VfGH vom 13.12.1991, g281/91

VfGH vom 13.12.1991, g281/91

Sammlungsnummer

12947

Leitsatz

Abweisung der Gesetzesprüfungsanträge des OGH zur Prüfung der Strafbarkeit der Ausfuhr von Kampfmitteln aus dem Inland nach dem StGB sowie verschiedener Bestimmungen des KriegsmaterialG; fehlende Präjudizialität der Bestimmungen über die Durchfuhr von Kampfmitteln; keine ausreichende Darlegung der Bedenken durch die Verweisung auf ein nicht beigeschlossenes Rechtsgutachten; keine verfassungswidrige Unbestimmtheit der Bestimmung über die Strafbarkeit der Ausfuhr von Kampfmitteln aus dem Inland; keine Blankettstrafnorm und keine dynamische Verweisung; keine verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation der Verordnungsermächtigung zur Bestimmung des Begriffs "Kriegsmaterial" nach dem "jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung" im KriegsmaterialG

Spruch

Dem zu G280, 281/91 protokollierten Antrag wird, soweit er sich auf die Wortgruppe "aus dem Inland ausführt oder" in § 320 Abs 1 Z 3 des Bundesgesetzes über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch - StGB), BGBl. Nr. 60/1974, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 30a/1991, auf den Wortteil ", Aus-" in § 1 Abs 1 und 2, auf § 2, auf den Wortteil ", aus-" in § 7 Abs 1, ferner auf den Wortteil ", Aus-" in § 7 Abs 3 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540/1977, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 358/1982, bezieht, keine Folge gegeben.

Dem zu G325/91 protokollierten Antrag wird, soweit er sich auf die Wortgruppe "aus dem Inland ausführt oder" in § 320 Abs 1 Z 3 StGB, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 30a/1991, bezieht, keine Folge gegeben.

Im übrigen werden beide Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Beim Obersten Gerichtshof sind in einer Strafsache gegen mehrere Personen wegen des Verbrechens der Neutralitätsgefährdung nach § 320 Z 3 (nunmehr gemäß dem Bundesgesetz BGBl. 30a/1991 § 320 Abs 1 Z 3) des Bundesgesetzes über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch - StGB), BGBl. 60/1974, und anderer Delikte Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen mehrerer Angeklagter sowie eine Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom anhängig.

b) Aus Anlaß dieses Verfahrens hat der Oberste Gerichtshof mit dem nach Anhörung der Generalprokuratur gefaßten Beschluß vom , beim Verfassungsgerichtshof eingelangt am , gemäß Art 89 Abs 2 und Art 140 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, den § 320 Abs 1 Z 3 StGB und die §§1, 2 und 7 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. 540/1977, idF des Bundesgesetzes BGBl. 358/1982 (im folgenden: KMG), als verfassungswidrig aufzuheben. Dieser Antrag ist zu G280, 281/91 protokolliert.

2. a) Beim Obersten Gerichtshof ist ferner in einer Strafsache gegen mehrere Personen ua. wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB eine von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom anhängig, mit dem über die Einsprüche der Beschuldigten gegen die Anklageschrift dahin entschieden wurde, daß der Anklage Folge gegeben werde.

b) Aus Anlaß dieses Verfahrens hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom , beim Verfassungsgerichtshof eingelangt am , gemäß Art 89 Abs 2 und Art 140 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, den § 320 Abs 1 Z 3 StGB als verfassungswidrig aufzuheben. Dieser Antrag ist zu G325/91 protokolliert.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat die Gesetzesprüfungsverfahren gemäß § 187 ZPO iVm § 35 VerfGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

4. Die Bestimmungen, deren Aufhebung beantragt wird, und die im Zusammenhang mit ihnen in erster Linie bedeutsamen Vorschriften haben folgenden Wortlaut (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

Abs1 Z 3 des § 320 StGB (dessen unveränderter Wortlaut durch das Bundesgesetz BGBl. 30a/1991 unter Anfügung eines Abs 2 die Absatzbezeichnung "1" erhielt):

"Neutralitätsgefährdung

§320. (1) Wer wissentlich im Inland während eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes, an denen die Republik Österreich nicht beteiligt ist oder bei unmittelbar drohender Gefahr eines solchen Krieges oder Konfliktes für eine der Parteien

...

3. Kampfmittel entgegen den bestehenden Vorschriften aus dem Inland ausführt oder durch das Inland durchführt,

...

ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."

§§1, 2, 3 und 7 KMG idF des Bundesgesetzes BGBl. 358/1982:

"§1. (1) Die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial bedarf, unbeschadet der nach anderen Rechtsvorschriften notwendigen Bewilligungen, einer Bewilligung nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes.

(2) Als Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial ist das Verbringen von Kriegsmaterial über die Staatsgrenze anzusehen.

(3) Für das Überfliegen der Staatsgrenze durch Staatsluftfahrzeuge gelten die luftfahrtrechtlichen Vorschriften.

§ 2. Die Bundesregierung bestimmt im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates durch Verordnung, welche Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände nach dem jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung als Kriegsmaterial im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen sind.

§3. (1) Die Bewilligung nach § 1 wird vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesminister für Landesverteidigung nach Anhörung des Bundeskanzlers, soweit keine anderen gesetzlichen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen, unter Anwendung von Artikel 130 Abs 2 B-VG erteilt. Hiebei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß

1. die Ein-, Aus- oder Durchfuhr völkerrechtlichen Verpflichtungen oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich unter besonderer Berücksichtigung der immerwährenden Neutralität nicht zuwiderläuft;

2. die Aus- oder Durchfuhr nicht in ein Gebiet erfolgen soll, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstige gefährliche Spannungen bestehen;

3. die Aus- oder Durchfuhr nicht in ein Bestimmungsland erfolgen soll, in dem auf Grund schwerer und wiederholter Menschenrechtsverletzungen die Gefahr besteht, daß das gelieferte Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet wird;

4. Embargobeschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen unter Bedachtnahme auf die immerwährende Neutralität Österreichs entsprechend berücksichtigt werden;

5. der Ein-, Aus- oder Durchfuhr sicherheitspolizeiliche oder militärische Bedenken nicht entgegenstehen;

6. keine sonstigen vergleichbaren gewichtigen Bedenken bestehen.

(2) Die Erteilung der Bewilligung kann von der Vorlage einer sogenannten 'Endverbrauchsbescheinigung' abhängig gemacht werden.

(3) Die Bewilligung kann angemessen befristet werden; sie ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung weggefallen sind.

(4) Die Bewilligung kann aus den im Abs 1 angeführten Gründen an Auflagen hinsichtlich des Transportmittels, des Transportweges, der Grenzübertrittsstelle(n) und der Transportsicherheit geknüpft werden.

(5) Jede Bewilligung der Ausfuhr von Kriegsmaterial ist mit der Auflage zu versehen, daß dem Bundesministerium für Inneres unverzüglich die erfolgte Ausfuhr zu melden ist.

...

§7. (1) Wer, wenn auch nur fahrlässig, Kriegsmaterial ohne die hiefür nach diesem Bundesgesetz erforderliche Bewilligung ein-, aus- oder durchführt, ist, sofern die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer, wenn auch nur fahrlässig, einem auf Grund des § 4 erlassenen Verbot zuwiderhandelt.

(3) Wird Kriegsmaterial entsprechend den zollrechtlichen Vorschriften zum Grenzzollamt verbracht und diesem ordnungsgemäß gestellt und erklärt, so tritt die Strafbarkeit nach Abs 1 oder 2 erst ein, wenn das Kriegsmaterial trotz Fehlens der erforderlichen Bewilligung oder entgegen einer Untersagung nach § 4 in einer für die Ein-, Aus- oder Durchfuhr vorgesehenen Art des Zollverfahrens abgefertigt worden ist."

II. Der Oberste Gerichtshof hat in beiden Gesetzesprüfungsanträgen dargelegt, daß er die jeweils bekämpften Gesetzesstellen in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, daß die eine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Gesetzesprüfungsantrages bildende Präjudizialität der bekämpften Gesetzesstellen demnach gegeben sei.

1. a) In dem zu G280, 281/91 protokollierten Antrag hat er zur Begründung dieser Auffassung im wesentlichen vorgebracht, daß mit dem Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom ua. einige der Angeklagten des Verbrechens der Neutralitätsgefährdung nach § 320 Z 3 StGB, weitere Angeklagte jeweils des Verbrechens der Neutralitätsgefährdung als Beteiligte gemäß den §§12 (zweiter Fall) und 320 Z 3 StGB, ein Angeklagter des Verbrechens der Neutralitätsgefährdung teils als unmittelbarer Täter, teils als Beteiligter nach den §§320 Z 3 und 12 (zweiter Fall) StGB, ein Angeklagter des Vergehens nach § 7 Abs 1 KMG in der vorsätzlichen Begehungsweise sowie weitere Angeklagte jeweils des Vergehens nach § 7 Abs 1 KMG in der fahrlässigen

Begehungsweise schuldig erkannt worden seien. Der Oberste Gerichtshof werde bei der Entscheidung über die von den Angeklagten gegen das erwähnte Urteil erhobenen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung § 320 Abs 1 Z 3 StGB und die §§1, 2 und 7 KMG "in der in der gegenständlichen Strafsache jeweils anzuwendenden (derzeit geltenden) Fassung" (das ist, was den § 320 betrifft, jene des Bundesgesetzes BGBl. 30a/1991) "unmittelbar bzw. mittelbar anzuwenden" haben.

b) In dem zu G325/91 protokollierten Antrag hat der Oberste Gerichtshof seine Auffassung, daß er (auch) bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes den § 320 Abs 1 Z 3 StGB anzuwenden hätte, im wesentlichen mit folgenden - hier verkürzt wiedergegebenen - Ausführungen begründet: Das Oberlandesgericht Linz habe in der Begründung seines Beschlusses vom , mit dem es der Anklage der Staatsanwaltschaft Linz Folge gab, den unter Anklage gestellten Sachverhalt als Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt beurteilt und dem vom Mißbrauch der Amtsgewalt (als Sonderdelikt) verdrängten allgemeinen Delikt der Neutralitätsgefährdung eine für die sachliche und örtliche Zuständigkeit des zur Durchführung der Hauptverhandlung berufenen Gerichtes entscheidende Bedeutung beigemessen. Auch die Generalprokuratur gehe zwar in ihrer gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde davon aus, daß nach dem unter Anklage gestellten Sachverhalt die Deliktstypen des § 302 Abs 1 StGB und des § 320 Abs 1 Z 3 StGB verwirklicht seien, komme aber zu dem Ergebnis, daß zur Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsfindung - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichtes Linz - gemäß § 13 Abs 2 Z 6 StPO das Schöffengericht (und nicht das Geschwornengericht) ungeachtet dessen berufen sei, "daß das durch das verdrängte Delikt der Neutralitätsgefährdung speziell verwirklichte Unrecht (neben dem Unrecht des Mißbrauches der Amtgewalt) weiter bestehe" (so die Wiedergabe des Vorbringens der Generalprokuratur in der Begründung des Gesetzesprüfungsantrages des Obersten Gerichtshofes). Daraus ergebe sich, daß der Oberste Gerichtshof bei der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes § 320 Abs 1 Z 3 StGB anzuwenden haben werde.

2. a) Zur Darlegung seiner Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochenen Gesetzesbestimmungen hat der Oberste Gerichtshof in der Begründung seines zu G280, 281/91 protokollierten Antrages folgendes vorgebracht:

Er bezog sich zunächst auf das im Verfahren AZ 25 Vr 1193/89 des Landesgerichtes Linz vorgelegte Rechtsgutachten von O. Univ.-Prof. DDDr. Felix Ermacora vom über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 320 StGB iVm dem KMG und wies darauf hin, daß das Vorbringen der Rechtsmittelwerber sich im wesentlichen mit dem Inhalt dieses Gutachtens decke. Des weiteren führte der Oberste Gerichtshof wörtlich aus:

"Die in diesem Gutachten für den eingenommenen Rechtsstandpunkt ins Treffen geführten Argumente, denen sich der Oberste Gerichtshof anschließt, indem er sie als Begründung seines Antrages übernimmt, und die der Einfachheit und Vollständigkeit halber im nachfolgenden wörtlich wiedergegeben werden, wecken in ihrer Gesamtheit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 320 Abs 1 Z 3 StGB:

1. Es sind in diesem Zusammenhang für die gehörige verfassungsrechtliche Interpretation des § 320 StGB zu prüfen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
die historische Entwicklung des § 320 StGB,
b)
die Auslegung, die § 320 StGB ohne Verbindung mit dem Kriegsmaterialrecht zukommt,
c) die historische Entwicklung des Kriegsmaterialrechtes in Österreich,
d) die Auslegung, die dem § 3 des Kriegsmaterialgesetzes zukommt,
e) wie der Tatbestand des § 320 StGB in Verbindung mit dem Kriegsmaterialrecht tatsächlich aussieht.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2. Wird auf diese Weise der strafrechtliche Tatbestand sichtbar gemacht, so ist zu prüfen, ob diese Art eines strafrechtlichen Tatbestandes gemäß österreichischem Verfassungsrecht ein den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entsprechend normierter Tatbestand sein kann, welche Erfordernisse des Verfassungsrechts erfüllt werden müssen, damit Strafbarkeit gesetzmäßig (§1 StGB) und konventionsmäßig (Art7 iVm Art 6 EMRK) ausgeübt werden kann. Sofort ist hier zu sagen und keiner weiteren Diskussion zu unterziehen, daß alle Organe des Staates, sowohl der Gesetzgeber als auch die Vollziehung, durch die verfassungsmäßig statuierten Menschenrechte unmittelbar gebunden sind. Die österreichische Judikatur sowohl des Verfassungsgerichtshofes als auch des OGH hat spätestens seit dem Ringeisen-Fall klargemacht, daß die Europäische Menschenrechtskonvention unmittelbar anwendbares österreichisches Verfassungsrecht ist, an das alle Staatsfunktionen unmittelbar und ohne irgendwelche Instanzenentscheidungen abzuwarten gebunden sind. Nur wenn Organe der Gerichtsbarkeit sich außerstande sehen, die Verfassungsmäßigkeit einer Norm zu beurteilen, werden sie entsprechend den Regeln des Art 139 bzw. 140 Abs 1 B-VG die je anzuwendende Norm vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten können bzw. anzufechten haben. Ferner ist hinzuzufügen, daß vor allem der österreichische Verfassungsgerichtshof immer und immer wieder in abgewogener Weise die Spruchpraxis der europäischen Instanzen für Menschenrechte auch auf in Österreich anhängige Fälle berücksichtigt (abgesehen von vielen Einzeluntersuchungen siehe vor allem ERMACORA/NOWAK/TRETTER, Die Europäische Menschenrechtskonvention in der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte, 1983).


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zum § 320 StGB und seine historische Entwicklung

Der Verfasser dieses Gutachtens hat in einer anderen Untersuchung die Fassung des § 320 StGB BGBl. 1974/60 wiedergegeben und sich mit der historischen Entwicklung dieser Bestimmung auseinandergesetzt. Die diesbezüglichen Ausführungen werden im Anhang 2 wiedergegeben; auf sie sei verwiesen und auch aufgebaut.

Hinzugefügt wird, daß dieser strafrechtliche Tatbestand der 'Neutralitätsgefährdung' Ausdruck des Neutralitätsschutzes ist, wie er seit 1955 von österreichischen Politikern mehrfach gefordert worden ist (siehe zu dieser Frage des Neutralitätsschutzes die Hinweise bei ERMACORA, 20 Jahre Österreichische Neutralität, 1975, S 96 f und 209).

Die Auslegung, die dem § 320 StGB ohne Bedachtnahme auf das Kriegsmaterialrecht zukommt.

1. Während die Anklageschrift gegen die sogenannten 'Manager' in der Beurteilung des persönlichen Geltungsbereiches des § 320 StGB iVm der immerwährenden Neutralität schwankend ist und man oft den Eindruck hat, als würde diese Anklageschrift die Privaten durch die immerwährende Neutralität verpflichtet sehen, nimmt die zeitlich nach diesen Gutachten erstellte Anklageschrift gegen die sogenannten 'Politiker' () eine klarere Linie ein. Sie stimmt insoferne mit meinem Gutachten überein, als sie zum Schluß kommt, daß das B-VG vom BGBl. Nr. 211 über die Neutralität Österreichs für den 'Privaten' keine aus der immerwährenden Neutralität ableitbaren Rechte und Pflichten begründet. Entsprechende individuelle Pflichten werden erst durch § 320 StGB begründet (S 389 ff der Anklageschrift gegen die sogenannten Politiker). Diese individuelle Verpflichtung aus der immerwährenden Neutralität verletzt weder die völkerrechtlichen Neutralitätsregeln noch die sich aus dem BVG über die immerwährende Neutralität ergebenden Regeln.

2. Nur die Überschrift, die dem § 320 StGB vorangestellt ist, enthält einen Hinweis auf die Neutralität, in dem der Ausdruck 'Neutralitätsgefährdung' verwendet wird. Aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergibt sich, daß im Ministerialentwurf zum StGB der Ausdruck 'Neutralitätsverletzung' verwendet wurde. Dieser Ausdruck ist in 'Neutralitätsgefährdung' umgewandelt worden! Weil die Neutralitätsverpflichtungen nicht durch die Handlungen der Privatpersonen selbst verletzt werden, sondern die Neutralitätsverletzung in der Duldung dieser Handlungen durch den Staat gelegen ist (siehe die EB zur 1. Regierungsvorlage, 706 dB StProt NR, 11 GP). Der Titel einer Vorschrift hat keinen normativen Gehalt. Sicher ist, daß § 320 StGB als eine Bedingung 'einen Krieg' oder 'einen bewaffneten Konflikt', an denen die 'Republik Österreich nicht beteiligt ist', oder 'die unmittelbar drohende Gefahr eines Krieges oder eines Konfliktes' voraussetzt und sicher ist auch, daß die verbotenen Handlungen, die die Z 1 bis 5 des § 320 StGB (heute des Abs 1) enthalten, sich auf 'eine der Parteien' beziehen muß. Als Partei ist die 'kriegführende Partei' im Sinne des Völkerrechtes, die am Konflikt teilnehmende Partei zu verstehen, zu deren Gunsten eine verbotene Handlung gesetzt werden muß, um das Tatbild zu erfüllen.

3. FOREGGER/SERINI, Strafgesetzbuch 19843, 650, schreiben zu Recht, 'aus dem vorliegenden Tatbild selbst könnte man das Verbot der Ausfuhr oder Durchfuhr von Kampfmitteln nicht ableiten'. In der Tat, die Z 3 des § 320 StGB (Abs1 heute) verbietet die Ausfuhr von Kampfmitteln aus dem Inland und die Durchfuhr von Kampfmittel durch das Inland 'entgegen den bestehenden Vorschriften'. Das heißt, die bestehenden Vorschriften sind im normativen Sinne eine in das Tatbild verwobene Bedingung für die Strafbarkeit. Die 'ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung', wie sie vom § 1 StGB verlangt wird, erfüllt die Bedingung des § 320 nicht, weil die im § 320 enthaltene Strafdrohung keine solche ist, sondern ein Weiterverweis auf 'bestehende Vorschriften'!

Es wird einmal mehr deutlich, daß § 320 Abs 1 StGB 'ohne bestehende Vorschriften' als Strafdrohung ins Leere gehen muß.

§320 StGB ist und enthält keine Generalklausel für die Strafbarkeit einer Neutralitätsgefährdung, sondern eine taxative Aufzählung von Tatbeständen, für die die Neutralität eine Motivation ist, aber kein Tatbestandsmerkmal!

Die Überschrift des § 320 StGB ('Neutralitätsgefährdung') ändert an dieser Beurteilung nichts.

4. Was bedeutet dieser Verweis 'auf bestehende Vorschriften'? Die Erläuternden Bemerkungen (EB) zur RV 30 StProt NR XIII. GP verweisen zum Tatbestand der Z 3 zunächst auf eine Erläuterung des Begriffes 'Kampfmittel', dann wird weiters festgestellt: 'Des weiteren dürfe dem Tatbestand die Bedeutung eines allgemeinen Aus- und Durchfuhrverbotes nicht beigemessen werden, welches nämlich auch dann anzuwenden wäre, wenn in den verwaltungsrechtlichen Vorschriften ein Verbot der Aus- oder Durchfuhr von Kampfmitteln nicht enthalten ist.' Die EB, aber auch andere Materialien zum § 320 StGB verweisen mit keinem Worte auf die Rechtsquellen der 'bestehenden' verwaltungsrechtlichen Vorschriften. Welche 'verwaltungsrechtlichen Vorschriften' gemeint sein könnten, das ist ausschließlich Kommentaren zu entnehmen! (FOREGGER/SERINI aa0 verweisen auf das sogenannte Kriegsmaterialgesetz BGBl. 1977/540, ebenso wie LIEBSCHER im Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, RN 19, und BRANDSTÄTTER/LOIBL, Neutralität und Waffenexporte, 1990, 35 f). Auch die beiden Anklageschriften geraten bei der Frage nach den 'bestehenden Vorschriften' nicht in juristische Verlegenheit:

es sei das Kriegsmaterialgesetz, das hier in Frage komme.

5. Da im Zeitpunkt des Inkrafttretens des StGB dieses Kriegsmaterialgesetz noch nicht in Geltung war, und dieses vielleicht nach Ausschöpfung aller Erfahrungen mit dem Golfkrieg in absehbarer Zeit so auch nicht mehr in Geltung stehen wird, kann der Verweis auf 'bestehende Vorschriften' nur als eine im österreichischen Recht so bezeichnete 'dynamische Verweisung' (siehe unter VII des Gutachtens) bezeichnet werden. Der Verweis auf das Kriegsmaterialrecht als ein Sammelbegriff ist gewiß ungenügend, um dem Bestimmtheitsgebot des § 1 StGB 'ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung' zu genügen.

6. Auch der Ausdruck 'bestehende Vorschriften' ist ein unbestimmter Verweis. Was 'bestehend' im juristischen Sinne bedeutet, ist von vorneherein nicht einsichtig. Der Ausdruck bedarf einer Interpretation. Um diese Bestimmung sinnvoll zu machen, ist das Wort 'bestehend' dahin zu interpretieren, daß es sich um in Geltung stehende Vorschriften handeln muß. Welche Vorschriften das sind, ist dem Tatbild des § 320 StGB aber nicht zu entnehmen. Daher verliert der Verweis im § 320 durch die Hinzufügung des Wortes 'bestehende' nichts von seiner Unbestimmtheit. Der Rechtsunterworfene wird über die strafrechtlich sanktionierten Verpflichtungen des § 320 Abs 1 Z 3 durch die Aufnahme des Ausdrucks 'bestehend' nicht genauer informiert. Es ändert sich dadurch nichts an dem Verweischarakter der Bestimmung und daran, daß die fragliche Bestimmung keine Generalklausel ist.

7. Zur Ermittlung des Tatbildes muß weiter bedacht werden, daß der Verweis auf 'bestehende Vorschriften' allein nicht das Tatbild ausmacht. Es muß das Wort 'entgegen' in § 320 Abs 1 Z 3 StGB beachtet werden. Mit dieser Formel 'entgegen' wird das Tatbild noch viel mehr an die 'bestehenden Vorschriften' gebunden. Strafbar ist nur, wer im Sinne des § 320 StGB entgegen dem oder im Widerspruch mit dem Kriegsmaterialrecht handelt. Erst muß gegen diese Vorschriften verstoßen worden sein, damit das Tatbild des § 320 Abs 1 Z 3 StGB erfüllt ist. § 320 StGB ist für sich allein keine taugliche Strafnorm, weil es dem Strafgesetzgeber nicht gelungen ist, die Bestimmung für sich genommen anwendbar zu machen.

8. Nach diesen Ausführungen wird der § 320 StGB wie folgt zu lesen sein: Wenn es Vorschriften gibt, die die Ausfuhr von Kampfmittel aus dem Inland oder die Durchfuhr durch das Inland verbieten und eine Person entgegen diesen Vorschriften Kampfmittel aus- oder durchführt, ist § 320 StGB anzuwenden.

Daraus folgt, daß die Strafdrohung des § 320 StGB nicht 'ausdrücklich', sondern unter Bedingungen formuliert ist. Diese Bedingungen, nämlich das Bestehen einer entsprechenden Verbotsnorm und das Entgegenhandeln, sind für einen Rechtsunterworfenen nicht von vorneherein vorhersehbar und einsehbar. Das scheint mir ein echtes verfassungsrechtliches Problem zu sein. Für die bisherige Anwendung des § 320 Abs 1 Z 3 StGB gibt es kein Beispiel, dem entsprechend die Lösung dieser Problematik erfolgt wäre.

9. Der Inhalt der fraglichen Strafnorm bezieht sich auf ein Verbot der Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial. Das Verbot betrifft Güter wie das Eigentum, das Vermögen, die Freizügigkeit von Eigentum und Vermögen, die Ausübung eines Erwerbszweiges unter gesetzlichen Bedingungen. Diese Vorgänge und Güter sind gewerberechtlicher, handelsrechtlicher, außenhandelsrechtlicher und waffenrechtlicher Natur, die durch die Gewerbeordnung, durch das Außenhandelsgesetz, das Waffengesetz, das Handelsrecht geregelt sind.

Die Strafnorm des § 320 Abs 1 Z 3 StGB kann daher nicht für sich allein betrachtet werden, sondern ist im Verhältnis zu den durch diese Verwaltungsvorschriften geregelten Rechtsgütern zu sehen, vor allem dann, wenn gewisse Rechtsgüter eine verfassungsrechtliche Absicherung erfahren, die der Art der Strafverfolgung ihrerseits Grenzen setzt. Oder anders ausgedrückt:

wie etwa die StPO und die Organe der Strafverfolgung die Art 5 und 6 EMRK zu beachten haben, so müßten auch das StGB bei der Festlegung von Strafen und der Formulierung von Straftatbeständen, aber auch die Organe der Strafverfolgung bei Anwendung dieser Vorschriften allfällige verfassungsrechtliche Regeln beachten. In diesem Zusammenhang sei ohne besonderen Nachweis festgestellt, daß grundrechtliche Regeln, die im Verfassungsrang stehen, nach österreichischer Rechtsauffassung ohne Dazwischentun irgendwelcher anderer Rechtsvorschriften unmittelbar anwendbares Recht sind, das von Organen der Vollziehung auf jeder Ebene der Vollziehung anzuwenden ist (siehe für viele anderen ERMACORA, Grundriß der Menschenrechte in Österreich, 1989, Rz 120 ff).

10. Für den § 320 Abs 1 Z 3 StGB und die von ihm betroffenen Güter und verbotenen Handlungen (wobei der letztere Ausdruck unter Bedachtnahme auf die Feststellung unter IV/9 zu verstehen ist) kommt die Beachtung von Regeln der Grund- und Freiheitsrechte in Betracht, nämlich:

für die Betroffenheit des Eigentums Art 5 StGG (darunter ist das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger

v. 21. Dezember 1867 RGBl. 142 iVm Art 149 B-VG zu verstehen) iVm dem Art 1 des I. ZP zur EMRK;

für die Freizügigkeit des Vermögens Art 4 StGG (wobei dieses Grundrecht nur österreichischen Staatsbürgern zukommt);

für die Ausübung jedes Erwerbszweiges unter den gesetzlichen Bedingungen der Art 6 StGG.

Das heißt: sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollziehung des StGB im Rahmen der Strafverfolgung haben diese grundrechtlichen Grenzen zu achten. Darauf wird später noch zurückzukommen sein.

Das Kriegsmaterialrecht in Österreich und die Auslegung, die § 320 StGB unter Beachtung des Kriegsmaterialrechtes zukommt

1. Der § 320 Abs 1 Z 3 StGB ist also nur vollziehbar in Verbindung mit den bestehenden Vorschriften, die die Aus- und Durchfuhr von Kampfmitteln aus dem Inland und durch das Inland regeln. Es handelt sich bei diesen 'bestehenden Vorschriften', wie die Lehre und die Praxis im Lütgendorf/Weichselbaumer-Fall festgestellt haben, und wie dies aus dem Noricumkomplex hervorgeht, um das Kriegsmaterialrecht.

Ich habe in meinem mehrfach bezogenen Gutachten die historische Entwicklung des Kriegsmaterialrechtes in Österreich seit 1945 skizziert. Darauf nehme ich hier Bezug (Anhang 2). Festzuhalten ist, daß im Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginns des StGB, d.i. seit dem , das Kriegsmaterialrecht durch eine ehemals deutsch-rechtliche Vorschrift, die gemäß § 2-ÜG 1945 als österreichische Vorschrift in 'vorläufige Geltung' gesetzt worden ist, geregelt war. Im Jahre 1977 ist diese Vorschrift durch ein österreichisches Kriegsmaterialgesetz - das Bundesgesetz vom BGBl. Nr. 540 über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial - ersetzt worden. Dieses Gesetz ist in dem vor allem im gegebenen Zusammenhang maßgebenden § 3 durch eine Novelle vom BGBl. Nr. 385 geändert worden. Eine neuerliche Änderung des fraglichen Gesetzes und Paragraphen ist durch die Novelle vom BGBl. /30a vorgenommen worden.

2. Ich habe den Inhalt des Kriegsmaterialgesetzes, vor allem seinen § 3 in dem oben bezeichneten Gutachten analysiert und versucht, den vorliegenden Strafrechtsfall dieser Analyse zu unterstellen. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß § 3 Kriegsmaterialgesetz die Kriterien für die Bewilligung von Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial enthält und Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial ohne Bewilligung unter Strafe stellt, die vom Gericht zu verhängen ist (§7 leg.cit.). Der personelle Geltungsbereich des Kriegsmaterialgesetzes betrifft denjenigen, der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial begehrt oder vornimmt. Es kann gemäß der Konstruktion des Kriegsmaterialgesetzes nicht die Behörde sein, die befugt ist, unter Berücksichtigung des Art 130 Abs 2 B-VG (Ermessenshinweis) die Bewilligung für Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial zu geben. Sie ist nicht Partei im Sinne des AVG, sie hat vielmehr das AVG als Behörde gegenüber dem Einschreiter anzuwenden.

3. Diese Erkenntnis ist auf § 320 StGB rückzukoppeln. § 320 Abs 1 Z 3 StGB betrifft in seinem personellen Geltungsbereich nur denjenigen, der Kampfmittel entgegen den bestehenden Vorschriften aus dem Inland ein- oder ausführt oder durch das Inland durchführt. Das kann nur die Partei im Sinne des Kriegsmaterialrechtes sein und Partei im Sinne des Kriegsmaterialrechtes kann - wie gesagt - weder die Behörde (Organ) noch der Organwalter in seiner amtlichen Funktion, sondern nur derjenige sein, der Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Kriegsmaterial betreibt.

Daraus folgt, daß solange eine Bewilligung zur Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Kriegsmaterial rechtskräftig vorlag, weder der Straftatbestand des Kriegsmaterialrechtes noch des § 320 Abs 1 Z 3 StGB erfüllt sein kann.

Die Bestimmungen der Neutralitätsgefährdung im Lichte der Grundrechtserfordernisse

1. Ich habe mich in meinem mehrfach erwähnten Gutachten auch mit der Frage beschäftigt, wie sich der § 320 Abs 1 Z 3 StGB zu den durch diese Strafbestimmung berührten Grund- und Freiheitsrechten verhält. Unter IV/9 ist der Bezug zum Recht auf Eigentum (Art5 StGG iVm Art 1 I. ZP), zum Recht auf die Freizügigkeit des Vermögens (Art4 StGG) und zum Recht auf die Ausübung jedes Erwerbszweiges unter den gesetzlichen Bedingungen (Art6 StGG) hervorgehoben worden. Die in den Art 5 und 6 StGG genannten Grundrechte stehen unter einem Gesetzesvorbehalt. Als eine Ausführung dieser Gesetzesvorbehalte sind sowohl der § 320 Abs 1 Z 3 des StGB als auch Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes zu sehen. Bei Beachtung der Präambel des § 320 StGB ist zu erkennen, daß er - vorbehaltlich der übrigen Ausführungen in diesem Gutachten - nur angewendet werden kann, 'während eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes ...' 'oder bei unmittelbar drohender Gefahr eines solchen Krieges oder Konfliktes'; ähnlich formuliert § 320 Abs 1 Z 3 leg.cit. Während hier das Kriegsmaterialgesetz außer Betracht bleiben kann, weil es die Bedingungen für behördliches Handeln festlegt, ist § 320 StGB relevant, weil er - zumindest scheinbar - das Tatbild für ein Delikt enthält. Die eben zitierten Wendungen im § 320 StGB sind für den Rechtsunterworfenen nicht einsehbar und auch nicht vorhersehbar, weil er grundsätzlich nicht jene Informationen zur Verfügung hat, um die im § 320 StGB festgelegten Voraussetzungen für eine Strafbarkeit verläßlich zu prüfen. Es ist sowohl der Kriegsbegriff schwankend als auch der Konfliktbegriff. In dieser Hinsicht ist der im B-VG verwendete Ausdruck 'Krieg' (z.B. Art 10 Abs 1 Z 15, Art 38 V-VG) veraltet; was schon allein daraus hervorgeht, daß in der Verfassungsreformkommission Tendenzen bestanden haben, diesen Ausdruck aus der Bundesverfassung zu eliminieren. Wenn der Begriff des Konfliktes verwendet wird, so kann man sich heute - in abstracto - am Landesverteidigungsplan und an der Verteidigungsdoktrin orientieren; doch sind diese Begriffe dort auf Österreich bezogen und nicht auf die Konflikte, an denen Österreich nicht beteiligt ist. Allein die Charakterisierung des Einsatzes der Alliierten in Verfolgung der Sicherheitsratsresolutionen bezüglich Kuwaits fällt dem Fachmann schwer, wie soll ein Nichtfachmann die Existenz von Krieg und Konflikt zuverlässig beurteilen können?

Da die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kampfmitteln unter strafrechtliche Sanktion gestellt wird, als Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial nicht frei von Zwang und Drohung stehen, ist der im StGB genannte Gesetzesvorbehalt ein die Ausübung der oben genannten Freiheiten beschränkender Vorbehalt. Damit der Vorbehalt verfassungsmäßig ist, muß er vorhersehbar und auch im Verhältnis zum gewährleisteten Grundrecht verhältnismäßig sein. Bei einer derartig unbestimmten Bedingung für die Strafbarkeit, die durch die unbestimmten Begriffe 'Krieg' und 'Konflikt' und durch den Verweis auf Vorgänge gekennzeichnet sind, über die verläßlich nur das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten Auskunft geben kann, kann weder von der Beachtung des Bestimmtheitsgebotes, noch von der für Vorbehaltsausführungen verlangten Verhältnismäßigkeit gesprochen werden. Das mangelnde Bestimmtheitsgebot und die mangelnde Verhältnismäßigkeit rücken den § 320 schon aus diesem Grund in die Nähe der Verfassungswidrigkeit. Allerdings ist § 320 StGB nicht geeignet, den Wesensgehalt der oben genannten Grundrechte zu treffen. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn die Bewilligungspraxis nach dem Kriegsmaterialgesetz eine Tendenz aufwiese, die erkennen ließe, daß ein ganzer Wirtschaftszweig praktisch zum Erliegen gebracht würde. Obwohl im Bereich des Noricum-Untersuchungsausschusses solche Tendenzen den Parlamentariern, ja dem Nationalrat vorgeschwebt sein mochten (siehe vor allem die Z 215 des Berichtes des parlamentarischen Noricum-Untersuchungsausschusses, 1235 dBStenProt. NR XVII. GP)!

Zur verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit des § 320 StGB unter dem Gesichtswinkel der Verweisungstechnik und der mangelnden Bestimmtheit als Strafdrohung

1. § 320 StGB ist und enthält - wie gesagt - keine Generalklausel über die Neutralitätsgefährdung. Der Titel des Paragraphen gehört nicht zum normativen Teil des Rechtssatzes.

§ 320 Abs 1 Z 3 StGB ist keine für sich vollziehbare Norm, er ist nur mit der verwiesenen Norm vollziehbar. Der personelle Geltungsbereich des § 320 StGB ist für sich nicht durch § 320 StGB bestimmt, weil er Personen betrifft, die entgegen dem Kriegsmaterialgesetz Kriegsmaterial ein-, aus- und durchführen. Das können Personen sein, die sich um die Gebote des Kriegsmaterialgesetzes überhaupt nicht kümmern, Personen, die um die Bewilligung der Ein-, Aus- und Durchfuhr zwar angesucht, diese aber nicht erhalten haben und dennoch Kampfmittel aus-, ein- oder durchführen, oder Personen, die beim Kriegsmaterialverkehr die im Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen und Bedingungen nicht berücksichtigen. Das alles ergibt sich aus dem Kriegsmaterialgesetz und nicht aus § 320 StGB! § 320 Abs 1 Z 3 StGB ist hinsichtlich der Festlegung des personellen Geltungsbereiches durch den Tatbestand des Kriegsmaterialgesetzes verdrängt.

2. ...

(Die unter diesem Punkt im Gutachten angestellten Überlegungen werden nicht übernommen, weil sie den Unterschied in den subjektiven Tatbestandserfordernissen der §§320 StGB und 7 KMG nicht berücksichtigen.)

3. Da nach allem bisher Gesagten die Begehung einer 'Tat' nach § 320 StGB denkunmöglich ist, kommt als Strafdrohung nur § 7 des Kriegsmaterialgesetzes in Frage. Das Kriegsmaterialgesetz ist aber für Manager als allfällige Parteien gemäß dem Kiegsmaterialgesetz solange nicht anwendbar, solange ein Bewilligungsbescheid rechtskräftigen Bestand hat. Das Kriegsmaterialgesetz ist in seiner Strafdrohung auf Behörden nicht anwendbar. Daher ist auch § 320 StGB nicht anwendbar. Mangels eines selbst vollziehbaren Tatbestandes im § 320 Abs 1 Z 3 StGB steht die Strafdrohung des § 320 für sich und kann nur durch Analogieschlüsse oder Größenschlüsse - beides im Verhältnis zum zeitlich jüngeren Kriegsmaterialgesetz idF 1977 - sinnvoll angewendet werden. Wenn das aber der Fall ist, dann sind das Tatbild des § 320 Abs 1 Z 3 StGB eine Art Tautologie und die Strafdrohung des § 320 StGB ohne Tatbild.

4. Ferner ist auf die Art der Handhabung der Verweisungstechnik im § 320 Abs 1 Z 3 StGB einzugehen. Unbestritten ist die Verweisung im § 320 Abs 1 Z 3 StGB eine sogenannte 'dynamische Verweisung', weil sie auf eine nicht klar fixierte und erkennbare Rechtsregel verweist, sondern auf 'bestehende Vorschriften'. Die gehörige verfassungskonforme Anwendung des § 320 StGB hängt daher von der Tragweite dieser eben genannten Verweisung ab. In den folgenden Ausführungen lehne ich mich an das mehrfach bezogene Gutachten an.

5. Es steht außer Zweifel, daß man es mit dem Hinweis auf 'bestehende Vorschriften' im § 320 StGB mit einer Verweisung nach Lehre und Rechtsprechung zu tun hat. Diese Verweisung fällt in die Kategorie der 'dynamischen Verweisungen'. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einer Reihe von Erkenntnissen mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit von Verweisungen beschäftigt (siehe z.B. VfSlg. 6920/1970, 7085/1973, 7241/1973, 8172/1977, 10749/1986, 11281/1987 ua): Das Erk VfSlg. 6290/1970 befaßt sich mit der Verweisung von Landesrecht auf Bundesrecht und findet in diesem Zusammenhang eine dynamische Verweisung für verfassungsrechtlich bedenklich. VfSlg. 7085/1973 behandelt die Verweisung in § 25 Abs 3 der Burgenländischen Wahlordnung auf § 35 Abs 2 Nationalrats-Wahlordnung hinsichtlich Einspruchs- und Berufungsverfahren und wiederholt die Aussagen, die in VfSlg. 6290/1970 getroffen werden. In VfSlg. 7241/1973 betreffend den § 1 Abs 1 Steiermärkisches Landesbeamtengesetz hält der VfGH an seinem Rechtsstandpunkt fest. In VfSlg. 10749/1968 befaßt sich der VfGH mit einer sogenannten statischen Verweisung (Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß dem Ärztegesetz).

Der Kernsatz in seiner bisherigen Verweisungsjudikatur lautet:

'Es ist aber mit der Verfassung unvereinbar, daß der Gesetzgeber des Bundes oder eines Landes nicht selbst den Inhalt der Norm festlegt, sondern dies einem anderen Gesetzgeber überläßt, indem er für die Zukunft die jeweiligen Gesetzesbefehle des anderen Gesetzgebers als eigene Gesetzesbefehle erklärt, obwohl ihr Inhalt noch gar nicht feststeht und daher auch nirgends umschrieben ist. Hier hat es also der Landesgesetzgeber verfassungswidrigerweise dem Bundesgesetzgeber überlassen, den Gesetzesinhalt in Zukunft zu gestalten. Er hat damit auch seine Kompetenz aufgegeben.'

Obwohl § 320 StGB auf andere bundesrechtliche Vorschriften verweist und insoweit unbedenklich wäre, wirft die Art der Verweisung bezogen auf ihr normatives Umfeld über die verfassungsrechtliche Judikatur hinausgehende, grundlegende verfassungsrechtliche Probleme auf (Punkte 6-10):

6. Der genannte Paragraph verweist auf die 'bestehenden Vorschriften' und meinte im Jahre 1973 nämlich die Vorschriften des Kriegsmaterialrechtes deutschen Ursprungs, die im Jahre 1945 durch das Rechtsüberleitungsgesetz in die österreichische Rechtsordnung übernommen worden sind; sie unterscheiden sich hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolgen grundlegend von jenen, die das Kriegsmaterialgesetz 1977/82 vorsieht. Diese Verweisung deckt aber auch diejenigen Vorschriften, die an die Stelle der ursprünglich deutschrechtlichen Vorschriften getreten sind, ohne daß aber ihr normativer strafrechtlicher Gehalt mit genügender Bestimmtheit einsehbar vorbestimmt worden wäre.

Im gegebenen Falle ist die Verweisung also von ganz besonderer Art. Bis zum Inkrafttreten des Kriegsmaterialgesetzes (BGBl. 540/1977) bedeutete die Verweisung auf 'bestehende Vorschriften' etwas anderes als nach dem Inkrafttreten des Kriegsmaterialgesetzes. Der § 320 StGB war so konzipiert, daß unter Strafdrohung allein die Verletzung der dort genannten Tatbestände stand, aber mit Inkrafttreten des Kriegsmaterialgesetzes steht - wie unter II angeführt - dann, wenn ein aufrechter Bewilligungsbescheid vorliegt, nichts unter Strafdrohung.

Der Verweis des § 320 StGB ist nicht in die Form eines unbestimmten Gesetzesbegriffes gekleidet. Er würde Auslegungsmöglichkeiten eröffnen. Der dynamische Verweis des § 320 StGB bezieht sich jedoch auf Rechtsvorschriften, deren Inhalt im Zeitpunkt der Erlassung des § 320 StGB anders beschaffen war als 3ach 1977. Daher ist die Frage zu stellen, ob der dynamische Verweis, der vor und nach 1977 erheblich andere Tatbestände erfaßt, dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit eines Gesetzes entspricht oder ob er wegen des völlig neuen Straftatbestandbildes aufrund des neuen Kriegsmaterialgesetzes 1975 nicht nur im Gegensatz zu jenem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des StGB steht und - wie unter II ausgeführt - überhaupt ins Leere geht. Er öffnet dem richterlichen Ermessen Tür und Tor und stellt sich als eine Blankettstrafnorm dar, was dem Gebot des Art 6 Abs 1 EMRK klar widerspricht.

§ 320 StGB ist - rechtsstaatlich gesehen - grundsätzlich unanwendbar, solange ein rechtskräftiger Bescheid zur Bewilligung der Ein-, Aus- und Durchfuhr vorliegt. Seine Anwendung müßte zur Konventionswidrigkeit eines strafrechtlichen Verfahrens führen. Es ist aber auch die Auffassung vertretbar, daß § 320 StGB zumindest seit dem Dazutreten des Kriegsmaterialgesetzes BGBl. 540/1977 verfassungswidrig geworden ist, weil die in ihm enthaltene Verweisungstechnik iVm dem Kriegsmaterialgesetz dem Gesetzmäßigkeitsprinzip, wie es im Art 18 Abs 1 und 2 B-VG enthalten ist und in der Judikatur des VfGH verstanden wird, widerspricht.

7. Nicht alle Verweisungen haben dieselbe Bedeutung. Sie berühren dort Rechtsstaatlichkeit und Gesetzesmäßigkeitsprinzip besonders, wo die Verweisungen Rechtsgüter betreffen, die mit der Wahrung von Grundrechten zusammenhängen und wo durch solche Verweisungen besondere Rechte und Pflichten angesprochen werden. Im Falle der Anwendung des § 320 StGB iVm dem Kriegsmaterialgesetz geht es um Fragen strafrechtlicher Verantwortlichkeit.

8. In keinem dieser 'Verweisungserkenntnisse' ist es um Fragen gerichtlichen Strafrechtes gegangen. Hier liegt verfassungsrechtliches Neuland vor. Die Anforderungen an Verweisungen auf 'bestehende Vorschriften' müssen dort, wo es um die strafrechtliche Verantwortlichkeit geht, bei der Straftatbilder mit Strafdrohungen im Spiele stehen, strenger sein als bei Verweisungen, die verwaltungspolizeiliche Agenden betreffen. Der Grund für diese strengeren Anforderungen liegt darin, daß durch Akte der Strafverfolgung Entscheidungen über strafrechtliche Beschuldigungen und über das Ausmaß von Strafen getroffen werden. Sie berühren den Menschen in einem Grundrechtsbereich, wie er nicht vom ursprünglichen österreichischen Rechtsgut erfaßt, sondern erst durch die Integration internationaler Menschenrechtskonzeption deutlich wird. Es bedarf keines weiteren Beweises, daß Art 6 und 7 MRK, die Garantien eines 'fair trial' enthalten, in Österreich verfassungsrechtliches Neuland eröffneten, die aber von der Rechtsprechung des VfGH und des OGH anerkannt wurden (siehe ERMACORA/NOWAK/TRETTER, aaO, 55 f, 315 ff, 329 ff, 365 ff).

9. Daher wird man für solche Verweisungen qualifiziertere Forderungen aufzustellen haben als 'nur' die Beachtung der Gesetzmäßigkeit im Sinne des Art 18 Abs 1 B-VG, wie sie für die gesamte staatliche Verwaltung gefordert und vom VwGH und vom VfGH verdeutlicht wird. Hier geht es also um die Verfassungsmäßigkeit der Verweisung. Verweisungen im strafrechtlichen Bereich haben mit Gesetz sicherzustellen, daß


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
die Strafnorm von vorneherein einsehbar ist,
b)
daß ein Straftatbestand unmißverständlich formuliert ist,
c)
daß die Strafdrohung voraussehbar ist und
d)
daß das Strafausmaß eindeutig festgelegt ist.

Wenn durch eine Verweisung im strafrechtlichen Bereich diese Bedingungen nicht erfüllt werden, dann ist eine Verweisung, neben der vom VfGH an sich schon erkannten Problematik nach Art 18 B-VG, mit einer besonderen menschenrechtlichen Problematik behaftet.

Diese Problematik ist an der Frage zu messen, ob eine Verweisung ein 'fair trial' im Sinne des Art 6 MRK und eine 'gesetzmäßige Strafdrohung' im Sinne des Art 7 MRK gewährleistet. Das sind verfassungsrechtliche Normen, die gegenüber dem Art 18 Abs 1 B-VG spezialisiert sind. § 320 StGB ist problematisch, weil der Verweis auf 'bestehende Vorschriften' selbst gemessen am Art 18 Abs 1 B-VG zu unpräzise ist; für den Rechtsunterworfenen ist ein geradezu 'archivarischer Fleiß' erforderlich, die in Geltung stehenden Vorschriften ausfindig zu machen, die mit dieser Formel gemeint sind. Zudem muß bei einer Strafrechtsnorm der Straftatbestand im Gesetz selbst formuliert sein und darf nicht wie in § 320 StGB mit Verweisen, insbesondere nicht mit solchen allgemeiner Art, arbeiten.

In diesem Zusammenhang führen auch die Legistischen Richtlinien 1990 (wiedergegeben im Handbuch der Rechtsetzungstechnik, 1990, Teil 1, S 28, Z 63, hrsgg. vom Bundeskanzerlamt) unter dem Titel 'Verfassungsrechtlich unzulässige Verweisung' folgendes aus:

'Die Verweisung auf Rechtsvorschriften einer anderen normsetzenden Autorität 'in ihrer jeweils geltenden Fassung' ist verfassungsrechtlich unzulässig. Verfassungsrechtlich unbedenklich sind nur solche dynamische Verweisungen, mit denen in den Tatbestand einer Norm einzelne Elemente aufgenommen werden, deren Vorliegen auf Grund von Vorschriften eines anderen Normsetzers zu beurteilen ist (z.B. Tatbestandswirkungen, Vorfragen).' ...

Sind diese für das staatliche Handeln so wesentlichen verfassungsrechtlichen Kriterien nicht erfüllt, dann ist eine Verweisung - abgesehen von der durch den VfGH schon aufgezeigten Verweisungsproblematik - verfassungsrechtlich im höchsten Maße bedenklich.

Die Verweisung muß also Gesetzmäßigkeit - und im Falle des Strafrechts - auch Rechtmäßigkeit gewährleisten.

10. Die europäischen Instanzen haben zur Beachtung der Bestimmtheit einer gesetzlichen Norm im 'Sunday Times'-Fall, Z 49, EuGRZ 1979, 386 ff (387), folgendes ausgeführt:

49. Nach Meinung des Gerichtshofs lassen sich zwei Erfordernisse aus den Worten 'vom Gesetz vorgesehen' ('prescribed by law') entnehmen. Das erste ist, daß das Recht ausreichend zugänglich sein muß: der Bürger muß in hinreichender Weise erkennen können, welche rechtlichen Vorschriften auf einen gegebenen Fall anwendbar sind. Zweitens kann eine Norm nicht als 'Gesetz' ('law') angesehen werden, wenn sie nicht so präzise formuliert ist, daß der Bürger sein Verhalten danach einrichten kann: Er muß - gegebenenfalls aufgrund entsprechender Beratung - in der Lage sein, die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewißheit zu erkennen. (...)

Sie haben im Arrowsmith-Fall (DR, 18, 19, Z 64) folgendes ausgeführt:

The Commission further observes that an alleged uncertainty of the law may also give rise to issues under Article 7, or under those Convention rights which may be subject to limitations which are 'prescribed by law' as e.g. the right to freedom of expression (see below paras. 79-83).

Sie haben im Barthold-Fall, Z 45, EuGRZ 1985, S 170 ff (173), folgendes ausgeführt:

45. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu dieser Frage

muß der Eingriff eine Grundlage im innerstaatlichen Recht haben,

die ausreichend zugänglich und mit hinreichender Genauigkeit

formuliert ist, um dem einzelnen Rechtsunterworfenen die

Möglichkeit zu geben, sein Verhalten ggf. unter Zuhilfenahme

rechtlicher Beratung darauf einzustellen (vgl. das bereits erwähnte

Sunday Times-Urteil, Seite 30, Ziff. 48 = EuGRZ 1979, 386 (387) und

Seite 31, Ziff. 49 = EuGRZ 1979, 387 sowie mutatis mutandis das

Urteil im Fall Silver und andere vom Serie A, Nr. 61,

Seiten 32-34, Ziff. 85-88 = EuGRZ 1984, Serie A, Nr. 82, Seiten

31-32, Ziff. 66-68 = EuGRZ 1985, 17 (20 f.)).

Sowohl ein 'fair-trial' nach Art 6 MRK als auch eine konventionsgemäße Strafdrohung nach Art 7 MRK verlangen Recht- und Gesetzmäßigkeit. Diese kann nur gegeben sein, wenn die Grundlagen für ein Strafverfahren, durch das eine 'charge' ermittelt und festgestellt wird, so präzise formuliert sind, daß der Bürger sein Verhalten danach richten kann (siehe auch FROHWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 1985, 62 Rz 25).

Schlußfolgerungen

§ 320 Art(gemeint: Abs 1 Z 3 StGB ist und enthält keine Generalklausel für die Neutralitätsgefährdung. Er kann - kraft Verweisung - nur in Verbindung mit dem Kriegsmaterialrecht angewendet werden. Die Strafdrohung des § 320 ist so unbestimmt und für den Rechtsunterworfenen so unpräzise formuliert, also 'unterdeterminiert', das Strafausmaß an sich so widersprüchlich formuliert, daß er kein 'fair trial' im Sinne des Art 6 Abs 1 iVm Art 7 Abs 1 EMRK garantieren kann.

§ 320 Abs 1 Zif. 3 StGB verletzt daher die im Verfassungsrang stehenden Gebote des Art 6 Abs 1 und Art 7 Abs 1 EMRK iVm § 1 StGB sowie das aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG folgende Bestimmtheitsgebot und ist somit verfassungswidrig.

Das in Spruchpraxis und herrschender Lehre vertretene Gebot, Gesetze im Zweifel verfassungsmäßig zu interpretieren, ist hier nicht anzuwenden, weil meiner Auffassung nach entsprechend der vorliegenden Ausführungen keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit des § 320 Abs 1 Z 3 StGB vorliegen und man sich weder im Schrifttum noch in der gerichtlichen Praxis mit der verfassungsrechtlichen Seite des hier behandelten Straftatbestandes auseinandergesetzt hat. Das gilt auch für die 'ratio decidendi', die im Bericht des Noricum-Untersuchungsausschusses kundgetan worden ist."

An diese aus dem erwähnten Rechtsgutachten übernommenen Darlegungen schloß der Oberste Gerichtshof noch folgende Ausführungen an:

"Eine Verletzung der im Verfassungsrang stehenden Gebote des Art 6 Abs 1 und des Art 7 Abs 1 MRK iVm dem § 1 StGB sowie des aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG abzuleitenden Bestimmtheitsgebotes, wie sie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, ergibt sich nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes auch als Konsequenz des nach dem Wahrspruch der Geschworenen als berechtigt angenommenen Umfanges der Anwendung des § 320 Abs 1 Z 3 StGB:

Vorauszuschicken ist, daß sich aus dem Tatbild des § 320 Abs 1 Z 3 StGB selbst ein Verbot der Ausfuhr und Durchfuhr von Kampfmitteln nicht ableiten läßt (Foregger-Serini, StGB4 Erl. III zu § 320). Diese Gesetzesstelle verweist auf die auf diesem Gebiet bestehenden Vorschriften. Damit soll sichergestellt werden, daß dem Tatbestand nicht die Bedeutung eines allgemeinen Aus- und Durchfuhrverbots beigemessen wird, welches auch dann anzuwenden wäre, wenn in den verwaltungsrechtlichen Vorschriften ein Verbot der Aus- oder Durchfuhr von Kampfmitteln nicht enthalten ist (Dokumentation, § 320 Z 3, 240). Der § 320 Abs 1 Z 3 StGB hat also im wesentlichen die Bedeutung eines Blankettstrafgesetzes, dessen Rahmen vor allem im Falle eines Krieges oder kriegerischen Einsatzes je nach Bedarf ausgefüllt werden kann (Liebscher, WK; § 320, RN 19). Solche Vorschriften enthält das Bundesgesetz über Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, kurz: KMG, BGBl. 1977/540 (Liebscher aaO, RN 20 und 24; Foregger-Serini aa0).

Damit wird durch den § 320 Abs 1 Z 3 StGB - unter den im Einleitungssatz des § 320 StGB genannten Bedingungen - ein Zuwiderhandeln gegen die Bestimmungen des KMG unter Strafe gestellt; der materielle Inhalt dieser blankettausfüllenden Norm - insbes. die Bestimmung des § 3 dieses Gesetzes - ist Bestandteil des Tatbestandes (in diesem Sinne auch die Rechtsbelehrung an die Geschworenen, vgl. Band 203, ON 1967, S 57 und 59).

Gegen einen solchen gesetzestechnischen Vorgang der äußeren Trennung von Strafdrohung und Tatbestand bestehen zwar an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken (11 Os 130/90 gestützt auf VfSlg. 5.469/1967 zu § 33 Abs 1 UWG). Im konkreten Fall ist jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, daß das KMG die zuständige Behörde verpflichtet, im Rahmen des Bewilligungsverfahrens auch Neutralitätsgebote zu beachten (§3 Abs 1 Z 1 KMG). Die an einem Bewilligungsverfahren gemäß dem § 3 Abs 1 KMG beteiligten Regierungsmitglieder haben sich zwar ungeachtet des Verweises auf den Art 130 Abs 2 B-VG im Absatz 1 der genannten Gesetzesstelle an den Kriterien von § 3 Abs 1 Z 2 bis 6 KMG zu orientieren (AB 1149 BlgNR 15. GP). Eine solche Entscheidung hat jedoch letztlich politischen Charakter (s. abermals AB), zumal dem Waffenlieferungsverbot des § 320 StGB die Überlegung zugrunde liegt, daß 'nur der neutrale Staat selbst entscheiden kann, auf welche geschäftliche Beziehungen er sich unter Umständen mit den Kriegführenden einlassen kann, ohne seine Neutralitätspflicht zu verletzen' (Liebscher JBl. 1990, 629) und dabei z.B. auch außenpolitische Umstände eine Rolle spielen können (vgl. Doralt-Czoklich, ÖJZ 1991, 301 ff, insbes. 311), sodaß die vorgenannten Kriterien nur eine Orientierungshilfe bieten sollen (so auch Brandstetter/Loibl/Raschauer/Schmied, Neutralität und Waffenexporte, Ergänzungsband 1991, S 29). Damit trifft aber die Genehmigungsbehörde die Verantwortung für die Beachtung und Beurteilung der neutralitätsrechtlichen Gebote; der einzelne sollte damit - allenfalls abgesehen von dem Fall eines Rechtsmißbrauchs - aus der Verantwortung für die Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial entbunden sein, wenn er um eine entsprechende Genehmigung angesucht und sie erhalten hat. So vertritt auch das oben angeführte Gutachten dazu die Meinung, daß bei Vorliegen einer Ausfuhr-(Durchfuhr-)bewilligung der Tatbestand des § 320 Abs 1 Z 3 StGB nicht erfüllt sein könne (vgl. Brandstetter/Loibl, Neutralität und Waffenexporte, S 299 sowie Ergänzungsband S 40 f). In der Literatur zu vergleichbaren Fällen des Umweltstrafrechtes wird in diesem Zusammenhang von einem Rechtfertigungsgrund gesprochen (so Foregger/Serini, StGB4, § 180 Erl. IV; vgl. auch Helm, ÖZW 1988/3, S 79).

Aus der gemäß dem § 321 Abs 2 StPO den Geschwornen zum gesetzlichen Merkmal 'entgegen den bestehenden Vorschriften' des § 320 Abs 1 Z 3 StGB erteilten Rechtsbelehrung (vgl. oben) und aus dem Wahrspruch selbst ergibt sich nun aber, daß ausschließlich auf die materiellen Bestimmungen des KMG abgestellt wird. Die Rechtsbelehrung gab den Geschworenen keine Aufklärung darüber, daß etwa ein Bewilligungsbescheid im Sinn des KMG für den Bereich des § 320 Abs 1 Z 3 StGB eine konsensgemäßes Handeln rechtfertigende Bedeutung habe. Und diese Auslegung des § 320 Abs 1 Z 3 StGB findet im Gesetzeswortlaut Deckung, weil hier im Gegensatz zu den §§180 ff StGB nicht (auch) auf einen behördlichen Auftrag, sondern allein auf bestehende Vorschriften (somit auf den materiellen Inhalt genereller Normen) abgestellt wird. Anläßlich der Strafrechtsänderung 1987 (BGBl. 1987/605) wurde der Wortlaut des § 320 Abs 1 Z 3 StGB nicht geändert, obwohl insoweit vergleichbare Straftatbestände (Umweltstrafrecht, §§180 ff StGB) zwecks Einführung einer Verwaltungsakzessorietät entsprechend modifiziert wurden. Diese Tatsache steht einer Interpretation der Wortgruppe 'entgegen den bestehenden Vorschriften' im § 320 Abs 1 Z 3 StGB im Sinne einer Verwaltungsakzessorietät entgegen.

Eine solche unmittelbar am Gesetz (KMG) vorzunehmende Prüfung, ob das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal im konkreten Fall erfüllt ist, führt somit - anders als bei der gesetzlich normierten Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechtes - zu einer Zweigleisigkeit des Verfahrens: Ungeachtet einer durch die nach dem KMG zuständige Behörde auch unter Beachtung von § 3 Abs 1 Z 1 (also unter Einhaltung der neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen) erteilten Ausfuhrbewilligung kann - ganz allgemein auf die Bestimmungen des KMG abgestellt - der (objektive) Sachverhalt (in der Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes) von den Strafgerichten anders beurteilt werden (vgl. dazu auch Bittmann, 'Kriegsmaterialgesetz und Neutralitätsgefährdung' (RZ 1990, 242 ff), wonach in einem Gerichtsverfahren wegen Neutralitätsgefährdung auch immer geprüft werden muß, ob die behördliche Waffenexportbewilligung rechtmäßig war, sodaß der Strafrichter eine Kontrolle über verwaltungsbehördliche Akten ausübt, 'die sonst den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts vorbehalten ist ... Jeder Waffenexporteur, der weiß, daß die erteilte Ausfuhrbewilligung möglicherweise rechtswidrig ist, müßte sie vom Strafrichter überprüfen lassen ...').

Damit könnte und müßte aber eine letztlich politische Entscheidung über die Ausfuhr von z.B. Defensivwaffen in ein Kriegs-(Krisen-)gebiet - vom Fall einer in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erteilten Bewilligung abgesehen - von den Geschworenen im Rahmen eines Strafverfahrens nach dem § 320 Abs 1 Z 3 StGB nicht nur unter den Aspekten der Z 2 bis 6 des § 3 Abs 1 KMG, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Neutralitätsfrage (Z1) selbständig und gegebenenfalls als strafrechtlich relevant beurteilt werden. Einer solchen (neuerlichen) Überprüfung der anläßlich der Bewilligung der Ausfuhr von Kriegsmaterial dabei von der (Verwaltungs-)Behörde vorgenommenen Interessenabwägung durch das Gericht steht einerseits der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung entgegen (vgl. Seiler, Kritische Anmerkungen zum StrÄG 1987, JBl. 1989, 760; Heine, ÖJZ 1991, 372; auch Petznek, Umweltstrafrecht, 38). Andererseits könnte eine Kontrolle dieser Artüber die Rechtmäßigkeit derartiger Verwaltungsakte durch ein ordentliches Gericht aber auch als dem Verfassungsgrundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 B-VG widersprechend angesehen werden.

Auch deshalb fehlt daher dem § 320 Abs 1 Z 3 StGB im Hinblick auf die Art 6 und 7 MRK unter Bedachtnahme auf die oben zitierten Entscheidungen der europäischen Instanzen Z 49, EuGRZ 1979, 386 ff und Z 45, EuGRZ 1985, 170 ff. die erforderliche Bestimmtheit und Einsehbarkeit. Der Normunterworfene kann nämlich selbst bei qualifizierter juristischer Befähigung und beim Studium der einschlägigen Fachliteratur nicht in hinreichender Weise erkennen, welche Folgen sein Verhalten hat. Er ist auch auf Grund entsprechender Beratungen nicht in der Lage, die Folgen mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewißheit zu erkennen.

Der Oberste Gerichtshof teilt ferner die Bedenken der Rechtsmittelwerber zu § 2 KMG.

Nach der Bundesverfassung (Art18 Abs 2 B-VG) sind Verordnungen nur 'auf Grund der Gesetze' zu erlassen. Das heißt, daß eine Verordnung bloß präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH: VfSlg. 7945/1976, 9226/1981, 9227/1981, 11.639/1988 ua; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, S 82). Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen daraus also alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz: VfSlg. 4139/1962, 4662/1964, 5773/1966, 7945/1976); eine bloße formalgesetzliche Delegation, die der Verwaltungsbehörde eine den Gesetzgeber supplierende Aufgabe zuweist, stünde mit dem Art 18 Abs 1 (und 2) B-VG in Widerspruch (s. VfSlg. 4072/1961, 4300/1962).

Der § 2 KMG ordnet an, daß die Bundesregierung (im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates) durch Verordnung zu bestimmen hat, was als Kriegsmaterial anzusehen ist. Der Gesetzgeber verweist den Verordnungsgeber dabei auf den 'jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung', determiniert also das spätere Verhalten des Verordnungsgebers bei der Definition 'Kriegsmaterial' ausschließlich an diesem Kriterium. Der 'jeweilige Stand der militärtechnischen Entwicklung' ist aber nur ganz bestimmten, speziell mit dieser Materie befaßten Sachverständigen zugänglich. Eine derartige 'Technikklausel' ist nur dann als dem Bestimmtheitsgebot entsprechend anzusehen, wenn der Gesetzgeber dafür sorgt, daß die Vollziehung von qualifizierten technischem Sachverstand getragen ist, der Gesetzgeber also anordnet, daß und welche Sachverständige beizuziehen sind und welches konkret determninierte Verfahren dabei Anwendung findet. Das ist aber hier nicht der Fall. Der Begriff 'militärtechnische Entwicklung' ist auch für sich allein deswegen nicht hinreichend aussagekräftig, weil es auf den Standpunkt ankommt, unter dem die 'militärtechnische Entwicklung' betrachtet wird, ob es sich dabei um eine Entwicklung handelt, die gerade in Östereich abläuft oder ob dabei auch internationale Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Dabei wird ferner zu bedenken sein, daß eine solche Entwicklung auch aus Gründen der militärischen Geheimhaltung nicht voll zu überblicken ist.

Die Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§1, 3 und 7 KMG ist von der Definition des Begriffes 'Kriegsmaterial' abhängig. Die Definition schlägt damit auch auf den § 320 Abs 1 Z 3 StGB durch, zumal es keinem Zweifel unterliegen kann, daß - sofern nicht im Einzelfall konkrete Umstände dies ausschließen - die in der VO BGBl. 1977/624 als 'Kriegsmaterial' aufgezählten Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände als 'Kampfmittel' iS des § 320 Abs 1 Z 3 StGB anzusehen sind (Liebscher, aaO RN 23)."

b) In der Begründung seines zu G325/91 protokollierten - lediglich gegen § 320 Abs 1 Z 3 StGB gerichtenen - Antrages wiederholte der Oberste Gerichtshof die in seinem zu G280, 281/91 protokollierten Antrag gegen diese Bestimmung vorgetragenen Bedenken, wobei er ua. wiederum das (unter II. 2. a) zitierte Rechtsgutachten wörtlich wiedergab, auch die in dem zuletzt erwähnten Antrag ausgeführten Bedenken gegen § 2 KMG nahezu zur Gänze wörtlich wiederholte und zur Begründung hiefür einleitend ausführte:

"Es bestehen aber auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 320 Abs 1 Z 3 StGB wegen seines inhaltlichen Zusammenhanges mit dem § 2 KMG, in welcher Bestimmung angeordnet wird, daß die Bundesregierung (im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates) durch Verordnung festzulegen hat, was als Kriegsmaterial anzusehen ist. Die Definition des Begriffes "Kriegsmaterial" schlägt nämlich auf den § 320 Abs 1 Z 3 StGB durch, ...".

3. a) Die Bundesregierung hat zu dem zu G280, 281/91 protokollierten Antrag eine Äußerung erstattet. Sie vertrat darin zur Frage der Präjudizialität der angegriffenen Vorschriften die Ansicht, daß in § 320 Abs 1 Z 3 StGB die Worte "oder durch das Inland durchführt" vom Obersten Gerichtshof deswegen nicht anzuwenden - und daher nicht präjudiziell - seien, weil das den Anlaß für den Gesetzesprüfungsantrag bildende Verfahren sich lediglich auf den Fall der Ausfuhr, nicht jedoch auf den der Durchfuhr von Kampfmitteln bezogen habe.

Aus diesem Grund seien auch die - die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial betreffenden - §§1 und 7 KMG, soweit sie sich auf die Ein- und die Durchfuhr beziehen, vom Obersten Gerichtshof nicht anzuwenden, daher nicht präjudiziell.

Schließlich ist nach Auffassung der Bundesregierung auch die Präjudizialität des § 7 Abs 2 KMG nicht gegeben, weil sich diese Bestimmung auf ein gemäß § 4 KMG (mit Verordnung) erlassenes Verbot (der Ausfuhr von Kriegsmaterial in bestimmte Staaten) bezieht, der Oberste Gerichtshof sie daher nicht anzuwenden hätte.

b) In der Äußerung, die die Bundesregierung im Verfahren zu G325/91 erstattet hat, hat sie auf ihre zu G280, 281/91 abgegebene Äußerung verwiesen.

4. a) Im übrigen hat die Bundesregierung in ihrer zu G280, 281/91 erstatteten Äußerung eingeräumt, daß die gegen die angegriffenen Vorschriften vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken durchaus Gewicht haben; sie hat jedoch zur Verteidigung der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften folgendes vorgebracht:

"1. Zur Frage des in § 320 Abs 1 Z 3 enthaltenen Verweises 'auf bestehende Vorschriften'.

1.1. Ein Weiterverweis auf bestehende Vorschriften ist eine in der österreichischen Rechtsetzungsprxis häufig geübte Technik, die bewirkt, daß die Norm, auf die verwiesen wird, zum Bestandteil der verweisenden Norm wird.

Was die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser legistischen Technik anlangt, so sei auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hingewiesen, derzufolge es 'verfassungsgesetzlich nicht bedenklich (ist), wenn eine gesetzliche Bestimmung auf den Inhalt eines ordnungsgemäß publizierten anderen Gesetzes verweist und auf diese Weise dessen Bestimmungen übernimmt' (vgl. insbes. VfSlg. 6355/1971).

Im vorliegenden Zusammenhang wird ferner auch auf das Erkenntnis VfSlg. 8695/1979 Bedacht zu nehmen sein, in dem der Verfassungsgerichtshof zur Frage der hinreichenden Bestimmtheit einer gesetzlichen Vorschrift folgendes ausführt:

'Auszugehen ist von der im Erk. Slg. 3207/1957 entwickelten, im Erk. Slg. 4037/1961 vertieften und seither festgehaltenen, aus dem rechtsstaatlichen Gebot des Art 18 B-VG abzuleitenden Rechtsprechung des VfGH, daß die Rechtsordnung dem einzelnen die Möglichkeit geben muß, sich dem Rechte gemäß zu verhalten und den Unrechtsgehalt seines Handelns oder Unterlassens eindeutig zu erkennen, die Freiheitssphäre vom Gebiet des Unerlaubten also durch eine deutliche Grenzziehung zu scheiden hat.

Wie der VfGH aber gleichfalls wiederholt ausgesprochen hat, macht die Notwendigkeit, eine andere Vorschrift sinngemäß anzuwenden, die Regelung ebensowenig unbestimmt (vgl. z.B. Slg. 6355/1971) wie die Technik der sogenannten Blankettstrafnorm (Slg. 6896/1972). Eine dem rechtsstaatlichen Gebot widersprechende Unbestimmtheit könnte daher vorliegen, wenn entweder die Umschreibung des strafbaren Verhaltens im einzelnen Tatbestand undeutlich wäre oder das Verhältnis der Tatbestände zueinander nicht geklärt werden könnte und schließlich, wenn der Inhalt der Tatbestände die Art der sinngemäßen Anwendung in Schwebe ließe.'

Keine der im letzten Satz dieses Zitats genannte Voraussetzungen dürfte aber auf § 320 Abs 1 Z 3 StGB zutreffen:

Die Umschreibung des Tatbestandes wird grundsätzlich in der Norm selbst vorgenommen, lediglich hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals 'entgegen den bestehenden Vorschriften' liegt ein Verweis auf eine andere Norm vor.

Auch dürfte der Inhalt dieses Verweises - wie noch zu zeigen sein wird - klar und für den Betroffenen durchaus nachvollziehbar sein. Auch wird sich schwerlich nachweisen lassen, daß hinsichtlich der Vorschrift des § 320 Abs 1 Z 3 StGB das Verhältnis von Tatbeständen zueinander nicht geklärt werden könnte oder daß die Art einer sinngemäßen Anwendung in Schwebe bliebe. Dabei scheint auch von Bedeutung zu sein, daß der von § 320 Abs 1 Z 3 StGB Betroffene zugleich Adressat der 'entgegenstehenden Vorschriften' ist, sodaß schon aus diesem Grund beim betroffenen Personenkreis von der Kenntnis auch dieser Vorschriften auszugehen sein wird.

In diesem Zusammenhang ist im besonderen auf § 2 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, JGS Nr. 946/1811 i.d.g.F. hinzuweisen, der zur Frage des Erfordernisses der Kenntnis der Rechtsordnung folgendes bestimmt:

'Sobald ein Gesetz gehörig kundgemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sei.'

Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Bereich des bürgerlichen Rechts, sondern im Hinblick auf Art 49 Abs 1 B-VG ganz allgemein.

So hängt - etwa nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - im Hinblick auf Art 49 Abs 1 B-VG die 'bindende Kraft gehörig kundgemachter Bundesgesetzes für den einzelnen Staatsbürger nicht davon' ab, 'ob dieser den Inhalt des Gesetzes kennt oder nicht' (vgl. VwSlg.NF 6972 A vgl. auch VwSlg.NF 2715 A, 5486 A, 8181 A).

Für strafrechtliche Vorschriften bildet freilich § 9 StGB insoferne eine spezifische strafrechtliche Grenze für die Verweistechnik, als der, der das Unrecht der Tat wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennt, nicht schuldhaft handelt, wenn ihm der Irrtum nicht vorzuwerfen ist (vgl. § 9 Abs 1 StGB). Daraus wird man im Zusammenhang mit der Technik des Verweises abzuleiten haben, daß dann wenn strafgesetzliche Vorschriften unüberblickbar werden, dies grundsätzlich zu einer Schuldausschließung beim Täter führt. Gemäß § 9 Abs 2 ist ein solcher Rechtsirrtum aber trotzdem 'vorzuwerfen', wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekanntgemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre. Dies dürfte aber gerade bei dem von § 320 Abs 1 Z 3 StGB erfaßten Personenkreis von Bedeutung sein. Eine Kenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften wird im besonderen von einem Personenkreis auszunehmen sein, der gewerbsmäßig und in kaufmännischer Wiese mit dem Vertrieb von Kriegsmaterial befaßt ist.

Daß die Rechtsordnung auch im Bereich des Strafrechts ohne die Technik des Verweises nicht auszukommen vermag, zeigen auch andere Beispiele, wie etwa § 2 StGB ('Verpflichtung durch die Rechtsordnung'), § 99 Abs 1 StGB ('widerrechtlich') und § 33 des Finanzstrafgesetzes ('Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs-, oder Wahrheitspflicht').

1.2. Die 'bestehenden Vorschriften', auf die § 320 Abs 1 Z 3 StGB in dem hier maßgeblichen Zusammenhang verweist und auf die der vorliegende Gesetzesprüfungsantrag Bezug nimmt, sind in erster Linie das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial BGBl. Nr. 540/1977 sowie die darauf gestützte Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 624/1977. Darüber hinaus sei auf das Außenhandelsgesetz 1984 und auf das Sicherheitskontrollgesetz, BGBl. Nr. 408/1972 i.d.g.F. verwiesen. Bei diesen Normen handelt es sich um ordnungsgemäß im Bundesgesetzblatt kundgemachte Rechtsvorschriften. Daher dürfte dieser Verweis die genannten rechtsstaatlichen Anforderungen sehr wohl erfüllen.

Im Hinblick auf die Kundmachung des Kriegsmaterialgesetzes und der erwähnten darauf gestützten Verordnung im Bundesgesetzblatt wird es auch nicht zutreffen, daß ein geradezu 'archivarischer Fleiß' erforderlich sei, um die in Geltung stehenden Vorschriften aufindig zu machen. Zum Unterschied von dem dem Erkenntnis VfSlg. 3130/1956 zu Grunde liegenden Sachverhalt sind also im vorliegenden Fall die in Betracht kommenden Vorschriften in einem allgemein zugänglichen Publikationsorgan kundgemacht. Es ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verfassungsgesetzlich nicht bedenklich, wenn eine gesetzliche Bestimmung auf den Inhalt eines ordnungsgemäß publizierten anderen Gesetzes verweist und auf diese Weise dessen Bestimmungen übernimmt (vgl. VfSlg. 6355/1971; in diesem Sinn weiters VfSlg. 5633/1967 und 5786/1975).

Damit dürfte aber auch dem Bestimmtheitsgebot des § 1 StGB, wonach eine Strafe oder eine verbeugende Maßnahme nur wegen einer Tat verhängt werden darf, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt und schon zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, Genüge getan sein.

Durch die Rezeption der 'verwiesenen Vorschriften' wird der § 320 StGB gemeinsam mit diesen Vorschriften zu einem Normenkomplex, der in seiner Gesamtheit auf das darunter zu subsumierende Verhalten anzuwenden ist. Mit anderen Worten, es kommt nicht auf § 320 StGB allein, sondern auf den sich aus dieser Norm und den kriegsmaterialrechtlichen - allgenfalls außenhandelsrechtlichen - Vorschriften gebildeten Komplex an.

Hervorzuheben ist dabei, daß dieser Normenkomplex durch die Ermittlung der im Bundesgesetzblatt kundgemachten Rechtsvorschriften jedenfalls feststellbar ist. Damit dürften aber, weder was den Zugang zu den einschlägigen gesetzlichen Regelungen noch was die Vohersehbarkeit der Folgen gesetzwidrigen Verhaltens anlangt, in die Verfassungssphäre reichende Probleme bestehen.

1.3. Was den Verweis auf 'bestehende Vorschriften' und damit allenfalls auf einen, auf die bestehenden Vorschriften gegründeten Verwaltungsakt anlangt, so ist folgendes zu bemerken:

Dieser Verweis auf 'die bestehenden Vorschriften' wird lege non distinguente - auch 'individuelle' Vorschriften erfassen. Im vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag (S. 22f) wird dazu ausgeführt, daß der Gesetzeswortlaut des § 320 Abs 1 Z 3 ('entgegen den bestehenden Vorschriften') im Gegensatz zu den §§180ff StGB in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987, BGBl. Nr. 605, nicht (auch) auf einen behördlichen Auftrag, sondern allein auf bestehende Vorschriften (somit auf den materiellen Inhalt genereller Normen) abgestellt sei. Die Nichtänderung der Wortgruppe 'entgegen den bestehenden Vorschriften' im § 320 Abs 1 Z 3 StGB anläßlich des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 stehe einer Interpretation dieses Tatbestandes im Sinne einer Verwaltungsakzessorietät entgegen.

Dazu ist zunächst zu bemerken, daß das Recht dem Bürger, grundsätzlich auch im Bescheid einer Verwaltungsbehörde entgegentritt, denn der Staat verpflichtet diesen durch einen Bescheid nicht minder als durch ein Gesetz (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 6. Auflage, Wien 1988, Seite 2f).

Im konkreten strafrechtlichen Zusammenhang erscheint darüberhinaus bemerkenswert, daß auch die ursprüngliche, bis zum Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 in Geltung gestandene Fassung des § 180 Abs 2 StGB ('Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen einer bestehenden Rechtsvorschrift ein Gewässer oder die Luft so verunreinigt, ...') - ungeachtet des Umstandes, daß ausschließlich auf 'bestehende Rechtsvorschriften' abgestellt war - in Lehre und Rechtsprechung stets im Sinne einer umfassenden Verwaltungsakzessorietät verstanden worden ist, und zwar derart, daß jeder Ungehorsam gegen behördliche Aufträge und Auflagen, die auf der Grundlage solcher Rechtsvorschriften ergangen sind, zugleich auch als Ungehorsam gegen die Rechtsvorschrift angesehen wurde (Foregger-Serini, StGB1-3, § 180 Anm. III, Leukauf-Steininger, StGB2, § 180 RN 13; Schild, JBl. 1979, 19; Wegscheider, ÖGZ 1982, 144; Wegscheider, ÖJZ 1985, 483; Schick, Strafrechtliche Probleme der Gegenwart Nr. 12, 115f; Triffterer, JBl. 1986, 410; Kunst, Schriftenreihe des BMJ Nr. 34, 76).

Der Justizausschuß des Nationalrates, auf den die ursprüngliche Fassung des § 180 Abs 2 StGB zurückgeht, ging offenbar davon aus, daß sich die Strafbestimmungen der §§180f StGB nicht auf behördlich genehmigte Anlagen beziehen, sofern diese in einer der behördlichen Genehmigung entsprechenden Form betrieben werden (959 BlgNR XIII. GP, Seite 29). Dem Gesetzgeber war daher zu unterstellen, daß der genehmigungswidrige Betrieb einer Anlage bzw. der Verstoß gegen bescheidmäßige Auflagen beim Betrieb einer solchen im Anwendungsbereich der §§180f StGB liegen und demnach auch Bescheide dem Begriff der 'Rechtsvorschrift' im Sinne dieser Tatbestände unterfallen sollten. (Auch das Erkenntnis des -6, das sich auf umweltstrafrechtlich relevante Tathandlungen aus dem Jahre 1986 bezog, geht offenbar von dieser in Lehre und Rechtsprechung bisher unbestrittenen Auffassung der Verwaltungsakzessorietät des § 180 Abs 2 StGB in seiner ursprünglichen Fassung aus.

Auch das im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Justiz ergangene Durchführungsrundschreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie zu dem durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 geänderten Umweltstrafrecht, Zl. 03 4762/1-I/3/89, ging davon aus, daß schon nach der ursprünglichen Fassung des § 180 Abs 2 StGB jedes Zuwiderhandeln gegen Verwaltungsakte eine Verletzung jener Rechtsvorschriften darstellte, aufgrund derer sie erlassen wurden (S. 4). Die im Strafrechtsänderungsgesetz 1987 gewählte Formulierung: "entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag" sollte dies lediglich deutlicher zum Ausdruck bringen. Der Bericht des Justizausschusses zum Strafrechtsänderungsgesetz 1987, 359 BlgNR XVII. GP, Seite 22, geht hinsichtlich der Verwaltungsakzessorietät offenbar gleichfalls von einer Kontinuität zwischen der früheren und der ab geltenden Rechtslage aus.

Der Umstand, daß der Gesetzgeber des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 im Zuge der Neugestaltung der Tatbestände des Umweltstrafrechtes durch Hinzufügung der Worte 'entgegen ... einem behördlichen Auftrag' eine Klarstellung einer im wesentlichen unstrittigen Rechtslage vorgenommen hat, dürfte daher der Annahme, daß § 320 Abs 1 Z 3 StGB im Sinne der Verwaltungsakzessorietät zu verstehen ist, nicht entgegenstehen. Insbesondere wird man aus dem Umstand, daß der Wortlaut des § 320 (Abs1 Z 3) StGB im Jahre 1987 unverändert geblieben ist, nicht den Schluß ziehen können, daß der Gesetzgeber ab diesem Zeitpunkt der Wortfolge 'entgegen den bestehenden Vorschriften' eine andere, nämlich eine engere Bedeutung geben wollte.

Damit wurden aber auch die im vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag angestellten Erwägungen im Sinne einer 'Zweigeleisigkeit des Verfahrens' hinfällig. Eine inhaltliche Nachprüfung der Gesetzmäßigkeit erteilter Ausfuhrbewilligungen durch die Strafgerichte anhand der Kriterien des Kriegsmaterialgesetzes - eine solche wird im Gesetzesprüfungsantrag mit Recht als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet - erübrigt sich. Vielmehr ist bei der Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit von den Strafgerichten an bestehende (individuelle) Verwaltungsakte anzuknüpfen. Dem Gericht obliegt somit im Fall des Vorliegens eines individuellen Verwaltungsaktes nicht die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes, sondern nur die Prüfung der Frage, ob diesem Verwaltungsakt zuwider gehandelt wurde.

1.4. Zur Frage der Einsehbarkeit des Tatbestandes des § 320 Abs 1 Z 3 StGB wird folgendes ausgeführt:

Zunächst ist festzuhalen, daß § 320 StGB das Unrecht des tatbestandsmäßigen Handelns durch die Vorsatzform der Wissentlichkeit wesentlich einschränkt. Dieses Erfordernis der Wissentlichkeit bezieht sich nämlich auf alle Tatbildmerkmale (Liebscher im Wiener Kommentar RZ 11 zu § 20 StGB, Leukauf-Steiniger RZ 9 zu § 320 StGB).

Jeder Rechtsirrtum nach § 9 StGB schließt die Wissentlichkeit aus, sodaß die Vorwerfbarkeit eines solchen Irrtums außer Betracht bleiben kann (10 Os 61/77 vom zitiert bei Mayerhofer-Rieder StGB3 E.Nr. 10 zu § 5 StGB und E.Nr. 78 zu § 153 StGB; vgl. in diesem Sinne auch die Anm. zu § 9 StGB bei Mayerhofer-Rieder a.a.O.).

Diese Einschränkung des Unrechtes tatbestandsmäßigen Handelns gilt auch hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale 'Krieg' und 'bewaffneter Konflikt' oder 'unmittelbar drohende Gefahr eines solchen Krieges oder Konfliktes'. Sie bezieht sich schließlich auch auf den Begriff des 'Kampfmittels', der im Strafgesetzbuch (§§280 und 320) in einem weiten, jedenfalls alle Arten von (nicht bloß militärischen) Waffen umfassenden Sinn verwendet wird. Die in der Verordnung BGBl. Nr. 624/1977 aufgezählten Gegenstände fallen jedenfalls unter den Begriff des Kampfmittels (Liebscher, Wiener Kommentar, Rz 23 zu § 320). Jeder Rechtsirrtum über die Auslegung dieser Begriffe schließt die Wissentlichkeit und damit das Unrecht und die Strafbarkeit aus. § 320 StGB schränkt die Strafbarkeit auf klare und eindeutige Sachverhalte ein, um die der Normadressat tatsächlich weiß. Im übrigen darf auch auf die Ausführungen zu Punkt 4 verwiesen werden.

2. Zur Frage des 'dynamischen Verweises' im § 320 Abs 1 Z 3 StGB ist folgendes zu bemerken:

Im erwähnten Gutachten wird die Auffassung vertreten, § 320 StGB enthalte im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal 'entgegen den bestehenden Vorschriften ... ausführt oder ... durchführt ...' eine verfassungswidrige 'dynamische Verweisung'. Der Verfassungsgerichtshof hat aber eine solche dynamische Verweisung nur dann für verfassungswidrig erachtet, wenn der Gesetzgeber nicht selbst den Inhalt der Norm festlegt, sondern dies 'einem anderen Gesetzgeber' überläßt. Im vorliegenden Zusammenhang ist aber auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Gesetzgeber des § 320 StGB auf vom gleichen Gesetzgeber beschlossene oder in Zukunft zu beschließende Vorschriften verweist.

So gesehen dürfte dieser Verweis aber verfassungsrechtlich sehr wohl zulässig sein.

3. Zu den von § 320 StGB behauptetermaßen bewirkten Eingriffen in Grundrechte ist folgendes zu bemerken:

Die Regelung des § 320 Abs 1 Z 3 StGB dürfte im öffentlichen Interesse gelegen sein und ein legitimes Ziel verfolgen, nämlich den Schutz der außenpolitischen Interessen Österreichs. Der besondere Schutzzweck dieser Bestimmung wird durch die Überschrift des 24. Abschnittes des Strafgesetzbuches ('Störung der Beziehungen zum Ausland'), in den der Tatbestand des § 320 StGB eingegliedert ist, verdeutlicht. Der Schaffung einer Strafbestimmung wird auch zur Erreichung des Ziels als adäquat angesehen werden müssen, weil es sich um den Schutz eines sehr wesentlichen Rechtsgutes handelt, bei dessen Verletzung letztlich das internationale Ansehen Österreichs auf dem Spiel steht. Eine Abwägung zwischen den öffentlichen und den privaten Interessen wird in diesem Fall wohl zu Gunsten der öffentlichen Interessen ausfallen müssen. dies dürfte auch der Grund dafür sein, daß der Gesetzgeber das Verhalten privater Personen unter Strafe gestellt hat, auch wenn man davon ausgehen muß, daß die mit den Haager Übereinkommen übernommenen Neutralitätsverpflichtungen nicht durch die - im Tatbestand wiedergegebenen - Handlungen von Privatpersonen selbst verletzt werden, sondern daß eine Neutralitätsverletzung erst in der Duldung dieser Handlung durch den Staat gelegen wäre (vgl. RV zum StGB 30 BlgNR XII. GP S 470). Letztlich soll § 320 Abs 1 Z 3 StGB offenbar in Verbindung mit den einschlägigen 'bestehenden Vorschriften' verhindern, daß Kampfmittel, die aus (oder durch) Österreich geliefert werden, in einem Krieg oder bewaffneten Konflikt eingesetzt werden.

4. Zur Frage der Vorhersehbarkeit und der Einsehbarkeit der sich aus § 320 Abs 1 Z 3 ergebenden Verpflichtungen ist folgendes zur Erwägung zu stellen:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Tatbestandselement 'gesetzlich vorgesehen' im Zusammenhang mit grundrechtsbeschränkenden Regelungen dann als vorliegend angesehen, wenn die einen Eingriff begründende Vorschrift ausreichend zugänglich und hinreichend bestimmt ist (vgl. das Urteil vom im Falle Sunday Times gegen das Vereinigte Königreich, § 47, das Urteil vom im Falle Silver gegen das Vereinigte Königreich, § 86, sowie auch das Urteil vom im Fall Malone gegen das Vereinigte Königreich, § 66). Auch darf die Formulierung solcher Regelungen nicht derart allgemein gehalten sein, daß sie nicht mehr genügend Schutz gegen willkürliche Gesetzesanwendung zu bieten vermag (vgl. das Urteil im Fall Malone, § 67).

Zur Frage der hinlänglichen Bestimmtheit des § 320 Abs 1 Z 3 ('sufficient precision') ist nun folgendes zu bemerken:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht hat u.a. in seinem Urteil im Fall Silver u.a. gegen das Vereinigte Königreich (§§86ff) - aber auch schon in seinem Urteil im Fall Sunday Times gegen das Vereinigte Königreich (§49) - zu Recht erkannt, daß eine Norm nicht als Gesetz im Sinn des Art 8 Abs 2 EMRK angesehen werden kann, wenn sie nicht so präzise formuliert ist, daß der Bürger sein Verhalten danach einrichten kann. Vielmehr müsse der Bürger - gegebenenfalls auf Grund entsprechender Beratung - in der Lage sein, die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewißheit zu erkennen. Diese Voraussetzungen dürften aber, wie die obenstehenden Ausführungen zeigen, im Fall des § 320 Abs 1 Z 3 StGB erfüllt sein.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte räumt im übrigen auch ein, daß es unmöglich ist, zu einer absoluten Bestimmtheit bei der Gestaltung von Gesetzen zu gelangen und daß das Streben nach Bestimmtheit zu exzessiver Starrheit führen kann und daher viele Gesetze unvermeidlich in mehr oder minder vage Begriffe gefaßt und ihre Interpretation und Anwendung Fragen der Praxis sind (vgl. das Urteil im Fall Sunday Times, § 49).

5. Zur Frage des Charakters des § 320 Abs 1 Z 3 StGB als Blankettstrafnorm ist auf folgendes hinzuweisen:

Blankettstrafnormen sind Normen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie selbst keine Tatbilder enthalten; diese müssen vielmehr vom vollziehenden Organ erst 'entworfen' werden (vgl. VwSlg. NF 6143 A). Gegen einen solchen gesetzestechnischen Vorgang der äußeren Trennung von Strafdrohung und -tatbestand bestehen an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken; es können sich nur im einzelnen Fall Zweifel darüber ergeben, was Tatbestand der Blankettstrafnorm ist (vgl. VfSlg. 3207/1952, 4589/1963, 5469/1967). Die Notwendigkeit, eine andere Vorschrift sinngemäß anzuwenden, macht die Regelung ebensowenig unbestimmt (VfSlg. 6355/1971) wie die Technik der sogenannten Blankettstrafnorm (vgl. VfSlg. 6896/1972, 8695/1979). Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, daß die Rechtsordnung dem einzelnen die Möglichkeit geben muß, sich dem Rechte gemäß zu verhalten und den Unrechtsgehalt seines Handelns oder Unterlassens eindeutig zu erkennen, die Freiheitssphäre vom Gebiet des Unerlaubten also durch eine deutliche Grenzziehung zu scheiden hat (VfSlg. 8695/1979). Nach dem Grundsatz 'nulla poena sine lege' muß gerade bei Blankettstrafnormen die Abgrenzung des erlaubten vom unterlaubten Verhalten so eindeutig erkennbar sein, daß jeder berechtigte Zweifel des Normunterworfenen über den Inhalt seines pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen ist (vgl. VwSlg. NF 9671 A).

Im Hinblick auf § 320 Abs 1 Z 3 StGB ergibt sich daraus folgendes: Die Bestimmung verweist keineswegs in toto auf 'bestehende Vorschriften', sondern formuliert die inkriminierten (tatbildlichen) Verhaltensweisen weitgehend selbst, nämlich u.a. die Ausfuhr von Kampfmitteln aus Österreich oder deren Durchfuhr durch das Inland, wenn dies - und lediglich hiefür verwendet die gesetzliche Bestimmung einen Verweis - entgegen den bestehenden Vorschriften geschieht (vgl. auch die Ausführungen unter Pkt. 1.1.).

Das im Bundesgesetzblatt kundgemachte Kriegsmaterialgesetz statuiert in seinem § 1 eine grundsätzliche Bewilligungspflicht für die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial; was als Kriegsmaterial anzusehen ist, ergibt sich - wie bereits erwähnt - aus der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 624/1977. Es erscheint daher schwerlich vorstellbar, daß beim Normunterworfenen Zweifel darüber bestehen können, daß die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Kriegsmaterial einer Bewilligung bedarf.

Darüber hinaus verlangt § 320 StGB wie bereits erwähnt eine wissentliche Tatbegehung. Da die Wissentlichkeit auch die 'bestehenden Vorschriften' auf die im § 320 Abs 1 Z 3 verwiesen wird, erfassen muß, kommt § 320 StGB im Fall des Fehlens der Wissentlichkeit ohnehin nicht zum Tragen.

6. Zu den auf Art 18 B-VG in Verbindung mit Art 6 und 7 MRK gestützten Bedenken ist folgendes zu bemerken:

6.1. Soweit sich diese Bedenken auf Art 6 MRK beziehen, so wird zur Erwägung gestellt, daß die Frage der Grundrechtswidrigkeit einer materiellen Norm wohl von der Frage einer allfälligen Verletzung von Verfahrensgarantien zu trennen sein wird. Andernfalls würde etwa die Anwendung einer im Hinblick auf Art 18 B-VG nicht ausreichend bestimmten Norm in einem Zivil- oder Strafverfahren, in jedem Fall auch eine Verletzung des Art 6 MRK bedeuten. So weitreichend wird jedoch die Tragweite des Art 5 MRK - und zwar auch in der Rechtsprechung der Organe der MRK - nicht verstanden.

6.2. Soweit sich die Bedenken auf Art 7 MRK beziehen, haben sie offenbar den Grundsatz nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege im Auge. Dazu darf auf das verwiesen werden, was bereits zur Frage der Bestimmtheit der Norm ausgeführt wurde.

E) Zu den Bedenken betreffend die Bestimmtheit der in § 2 des Kriegsmaterialgesetzes enthaltenen Verordnungsermächtigung.

Das Kriegsmaterialgesetz legt in seinem § 2 den Umfang der von der Verordnung zu erfassenden Waffen Munitions- und Ausrüstungsgegenstände nach dem Ziel fest, daß diese Umschreibung dem jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung entsprechen muß.

Damit enthält die Verordnungsermächtigung eine Determinierung dahingehend, auf welche technische Entwicklung bei der Verordnungserlassung im besonderen abzustellen ist. Durch diese Umschreibung wird der Kreis der in Frage kommenden technischen Verfahren näher festgelegt. Der dabei verwendete unbestimmte Gesetzesbegriff dürfte aber für den Verordnungsgeber sehr wohl nachvollziehbar sein.

Was nun das Bedenken betrifft, der § 2 des Kriegsmaterialgesetzes enthalte keine Regelung darüber, daß die Verordnung nur unter Heranziehung entsprechender Sachverständiger erlassen werden könne, so ist zu bemerken, daß diesem Erfordernis im gegebenen Zusammenhang sehr wohl ausreichend Rechnung getragen sein dürfte: Gemäß § 2 des Kriegsmaterialgesetzes ist die Verordnung von der Bundesregierung zu erlassen. Damit ist aber sichergestellt, daß auch der Bundesminister für Landesverteidigung den in seinen Wirkungsbereich fallenden Sachverstand bei der Erlassung dieser Verordnung einzubringen hat. Dem Bundesminister für Landesverteidigung stehen nämlich im Rahmen des Bundesministeriums für Landesverteidigung sowie der zum Ressortbereich dieses Bundesministeriums zählenden Ämter (etwa das Amt für Wehrtechnik und das Heeres-Materialamt) geeignete Einrichtungen zur Verfügung, um den erforderlichen Sachverstand bei der Verordnungserlassung zum Tragen zu bringen (vgl. Bundesministeriengesetz 1986, Teil 2 der Anlage zu § 2, Abschnitt I; vgl. insbes. 'Angelegenheiten der Wehrtechnik einschließlich der militärtechnischen Forschung und Erprobung'). Die Verpflichtung der Bundesregierung, auf die entsprechenden sachlichen Kenntnisse Bedacht zu nehmen, ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 2 des Kriegsmaterialgesetzes als auch aus § 3 Z 2 des Bundesministeriengesetzes 1986; nach der zuletzt genannten Bestimmung haben die Bundesministerien die Bundesregierung bei der Besorgung ihrer Aufgaben zu unterstützen, Verordnungen der Bundesregierung vorzubereiten und die Beschlüsse der Bundesregierung innerhalb ihres Wirkungsbereiches durchzuführen.

Wenn aber - ausgehend davon - für § 2 des Kriegsmaterialgesetzes keine Bedenken bestehen, so führte dies wegen der Gleichartigkeit der diesbezüglichen Argumentation auch zur Bedenkenfreiheit der §§1 und 7 des Kriegsmaterialgesetzes."

Abschließend stellte die Bundesregierung den Antrag,

"1. der Verfassungsgerichtshof wolle den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag insoweit mangels (gemeint wohl: wegen) Fehlens der Prozeßvoraussetzungen zurückweisen, als er sich bezieht auf

a) die Worte: 'oder durchführt' in § 320 Abs 1 Z 3 des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974 idgF

b) die Worte: 'Ein-,' und 'und Durchfuhr' in § 1 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540/1977 idgF

c) die Worte: 'ein-,' und 'oder durchführt,' in § 7 Abs 1 des in litb genannten Bundesgesetzes

d) auf § 7 Abs 2 des in litb genannten Bundesgesetzes, und

e) die Worte: 'oder 2', weiters auf die Worte 'oder entgegen einer Untersagung nach § 4' sowie auf die Worte 'Ein-,' und 'oder Durch' in § 7 Abs 3 des litb genannten Bundesgesetzes.

2. Im übrigen oder für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof dem unter Punkt 1 gestellten Antrag nicht stattgibt, wolle der Verfassungsgerichtshof aussprechen, daß § 320 Abs 1 Z 3 des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974 idgF sowie die §§1, 2 und 7 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540/1977 idgF nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind."

Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof den Anträgen des Obersten Gerichtshofes stattgibt, beantragte die Bundesregierung, für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen eine Frist von einem Jahr festzusetzen.

b) In ihrer zu G325/91 erstatteten Äußerung hat die Bundesregierung auf ihre zu G280, 281/91 abgegebene Äußerung auch insofern verwiesen, als sie sich darin mit den vom Obersten Gerichtshof vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 320 Abs 1 Z 3 StGB auseinandergesetzt hatte.

5. Die Staatsanwaltschaft Linz hat in einer Stellungnahme zu dem zuletzt erwähnten Gesetzesprüfungsantrag (G 280, 281/91) mit ausführlicher Begründung den Standpunkt vertreten, daß die vom Obersten Gerichtshof in der Begründung dieses Antrages vorgebrachten Bedenken gegen die angegriffenen Gesetzesbestimmungen nicht zuträfen.

6. Die im Verfahren zu G280, 281/91 beteiligten Parteien sowie eine im Verfahren zu G325/91 beteiligte Partei haben in einer Äußerung der Sache nach die vom Obersten Gerichtshof dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angegriffenen Gesetzesbestimmungen geteilt und durch weitere Überlegungen zu bekräftigen versucht.

7. Zur Vorbereitung der öffentlichen mündlichen Verhandlung am hat der - bei dieser Verhandlung nicht vertretene - Oberste Gerichtshof mit einem auf Grund eines Beschlusses vom eingebrachten Äußerung zu einigen Fragen, die der Verfassungsgerichtshof aufgeworfen hatte, Stellung genommen.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen:

1. Ein Antrag des Obersten Gerichtshofes iS des Art 89 Abs 2 und des Art 140 Abs 1 B-VG auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit hat zur Voraussetzung, daß der Oberste Gerichtshof die Gesetzesstelle, deren Aufhebung er beantragt, in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte (s. zB VfSlg. 8004/1977, 8458/1978). Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Entscheidung über die Präjudizialität das antragstellende Gericht an eine bestimmte Gesetzesauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung des Gerichtes in der Hauptfrage vorgreifen würde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag eines (zur Antragstellung befugten) Gerichtes mangels Präjudizialität nur dann zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß das angefochtene Gesetz vom antragstellenden Gericht im Anlaßfall anzuwenden ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 10066/1984 mwH, 10296/1984, 10357/1985, 10640/1985, 11027/1986, 11576/1987).

2. Die den Anträgen des Obersten Gerichtshofes zugrundeliegende Annahme, er werde die hier in Betracht kommende Bestimmung des § 320 StGB in der derzeit geltenden (durch ArtI des Bundesgesetzes BGBl. 30a/1991 geänderten) Fassung anzuwenden haben, ist jedenfalls denkmöglich: Der vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. 30a/1991 in Geltung gestandene Wortlaut des § 320 StGB hat durch dieses Bundesgesetz nämlich keine Änderung erfahren, sondern lediglich die Absatzbezeichnung "1" erhalten. Der zugleich angefügte Abs 2 sieht die Nichtanwendung des Abs 1 in bestimmt gearteten Fällen vor, schränkt demnach den Kreis der in Abs 1 normierten strafbaren Tatbestände ein und trifft damit eine für die Normadressaten günstigere Regelung. Es ist daher iS des § 61 zweiter Satz StGB die derzeit geltende Fassung des § 320 StGB auch auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten anzuwenden, weil die gesetzliche Regelung, die zur Zeit solcher Taten gegolten hat, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger war (s. in diesem Zusammenhang Nowakowski, in Foregger-Nowakowski (Hrsg.) Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (1984), Zu § 1, Rz 22).

Auch der Annahme des Obersten Gerichtshofes, § 320 Abs 1 Z 3 StGB sei von ihm in jenem Verfahren, das Anlaß für den zu G325/91 protokollierten Gesetzesprüfungsantrag gab, ebenfalls anzuwenden (s. dazu das unter II. 2. b zusammengefaßt wiedergegebene Antragsvorbringen) kann der Verfassungsgerichtshof nicht entgegentreten. Die den beiden gegen § 320 Abs 1 Z 3 StGB gerichteten Gesetzesprüfungsanträgen zugrundeliegenden Verfahren haben aber lediglich die Ausfuhr von Kampfmitteln (und nicht auch deren Durchfuhr durch das Inland) iS des § 320 Abs 1 Z 3 StGB betroffen und deshalb ist nur die darin enthaltene Wortgruppe "aus dem Inland ausführt oder" präjudiziell.

Angesichts der in § 320 Abs 1 Z 3 StGB enthaltenen Verweisung auf "bestehende Vorschriften", zu denen zweifellos auch die sachlich in Betracht kommenden Vorschriften des KMG gehören (s. dazu des näheren unter III.B.3.e), ist grundsätzlich auch die weitere dem zu G280, 281/91 protokollierten Antrag des Obersten Gerichtshofes zugrundeliegende Annahme vertretbar, daß er bei der Entscheidung über die in diesem Zusammenhang erwähnten Rechtsmittel die §§1, 2 und 7 dieses Gesetzes anzuwenden hätte.

Dies gilt jedoch nur mit Einschränkungen. So ist aus dem oben erwähnten, bei § 320 Abs 1 Z 3 StGB gegebenen Grund auch bei § 1 Abs 1 und 2 sowie bei § 7 Abs 3 KMG die Präjudizialität nur hinsichtlich des Wortteiles ", Aus-", bei § 7 Abs 1 KMG nur hinsichtlich des Wortteiles ", aus-" gegeben. Nach dem Vorbringen in dem zu G280, 281/91 protokollierten Antrag betrifft das beim Obersten Gerichtshof angefochtene Urteil des Erstgerichtes, soweit es Schuldsprüche wegen Vergehens nach dem KMG zum Inhalt hat, lediglich Vergehen nach § 7 Abs 1, nicht aber auch solche nach § 7 Abs 2 dieses Gesetzes. Es ist daher ausgeschlossen, daß der Oberste Gerichtshof bei der Entscheidung über die hier in Rede stehenden Rechtsmittel auch den § 7 Abs 2 KMG anzuwenden hätte. Von den angefochenen Bestimmungen des KMG sind somit nur die im Spruch ausdrücklich angeführten präjudiziell.

Die Anträge mußten demnach, soweit sie sich gegen nicht präjudizielle Bestimmungen richten, als unzulässig zurückgewiesen werden.

Im übrigen sind die Anträge zulässig.

B. Zur Sache selbst:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken (s. etwa VfSlg. 8253/1978, 9185/1981, 9287/1981, 9587/1982, 9885/1983, 9911/1983, 11569/1987, 11576/1987). Er hat somit ausschließlich zu beurteilen, ob die vom Obersten Gerichtshof angefochtenen gesetzlichen Vorschriften - im Umfang der Zulässigkeit der Anträge - aus den in der Begründung der Anträge dargelegten Gründen verfassungswidrig sind. Soweit der Oberste Gerichtshof den Inhalt eines im erstgerichtlichen Verfahren vorgelegten Rechtsgutachtens zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 320 StGB iVm dem KMG unter wörtlicher Wiedergabe dieses Rechtsgutachtens zum Inhalt der Begründung seiner Anträge macht, bestehen dagegen keine Bedenken. Soweit jedoch in diesem Rechtsgutachten - und damit auch in der Begründung der Anträge des Obersten Gerichtshofes - auf ein weiteres, vom selben Verfasser erstelltes Rechtsgutachten bloß verwiesen, dieses Rechtsgutachten aber nicht etwa durch Wiedergabe seines Wortlautes oder durch Beischluß als Anlage zum Inhalt der Begründung der Anträge des Obersten Gerichtshofes gemacht wird, wird mit diesen Verweisungen dem Gebot des § 62 Abs 1 zweiter Satz VerfGG, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen, nicht entsprochen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 8241/1978; s. etwa auch VfSlg. 8308/1978, 11507/1987), sodaß dem Verfassungsgerichtshof ein Eingehen auf die in jenem Gutachten enthaltenen Ausführungen verwehrt ist.

2. Die unter der Überschrift "Die Bestimmungen der Neutralitätsgefährdung im Lichte der Grundrechtserfordernisse" stehenden Ausführungen des Obersten Gerichtshofes münden in die Behauptung, die inhaltliche Unbestimmtheit des § 320 Abs 1 Z 3 StGB und dessen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot rücke diese gesetzliche Vorschrift "in die Nähe der Verfassungswidrigkeit". Mit diesem Vorbringen wird schon seinem Wortlaut nach kein Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 320 Abs 1 Z 3 StGB geltend gemacht. Auf diese Ausführungen konnte daher nicht eingegangen werden.

3. Der Oberste Gerichtshof vertritt in der Begründung der vorliegenden Anträge die Auffassung, § 320 Abs 1 Z 3 StGB widerspreche als "Blankettstrafnorm" und "dynamische Verweisung" wegen seiner inhaltlichen Unbestimmtheit den im Verfassungsrang stehenden Vorschriften des Art 6 Abs 1 und des Art 7 Abs 1 MRK (iVm § 1 StGB) sowie dem aus Art 18 Abs 1 B-VG abzuleitenden Bestimmtheitsgebot.

Der Verfassungsgerichtshof vermag diese Auffassung aus folgenden Gründen nicht zu teilen:

a) § 320 Abs 1 StGB normiert unter gleichzeitiger Festlegung der Strafdrohung ("... ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.") das Tatbild einer gerichtlich strafbaren Handlung in der Weise, daß er nur einige Elemente dieses Tatbildes ("wissentlich", "im Inland", "während eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes, an denen die Republik Österreich nicht beteiligt ist", "oder bei unmittelbar drohender Gefahr eines solchen Krieges oder Konfliktes", "für eine der Parteien", "Kampfmittel ... aus dem Inland ausführt oder durch das Inland durchführt") selbst festlegt, auf weitere Elemente aber, die das Tatbild nach dem Willen des Strafgesetzgebers umfassen soll, lediglich durch Verweisung auf außerhalb des StGB bestehende Rechtsnormen ("entgegen den bestehenden Vorschriften") Bezug nimmt, die jeweils durch einen besonderen Normsetzungsakt geschaffen werden. Somit ist in § 320 Abs 1 Z 3 StGB das Tatbild nicht abschließend umschrieben, vielmehr ergibt es sich zum Teil erst aus jenen Rechtsnormen, auf die diese Vorschrift verweist.

Der Gesetzgeber hat sich damit einer im Bereich des (Kriminal- und des Verwaltungs-)Strafrechtes nicht selten anzutreffenden Gesetzestechnik bedient und mit § 320 Abs 1 Z 3 StGB eine "Blankettstrafnorm" erlassen (so auch Liebscher, in Foregger-Nowakowski (Hrsg.), Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (1982), Zu § 320, Rz 19; Brandstetter-Loibl-Raschauer-Schmied, Neutralität und Waffenexporte, Ergänzungsband 1991, 39). Blankettstrafnormen sind durch die äußere Trennung von Tatbild und Strafdrohung gekennzeichnet, sei es, daß Tatbild und Strafdrohung in verschiedenen Normen desselben Gesetzes, sei es, daß sie in verschiedenen Gesetzen - desselben Gesetzgebers oder verschiedener Gesetzgeber - umschrieben sind. Das Tatbild einer Strafnorm kann auch in einer verfassungsunmittelbaren (also im Gesetzesrang stehenden) oder auf Grund eines Gesetzes erlassenen (Durchführungs-)Verordnung festgelegt sein (s. etwa VfSlg. 6842/1972, 7480/1975, 8903/1980). Der Gesetzgeber kann schließlich auch die Übertretung einer verwaltungsbehördlichen (durch Gesetz ausreichend determinierten) Verfügung zum Tatbild einer Strafnorm erklären (s. zB VfSlg. 6842/1972, 7480/1975; s. etwa auch (VwSlg. 9087 A/1976) VwSlg. 8316 A/1972, 9609 A/1978; s. ferner etwa Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren8 (1990), II, 7, FN 2; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 (1990), 690; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5 (1991), Rz 714, 732).

Da in § 320 Abs 1 Z 3 StGB nicht auf namentlich und durch Angabe ihrer Fundstelle bezeichnete Vorschriften und schon gar nicht auf eine bestimmte Fassung solcher Vorschriften verwiesen wird, aber auch mit Rücksicht auf den mit der Normierung einer Blankettstrafnorm verfolgten Zweck der Gesetzesökonomie (s. dazu etwa Walter, Die Lehre von der Gesetzestechnik, ÖJZ 1963, 85 ff., hier 87; Mayer, Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden im Vollstreckungsverfahren (1974), 44; Nowakowski, in Foregger-Nowakowski (Hrsg.), Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (1984), Vorbemerkungen zu §§3-5, Rz 70) steht außer Zweifel, daß die hier vorliegende Verweisung eine "dynamische Verweisung" (s. dazu im folgenden unter II.B.3.b) ist: § 320 Abs 1 Z 3 StGB verweist auf jeweils in Geltung stehende Vorschriften, und zwar in ihrer jeweils geltenden Fassung, somit auch auf künftige Rechtsnormen.

b) Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt, so etwa im Erkenntnis VfSlg. 3207/1957, zum Ausdruck gebracht, daß es im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip unbedingt erforderlich ist, die Freiheit des einzelnen von dem Gebiet des Unerlaubten durch eine deutliche Grenzziehung zu scheiden, daß der Gesetzgeber klar und unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen hat, wo er strafen will, und daß die Rechtsordnung dem einzelnen die Möglichkeit geben muß, sich dem Recht gemäß zu verhalten. Der Unrechtsgehalt eines Handelns oder Unterlassens muß dem einzelnen eindeutig vor Augen gestellt werden (so etwa auch , unter ausdrücklichem Hinweis auf VfSlg. 3207/1957); nur dann darf er wegen Zuwiderhandelns bestraft werden. An diesen Erwägungen ausdrücklich festhaltend, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis 4037/1961 (und in der Folge im Erkenntnis VfSlg. 9187/1981) ausgesprochen, daß Straftatbestände so beschaffen sein müssen, daß der Rechtsunterworfene in der Lage ist, sich ihren Inhalt vor seinem Handeln zu vergegenwärtigen; in VfSlg. 4291/1962 hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, daß es bei den rechtlichen Überlegungen, ob ein bestimmtes Verhalten mit Strafe bedroht ist, weder auf die Absicht des Gesetzgebers noch auf die Wichtigkeit oder Bedeutung der Angelegenheit anzukommen hat. Dem Gesetzgeber muß zugemutet und es kann ihm auch zugetraut werden, eine ihm vorschwebende Absicht durch einen Normsetzungsakt zu verwirklichen. Es kann nicht die Aufgabe der Rechtsanwendung sein, im Wege der Auslegung eine fehlende Strafrechtsnorm zu supplieren.

In seiner neueren Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof des weiteren unter ausdrücklicher Berufung (ua.) auf Entscheidungen der Europäischen Kommission für Menschenrechte (EKMR , Appl. Nr. 5493/72, Handyside v. United Kingdom, CD 45, 23; EKMR , Appl. Nr. 7900/77, X v. Federal Republic of Germany, DR 13, 70) ausgesprochen, daß auch Art 7 MRK - unter anderem - das Gebot in sich schließt, Strafvorschriften so klar zu gestalten, daß es dem einzelnen möglich ist, sein Verhalten am Gesetz zu orientieren (VfSlg. 11776/1988 mit einer Darstellung der Entwicklung der verfassungsgerichtlichen Judikatur zu dem in Art 7 MRK enthaltenen "Klarheitsgebot"; s. dazu etwa auch Söllner in Ermacora-Nowak-Tretter (Hrsg.), Die Europäische Menschenrechtskonvention in der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte (1983), 365 ff.; vgl. auch VfSlg. 8903/1980, 108, und , 11 f.).

All dies trifft nicht nur für das Verwaltungsstrafrecht, sondern gleichermaßen für das von den Gerichten zu vollziehende materielle Strafrecht zu (s. dazu etwa Friedrich, Zum Legalitätsprinzip im StGB und seinem Niederschlag in der Rechtsprechung, ÖJZ 1980, 57ff.), zumal das Legalitätsprinzip auch für die Gerichtsbarkeit Geltung hat (s. etwa Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht (1972), 391; Klecatsky-Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht3 (1982), 237, FN 1; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung (1977), 81, Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6 (1988), Rz 569, 572) und Art 7 (Abs1) MRK auch für die von den Gerichten anzuwendenden strafrechtlichen Bestimmungen gilt.

c) Gleichwohl hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (s. etwa VfSlg. 1505/1933, 3207/1957, 4037/1961, 4589/1963, 5250/1966, 5469/1967, 6293/1970, 6355/1971, 6559/1971, 6762/1972, 6896/1972, 7480/1975, 8695/1979, 9122/1981) den gesetzestechnischen Vorgang der äußeren Trennung von Tatbild und Strafdrohung, wie er für Blankettstrafnormen kennzeichnend ist, als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Er hat es freilich auch bei Blankettstrafnormen als unerläßlich angesehen, daß der Tatbestand durch das Gesetz mit genügender Klarheit als Verbotsnorm und damit als strafbarer Tatbestand gekennzeichnet ist (etwa VfSlg. 3207/1957, 4589/1963, 5250/1966, 6762/1972); daß ferner, wenn der strafbare Tatbestand im Zuwiderhandeln gegen eine Gebotsnorm besteht, der Unrechtsgehalt eines Unterlassens eindeutig erkennbar ist (VfSlg. 3207/1957, 5250/1966, 6762/1972); daß schließlich der Tatbestand einer Blankettstrafnorm mit solcher Deutlichkeit gekennzeichnet sein muß, daß jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag (VfSlg. 3207/1957).

Auch dies gilt - aus den angeführten Gründen - nicht allein für das Verwaltungsstrafrecht, sondern gleichermaßen auch für das von den Gerichten zu vollziehende materielle Strafrecht.

Der Verwaltungsgerichtshof ist offenbar ebenfalls stets von der - grundsätzlichen - verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit von Blankettstrafnormen ausgegangen, da er sich nicht dazu bestimmt gesehen hat, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung einer solchen gesetzlichen Vorschrift gemäß Art 140 Abs 1 B-VG wegen Verfassungswidrigkeit zu stellen (s. in diesem Zusammenhang etwa VwSlg. 4053 A/1955, 6070 A/1963, 6956 A/1966, 6143 A/1969, 7657 A/1969, 8316 A/1972, 8400 A/1973; hinsichtlich des Obersten Gerichtshofes s. etwa das Urteil v. , 11 Os 130/90-22). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat freilich betont, daß aus dem Tatbestand einer Blankettstrafnorm eine Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln (ein Gebot) oder zur Unterlassung einer bestimmten Tätigkeit (ein Verbot) in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ablesbar sein muß (s. etwa VwSlg. 6956 A/1966, 8316 A/1972, 8400 A/1973, 8574 A/1974, 9671 A/1978; ) und daß dies auch in jenen Fällen gilt, in denen die Strafnorm, die das Blankettstrafgesetz zu einer vollständigen Strafandrohung ergänzt, nicht in anderen Bestimmungen desselben - oder eines anderen - Gesetzes, sondern in individuellen Verwaltungsakten enthalten ist (zB VwSlg. 8316 A/1972).

Auch in der Literatur wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen Blankettstrafnormen als solche nicht geltend gemacht. Dies gilt sowohl für Blankettstrafnormen im Bereich des gerichtlichen Strafrechts (s. dazu etwa Rittler, Lehrbuch des österreichischen Strafrechts2 (1954), 95; Nowakowski, in Foregger-Nowakowski (Hrsg.), Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (1984), Vorbemerkungen zu §§3-5, Rz 70; Triffterer, Österreichisches Strafrecht, Allgemeiner Teil (1985), 59; Kienapfel, Strafrecht Allgemeiner Teil4 (1991), 79) wie auch für Blankettstrafnormen im Bereich des Verwaltungsstrafrechts (s. zB. Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren8 (1990), II, 7, FN 2; Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, (1991), Rz 714, 729, 732).

d) Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (s. etwa VfSlg. 3149/1957, 6290/1970, 7085/1973, 7241/1973, 10311/1984) zwar dynamische Verweisungen auf Normen eines anderen Rechtsetzungsorganes als verfassungswidrig erachtet, dynamische Verweisungen auf Normen desselben Rechtsetzungsorganes jedoch als (grundsätzlich) verfassungsrechtlich zulässig angesehen (zB VfSlg. 10514/1985); dies freilich unter der Voraussetzung, daß in der verweisenden Norm das Verweisungsobjekt ausreichend bestimmt festgelegt ist (vgl. auch dazu VfSlg. 10311/1984 und V33,34/88).

e) Die in § 320 Abs 1 Z 3 StGB enthaltene Verweisung bezieht sich ausschließlich auf Rechtsvorschriften, die in Ergänzung des in § 320 Abs 1 Z 3 StGB normierten Tatbildes der "Neutralitätsgefährdung" ausdrücklich die Ausfuhr (und die Durchfuhr) von Kampfmitteln an eine der Parteien eines Krieges oder bewaffneten Konfliktes beschränken. Diese Beschränkung muß die Ausfuhr als solche (und nicht bloß hinsichtlich ihrer Modalitäten, wie etwa der Transportsicherheit im technischen Sinn) und auf eine Weise betreffen, daß der dem Schutzzweck dieses Tatbildes der "Neutralitätsgefährdung" dienende Charakter der Norm hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt (s. in diesem Zusammenhang etwa auch Karollus, Strafrechtliche Aspekte der "Waffenexportaffaire", WBl. 1988, 113, FN 8; ferner auch Brandstetter-Loibl, Neutralität und Waffenexporte (1990), 29).

Dies läßt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 320 Abs 1 Z 3 StGB ("... entgegen den bestehenden Vorschriften" und nicht "... entgegen bestehenden Vorschriften") ableiten, der im Verein mit der Überschrift dieses Paragraphen ("Neutralitätsgefährdung") allein auf die ausdrücklich die Ausfuhr (und die Durchfuhr) von Kampfmitteln beschränkenden, dem Schutzzweck des § 320 Abs 1 Z 3 StGB dienenden Vorschriften abstellt. Zum anderen ist diese den Kreis der von der Verweisung erfaßten Rechtsnormen eng begrenzende Auslegung angesichts des mit der Verweisung verfolgten Zweckes geboten, wie er in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage vom zum Strafgesetzbuch (30 BlgNR 13. GP, 471) dargelegt ist:

"Daß die Aus- oder Durchfuhr von Kampfmitteln 'den bestehenden Vorschriften' widersprechen muß, ist im vorliegenden Entwurf ... besonders hervorgehoben, um zu vermeiden, daß dem Tatbestand die Bedeutung eines allgemeinen Aus- und Durchfuhrverbots beigemessen wird, welches auch dann anzuwenden sei, wenn in den verwaltungsrechtlichen Vorschriften ein Verbot der Aus- oder Durchfuhr von Kampfmitteln nicht enthalten ist."

Für die Tatbildlichkeit des durch § 320 Abs 1 Z 3 StGB mit Strafe bedrohten Handelns kommt es somit auf ein Zuwiderhandeln gegen allfällige, ausdrücklich die Ausfuhr (und die Durchfuhr) von Kampfmitteln in der dargelegten Weise spezifisch beschränkende Rechtsvorschriften an, nicht aber auf einen Verstoß gegen sonstige (zB gewerbe-, außenhandels- oder sicherheitskontrollrechtliche) Vorschriften, die bei der Ausfuhr (und der Durchfuhr) von Kampfmitteln (gegebenenfalls auch) einzuhalten sind.

Die in § 320 Abs 1 Z 3 StGB enthaltene Verweisung, die sich - was in den Gesetzesprüfungsanträgen nicht in Frage gestellt wird - auf Normen des Bundesgesetzgebers, also desselben Rechtsetzungsorganes bezieht und insofern jedenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich ist, ist nicht in verfassungswidriger Weise unbestimmt. In dem aufgezeigten Sinn verstanden, betrifft sie lediglich Rechtsvorschriften, die im konkreten Fall hinreichend (vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis VfSlg. 6559/1971, in dem der Verfassungsgerichtshof den in einem Landesgesetz enthaltenen Hinweis auf "die Jagdvorschriften" als "durchaus eindeutig" angesehen und als Hinweis auf "die für die Regelung des Jagdrechtes im Land ... geltenden Gesetze und Verordnungen" verstanden hat) bestimmbar sind.

So waren bei Inkrafttreten der Stammfassung des § 320 StGB (gemäß § 322 Abs 1 StGB mit ) Objekte dieser Verweisung das Gesetz vom , DRGBl. I S 1337, über die Aus- und Einfuhr von Kriegsgerät, und die Verordnung vom , DRGBl. I S 1665, über Durchfuhr von Kriegsgerät, Vorschriften, die mit den Verordnungen GBlÖ 233/1939 bzw. GBlÖ 1151/1939 in Österreich eingeführt worden und durch § 2 des Rechts-Überleitungsgesetzes, StGBl. 6/1945, als österreischische Rechtsvorschriften in vorläufige Geltung gesetzt worden waren. An die Stelle dieser Vorschriften trat mit das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. 540/1977 (KMG), das in der Folge mit den Bundesgesetzen BGBl. 358/1982 und 30a/1991 novelliert wurde (vgl. dazu etwa Czeppan-Petrik, Das österreichische Kriegsmaterialrecht (1986), 8 ff.).

Auf Grund des KMG wurde von der Bundesregierung (im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates) die Verordnung vom , BGBl. 624, betreffend Kriegsmaterial erlassen, mit der im Detail (und abschließend) bestimmt wird, was als Kriegsmaterial anzusehen ist.

Nach der - hier maßgeblichen - derzeitigen Rechtslage sind somit das KMG und die in seiner Durchführung ergangene Verordnung der Bundesregierung BGBl. 624/1977 die "bestehenden Vorschriften" iS des § 320 Abs 1 Z 3 StGB.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die Bestimmung des § 320 Abs 1 Z 3 StGB nicht wegen ihres Charakters als Blankettstrafnorm und als dynamische Verweisung in einer dem Art 7 Abs 1 MRK bzw. dem Art 18 Abs 1 B-VG widersprechenden Weise unbestimmt ist. Unter diesen Umständen kann die Frage auf sich beruhen, ob § 320 Abs 1 Z 3 StGB im Fall einer derartigen Unbestimmtheit nicht lediglich gegen die genannten Verfassungsnormen, sondern auch gegen Art 6 Abs 1 MRK verstieße.

4. a) Nach der Auffassung des Obersten Gerichtshofes, die er in seiner ergänzenden Äußerung noch einmal verdeutlicht hat, widerspricht § 320 Abs 1 Z 3 StGB auch aus folgendem Grund den im Verfassungsrang stehenden Geboten des Art 6 Abs 1 und des Art 7 Abs 1 MRK (iVm § 1 StGB) sowie dem aus Art 18 Abs 1 B-VG abzuleitenden Bestimmtheitsgebot:

Der Wortlaut des § 320 Abs 1 Z 3 StGB - der im Gegensatz zu den §§180 ff. StGB (strafbare Handlungen gegen die Umwelt) nicht (auch) auf einen behördlichen Auftrag, sondern allein auf bestehende Vorschriften (und somit auf den materiellen Inhalt genereller Rechtsnormen) abstelle, gebiete die - auch dem angefochtenen Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz zugrundeliegende - Auslegung, daß im Anwendungsbereich des § 320 Abs 1 Z 3 StGB den Einzelnen die strafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der materiellen Bestimmungen des KMG treffe, ein Bewilligungsbescheid iS des KMG demnach für den Bereich des § 320 Abs 1 Z 3 StGB nicht "eine konsensgemäßes Handeln rechtfertigende Bedeutung habe." Während nämlich durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl. 605, dem § 320 Abs 1 Z 3 StGB insoweit vergleichbare Straftatbestände, nämlich die strafbare Handlungen gegen die Umwelt betreffenden Tatbestände der §§180 ff. StGB "zwecks Einführung einer Verwaltungsakzessorietät" entsprechend geändert worden seien, sei eine gleichartige Änderung des § 320 Abs 1 Z 3 StGB unterblieben. Nach dem KMG habe die zuständige Behörde im Rahmen des Bewilligungsverfahrens auch Neutralitätsgebote zu beachten (§3 Abs 1 Z 1 KMG); die Entscheidung habe, zumal dabei zB außenpolitische Umstände eine Rolle spielen könnten, "letztlich politischen Charakter". Dessen ungeachtet könne bei der gegebenen Rechtslage trotz Vorliegens einer von der zuständigen Behörde nach dem KMG (auch) unter Beachtung des § 3 Abs 1 Z 1 KMG (also unter Einhaltung der neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen) erteilten Aus- (oder Durch)fuhrbewilligung "der (objektive) Sachverhalt (in der Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes) von den Strafgerichten anders beurteilt werden" und es müßte "eine letztlich politische Entscheidung über die Ausfuhr von zB Defensivwaffen in ein Kriegs-(Krisen-)gebiet ... im Rahmen des Strafverfahrens nach dem § 320 Abs 1 Z 3 StGB nicht nur unter den Aspekten der Z 2 bis 6 des § 3 Abs 1 KMG, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Neutralitätsfrage (Z1) selbständig und gegebenenfalls als strafrechtlich relevant beurteilt werden". Unter diesen Umständen könne der Normunterworfene nicht in hinreichender Weise erkennen, welche (Rechts-)Folgen sein Verhalten hat, weshalb dem § 320 Abs 1 Z 3 StGB auch aus diesem Grund die durch Art 6 und 7 MRK (unter Bedachtnahme auf näher zitierte Entscheidungen des EGMR) geforderte Bestimmtheit und Einsehbarkeit fehle.

b) Der Verfassungsgerichtshof teilt auch dieses Bedenken nicht.

Zwar trifft es zu, daß § 320 Abs 1 Z 3 StGB aus den vom Obersten Gerichtshof dargestellten Gründen mangels ausreichender inhaltlicher Bestimmtheit verfassungswidrig wäre, wenn ihm der Inhalt zukäme, den ihm der Oberste Gerichtshof entnehmen zu müssen glaubt. Die Bestimmung hat jedoch aus folgenden Gründen nicht diesen Inhalt:

§ 320 Abs 1 Z 3 StGB enthält nach der hier maßgeblichen (dem derzeitigen Stand der Gesetzgebung entsprechenden) Rechtslage eine Verweisung auf die Vorschriften des KMG idF der Bundesgesetze BGBl. 358/1982 und 30a/1991 (s. etwa auch Liebscher, in Foregger-Nowakowski (Hrsg.), Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (1982), Zu § 320 Rz 19; Brandstetter-Loibl, Neutralität und Waffenexporte (1990), 10; Doralt-Csoklich, Nicht genehmigter Waffenexport - "geradezu Mord"?, ÖJZ 1991, 301 ff., hier 309).

Gemäß § 1 Abs 1 KMG bedarf die (Ein-,) Aus- (und Durch)fuhr von Kriegsmaterial - dieser Begriff ist dem in § 320 Abs 1 Z 3 StGB verwendeten Begriff "Kampfmittel" gleichzusetzen (s. dazu im folgenden unter III.B.5.a) - , unbeschadet der nach anderen Rechtsvorschriften notwendigen Bewilligungen, einer Bewilligung nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes. Diese Bewilligung wird nach § 3 Abs 1 KMG vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesminister für Landesverteidigung nach Anhören des Bundeskanzlers, soweit keine anderen gesetzlichen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen, unter Anwendung von Art 130 Abs 2 B-VG erteilt, wobei auf die in § 3 Abs 1 Z 1 bis 6 KMG umschriebenen Kriterien Bedacht zu nehmen ist. Gemäß § 7 Abs 1 KMG ist, wer, wenn auch nur fahrlässig Kriegsmaterial ohne die hiefür nach diesem Bundesgesetz erforderliche Bewilligung (ein-,) aus- (oder durch)führt, sofern die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit einer näher bestimmten Freiheits- oder Geldstrafe zu bestrafen. Daraus folgt, daß die Ausfuhr (und die Durchfuhr) von Kriegsmaterial ohne Bewilligung nach § 1 Abs 1 KMG unzulässig ist. Somit handelt, wer Kriegsmaterial in ein bestimmtes Land ausführt (oder durch das Inland durchführt), ohne daß die Ausfuhr dorthin (bzw. die Durchfuhr) durch eine Bewilligung nach § 1 Abs 1 KMG gedeckt ist, den Vorschriften des KMG zuwider.

Der hier von der Strafnorm (§320 Abs 1 Z 3 StGB) zur Verwaltungsvorschrift (KMG) hergestellte Sinnzusammenhang bedeutet sohin nach der derzeit bestehenden Rechtslage, daß in dem von § 320 Abs 1 Z 3 StGB gemeinten Sinn "entgegen den bestehenden Vorschriften" handelt, wer ohne Deckung durch eine behördliche Bewilligung, wie sie das KMG fordert, Kampfmittel in ein bestimmtes Land ausführt (oder durch das Inland durchführt; s. zur Verwaltungsakzessorietät etwa Liebscher, Aktuelles Neutralitätsstrafrecht, JBl. 1990, 627 ff., hier 628 und 631; Brandstetter-Loibl-Raschauer-Schmied, Neutralität und Waffenexporte, Ergänzungsband 1991, 35, 39 ff.; grundsätzlich etwa Heine, Die Verwaltungsakzessorietät im deutschen Umweltstrafrecht unter Berücksichtigung des österreichischen Rechts, ÖJZ 1991, 370 ff.; s. auch Petznek, Umweltstrafrecht (1989), 34 ff.; Helm, Dogmatische Probleme des Umweltstrafrechts, JBl. 1991, 689 ff., hier 692 f.)

Somit unterscheidet sich die Vorschrift des § 320 Abs 1 Z 3 StGB (im Zusammenhalt mit dem KMG, auf das sie derzeit verweist) etwa von § 180 Abs 1 StGB, der für die Tatbildlichkeit ein Handeln "entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag" erfordert: Während im Fall des § 180 Abs 1 StGB auch ein Handeln, das nicht unmittelbar einer generellen Norm, sondern einem eine solche konkretisierenden behördlichen Auftrag zuwiderläuft, das Tatbild erfüllt, ist im Fall des § 320 Abs 1 Z 3 StGB die Tatbildlichkeit des Handelns ua. daran geknüpft, daß Kampfmittel in ein bestimmtes Land ausgeführt (oder durch das Inland durchgeführt) werden, ohne daß dies durch eine (derzeit im KMG vorgesehene) behördliche Bewilligung gedeckt ist.

Angesichts der je verschiedenen Umschreibung der "Verwaltungsakzessorietät" in § 320 Abs 1 Z 3 StGB einerseits und in den §§180 ff. StGB andererseits kann aus der Tatsache der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 zum Zweck der "Einführung einer Verwaltungsakzessorietät" vorgenommenen Neuformulierung von Tatbeständen "strafbare(r) Handlungen gegen die Umwelt" (so die Überschrift des 7. Abschnittes des Besonderen Teiles des StGB; es handelt sich hier um die §§180 bis 183 StGB) nicht der Schluß gezogen werden, daß dem § 320 Abs 1 Z 3 StGB die "Verwaltungsakzessorietät" deshalb mangle, weil er durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 nicht in gleicher Weise geändert wurde.

Daraus folgt: Der Wortlaut des § 320 Abs 1 Z 3 StGB läßt nicht nur die vom Obersten Gerichtshof mit Recht als verfassungswidrig erachtete Auslegung zu. Er gestattet vielmehr auch die verfassungskonforme Auslegung der in dieser Vorschrift enthaltenen Wortgruppe "entgegen den bestehenden Vorschriften" in dem Sinn, daß bei Vorliegen eines Bewilligungsbescheides nach den §§1 Abs 1 und 3 Abs 1 KMG (nur) die durch diesen Bescheid gedeckte Ausfuhr (bzw. Durchfuhr) von Kampfmitteln in das bescheidmäßig festgelegte Bestimmungsland das Tatbild des § 320 Abs 1 Z 3 StGB - trotz des Vorliegens sonstiger Tatbildmerkmale - nicht erfüllt (so im Ergebnis auch Brandstetter-Loibl-Raschauer-Schmied, aaO, 39 ff.; Doralt-Csoklich, aaO, 309 f.; aA etwa Bittmann, Kriegsmaterialgesetz und Neutralitätsgefährdung, RZ 1990, 242 ff.). Nach dem Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation von Rechtsvorschriften (s. zB VfSlg. 9748/1983, 9884/1983, 10292/1984, 765 f., 10823/1986, 288) ist deshalb diese Auslegung geboten.

Bei dem hier zugrundegelegten Verständnis des § 320 Abs 1 Z 3 StGB ist den in den Gesetzesprüfungsanträgen (nicht unter dem Gesichtspunkt der Verfassungswidrigkeit, aber) unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung aufgezeigten Bedenken und dem gleichfalls aufgezeigten - aber nicht konkret geltend gemachten - Bedenken einer Verletzung des Grundsatzes der Trennung der Justiz von der Verwaltung (Art94 B-VG) der Boden entzogen. Vor allem aber kann jedenfalls bei diesem Normverständnis nicht mit Grund gesagt werden, daß § 320 Abs 1 Z 3 StGB auch deshalb nicht die durch Art 6 und 7 MRK sowie durch Art 18 Abs 1 B-VG geforderte Bestimmtheit und Einsehbarkeit aufweise, weil der Normunterworfene "selbst bei qualifizierter juristischer Befähigung und bei Studium der einschlägigen Fachliteratur nicht in hinreichender Weise erkennen kann, welche Folgen sein Verhalten hat."

Bindet, wie dies beim KMG der Fall ist, ein Gesetz die Ausfuhr (und die Durchfuhr) von Kampfmitteln an eine mit antragsbedürftigem Bescheid zu erteilende behördliche Bewilligung, so wirft die strafrechtliche Beurteilung eines auf die rechtswidrige Erlassung eines solchen Bescheides abzielenden Verhaltens keine verfassungsrechtlichen Fragen auf. Im Rahmen der dem Verfassungsgerichtshof obliegenden Prüfung der ausreichenden inhaltlichen Bestimmtheit der in § 320 Abs 1 Z 3 StGB enthaltenen - sich derzeit auf das KMG beziehenden - Verweisung ist eine solche Beurteilung nicht vorzunehmen.

5.a) Die Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen § 2 KMG gehen dahin, daß diese Vorschrift, wonach die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates durch Verordnung zu bestimmen hat, welche Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände als Kriegsmaterial iS des KMG anzusehen sind, durch die (bloße) Bezugnahme auf den "jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung" das Verhalten des Verordnungsgebers nicht in einer dem Art 18 Abs 2 B-VG entsprechenden Weise vorherbestimme. Eine derartige "Technikklausel" könne nur dann als hinreichend bestimmt angesehen werden, wenn der Gesetzgeber, was hier nicht der Fall sei, anordne, daß und welche Sachverständige im - konkret zu determinierenden - Verfahren zur Erlassung der Verordnung beizuziehen seien. Zudem sei der Begriff "militärtechnische Entwicklung" für sich allein nicht hinreichend aussagekräftig, weil offenbleibe, ob lediglich gerade in Österreich ablaufende oder auch internationale Entwicklungen zu berücksichtigen seien, wobei sich solche auch aus Gründen der militärischen Geheimhaltung nicht voll überblicken ließen. Die Anwendbarkeit der §§1, 3 und 7 KMG sei von der Definition des Begriffes "Kriegsmaterial" abhängig, die auch auf den § 320 Abs 1 Z 3 StGB durchschlage, da zweifellos die in der Verordnung BGBl. 624/1977 als "Kriegsmaterial" aufgezählten Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände als "Kampfmittel" iS des § 320 Abs 1 Z 3 StGB anzusehen seien, sofern nicht im Einzelfall konkrete Umstände dies ausschließen.

b) Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist § 2 KMG nicht aus den vom Obersten Gerichtshof angeführten Gründen verfassungswidrig.

§ 2 KMG macht es der Bundesregierung zur Aufgabe, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates zu bestimmen, welche Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände als Kriegsmaterial iS des KMG anzusehen sind. Der damit eingeschlagene Weg, das dem KMG unterliegende Kriegsmaterial in einer mit Verordnung aufzustellenden "Liste" festzulegen, folgt "dem schweizerischen, dem schwedischen und dem bundesdeutschen Modell", wobei durch die "Erstellung der Liste im Verordnungsweg" und "nach dem jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung" insbesondere "die rasche Aufnahme neu entwickelter Arten oder Typen von Kriegsmaterial in die Liste" gewährleistet sein soll (so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum KMG, 561 BlgNR 14. GP, 3,

Zu § 2, Zu Abs 1).

Nach den Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage vom zum Strafgesetzbuch (30 BlgNR 13. GP, 471) stimmt der (im KMG verwendete) Begriff "Kriegsmaterial" mit dem Begriff "Kampfmittel" im (nunmehrigen) § 320 StGB (s. auch § 280 StGB) überein. So vertritt denn auch Liebscher (in Foregger-Nowakowski, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (1982), Zu § 320, Rz 23) die Auffassung, daß die in der Verordnung der Bundesregierung BGBl. 624/1977 aufgezählten Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände Kampfmittel iS des § 320 StGB sind, sofern nicht im Einzelfall konkrete Umstände dies ausschließen.

Richtig ist, daß, weil Verordnungen nur "auf Grund der Gesetze" erlassen werden dürfen (Art18 Abs 2 B-VG), nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits aus dem Gesetz alle wesentlichen Merkmale der Regelung zu ersehen sein müssen. Für die Beurteilung, ob die in einzelnen Fällen nicht leicht zu ziehende Grenze zwischen einer noch ausreichenden materiellen Bestimmtheit des Gesetzes und einer (verfassungswidrigen) formalen Delegation nicht überschritten ist, kommt es darauf an, ob die mit Verordnung getroffene (Durchführungs-)Regelung auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann. Dabei sind in Ermittlung des Inhaltes des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden (Auslegungs-)Möglichkeiten auszuschöpfen: Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen läßt, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Norm die in Art 18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (s. zu all dem etwa VfSlg. 8395/1978 mwH, VfSlg. 10296/1984 mwH). Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich im übrigen nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (s. zB VfSlg. 9883/1983; vgl. etwa auch VfSlg. 8209/1977, 440). Daß sich in Einzelfällen bei der Interpretation Schwierigkeiten ergeben, macht die Regelung noch nicht - im Hinblick auf Art 18 B-VG - verfassungswidrig (VfSlg. 8389/1978).

Der Umstand, daß die Erlassung einer Verordnung gemäß § 2 KMG (iS des Art 55 Abs 1 B-VG) an das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates geknüpft ist, ändert nichts daran, daß das durchzuführende Gesetz iS des Art 18 Abs 2 B-VG inhaltlich hinreichend bestimmt sein muß (s. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 5994/1969).

Der vom Verordnungsgeber näher auszuführende Begriff "Kriegsmaterial" ist durch den Wortlaut des § 2 KMG zunächst insofern inhaltlich bestimmt, als darunter (bestimmt geartete) Waffen sowie Munitions- und Ausrüstungsgegenstände fallen. Ein weiteres Kriterium für die Auslegung ist aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage vom zum Strafgesetzbuch (30 BlgNR 13. GP, 471) insofern zu gewinnen, als es sich nach den dort enthaltenen Ausführungen jedenfalls um Material handeln muß, "das seiner Art nach geeignet ist, unmittelbar der Kriegführung zu dienen, oder dessen unmittelbare Verwendung zur Kriegführung zu erwarten steht".

Eine inhaltliche Bestimmung der zu erlassenden Verordnung ergibt sich ferner daraus, daß der Verordnungsgeber für die Festlegung der unter den Begriff "Kriegsmaterial" fallenden Gegenstände auf den jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung verwiesen ist. Dabei ist mangels einer dem Gesetzeswortlaut zu entnehmenden Einschränkung die Entwicklung der Militärtechnik insgesamt zu berücksichtigen. Daß zur Ermittlung des jeweiligen Standes der militärtechnischen Entwicklung die Heranziehung von Sachverständigen erforderlich sein kann, bedeutet nicht, daß dieser Begriff die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit vermissen läßt. Soweit aber die Beiziehung von Sachverständigen erforderlich ist, ist die zur Erlassung der Verordnung berufene Behörde dazu auch bei Fehlen einer dies ausdrücklich anordnenden gesetzlichen Vorschrift verpflichtet, weil sie nur dadurch den Gesetzesauftrag zur Berücksichtigung des jeweiligen Standes der militärtechnischen Entwicklung erfüllen kann.

Der Verfassungsgerichtshof ist somit insgesamt der Auffassung, daß durch die nicht an den einzelnen, sondern ausschließlich an den Verordnungsgeber gerichtete Vorschrift des § 2 KMG der Begriff "Kriegsmaterial" derart umschrieben ist, daß er durch den Verordnungsgeber in einer am Gesetz nachprüfbaren Weise inhaltlich bestimmt werden kann, daß demnach § 2 KMG den Anforderungen des Art 18 Abs 2 B-VG noch genügt.

Demnach bestehen aber auch gegen die übrigen von dem zu G280, 281/91 protokollierten Gesetzesprüfungsantrag (im Rahmen seiner Zulässigkeit) erfaßten Bestimmungen des KMG, die §§1 und 7, nicht die aus der behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 2 KMG resultierenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

6. Der Verfassungsgerichtshof vermag somit die in den Gesetzesprüfungsanträgen vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen nicht zu teilen. Den Anträgen war daher - im Rahmen ihrer Zulässigkeit - keine Folge zu geben.