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VfGH vom 02.07.2016, G235/2015

VfGH vom 02.07.2016, G235/2015

Leitsatz

Abweisung des - infolge Aufhebung von Bestimmungen über die Legitimation zur Stellung eines Parteiantrags auf Gesetzesprüfung zulässigen - Parteiantrags im Anlassfall; keine Gleichheitswidrigkeit der neu eingeführten Regelung des StEG 2005 über die Haftentschädigung für ungerechtfertigte Haft; festgelegte Ober- und Untergrenze nicht sachwidrig

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Aufhebungsbegehren, Rechtslage und Sachverhalt

1. Mit dem vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gestützten Antrag wird die Aufhebung des § 5 Abs 2 zweiter Satz des Bundesgesetzes über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgerichtlichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005), BGBl I 125/2004, idF BGBl I 111/2010, in eventu (bloß) die Aufhebung der in diesem Satz enthaltenen Zahlen "20" und "50" begehrt.

2.1. Die angefochtene Bestimmung hat – im Zusammenhang wiedergegeben – folgenden Wortlaut (und ist hervorgehoben):

"Anwendungsbereich

§1. (1) Der Bund haftet nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für den Schaden, den eine Person durch den Entzug der persönlichen Freiheit zum Zweck der Strafrechtspflege oder durch eine strafgerichtliche Verurteilung erlitten hat.

(2) Die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes (AHG), BGBl Nr 20/1949, bleiben unberührt.

[...]

Ersatzanspruch

§2. (1) Ein Ersatzanspruch nach § 1 Abs 1 steht nur einer Person zu, die

1. durch eine inländische Behörde oder eines ihrer Organe zum Zweck der Strafrechtspflege oder auf Grund der Entscheidung eines inländischen Strafgerichts gesetzwidrig festgenommen oder angehalten wurde (gesetzwidrige Haft);

2. wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung festgenommen oder in Haft gehalten wurde und in der Folge durch ein inländisches Strafgericht in Ansehung dieser Handlung freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt wurde (ungerechtfertigte Haft) oder

3. durch ein inländisches Strafgericht nach Wiederaufnahme oder Erneuerung des Verfahrens oder sonstiger Aufhebung eines früheren Urteils freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt oder neuerlich verurteilt wurde, sofern in diesem Fall eine mildere Strafe verhängt wurde oder eine vorbeugende Maßnahme entfiel oder durch eine weniger belastende Maßnahme ersetzt wurde (Wiederaufnahme).

(2) Das Organ, das der geschädigten Person den Schaden zufügte, haftet ihr nicht.

[...]

Gegenstand des Ersatzes

§5. (1) Der Gegenstand und der Umfang des Ersatzes richten sich nach den Bestimmungen des ABGB. Der Schaden ist nur in Geld zu ersetzen.

(2) Der Ersatzanspruch wegen des Entzugs der persönlichen Freiheit umfasst auch eine angemessene Entschädigung für die durch die Festnahme oder die Anhaltung erlittene Beeinträchtigung. Die Höhe dieser Entschädigung beläuft sich auf mindestens 20 Euro, höchstens aber 50 Euro pro Tag des Freiheitsentzugs. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind die Dauer der Anhaltung sowie die persönlichen Verhältnisse der geschädigten Person und deren Änderung durch die Festnahme oder Anhaltung zu berücksichtigen.

(3) Ein Ersatzanspruch nach § 1 Abs 1 unterliegt keiner bundesgesetzlich geregelten Abgabe."

2.2. Der zur Aufhebung beantragte Satz wurde durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010, in § 5 Abs 1 StEG 2005 eingefügt. Die Einführung einer Ober- und Untergrenze für den Ersatz des immateriellen Schadens wird in den Erläuterungen zur RV 981 BlgNR 24. GP, 69, wie folgt begründet:

"Zu Z 5 (§5):

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung des Abs 2 soll die Höhe des 'Schmerzengeldes' für den Entzug der persönlichen Freiheit festgelegt werden. Der Entwurf folgt hier der deutschen Praxis, in der sich ein Betrag von 20 Euro pro Tag eingespielt hat. Das soll aber nur die Untergrenze dieses Anspruchsteils sein. Im Einzelfall soll auch über diesen Betrag hinausgegangen werden können, wobei die Kriterien des § 5 Abs 2 dritter Satz herangezogen werden können. Die vorgeschlagene Begrenzung des immateriellen Schadens erklärt sich daraus, dass solche Ansprüche auch dann geltend gemacht werden können, wenn der Entzug der persönlichen Freiheit niemandem als Verschulden angelastet werden kann. Haftungsgrenzen sind in solchen Konstellationen aber nicht unüblich."

3. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3.1. Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Guatemala; seit 2008 genießt er in Österreich den Status eines Konventionsflüchtlings. Ab Mitte 2011 wurde er wegen des Verdachts des mehrfachen Mordes vorerst auf Grund eines Auslieferungsersuchens der Republik Guatemala, in der Folge nach Übernahme der Strafverfolgung durch Österreich insgesamt rund zweieinhalb Jahre zunächst (während rund fünf Monaten) in Auslieferungs- und anschließend (ab bis ) in Untersuchungshaft angehalten. Mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom wurde er von der seitens der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis wegen des Verbrechens des Mordes als Beitragstäter nach §§12 3. Alternative, 75 StGB und anderer Vorwürfe erhobenen Anklage zur Gänze freigesprochen und unter einem auf freien Fuß gesetzt.

In der Folge begehrte der Antragsteller für die Dauer der über ihn verhängten (Auslieferungs- und Untersuchungs-)Haft im Ausmaß von insgesamt 847 Tagen von der Republik Österreich (vertreten durch die Finanzprokuratur) im Klageweg Ersatz nach dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz 2005 in Höhe von € 50,– pro Tag, sohin insgesamt € 42.350,– s.A.

Das (gemäß § 12 Abs 1 StEG 2005 iVm § 9 Abs 4 AHG als vom Obersten Gerichtshof für zuständig bestimmte) Landesgericht Krems an der Donau sprach dem Kläger mit Urteil vom für die in Untersuchungshaft verbrachten 675 Tage (nach Einschränkung des Klagebegehrens auf € 29.350,– s.A. infolge Zahlung eines [Teil-]Betrages von € 20,– pro Tag, mithin von € 13.570,–, samt Kosten durch die beklagte Partei) Ersatz in angesprochener Höhe (à € 50,–), sohin restliche € 20.250,– s.A., zu. Das Mehrbegehren in Höhe von € 9.100,– für die in Auslieferungshaft zugebrachte Zeit wurde mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Entschädigung nach dem StEG 2005 abgewiesen.

Dagegen erhoben sowohl der Kläger und nunmehrige Antragsteller (in Bezug auf € 2.450,– für die Anhaltung von 18. Oktober bis ) als auch die beklagte Partei Berufung.

Mit (Teil-)Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom wurde die Berufung des Klägers abgewiesen; hingegen wurde der Berufung der beklagten Partei Republik Österreich Folge gegeben: Das erstinstanzliche Urteil (das hinsichtlich der Abweisung von € 6.650,– s.A. unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist) wurde aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Mit – den Verfahrensparteien jeweils am zugestelltem – (End-) Urteil vom sprach das Landesgericht Krems an der Donau dem Antragsteller (neuerlich) den begehrten Betrag von € 20.250,– s.A. (also insgesamt € 50,– pro Tag Untersuchungshaft) zu.

Gegen dieses Urteil erhob (nur) die beklagte Partei am Berufung , in der sie die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung begehrt, dass der Zuspruch des Mindestbetrages von € 20,– pro Tag ausreichend sei.

3.2. Am (innerhalb der grundsätzlich normierten vierwöchigen Berufungsfrist des § 464 ZPO) langte beim Verfassungsgerichtshof der vorliegende Parteiantrag des Klägers ein, der sich "nach der Gesetzeslage [...] durch das Urteil des Landesgerichtes Krems nicht", wohl aber durch die verfassungswidrige Bestimmung des § 5 Abs 2 zweiter Satz StEG 2005 für beschwert erachtet. "Wäre das Budget[begleit]gesetz 2011 nicht in Kraft getreten, wäre es bei der alten Rechtslage geblieben und hätte das Landesgericht Krems wohl eine Entschädigung in Höhe von € 100 bis € 120 pro Tag des Freiheitsentzuges zugesprochen." Der Parteiantrag erfolge (daher) aus Anlass der Berufung der Finanzprokuratur, die ihm am 19. Mai zugekommen sei. Durch die Anwendung der verfassungswidrigen Norm werde der Antragsteller in seinem Recht darauf verletzt, für den Freiheitsentzug nach einem Freispruch durch das Strafgericht angemessen entschädigt zu werden.

II. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller behauptet, dass ihm (sowie der "überschaubaren Personengruppe von 130 bis 150 [inhaftierter und freigesprochener] Personen") durch die angefochtene (mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 eingeführte) Regelung "im Gegensatz zur Rechtslage vor dem [...] ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit und des Budgets auferlegt" werde.

Unter Verweis auf eine – das StEG 1969, BGBl 270, betreffende – Publikation ( Pilnacek , Das Strafrechtliche Entschädigungsgesetz im Spannungsverhältnis zu Art 6 MRK, ÖJZ2001, 546) sowie auf die zustimmende persönliche Meinung (" concurring opinion ") des Richters Martens im Fall Masson und Van Zon (EGMR , Appl. 30/1994/477/558-559, ÖJZ1996, 191 [193], Z 4) führt der Antragsteller aus:

"Der österreichische Gesetzgeber hat nun für freigesprochene Angeklagte generell die Billigkeit einer Entschädigungsleistung bejaht und für die Beurteilung der Angemessenheit auch Kriterien festgelegt, wie die Dauer der Anhaltung, die persönlichen Verhältnisse der geschädigten Person und deren Änderung durch die Festnahme oder Anhaltung. Auf die genaue Prüfung und Erhebung dieser Kriterien legen die Zivilgerichte großen Wert (14 R 125/14a des OLG Wien). Das Ermessen der Gerichte wird aber durch den Gesetzgeber durch das Budgetbegleitgesetz 2011 sachwidrig auf den 'Spielraum' zwischen € 20 und € 50 pro Tag des Freiheitsentzuges eingeengt."

Demgegenüber würden sich die von den Zivilgerichten nach dem ABGB für leichte Schmerzen zugesprochenen Sätze zwischen € 100 und € 130 pro Tag bewegen; für schwere Schmerzen gebührten Beträge von € 300 bis € 360 pro Tag. Die Entschädigung pro Tag des Freiheitsentzuges betrage daher gerade einmal ein Sechstel jener Beträge, die nach § 1325 ABGB zuerkannt würden. Damit entstünde "eine Ungleichbehandlung unter Opfern von Eingriffen in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte. Der Wert entzogener Freiheit erscheint dem Staat geringer als der Wert von Schmerzfreiheit." Von Angemessenheit könne daher keine Rede sein.

Ein freigesprochener Angeklagter sei auch "im Gegensatz zu Zeugen, Schöffen und Geschworenen" diskriminiert:

"Erhält der Zeuge nach § 14 Gebührenanspruchsgesetz für Frühstück, Mittagessen und Abendessen € 21, so soll der freigesprochene Angeklagte bloß mindestens € 20 insgesamt pro Tag erhalten. [...] Erhalten Zeugen, Schöffen und Geschworene als Entschädigung für Zeitversäumnis € 14,20 für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, so erhält der freigesprochene Angeklagte für den Freiheitsentzug bedeutend weniger. Dabei ist der Eingriff in die Zeitautonomie für Zeugen, Geschworene und Schöffen viel weniger intensiv als bei einem Untersuchungsgefangenen."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie unter anderem die Zulässigkeit des Antrages bestreitet, weil der Parteiantrag nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG iVm § 62a VfGG die Erhebung eines Rechtsmittels seitens der antragstellenden Partei voraussetze und nicht – wie hier – aus Anlass der Berufung der gegnerischen Partei eingebracht werden könne.

Unter Hinweis darauf, dass sich dem Antrag nicht entnehmen lasse, gegen welche Verfassungsbestimmung(en) die angefochtene Regelung verstoßen solle, sodass nach Dafürhalten der Bundesregierung dem Erfordernis gemäß § 62a Abs 3 iVm § 62 Abs 1 VfGG nicht Genüge getan sei, begegnet sie den – mutmaßlichen – Bedenken des Antragstellers wie folgt:

2.1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehe keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, eine Entschädigung in bestimmter Höhe für materielle oder immaterielle Schäden durch den Entzug der persönlichen Freiheit vorzusehen, wenn eine Person wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung festgenommen oder in Haft gehalten, in der Folge jedoch freigesprochen worden sei (sog. ungerechtfertigte Haft).

Es liege daher innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des (einfachen) Gesetzgebers, einen Anspruch auf Entschädigung für Personen vorzusehen, die zum Zweck der Strafrechtspflege zwar gesetzmäßig, aber – in Anbetracht des Ergebnisses des Strafverfahrens – rückblickend betrachtet ungerechtfertigt festgenommen und angehalten worden sind. Werde ein derartiger Entschädigungsanspruch gesetzlich eingeräumt, könne daher grundsätzlich auch frei festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen, für welche Art von Schäden und in welcher Höhe bzw. bis zu welcher Höchstgrenze der Anspruch besteht.

Im Hinblick darauf, dass keine verfassungsrechtliche Verpflichtung bestehe, überhaupt einen Anspruch auf Entschädigung für ungerechtfertigte Haft (allein auf diese nehme der Antragsteller Bezug) vorzusehen, gebe es grundsätzlich auch keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden bzw. eine bestimmte Höhe eines – dennoch eingeräumten – Ersatzanspruchs vorzusehen.

Vor diesem Hintergrund könne der vom Antragsteller ins Treffen geführte Umstand, dass bis zum Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2011 keine Betragsgrenzen normiert waren, keine Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung begründen: Bestehe kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine Entschädigung, könne der Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums einen vormals eingeräumt gewesenen Anspruch wieder rückgängig machen oder – wie erfolgt – betragsmäßig einschränken.

Abgesehen davon sei die Begrenzung des Anspruchs auf den Ersatz immaterieller Schäden, die durch den Entzug der persönlichen Freiheit entstanden sind, aus im öffentlichen Interesse gelegenen wirtschaftspolitischen Interessen gerechtfertigt (vgl. RV 981 BlgNR 24. GP, 1) und führe weder zu einer Ungleichbehandlung noch zu sonst unsachlichen Ergebnissen:

"Zunächst ist zu beachten, dass der Anspruch verschuldensunabhängig ist, so dass der Mindestbetrag jedem Geschädigten bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zusteht. Weder der Mindest- noch der Höchstbetrag können zudem nach Auffassung der Bundesregierung als unverhältnismäßig angesehen werden. Hinsichtlich des Mindestbetrages bestätigt dies bereits ein Vergleich mit § 7 Abs 3 des deutschen Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG), wonach die Entschädigung bei Freiheitsentziehungen aufgrund gerichtlicher Entscheidungen für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, (generell) 25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung beträgt. Der nach der angefochtenen Bestimmung vorgesehene Höchstbetrag beträgt mehr als das Doppelte des Mindestbetrags. Das Ausmaß der Entschädigung kann daher (nach Maßgabe der in § 5 Abs 2 3. Satz StEG 2005 genannten Kriterien) auch weit über den Mindestbetrag hinausgehen. Die Regelung ermöglicht insofern auch eine Anpassung der Entschädigungshöhe an die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Von einer sachwidrigen Einengung des Ermessens der Gerichte, wie der Antragsteller vorbringt, kann insofern keine Rede sein.

Das Vorbringen des Antragstellers, wonach die in der gerichtlichen Praxis eingebürgerten Richtsätze für Schmerzengeld nach § 1325 ABGB die Entschädigung pro Tag des Freiheitsentzugs um das Sechsfache übersteigen würden, geht schon mangels Vergleichbarkeit dieser Ansprüche ins Leere: Schmerzengeld nach dem allgemeinen Schadenersatzrecht wird nämlich nur bei Verschulden des Schädigers zuerkannt, wobei im Fall von Freiheitsentziehungen nach der Judikatur des OGH bereits Fahrlässigkeit den Ersatzanspruch gänzlich ausschließt (vgl. RIS-Justiz RS0031744). Der Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden gemäß § 5 Abs 2 StEG 2005 ist dagegen verschuldensunabhängig.

Ebenso geht der vom Antragsteller angestellte Vergleich zwischen Zeugengebühren nach dem Gebührenanspruchsgesetz und Ansprüchen auf immateriellen Schadenersatz wegen Freiheitsentziehungen mangels Vergleichbarkeit von vornherein ins Leere, besteht doch der Anspruch auf Ersatz materieller Schäden, wie zB Verdienstentgang oder Kosten für einen Rechtsbeistand, gemäß § 5 Abs 1 StEG 2005 unabhängig von den Betragsgrenzen nach § 5 Abs 2 StEG 2005."

2.2. "Soweit der Antragsteller mit seinem Vorbringen, dass ihm gegenüber Personen, die vor Inkrafttreten der angefochtenen Bestimmung inhaftiert und freigesprochen worden sind, ein Sonderopfer auferlegt werden würde, einen Verstoß der angefochtenen Bestimmung gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums andeuten sollte", hält die Bundesregierung der Vollständigkeit halber fest, dass die angefochtene Bestimmung zu keiner Einschränkung eines an sich umfassenderen Anspruches des Antragstellers führe. Da sie daher in kein bestehendes vermögenswertes Privatrecht des Antragstellers eingreife, würde auch dieses Vorbringen nach Auffassung der Bundesregierung von vornherein ins Leere gehen.

2.3. Was das vom Antragsteller schließlich mit Bezug auf eine Literaturstelle ( Pilnacek , aaO, 546) behauptete "Spannungsverhältnis zu Art 6 MRK" betrifft, führt die Bundesregierung aus, dass sich der in diesem Zusammenhang zitierte Beitrag auf die alte Rechtslage beziehe und u.a. die Frage der (Un-)Vereinbarkeit des StEG 1969 mit der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK erörtere. Den darin geäußerten Bedenken sei im Rahmen der Neugestaltung des strafrechtlichen Entschädigungsrechts durch das StEG 2005 bereits Rechnung getragen worden (vgl. RV 618 BlgNR 22. GP).

3. Die Finanzprokuratur erachtet in ihrer Äußerung den Antrag mangels Beschwer für nicht zulässig; zudem sei der Verfassung ein subjektives Recht auf angemessene Entschädigung für eine rechtmäßig verhängte, nachträglich – zufolge späteren Freispruchs – als ungerechtfertigt erkannte Haft fremd. Die angefochtene Bestimmung greife daher in keine verfassungsrechtlich geschützte Position des Antragstellers ein. Eine Verfassungswidrigkeit der bekämpften Norm liege auch deswegen nicht vor, weil es dem Antragsteller unbenommen sei, seine über das StEG 2005 hinausgehenden Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz geltend zu machen (vgl. § 1 Abs 2 StEG 2005).

III. Amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren

Bei Behandlung des vorliegenden Parteiantrages sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und" und des Wortes "gleichzeitig" in § 62a Abs 1 erster Satz, weiters des § 62a Abs 3 und 4 sowie des § 62a Abs 5 zweiter Satz VfGG idF BGBl I 92/2014 entstanden. Mit Beschluss vom leitete der Verfassungsgerichtshof daher von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen ein.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G95/2016, wurden die Wortfolge "rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und" sowie das Wort "gleichzeitig" in § 62a Abs 1 erster Satz, die Wortfolge ", gegen die die Partei ein Rechtsmittel erhebt" in § 62a Abs 3 Z 1 und die Wortfolge ", gegen die die Partei ein Rechtsmittel erhebt" in § 62a Abs 4 VfGG idF BGBl I 92/2014 als verfassungswidrig aufgehoben.

Gemäß Art 140 Abs 7 B VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Antragseinbringung nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

IV. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit

1. Nach dem unter Pkt. III. Gesagten ist bei Beurteilung der Zulässigkeit des vorliegenden Antrages von folgender Rechtslage auszugehen:

Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG und nach § 62a Abs 1 erster Satz VfGG in der durch die verfassungsgerichtliche Aufhebung bewirkten Fassung – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache". Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden.

Für die Zulässigkeit des vorliegenden Antrages reicht es daher aus, dass die gegnerische Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems eine – laut dessen Mitteilung vom zulässige und rechtzeitige – Berufung erhoben und der Antragsteller aus Anlass dieser Berufung innerhalb der Berufungsfrist seinen Antrag nach Art 140 Abs. 1 Z 1 litd B VG eingebracht hat.

2. Die Bestimmung, deren Aufhebung als verfassungswidrig begehrt wird, ist auch präjudiziell. Das Landesgericht Krems an der Donau hat § 5 Abs 2 StEG 2005 idF BGBl I 111/2010 im Anlassverfahren angewendet. Auch die Bundesregierung bestreitet die Präjudizialität dieser Bestimmung nicht.

3.1. Die Bundesregierung wendet jedoch im Hinblick darauf, dass der Antragsteller keine Verfassungsbestimmung nennt, gegen welche die angefochtene Regelung verstoßen soll, ein, dass dem Erfordernis des § 62 Abs 1 zweiter Satz VfGG nicht Genüge getan sei.

3.2. Das Erfordernis des § 62 Abs 1 zweiter Satz VfGG ist dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Weise – präzise ausgebreitet werden, dh. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar ist, zu welcher Verfassungsbestimmung die zur Aufhebung beantragte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (zB VfSlg 14.802/1997, 17.102/2004).

Bei Darlegung seiner Bedenken benennt der Antragsteller das (oder die) Verfassungsgebot(e), gegen das (bzw. die) § 5 Abs 2 zweiter Satz StEG 2005 seiner Meinung nach verstoße, zwar nicht ausdrücklich; der Antragsteller bringt aber mit gerade noch hinreichender Klarheit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zum Ausdruck, indem er die vom Gesetzgeber vorgenommene Deckelung des Ersatzanspruches mit Beträgen, die weit unterhalb der von den Gerichten bisher zugesprochenen, idR am durchschnittlichen Schmerzengeldsatz bei leichten Schmerzen orientierten Beträgen lägen, für sachwidrig erachtet, in ihr ein verfassungswidriges "Sonderopfer" zugunsten der Allgemeinheit und des Budgets zu erkennen vermeint und eine Andersbehandlung von (infolge Freispruchs) zu Unrecht inhaftiert gewesenen Personen im Vergleich zu Opfern von Eingriffen in andere verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte bzw. gegenüber Zeugen, Schöffen und Geschworenen in Bezug auf den ihnen zustehenden Ersatz für Zeitversäumnis für verfassungswidrig hält (vgl. VfSlg 18.396/2008). Auch die Bundesregierung geht in ihrer Äußerung davon aus, dass der Antragsteller mit seinem Vorbringen primär einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (iSv Art 7 B VG, Art 2 StGG) geltend macht.

4.1. Die Finanzprokuratur hält den Antrag einerseits mangels Beschwer für nicht zulässig, andererseits, weil der Verfassung ein subjektives Recht auf angemessene Entschädigung für eine rechtmäßig verhängte und nachträglich (zufolge Freispruchs) als ungerechtfertigt erkannte Haft fremd sei, weshalb die angefochtene Bestimmung in keine verfassungsrechtlich geschützte Position des Antragstellers eingreife.

4.2. Nach Dafürhalten des Verfassungsgerichtshofes kommt es für die Zulässigkeit eines Antrages gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG nicht darauf an, ob der Antragsteller mit seinem Begehren im zugrunde liegenden Zivilrechtsverfahren in erster Instanz vollständig durchgedrungen ist oder ob sich eine allfällige Aufhebung der von ihm gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG bekämpften Norm zu seinen Gunsten auswirken würde.

Zudem hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art 140 B VG bisher stets angenommen, dass die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesvorschrift unabhängig von den Umständen des Einzelfalls zu prüfen ist (VfSlg 11.190/1986, 11.316/1987 [423], 15.436/1999 u.a.), sodass es unerheblich ist, wie sich die Aufhebung einer Norm (und damit die Beurteilung der Rechtssache an der sog. "bereinigten Rechtslage" im fortgesetzten Verfahren) auf den Ausgang dieses Verfahrens auswirkt.

Soweit die Finanzprokuratur meint, der Antrag sei auch deswegen unzulässig, weil es kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Haftentschädigung gäbe, ist ihr zu erwidern, dass es auch bei allen anderen Verfahren gemäß Art 140 B VG nicht darauf ankommt, ob die angefochtene Gesetzesvorschrift in ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht des Antragstellers bzw. einer Partei im zugrunde liegenden (Anlass-)Verfahren eingreift; nichts anderes kann in Verfahren gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gelten, zumal diese Bestimmung lediglich davon spricht, dass die antragstellende Person behaupten muss, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes "in ihren Rechten" verletzt zu sein.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist der Antrag zulässig.

B. In der Sache

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003; ).

2. Die vorgetragenen Bedenken treffen nicht zu.

Vorausgeschickt sei, dass der Antragsteller der Sache nach (lediglich) eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art7 B VG, Art 2 StGG) behauptet (s. bereits Pkt. IV.A.3.2.). Zudem hat der Antragsteller in seiner Argumentation allein den Anspruch auf Entschädigung für ungerechtfertigte Haft (gemäß § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005) vor Augen.

2.1. Der Gleichheitssatz bindet auch den Gesetzgeber (vgl. VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem (vgl. VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005) sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl. VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl. VfSlg 13.576/1993, 13.743/1994, 15.737/2000, 16.167/2001, 16.504/2002).

2.2. Gegenstand der Anfechtung ist eine Einschränkung, die der Gesetzgeber mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010, im Bereich des Haftentschädigungsrechts nach dem StEG 2005 vorgenommen hat.

Gemäß der angefochtenen Bestimmung des § 5 Abs 2 zweiter Satz StEG 2005 idF BGBl I 111/2010 beläuft sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung für den Entzug der persönlichen Freiheit nunmehr auf mindestens 20 Euro und höchstens 50 Euro pro Tag des Freiheitsentzugs (wobei sich der Antrag – wie erwähnt – nur auf ungerechtfertigte Haft zufolge Freispruchs bezieht).

Während die Gesetzesmaterialien zum StEG 2005 in der Stammfassung (Erläut. zur RV 618 BlgNR, 22. GP, 4) noch betonen, dass hinsichtlich des Umfanges der Ersatzpflicht bewusst von einer Deckelung oder Pauschalierung des Ersatzbetrages – wie etwa im deutschen Recht (§7 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, dBGBl I 18/1971, 157, idF dBGBl I 50/2009, 2478: € 25/Tag) – abgesehen wurde, weil nur so den konkreten Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen werden könne, wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 – aus budgetären Gründen (s. Erläut. zur RV 981 BlgNR 24. GP, 1 sowie die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz 8347/AB, 24. GP) – von diesem Konzept abgewichen.

Welches konkrete Ausmaß an Entschädigung innerhalb der neu eingeführten Grenzen im jeweiligen Einzelfall angemessen ist, ist – wie schon bisher – unter Berücksichtigung der Dauer der Anhaltung, der persönlichen Verhältnisse der geschädigten Person oder deren Änderung durch die Festnahme oder Anhaltung festzulegen. Die Grenzen gelten nur für den Ersatz der durch Festnahme oder Anhaltung erlittenen Beeinträchtigung (§5 Abs 2 erster Satz StEG 2005). Vermögensrechtliche Schäden gemäß § 5 Abs 1 StEG 2005 werden in voller Höhe ersetzt, Amtshaftungsansprüche bleiben unberührt (§1 Abs 2 leg.cit.).

2.3. Für den Fall, dass eine Person wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung (rechtmäßig) festgenommen und in Haft gehalten, in der Folge jedoch freigesprochen worden ist (sog. ungerechtfertigte Haft, vgl. § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005), besteht – wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung zu Recht hervorhebt – keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, überhaupt eine Entschädigung für insoweit durch den Entzug der persönlichen Freiheit entstandene materielle oder immaterielle Schäden vorzusehen.

Weder aus Art 5 Abs 5 EMRK noch aus Art 7 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit betreffend den Anspruch auf Entschädigung für rechtswidrige Festnahme oder Haft (sog. konventionswidrige Haft, s. Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 6 , 2016, § 21 Rz 55) ergibt sich ein Anspruch darauf, nach einem Freispruch oder einer sonstigen Außerverfolgungssetzung Entschädigung für die Zeit der vorausgegangenen Untersuchungshaft, also eines zunächst gesetzmäßigen, nachträglich als ungerechtfertigt erkannten Freiheitsentzuges, zu erlangen ( Kopetzki , Art 7 PersFrG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.] Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 11 [2000]). Art 3 7. ZPEMRK wiederum gewährleistet ein Recht auf Entschädigung lediglich bei Fehlurteilen und ist daher auf Fälle von Haft, die sich im Nachhinein wegen eines Freispruches als ungerechtfertigt erweisen, ebenfalls nicht anwendbar. Ein "Recht auf Entschädigung" für ungerechtfertigte Haft iSv § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005 ergibt sich schließlich auch aus Art 6 EMRK nicht (vgl. EGMR , Fall Sekanina , Appl. 13.126/87, newsletter 5/1993, 20; , Fall Puig Panella , Appl. 1483/02).

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, dass der Gesetzgeber mit der angegriffenen, in § 5 Abs 2 zweiter Satz StEG 2005 vorgesehenen betragsmäßigen Beschränkung der – verfassungsrechtlich nicht gebotenen – Ersatzpflicht für (staatlicherseits unverschuldet) erlittenes Haftübel bei Freispruch den auch ihn bindenden Gleichheitssatz verletzt hätte:

Zunächst ist festzuhalten, dass bei dem in Rede stehenden Haftübel (iSd § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005) der Anspruch auf Ersatz materieller Schäden, wie zB Verdienstentgang oder Kosten für einen Rechtsbeistand, gemäß § 5 Abs 1 StEG 2005 unabhängig von den Betragsgrenzen des § 5 Abs 2 StEG 2005 besteht, sodass es hier ausschließlich um die Frage geht, ob der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum bei Festsetzung der Betragsgrenzen für den Ersatz von immateriellen Schäden überschritten hat.

Es ist zwar richtig, dass die nunmehr festgelegte Ober- und Untergrenze für den Ersatz der durch Freiheitsentzug erlittenen Beeinträchtigung deutlich unter den von den Gerichten bislang üblicherweise zugesprochenen Beträgen, die sich in der Regel am durchschnittlichen Schmerzengeldsatz bei leichten Schmerzen orientierten, liegt, doch bedeutet dies nicht, dass diese Beschränkung deshalb sachwidrig wäre. Den der zivilgerichtlichen Praxis entsprechenden, vom Antragsteller als Vergleichsmaßstab herangezogenen Richtsätzen für Schmerzengeld nach § 1325 ABGB liegt nämlich eine anders geartete Sach- und Rechtslage zugrunde. Derartige zivilrechtliche Schadenersatzansprüche verlangen im Unterschied zum verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch für letztlich zu Unrecht erlittenes Haftübel (wobei Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft an spezifische Voraussetzungen, insbesondere an das Vorliegen dringenden Tatverdachts, geknüpft sind – § 173 StPO) stets Verschulden des Ersatzpflichtigen (§§1295 ff. ABGB), weshalb sich ein Vergleich dieser Institute von vornherein verbietet.

Auch das Bedenken, dass es durch die Einführung einer Ober- und Untergrenze für den Ersatzanspruch wegen Entzugs der persönlichen Freiheit zu einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung von in Untersuchungshaft befindlichen Personen gegenüber Zeugen, Schöffen und Geschworenen, die einen weitaus höheren Anspruch nach dem Gebührenanspruchsgesetz hätten, komme, erweist sich als unzutreffend. Der Antragsteller übersieht auch insoweit, dass es sich dabei sowohl um unterschiedliche, nicht vergleichbare Personengruppen, als auch um unterschiedliche, nicht vergleichbare Ansprüche handelt. Eine Gegenüberstellung der einschlägigen Bestimmungen im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes geht daher ebenfalls ins Leere.

Die Deckelung des Ersatzanspruchs bewirkt entgegen der Auffassung des Antragstellers schließlich auch kein – unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes zu prüfendes (zB VfSlg 6884/1972, 7234/1973 und 13.006/1992) – "verfassungswidriges Sonderopfer" im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zumal hier weder allgemeine Vorteile für eine bestimmte Personengruppe vorgesehen sind noch eine oder mehrere Personen innerhalb einer Personengruppe besonders belastet werden.

§5 Abs 2 zweiter Satz StEG 2015 idF BGBl I 111/2011 verstößt mithin nicht gegen den Gleichheitssatz.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Dem beteiligten, durch die Finanzprokuratur vertretenen Bund sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. ).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:G235.2015