen könnte), da nach der geografischen Situation Österreichs die Entfernung vom Dienstort bei auswärtiger Arbeitsverrichtung im Inland in vielen Fällen ebenso weit oder weiter sein kann wie (als) bei Arbeitsverrichtung im Ausland. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass diese Steuerbefreiung der Vermeidung einer Doppelbesteuerung dient; sie kommt nämlich nach dem aktuellen Stand des internationalen Steuerrechts auch bzw. in erster Linie in Fällen zum Tragen, in denen das Ausland (etwa auf Grund der sog. Monteurbestimmung oder der Grenzgängerregelung des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens) auf eine Besteuerung ohnehin verzichtet. Dazu kommt, dass eine solche Befreiung nur für die Arbeitnehmer in bestimmten Branchen (Anlagenbau etc.) vorgesehen ist und auch dann wiederum nur in Fällen, in denen der (ausländische) Einsatzort nicht mit dem (ausländischen) Dienstort übereinstimmt.
Weder aus der Sicht des einzelnen Arbeitnehmers noch aus der Sicht des Arbeitgebers ist daher bei dem unionsrechtlich gebotenen erweiterten Anwendungsbereich der fraglichen Bestimmung - der nicht bloß Ausnahmefälle betrifft - ein sachlicher Grund für eine Steuerbefreiung der in Rede stehenden Bezüge zu sehen. Da die Befreiung im erweiterten Anwendungsbereich eine sachliche Rechtfertigung für sich nicht in Anspruch nehmen kann, vielmehr nunmehr zu einer willkürlichen, sachlich nicht begründbaren Steuerbefreiung von Bezugsteilen führt, ist den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes stattzugeben. Die Vorschrift ist daher aufzuheben, dies - weil sich die zu Recht bestehenden Bedenken des antragstellenden Gerichtshofes auf beide von ihm anzuwendenden Fassungen beziehen - sowohl in der Stammfassung als auch in der Fassung BGBl. I 161/2005.
III. 1. § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 in der Stammfassung steht mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung (vgl. § 124b Z 128 EStG 1988). Es ist daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe zB VfSlg. 8709/1979; 12.930/1991; 13.153/1992; 13.881/1994; 16.115/2001; 17.551/2005) mit einer Aufhebung nach Abs 3 des Art 140 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs 4 der eben genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 idF BGBl. I 161/2005 gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG. Die Bundesregierung hat plausibel dargelegt, dass eine Gesetzesänderung dieser Art nicht unterjährig in Kraft treten sollte. Keines Ausspruches über die Fristsetzung für das Außer-Kraft-Treten bedarf hingegen § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 in der Stammfassung, da diese Bestimmung nur (noch) auf Zeiträume, die vor dem enden, anzuwenden ist (vgl. III.1.), ein Umstand, an dem die Setzung einer Frist nichts ändern würde (Art140 Abs 7 B-VG).
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.