OGH vom 15.05.1986, 13Os75/86
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Lachner und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richard B*** wegen des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom , GZ. 6 b Vr 998/85-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Richard B*** wurde im zweiten Rechtsgang abermals des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG. für das Jahr 1982 schuldig erkannt, weil die allein noch zu prüfende Frage, ob ihm der Strafaufhebungsgrund des § 14 FinStrG. zugute kommt, vom Erstgericht verneint wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. b StPO.) ist schon damit im Recht, daß sie die Ablehnung des Strafaufhebungsgrunds des Rücktritts vom Versuch als rechtsirrig (Z. 9 lit. b) rügt. Der als Rücktritt reklamierten "Selbstanzeige" des Beschwerdeführers () seien, so das Urteil, schon seit Verfolgungshandlungen gegen ihn vorausgegangen, wovon der Angeklagte zufolge Information seines Geschäftspartners Kurt W*** gewußt habe. Am habe nämlich Kurt W*** gegenüber einem Betriebsprüfer Zahlungen an den Beschwerdeführer angegeben und darnach diesem zur Selbstanzeige geraten. Hierauf hat der Betriebsprüfer "im Bewußtsein der gegen den Angeklagten bestehenden Verdachtsmomente im Prüfungsverfahren gegen Kurt W*** am ein Anfrageschreiben an jene Firma, von der der Angeklagte Provisionen erhalten haben soll, gerichtet, welches am positiv beantwortet wurde" (S. 155). Verfolgungshandlungen nach § 14 Abs. 3 FinStrG. sind solche Akte, die nach ihrer Art und ihrer Bedeutung die Absicht der Finanzstrafbehörde erkennen lassen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden konkreten Verdacht auf eine in den Verfahrensvorschriften vorgesehene Weise zu prüfen (JBl. 1984 S. 215 ff., insb. S. 218 mit weiteren Judikaturnachweisen). Ein Schreiben an eine andere (namentlich gar nicht genannte) Firma, dessen Inhalt nicht bekannt ist und von dem darum gar nicht festgestellt werden kann, daß darin der Angeklagte von einer Finanzstrafbehörde eines bestimmten Finanzvergehens konkret verdächtigt wird, kann nicht als eine nach außen erkennbare Verfolgungshandlung gegen den Beschwerdeführer angesehen werden (siehe das a.a.O. S. 219 angeführte "Ersuchschreiben an die Fa. Autohaus D.").
Wenn demgegenüber das Erstgericht dennoch darauf den Wegfall der Straffreiheit wegen Rücktritts vom Versuch gründete, so verkannte es, daß abgabenbehördliche Ermittlungen die Strafaufhebung gemäß § 14 FinStrG. nicht hindern können (arg. "eines Finanzvergehens Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten"; siehe Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, P. 6 zu § 14 FinStrG.). Der Schöffensenat ist damit einem Rechtsirrtum unterlegen, der, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst noch nicht eintreten kann, die sofortige Urteilsaufhebung (§ 285 e StPO.) gebietet. Einem weiteren Rechtsirrtum erlag das Landesgericht insofern, als es die strafaufhebende Wirkung des Rücktritts vom Versuch von der Freiwilligkeit dieses Verhaltens abhängig machen will. Indes spricht § 14 FinStrG. - im auffallenden Gegensatz zu § 16 StGB. - nirgends von Freiwilligkeit (siehe Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, P. 4 und 5 zu § 14 FinStrG. mit historischer Erklärung).
Im dritten Rechtsgang wird es entsprechender Konstatierungen bedürfen, um einwandfrei beurteilen zu können, ob überhaupt irgendwelche, als Verfolgungshandlungen im Sinn des § 14 FinStrG. (siehe oben) zu wertenden Amtshandlungen gegen den Angeklagten vor dem gesetzt wurden.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen.