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VfGH vom 20.06.2002, g110/02

VfGH vom 20.06.2002, g110/02

Sammlungsnummer

16564

Leitsatz

Zulässigkeit der Verfahren zur Prüfung einer Strafbestimmung im Kommunalsteuergesetz; untrennbare Einheit der maßgeblichen Absätze dieser Bestimmung; Zulässigkeit von Anträgen auch auf Prüfung einer bereits außer Kraft getretenen Bestimmung; keine sachliche Rechtfertigung des Eintritts der Strafbarkeit bereits bei bloßem Zahlungsverzug auch ohne Verletzung von Erklärungs- oder Aufzeichnungspflichten bzw bei rechtzeitiger Bekanntgabe der Nichtentrichtung der Abgabe

Spruch

§ 15 des Bundesgesetzes, mit dem eine Kommunalsteuer erhoben wird (Kommunalsteuergesetz 1993 - KommStG 1993), BGBl. Nr. 819, war verfassungswidrig.

Die als verfassungswidrig erkannte Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zlen. B1358/00 und B1359/00 auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerden gegen

Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, im folgenden: UVS

Wien, anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrundeliegt: Mit den angefochtenen Bescheiden des UVS Wien wurden Bescheide des Magistrats der Stadt Wien bestätigt, mit denen über die Beschwerdeführerin gemäß '15 Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. 819, im folgenden: KommStG 1993, eine Geldstrafe wegen Verkürzung der Kommunalsteuer verhängt wurde. Die Beschwerdeführerin hatte als handelsrechtliche Geschäftsführerin des Komplementärs einer GmbH & Co KG für die Monate Mai bis Oktober 1998 die Kommunalsteuer jeweils bis zum Fälligkeitstermin nicht berechnet und nicht bezahlt und dadurch die Kommunalsteuer fahrlässig verkürzt.

1.2. Bei der Behandlung dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 15 KommStG 1993 in der Stammfassung (BGBl. 819/1993) entstanden. Der Gerichtshof hat daher die Beschwerdeverfahren mit Beschluß vom unterbrochen und von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet.

2. Beim UVS Wien sind Verwaltungsstrafverfahren anhängig, in welchen seitens des Magistrats der Stadt Wien den Berufungswerbern die Verkürzung der Kommunalsteuer in näher bezeichnetem Umfang vorgeworfen und in Anwendung des § 15 KommStG 1993, idF BGBl. 819, Geldstrafen verhängt wurden. Aus Anlaß dieser Strafverfahren stellte der UVS Wien gemäß Art 140 Abs 1 iVm Art 129a Abs 3 und Art 89 B-VG Anträge an den Verfassungsgerichtshof, § 15 KommStG 1993 in der Stammfassung (BGBl. 819/1993) als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die Bundesregierung erstattete im hg. - von Amts wegen eingeleiteten - Verfahren G110, 111/02 aufgrund ihres Beschlusses vom eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu, lediglich § 15 Abs 2 KommStG 1993 als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um mit den Ländern Einvernehmen über die künftige Gestaltung der Straftatbestände herstellen zu können. In den weiteren hg. - auf Antrag des UVS Wien geführten - Verfahren verweist die Bundesregierung auf diese Äußerung.

4. Der Nationalrat hat von der ihm eröffneten Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

5. Der Magistrat der Stadt Wien erstattete mit Schriftsatz vom ebenfalls eine Äußerung, in der er den vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken sowie jenen des UVS Wien entgegentritt.

II. Zur Rechtslage:

1.1. Die Kommunalsteuer ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe (§14 Abs 1 Z 1a FAG 1997 bzw. § 15 Abs 1 Z 2 FAG 2001). Steuergegenstand der Kommunalsteuer sind die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer inländischen Betriebsstätte des Unternehmens gewährten Arbeitslöhne. Die Abgabe ist als Selbstbemessungsabgabe ausgestaltet; § 11 KommStG 1993 hatte in der hier maßgeblichen Fassung, das ist jene vor dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I 142/2000, folgenden Wortlaut:

"(1) Die Steuerschuld entsteht mit Ablauf des Kalendermonats, in dem Lohnzahlungen gewährt worden sind. Lohnzahlungen, die regelmäßig wiederkehrend bis zum 15. Tag eines Kalendermonats für den vorangegangenen Kalendermonat gewährt werden, sind dem vorangegangenen Kalendermonat zuzurechnen.

(2) Die Kommunalsteuer ist vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

(3) Erweist sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen.

(4) Für jedes abgelaufene Kalenderjahr ist bis 31. März des darauffolgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine nach Kalendermonaten aufgegliederte Steuererklärung über die Berechnungsgrundlagen abzugeben; im Falle der Aufgabe einer Betriebsstätte ist die Steuererklärung binnen einem Monat ab Aufgabe abzugeben."

Der mit "Strafbestimmungen" überschriebene § 15 KommStG 1993 qualifiziert die nicht fristgerechte Entrichtung der Kommunalsteuer sowie alle Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Kommunalsteuer verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen. Er hatte in der vom UVS Wien angewendeten bzw. vom UVS Wien und vom Verfassungsgerichtshof anzuwendenden Fassung, BGBl. 819/1993, das ist jene vor dem Abgabenänderungsgesetz 2001, BGBl. I 144/2001, folgenden Wortlaut:

"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Kommunalsteuer verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafe bis zum Zweifachen des verkürzten Betrages, höchstens aber mit 800 000 S, zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

(2) Wer die Kommunalsteuer nicht bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit entrichtet oder die Steuererklärung nicht termingemäß einreicht, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, soweit die Tat nicht nach Abs 1 zu bestrafen ist, mit Geldstrafen bis zu 6 000 S zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen festzusetzen.

(3) Die Ahndung der Verwaltungsübertretungen richtet sich nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1991."

1.2. In der Regierungsvorlage, 1238 BlgNR, 18. GP, fehlte eine dem derzeitigen § 15 KommStG 1993 entsprechende Bestimmung überhaupt; dies hätte - nach Aufnahme der Kommunalsteuer in den Katalog der von den Landesabgabenordnungen erfaßten Abgaben - zur Folge gehabt, daß die allgemeinen Strafbestimmungen der jeweiligen Landesabgabenordnung anzuwenden gewesen wären, in Wien konkret § 251 WAO. Danach macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet, es sei denn, er gibt bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des Betrages und die Gründe der nicht zeitgerechten Abfuhr bekannt; "im übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermins für sich allein nicht strafbar".

Dem Finanzausschuß des Nationalrats (vgl. 1302 BlgNR, 18. GP) schien eine Ergänzung des Entwurfs sinnvoll und er schlug vor, die Kommunalsteuer in den Katalog der Abgaben nach § 2 Abs 1 litb FinStrG aufzunehmen; eine Realisierung dieses Vorschlags hätte bewirkt, daß die Übertretungen der Vorschriften des KommStG 1993 nach dem FinStrG zu sanktionieren gewesen wären. Dieser Vorschlag wurde folgendermaßen begründet:

"Da die Kommunalsteuer weitgehend mit der Lohnsummensteuer übereinstimmt, erscheint es zweckmäßig, die Kommunalsteuer in das FinStrG aufzunehmen und dieses entsprechend zu erweitern. Damit wäre auch eine ländereinheitliche Vorgangsweise gewährleistet."

Auch dies hätte zur Folge gehabt, daß die bloße Nichtentrichtung der Steuer (nach Ablauf von fünf Tagen nach Fälligkeit) bloß als Finanzordnungswidrigkeit strafbar gewesen wäre und die Strafbarkeit überdies durch vorherige Bekanntgabe des geschuldeten Betrages hätte vermieden werden können.

Anläßlich der Behandlung des Berichts des Finanzausschusses im Plenum des Nationalrats brachte der Abgeordnete Schmidtmeier in zweiter Lesung einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Nowotny, Stummvoll und Genossen ein, demzufolge § 15 in der schließlich Gesetz gewordenen, oben wiedergegebenen Fassung beschlossen werden sollte.

1.3. Über an den Präsidenten des Nationalrats gerichtete Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes in den Beschwerdeverfahren B1358/00 und B1359/00, übermittelte die Parlamentsdirektion diesen Abänderungsantrag, der hinsichtlich des § 15 KommStG 1993 bloß wie folgt begründet ist:

"Zuwiderhandlungen gegen die Kommunalsteuer sollen als Verwaltungsübertretungen nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1991 geahndet werden. Zur Herstellung einer einheitlichen Vorgangsweise erscheint es geboten, eigene Strafbestimmungen in das KommStG aufzunehmen. Von einer Gerichtszuständigkeit soll abgesehen werden."

Welche Motive sohin dafür ausschlaggebend waren, Übertretungen der Vorschriften des KommStG 1993 nicht den Finanzstraftatbeständen des FinStrG (oder der Landesabgabenordnungen), sondern einem eigenen Straftatbestand zu unterwerfen, ist nicht zu erkennen.

2. Durch ArtIV des Abgabenänderungsgesetzes 2001, BGBl. I 144/2001, wurden die in § 15 KommStG 1993 vorgesehenen Schillingbeträge durch (geringfügig abgerundete) Eurobeträge ersetzt.

Gemäß § 16 Abs 6 KommStG 1993, idF BGBl. I 144/2001, ist diese Fassung des § 15 KommStG 1993 "erstmals für den Monat Jänner 2002 anzuwenden".

III. Zur Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsverfahren:

1. Zur Zulässigkeit des von Amts wegen eingeleiteten

Gesetzesprüfungsverfahrens:

1.1. In seinem Prüfungsbeschluß vom führte der Verfassungsgerichtshof zur Frage der Zulässigkeit wörtlich folgendes aus:

"Die Beschwerden dürften zulässig sein. Die angefochtenen Bescheide stützen sich offenbar auf § 15 KommStG, sodaß der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei deren Überprüfung anzuwenden haben dürfte. Die Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung dürften (schon angesichts des Verweises in Abs 2) miteinander ebenso in einem untrennbaren Zusammenhang stehen wie beide Absätze mit Abs 3, sodaß der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon ausgeht, daß für die anhängigen Bescheidprüfungsverfahren der gesamte § 15 KommStG präjudiziell ist."

1.2. In ihrer Äußerung vom führt die Bundesregierung zur Frage der Prozeßvoraussetzungen folgendes aus:

"Da die Beschwerdeführerin - wie vom Verfassungsgerichtshof ausgeführt - die Kommunalsteuer hinsichtlich der Monate Mai bis Oktober 1998 nicht nur bis zum Fälligkeitstermin nicht bezahlt, sondern auch nicht berechnet hat, ist nach Ansicht der Bundesregierung § 15 Abs 1 KommStG auch anzuwenden und damit präjudiziell. Bei einer bloßen Nichtentrichtung ... wäre § 15 Abs 1 KommStG dagegen nach Ansicht der Bundesregierung gar nicht präjudiziell.

Zweifel an der Präjudizialität könnte man allerdings hinsichtlich § 15 Abs 2 KommStG haben. Da mit § 15 Abs 1 KommStG das qualifiziertere Delikt erfüllt ist, konnte die Behörde § 15 Abs 2 KommStG gar nicht anwenden. Dem Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes lässt sich aber nicht entnehmen, welchen Absatz des § 15 KommStG die Behörde tatsächlich angewandt hat."

Der (vorläufigen) Annahme des Gerichtshofes, daß die Absätze 1, 2 und 3 des § 15 KommStG 1993 eine untrennbare Einheit bildeten, tritt die Bundesregierung mit dem Argument entgegen, daß die Absätze 1 und 2 des § 15 KommStG 1993 unterschiedliche Sachverhalte pönalisierten und der Entfall der einen Strafbestimmung die andere nicht berühre. Sollte sich der Einwand des Gerichtshofes darin erschöpfen, daß auch die bloß nicht termingerechte Entrichtung der Kommunalsteuer unter Strafe stehe, so treffe dieser Vorwurf ausschließlich § 15 Abs 2 KommStG 1993. Eine Aufhebung sollte daher nur ihn betreffen können. Daran ändere auch der Hinweis des Verfassungsgerichtshofes auf den Verweis in § 15 Abs 2 auf Abs 1 nichts. Die verwiesene Vorschrift des § 15 Abs 1 KommStG 1993 könne nämlich nicht vom Schicksal der Aufhebung der verweisenden Vorschrift des § 15 Abs 2 KommStG 1993 betroffen sein; es käme - so die Bundesregierung abschließend - "nicht einmal zu einem leerlaufenden Verweis".

1.3. In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen, er habe den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 15.367/1998 mwN). Die Grenzen der Aufhebung müssen so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden; dies treffe sowohl auf von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (vgl. wiederum VfSlg. 15.367/1998).

Unter diesem Aspekt vermag der Gerichtshof der Auffassung der Bundesregierung, zwischen Absatz 1 und 2 des § 15 KommStG 1993 bestehe keine untrennbare Einheit, im Ergebnis nicht zu folgen: Abs 1 erfaßt in der Diktion eines Erfolgsdeliktes Handlungen und Unterlassungen, durch welche die Kommunalsteuer verkürzt wird. Eine derartige Verkürzung ist aber jedenfalls - von Zahlungserleichterungen abgesehen - bereits bewirkt, wenn die Kommunalsteuer dem Abgabengläubiger nicht bis zum Fälligkeitstermin zufließt (vgl. § 33 Abs 3 litb FinStrG zur Verkürzung bei Selbstbemessungsabgaben, ferner allgemein das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/13/0055, ÖStZB 1994, 282 mwN, sowie - zu § 15 KommStG 1993 - das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 99/13/0035). Der Versuch der Bundesregierung, im Interpretationsweg den Tatbestand des Abs 1 um zusätzliche, ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzungen anzureichern, scheitert nicht nur an dessen klarem Wortlaut, sondern kann auch deswegen nicht zum Erfolg führen, weil bei der Annahme solcher ungeschriebener Tatbestandselemente der Straftatbestand unter dem Blickwinkel des Art 18 B-VG Bedenken erwecken müßte. Wenn daher Abs 2 des § 15 KommStG 1993 die Nichtentrichtung der Kommunalsteuer bis zum Fälligkeitstag als Verwaltungsübertretung qualifiziert, so wird damit in Form eines Unterlassungsdeliktes letztlich dasselbe Verhalten wie in Abs 1 unter Strafdrohung gestellt: Es ist praktisch kaum vorstellbar, daß ein Sachverhalt den Tatbestand nach Abs 2 erster Fall, nicht aber den Verkürzungstatbestand iSd Abs 1 verwirklicht (vgl. auch Taucher, Kommunalsteuer - Kommentar, Wien 1998, 411). Ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den beiden Absätzen ist somit schon deswegen gegeben, weil die fraglichen Vorschriften gar nicht klar erkennen lassen, welche von ihnen im konkreten Fall zur Anwendung zu kommen hat.

Daß die beiden ersten Absätze mit Abs 3 in untrennbarem Zusammenhang stehen, bestreitet auch die Bundesregierung nicht. Der Gerichtshof bleibt daher bei seiner im Prüfungsbeschluß vorläufig geäußerten Auffassung, daß der gesamte § 15 KommStG 1993 präjudiziell ist.

1.4. Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Zur Zulässigkeit der Anträge des UVS Wien:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel daran, daß der antragstellende UVS Wien bei der Erledigung der bei ihm anhängigen Verwaltungsstrafverfahren, da die erstinstanzlichen Bescheide vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I 144/2001 ergangen sind (vgl. § 1 Abs 2 VStG), § 15 KommStG 1993 in der Stammfassung (BGBl. 819/1993) anzuwenden hat.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes schließt der Umstand, daß eine Gesetzesstelle bereits außer Kraft getreten ist, die Zulässigkeit eines Antrages eines Gerichtes oder eines Unabhängigen Verwaltungssenates nicht aus, wenn in ihm begehrt wird, die betreffende Gesetzesstelle als verfassungswidrig aufzuheben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , G181/01 u.a.Zlen.). Auch insofern ist die Zulässigkeit der Anträge daher gegeben.

2.3. Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, sind die Anträge des UVS zulässig.

IV. In der Sache:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat die Normprüfungsverfahren in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

2. Die Erwägungen, die den Gerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluß wie folgt dar:

"Der Verfassungsgerichtshof hat das Bedenken, daß § 15 KommStG mit dem dem Gleichheitsgrundsatz innewohnenden Sachlichkeitsgebot in Konflikt gerät, da er - anders als sonst bei der Verletzung von Vorschriften über Selbstbemessungsabgaben - auch die bloß nicht termingerechte Entrichtung der Kommunalsteuer, also die bloße Säumigkeit unter verwaltungsstrafrechtliche Sanktion zu stellen scheint.

Im allgemeinen dürften - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig angesichts des § 33 FinStrG und der entsprechenden Bestimmungen der Landesabgabenordnungen im Anschluß an Fellner, Kommunalsteuergesetz 1993, Manzscher Kurzkommentar, Wien 2002, 284, annimmt - im Finanzstrafrecht des Bundes und der Länder Abgabenverkürzungen nur dann strafbar sein, wenn sie 'von der Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht zumindest begleitet' sind. Dies dürfte im KommStG anders sein. Der Verfassungsgerichtshof folgt auch insofern vorläufig der Auffassung Fellners (aaO, 284 f.), der dazu ausführt:

'Demgegenüber erfordert der Tatbestand nach § 15 Abs 1 eine solche Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen nicht.

Dies hat die den Grundsätzen des Finanzstrafrechtes klar zuwiderlaufende Folge, dass die Versäumung eines Zahlungstermines im Bereich der KommSt für sich allein strafbar ist (...). Demgegenüber wird sowohl im § 49 Abs 1 lita letzter Halbsatz FinStrG als auch in einzelnen, dem nachgebildeten landesgesetzlichen Bestimmungen ausdrücklich der Grundsatz aufgestellt, dass die Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein nicht strafbar ist.

Im Finanzstrafrecht wird damit also nur jene Nichtentrichtung von Selbstbemessungsabgaben pönalisiert, bei denen der Vertrauensvorschuss, den ein Abgabengesetz dem Steuerpflichtigen durch die Selbstbemessung einräumt, durch Unterlassung der in Rede stehenden Bekanntgaben missbraucht wird (vgl. Zl. 87/15/0062; , Zl. 89/17/0002).

Ein zahlungsunfähiger Abgabenschuldner kann also jede strafrechtliche Haftung iSd FinStrG für die Nichtentrichtung selbst zu berechnender Abgaben vermeiden, indem er (wenigstens) seiner abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nachkommt und der Abgabenbehörde die Höhe des geschuldeten Betrages rechtzeitig mitteilt ( Zl. 13 Os 16/81 SSt 53/10; , Zl. 13 Os 90/86 SSt 57/55 unter Bedachtnahme auf § 49 FinStrG).

Demgegenüber wird der Tatbestand nach § 15 Abs 1 allein durch Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales der Verkürzung, also durch Nichtentrichtung oder zu geringe Entrichtung der Steuer, erfüllt.'

Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig eine sachliche Rechtfertigung für diese abweichende Sonderbehandlung nicht zu erkennen, zumal sich aus den Materialien eine Begründung nicht ergibt und im verfassungsgerichtlichen Verfahren den diesbezüglichen Bedenken der Beschwerden nicht entgegengetreten wurde."

3. Der UVS Wien schließt sich in seinen - nahezu wortgleichen - Anträgen der eben wiedergegebenen (vorläufigen) Auffassung des Verfassungsgerichtshofes an.

4.1. Die Bundesregierung tritt in ihrer Äußerung den (vorläufigen) Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegen und führt zum Verhältnis von § 15 Abs 1 zu § 15 Abs 2 KommStG 1993 wörtlich folgendes aus:

"Der Verfassungsgerichtshof spezifiziert seine Bedenken nicht näher dahingehend, ob sich diese gegen § 15 Abs 1 oder § 15 Abs 2 KommStG richten, sondern stellt § 15 KommStG als solchen in Frage. So formuliert der Gerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss auf Seite 6 auch, er habe 'das Bedenken, dass § 15 KommStG mit dem dem Gleichheitssatz innewohnenden Sachlichkeitsgebot in Konflikt gerät, da er - anders als sonst bei der Verletzung von Vorschriften über Selbstbemessungsabgaben - auch die bloß nicht termingerechte Entrichtung der Kommunalsteuer, also die bloße Säumigkeit unter verwaltungsstrafrechtliche Sanktion zu stellen scheint'."

Nach Ansicht der Bundesregierung sei ein solcher Vorwurf gegen § 15 KommStG 1993 insgesamt in dieser pauschalen Art nicht zutreffend. Die Auslegung von § 15 KommStG 1993 und die Abgrenzung zwischen Abs 1 und Abs 2 dieser Bestimmung dürfe - aufgrund deren unterschiedlicher Formulierung und unterschiedlichem Strafausmaß - keinesfalls außer acht gelassen werden; wörtlich führt sie hiezu folgendes aus:

"§15 Abs 2 KommStG knüpft schon an den bloßen Umstand der Nichtentrichtung bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit oder der nicht termingemäßen Einreichung der Steuererklärung eine Straffolge im Ausmaß 'von bis zu 435 Euro'. Die drohende Höchststrafe ist dabei mit 435 Euro relativ niedrig angesetzt (vgl. demgegenüber § 49 FinStrG mit bis zu 3.625 Euro, dazu auch unter II.2). Die Mindeststrafe beträgt bei Verwaltungsübertretungen überdies allgemein 7 Euro (§13 VStG). Innerhalb dieser Bandbreite muss unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Einzelfalls ein Strafausmaß festgesetzt werden. Dabei wird etwa zu berücksichtigen sein, ob der Steuerpflichtige bisher als gewissenhaft bekannt ist oder ob ihm die Entrichtung etwa - aufgrund Zahlungsunfähigkeit - objektiv erschwert oder sogar unmöglich war. In Fällen, in denen der Steuerpflichtige überhaupt als nicht strafwürdig erscheint, kann die Behörde nach § 21 VStG überhaupt von der Strafe absehen. Dieses Ermessen hat sie im Sinn des Gesetzes zu üben, sodass es in dem vom Verfassungsgerichtshof auf Seite 6 angesprochenen Extremfall der Säumnis des Zahlungsunfähigen, der sorgfältig abgerechnet und offengelegt hat, zu gar keiner Strafe kommen wird.

§ 15 Abs 1 KommStG sieht demgegenüber strengere Strafsanktionen für 'Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Kommunalsteuer verkürzt wird', vor. Für diese besteht eine Verwaltungsstrafdrohung von 'bis zu 58.135 Euro'."

Solche Handlungen oder Unterlassungen könnten allerdings - so die Bundesregierung weiter - nicht bereits in den von § 15 Abs 2 KommStG 1993 gesondert erfaßten Fällen der bloßen Nichtentrichtung oder Nichteinreichung bestehen, wäre doch sonst das Nebeneinander der beiden Absätze des § 15 KommStG 1993 nicht erklärbar. Die Verkürzungshandlungen oder -unterlassungen müßten also gegenüber den Tatbeständen des § 15 Abs 2 KommStG 1993 qualifiziert sein, also "ein Mehr" beinhalten: Setze der Steuerpflichtige z.B. schon im Vorfeld des Entrichtens und Einreichens der Kommunalsteuer Verkürzungshandlungen oder -unterlassungen, so liege kein bloßes Nichtentrichten, sondern bereits eine Verkürzung vor. Verletze der Abgabepflichtige lediglich die Entrichtungspflicht, so sei ausschließlich der Tatbestand des § 15 Abs 2 KommStG 1993 erfüllt. Nur aus diesem Blickwinkel seien die unterschiedlichen Strafdrohungen in Abs 1 und Abs 2 des § 15 KommStG 1993 verständlich.

Aus der Systematik des § 15 Abs 1 und 2 KommStG 1993 ergebe sich - so die Bundesregierung weiter -, daß es einer zusätzlichen Verkürzungshandlung oder -unterlassung im Vorfeld der Nichtentrichtung oder -einreichung im Rahmen des § 15 Abs 1 KommStG 1993 bedürfe. § 15 Abs 2 leg.cit. sehe zwar demgegenüber eine bescheidene Strafdrohung für die bloße Nichtentrichtung vor, diese könne aber bei der Strafbemessung "auf bis zu 7 Euro" herabgesetzt werden. In begründeten Fällen könne es überdies zu einem gänzlichen Absehen von der Strafe nach § 21 VStG kommen.

Darüber hinaus führe die finanzielle Unmöglichkeit der Abgabenentrichtung schon deshalb nicht automatisch in die strafrechtliche Haftung, weil die Verfahrensvorschriften Zahlungserleichterungen und Nachsichten zuließen und der Abgabenschuldner Insolvenzanträge zu stellen hätte, die zu einer Zahlungssperre führten.

4.2. Zur fehlenden einheitlichen Systematik im Abgabenstrafrecht führt die Bundesregierung wörtlich folgendes aus:

"Fellner spricht aaO im Zusammenhang mit § 15 KommStG hinsichtlich der Strafbarkeit der bloßen Versäumung eines Zahlungstermins von einer 'den Grundsätzen des Finanzstrafrechts klar zuwiderlaufenden Folge'. Ein Blick in die in den verschiedenen Gesetzen vorgesehenen Strafbestimmungen zeigt allerdings, dass keine solchen einheitlichen Grundsätze bestehen. Insbesondere trifft der Befund des Verfassungsgerichtshofes, dass die bloße Nichtentrichtung von Selbstbemessungsabgaben im bundes- und landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht nicht sanktioniert ist, nicht allgemein zu (siehe sogleich näher zu § 49 Abs 1 FinStrG und den vergleichbaren Tatbeständen der LAO). Die Feststellung des VfGH trifft nur insoweit zu, als die bloße Nichtentrichtung nicht als Abgabenverkürzung unter Strafe gestellt wird. Wie unter II.1 gezeigt wurde, ist für den Fall der bloßen Nichtentrichtung aber auch im Rahmen des Kommunalsteuergesetzes nicht der Verkürzungstatbestand des § 15 Abs 1 KommStG, sondern nur die Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs 2 KommStG anwendbar."

Zu den bundes- und landesgesetzlichen Abgabenstrafrechtsbestimmungen merkt die Bundesregierung folgendes an:

"Das Finanzstrafgesetz unterscheidet bei den einschlägigen Tatbeständen zwischen selbst zu berechnenden Abgaben, bei denen bloß die Entrichtungspflicht besteht und solchen, bei denen neben der Entrichtungspflicht auch eine Erklärungspflicht ('Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht') besteht. Gegenstand einer Abgabenverkürzung nach § 33 Abs 1 und 34 Abs 1 FinStrG können grundsätzlich nur solche selbst zu berechnenden Abgaben sein, die auch zu erklären sind und wo diese Erklärungspflicht verletzt wurde. Mit § 33 Abs 2 litb FinStrG besteht überdies ein Straftatbestand, der nicht an eine Erklärungspflicht, sondern an eine Aufzeichnungspflicht anknüpft. Selbst zu berechnende Abgaben ohne eine sie begleitende Erklärungspflicht sind nur nach § 49 Abs 1 FinStrG als Finanzordnungswidrigkeit strafbar."

§ 49 Abs 1 FinStrG und die dieser Bestimmung entsprechenden Tatbestände aller Landesabgabenordnungen stellten grundsätzlich das bloße Nichtentrichten einer selbst zu berechnenden Abgabe (bis zum 5. Tag nach Fälligkeit) unter Strafe. Nur "im übrigen", also bei kürzerer Säumnis und bei anderen Abgaben, sei die Versäumung eines Zahlungstermins für sich allein nicht strafbar. Von einem notwendigerweise nachzuweisenden Mißbrauch eines Vertrauensvorschusses durch Unterlassung der Bekanntgabe könne daher für den Tatbestand des § 49 Abs 1 FinStrG nicht die Rede sein. Zwar werde ein besonderer Strafausschließungsgrund ("es sei denn, daß der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird") normiert, den das KommStG 1993 nicht kenne, der Strafrahmen, mit dem die Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 FinStrG bestraft werde (€ 3.625,--) sei aber höher als der des § 15 Abs 2 KommStG 1993 (€ 435,--); in Anbetracht dessen habe man keine über die allgemeinen Ermessensmöglichkeiten der Behörde hinausgehenden Korrektiva wie besondere Strafaufhebungsgründe vorgesehen.

Manche Landesabgabenordnungen enthielten dem § 33 FinStrG vergleichbare Verkürzungstatbestände, bei denen somit die Nichtentrichtung selbst zu berechnender Abgaben nur bei Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht strafbar sei. Das bloß vorsätzliche Nichtentrichten einer selbst zu berechnenden Abgabe sei daher in diesen Ländern - so wie nach dem FinStrG - nicht als Abgabenverkürzung strafbar.

Andere Bundesländer - die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf Wien, Burgenland, Steiermark und Tirol - verfügten über keine allgemeinen Verkürzungstatbestände (in den Landesabgabenordnungen), sondern nur über Verkürzungstatbestände in den einzelnen Landesabgabengesetzen, die im wesentlichen § 15 Abs 1 KommStG 1993 entsprächen.

Zusammenfassend hält die Bundesregierung fest, daß eine einheitliche Systematik im bundesgesetzlichen und landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht nicht gegeben sei. Vor diesem Hintergrund sei auch die Aufnahme einer eigenen Strafbestimmung im KommStG 1993 zu sehen. Der (vorläufigen) Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß das Ziel, eine einheitliche Strafbestimmung zu schaffen, auch über eine Aufnahme in § 2 Abs 1 litb FinStrG erreichbar gewesen wäre, wodurch Übertretungen der Vorschriften des KommStG 1993 nach den Bestimmungen des FinStrG zu sanktionieren gewesen wären, tritt die Bundesregierung wie folgt entgegen:

"Demgegenüber ist aber darauf hinzuweisen, dass das FinStrG grundsätzlich bei bundesrechtlich geregelten Abgaben zum Tragen kommen soll, die auch von den Abgabenbehörden des Bundes zu erheben sind (§2 Abs 1 lita FinStrG). Die von den Ländern und Gemeinden erhobenen Abgaben fallen daher grundsätzlich nicht unter das FinStrG; eine Sonderregelung wie seinerzeit für die Lohnsummensteuer wäre zwar möglich, ist aber wohl nicht verfassungsrechtlich geboten. Die Zuständigkeit zur Vollziehung des FinStrG liegt aber ausschließlich bei den Abgabenbehörden des Bundes (vgl. § 58 FinStrG). Dass die Länder (und Statutarstädte) bei Zuwiderhandlungen gegen die von den Ländern und Gemeinden erhobenen Abgaben auch die Verwaltungsstrafverfahren durchführen wollen, ist nach Ansicht der Bundesregierung aber ein durchaus legitimes Interesse und entspricht dem System der Abgrenzung zwischen dem bundes- und landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht. Ein solches System liegt auch im Interesse der Verwaltungsökonomie und erspart die Befassung zweier Behörden (Anzeige durch die erhebende Behörde an die strafende Behörde)."

5. Der Magistrat der Stadt Wien führt in seiner Äußerung vom aus, daß sich sowohl aus der Formulierung des Abs 2 des § 15 KommStG 1993 ("soweit die Tat nicht nach Abs 1 zu bestrafen ist") als auch aufgrund des unterschiedlichen Strafrahmens in Abs 1 und Abs 2 des § 15 KommStG 1993 ergebe, daß es sich um zwei unterschiedliche Tatbestände handle: die reine "Nichtzahlung" nach Abs 2 leg.cit., die mit einer geringen Strafe bedroht sei, und der besondere Fall der Nichtzahlung, die Verkürzung, nach Abs 1 leg.cit. Was unter einer "Verkürzung" zu verstehen sei, ergebe sich - mangels Legaldefinition - aus der Judikatur. Im Bereich des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechts werde - so der Magistrat der Stadt Wien unter Verweis auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 68/74 - unter diesem Begriff regelmäßig die unterlassene Zahlung unter Hinzutreten einer weiteren Pflichtverletzung verstanden. Eine Nichtzahlung werde nur dann als Verkürzung pönalisiert, wenn sie "von der Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht zumindest begleitet" werde. Aus der Verwendung des Begriffes "Verkürzung" folge, daß in Abs 1 leg.cit. nur jene Tatbestände erfaßt würden, auf die diese Kriterien zuträfen, weshalb darzulegen sei, welche weiteren Pflichtverletzungen für Verkürzungen nach dem KommStG 1993 in Frage kämen: Neben der (termingerechten) Zahlung sei dem Abgabepflichtigen auch die "Berechnung" der Kommunalsteuer aufgetragen. Berechne ein Abgabepflichtiger die Kommunalsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt der Zahlung (richtig), könne diese aber aus welchen Gründen auch immer nicht abführen, so könne er den Eintritt des Tatbestandes der Verkürzung durch Mitteilung des Betrages an die Behörde (Offenlegung) abwenden; eine Bestrafung nach Abs 1 leg.cit. sei unter diesen Voraussetzungen nicht mehr gerechtfertigt.

Umgekehrt könne eine ordnungsgemäße Berechnung vor allem dann ausgeschlossen werden, wenn der Abgabepflichtige die erforderlichen Aufzeichnungen (z.B. Lohnkonten) - zu denen er aufgrund der Bestimmungen der WAO verpflichtet sei - nicht oder nur unzureichend führe. Die Berechnung setze somit zwingend - wenn auch nur implizit - die Erfüllung der Aufzeichnungspflicht iSd § 97 WAO voraus. Hinter dem Begriff "berechnen" würden sich sohin weitere abgabenrechtliche Verpflichtungen verbergen, ohne deren Einhaltung eine richtige Ermittlung der Abgabenschuld nicht möglich wäre. Käme es zu einer Verletzung dieser Verpflichtungen, sei das ordnungsgemäße Berechnen der Kommunalsteuer nicht möglich und sohin auch die für den Verkürzungstatbestand geforderte zweite Komponente (das "Hinzutreten von Handlungen oder Unterlassungen, die sich als Verletzung über die Zahlungspflicht hinausgehender abgabenrechtlicher Pflichten darstellen": Aufzeichnungs-, Offenlegungs- oder Mitwirkungspflichten) gegeben.

Wörtlich wird hiezu überdies folgendes ausgeführt:

"Im Ergebnis kommen auch Sommergruber - Reger, Das Finanzstrafgesetz mit Kommentar, Seite 244, zu dieser Feststellung:

'Werden Lohnkonten überhaupt nicht oder nur unvollständig geführt, und erfolgt die Berechnung und Abfuhr bzw. Entrichtung der Lohnsteuer und der Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichfonds für Familienbeihilfe deshalb überhaupt nicht oder nicht in der gesetzmäßigen Höhe, wird eine Abgabenverkürzung bewirkt, die als solche bereits unter den Tatbestand des § 33 Abs 1 FinStrG fiele, wenn dafür nicht der Sondertatbestand des § 33 Abs 2 litb FinStrG geschaffen worden wäre.'

Hinsichtlich der Kommunalsteuer gelten die gleichen Rahmenbedingungen (auch hier basiert die 'Berechnung' auf ordnungsgemäß geführten Lohnkonten); es ist daher nicht nachvollziehbar, warum dem Begriff der Verkürzung im Bereich der Kommunalsteuer ein anderer Inhalt unterstellt werden soll."

Daraus ergebe sich, so der Magistrat der Stadt Wien, daß der Interpretation von Fellner, die Verkürzung der Kommunalsteuer werde bereits allein durch die unterlassene Zahlung zum Fälligkeitszeitpunkt bewirkt, woraus nunmehr die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung abgeleitet werde, nicht gefolgt werden könne, würden diese Überlegungen doch zu dem sinnwidrigen Schluß führen, "dass die reine Nichtzahlung allein wahlweise nach Absatz 1 oder Absatz 2 belangt werden könnte; der Gesetzgeber hat aber bewusst zwischen zwei verschiedenen Tatbeständen unterschieden, was auch in den unterschiedlichen Strafdrohungen seinen Niederschlag findet".

Der Magistrat räumt allerdings ein, daß der nunmehrige Anlaßfall in eine Periode gefallen sei, in der sich die Erstbehörde der Interpretation von Fellner, die auch vom Verwaltungsgerichtshof zuletzt im Erkenntnis vom , Zl. 99/13/0035, geteilt worden sei, angeschlossen habe. Er meint allerdings, daß das zitierte Erkenntnis auch so verstanden werden könne, daß bei Nichtzahlung der Kommunalsteuer implizit die Unterlassung der (richtigen) Berechnung der Kommunalsteuer unterstellt werde. Seit Frühjahr 2001 werde von der Erstbehörde daher die fristgerechte Berechnung der Kommunalsteuer als Ausschließungsgrund für eine Verkürzung angesehen.

Zusammenfassend vertritt der Magistrat der Stadt Wien die Auffassung, daß eine Verletzung des Sachlichkeitsgebotes iSd Art 2 StGG nicht erkannt werden könne, "zumal einerseits die Strafdrohung des § 15 Abs 1 [KommStG 1993] nur Verkürzungen der Abgabe betrifft, wobei unter Verkürzung nicht allein die bloße Nichtzahlung zu verstehen ist und andererseits mit Absatz 2 leg.cit. zwar die Versäumung des Zahlungstermines für sich allein pönalisiert ist, der geringe Strafrahmen auf diesen Umstand aber ausreichend Bedacht nimmt".

6. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bzw. des UVS Wien gegen die in Prüfung gezogene Norm des KommStG 1993 haben sich als gerechtfertigt erwiesen:

6.1. Der Gerichtshof kann zunächst - wie schon unter III.1.3. dargelegt - der Bundesregierung bzw. dem Magistrat der Stadt Wien nicht folgen, wenn sie versuchen, im Auslegungsweg die in Abs 1 des § 15 KommStG 1993 angesprochene Verkürzung mit "qualifizierten Verkürzungshandlungen oder -unterlassungen" in Verbindung zu bringen. Diesem Vorhaben steht - wie ebenfalls schon angedeutet - Art 18 B-VG im Wege, weil diese zusätzlichen Anforderungen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar wären und daher im Einzelfall nicht vorhergesehen werden könnte, ob ein Verhalten (Handeln oder Unterlassen), das zu einer Nichtentrichtung der Kommunalsteuer bis zum Fälligkeitstag führt, nach Abs 2 oder nach der strengeren Strafnorm des Abs 1 KommStG 1993 zu verfolgen wäre.

Können aber in Abs 1 leg.cit. aus den dargelegten Gründen nicht weitere (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmale hineingelesen werden, so bleibt es bei dem vom Gerichtshof im Prüfungsbeschluß (vorläufig) beanstandeten Ergebnis, daß nach § 15 (Abs1 oder 2) KommStG 1993 die bloße Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein (das heißt auch ohne Verletzung einer Erklärungs- oder Aufzeichnungspflicht) strafbar ist (vgl. hiezu das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 99/13/0035) und diese Strafbarkeit - entgegen der Auffassung des Magistrats der Stadt Wien - auch nicht dadurch vermieden werden kann, daß der Abgabenbehörde bis zum Fälligkeitszeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird. Damit stellt sich die strafrechtliche Situation im Bereich der Kommunalsteuer vollkommen anders dar als bei den dem FinStrG unterliegenden Abgaben. Die Bundesregierung räumt selbst ein, daß nach dem FinStrG die Nichtentrichtung selbst zu berechnender Abgaben, sofern keine Erklärungs- oder Aufzeichnungspflicht verletzt wurde, nicht als Abgabenhinterziehung strafbar ist. Die Strafbarkeit der Nichtentrichtung als Finanzordnungswidrigkeit hingegen kann jedenfalls dadurch ausgeschlossen werden, daß der Behörde bis spätestens 5 Tage nach dem Fälligkeitstermin die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird (§49 Abs 1 lita FinStrG).

6.2. Der Gerichtshof kann für diese "außerordentliche Härte" bei bloßem Zahlungsverzug im Bereich der Kommunalsteuer (Hollik, Harte Strafen bei Zahlungsverzug, SWK 1994, A 34) keine sachliche Rechtfertigung erkennen. Er bezweifelt dabei nicht, daß ein legitimes Interesse der Länder (Gemeinden) besteht, bei Zuwiderhandlungen gegen die von ihnen erhobenen Abgaben, und daher auch bei der Kommunalsteuer, auch die Verwaltungsstrafverfahren durchführen zu wollen. Er hält es - in Übereinstimmung mit der Bundesregierung - auch nicht für verfassungsrechtlich geboten, die Kommunalsteuer in den Geltungsbereich des FinStrG einzubeziehen. Er vermag aber nicht zu sehen, was es rechtfertigen könnte, die bloße Versäumung von Zahlungsterminen im Bereich der Kommunalsteuer - selbst wenn es nicht zur Verletzung von Erklärungs- oder Aufzeichnungspflichten gekommen ist bzw. wenn die Nichtentrichtung der Abgabe der Behörde rechtzeitig bekanntgegeben wurde - unter Strafsanktion zu stellen. Daran ändert der Umstand nichts, daß es im Einzelfall möglich ist, die Strafe niedrig festzusetzen oder von ihrer Verhängung überhaupt abzusehen. Wenn die Bundesregierung für den Fall der finanziellen Unmöglichkeit der Abgabenentrichtung auf die Möglichkeit der Erlangung von Zahlungserleichterungen bzw. einer Nachsicht verweist, so ist ihr zu entgegnen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Instrumente im Falle von Zahlungsschwierigkeiten in der Regel nicht (mehr) gegeben sind. Soweit die Bundesregierung hingegen auf die uneinheitliche Systematik des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechts und auf vergleichbare Regelungen auch im Bereich anderer Landes- oder Gemeindeabgaben verweist, so bringt sie damit kein Argument für die Sachlichkeit der Regelung des § 15 KommStG 1993 vor, sondern zeigt möglicherweise zusätzlichen Reformbedarf auf.

7. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bzw. des UVS Wien haben sich daher als gerechtfertigt erwiesen. Da § 15 KommStG 1993 durch das Abgabenänderungsgesetz 2001, BGBl. I 144/2001, eine neue Fassung erhalten hat, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung zu beschränken, daß § 15 KommStG 1993, idF BGBl. 819, verfassungswidrig war.

8. Im Hinblick darauf war auch die Setzung einer Frist iSd Art 140 Abs 5 B-VG entbehrlich.

9. Der Ausspruch, daß die als verfassungswidrig erkannte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG.

10. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I erfließt aus Art 140 Abs 5 B-VG.

V. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.