OGH vom 10.12.1993, 9ObA370/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl T*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Parteien 1. J. H***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. J.H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 198.229,06 brutto sowie S 9.708,70 netto sA (Streitwert im Rechtsmittelverfahren S 41.506,66 brutto), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 31 Ra 48/93-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilzwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 10 Cga 595/92-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 3.985,34 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 664,22 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Erstbeklagten seit als Vertreter (Kaffee- und Teefachberater) beschäftigt. In seinem Dienstvertrag (Punkt 5) verpflichtete sich der Kläger, "für die Dauer des Dienstverhältnisses ohne Genehmigung des Arbeitgebers weder ein selbständiges kaufmännisches Unternehmen zu betreiben noch im Geschäftszweig des Arbeitgebers für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu tätigen." Für den Fall der Verletzung der dem Kläger aufgrund des Konkurrenzverbotes obliegenden Pflichten wurde der Ersatz des eingetretenen Schadens, mindestens jedoch die Zahlung einer Konventionalstrafe in Höhe dreier Bruttomonatsentgelte vereinbart. Das Arbeitsverhältnis endete am durch Entlassung.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 198.229,06 brutto zuzüglich S 9.708,70 netto sA. Ihm stehe aufgrund der unberechtigten Entlassung eine Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 10.3. bis einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen von S 41.501,66 zu. Außerdem gebühre ihm aus diesem Grunde noch eine restliche Urlaubsentschädigung auf der Basis von 30 Werktagen in Höhe von S 25.690. An Überstundenentgelt sei noch ein Betrag von S 131.037,40 offen. Schließlich habe die Erstbeklagte von der Endabrechnung S 14.708,70 netto zu Unrecht einbehalten, woraus nach Kompensation mit dem Wechselgeld von S 5.000 noch ein Nettobetrag von S 9.708,70 aushafte.
Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei zu Recht entlassen worden, da er wiederholt gegen das im Punkt 5 des Dienstvertrages vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen habe. Der Kläger habe vereinbarungswidrig Geschäfte für Dritte gemacht und während der Dienstzeit an Kunden der Erstbeklagten Waren der Firma A***** verkauft. Dadurch habe der Kläger einen schweren Vertrauensbruch begangen. Er sei im Außendienst tätig gewesen und habe nie Überstunden geltend gemacht. Zufolge der mangelnden Kontrollmöglichkeit sei ausdrücklich vereinbart gewesen, daß ohne Anordnung geleistete Überstunden bei sonstigem Verfall binnen einer Woche bekanntgegeben werden müssen. Überstunden seien daher, soweit sie überhaupt geleistet wurden, verjährt und verfallen. Gegen einen allfälligen Anspruch auf Überstundenentlohnung werde die vereinbarte Konventionalstrafe von S 62.235 aufrechnungsweise eingewendet.
Der Kläger bestritt die Berechtigung der Gegenforderung und brachte ergänzend vor, daß er die Waren der Firma A***** nicht während der Dienstzeit, sondern während seines Erholungsurlaubs vertrieben habe. Er habe dadurch, obwohl die Produkte der Erstbeklagten im Wiener Raum schwer zu verkaufen gewesen seien, neue Kunden angesprochen und den Kaffee der Erstbeklagten gleichsam im "Huckepack-System" mitvertrieben. Dabei sei er mit der Erstbeklagten nicht in Konkurrenz getreten.
Das Erstgericht erkannte mit Teilzwischenurteil, daß der Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 10.3. bis zu Recht bestehe. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Kläger hatte die Aufgabe, Produkte der Erstbeklagten im Kaffee- und Teebereich zu verkaufen. Dazu hatte er die Abnehmer dieser Produkte in regelmäßigen Abständen aufzusuchen, um Nachbestellungen entgegenzunehmen. Überdies hatte er neue Kunden zu akquirieren. Ende 1991 kam es zur Aufteilung der Wiener Bezirke zwischen dem Kläger und einem anderen Vertreter. Dieser übergab Anfang Jänner 1992 diejenigen Kunden, die nunmehr dem Kläger zufielen, an den Kläger und stellte ihn diesen Kunden als ihren neuen Betreuer vor. Die Erstbeklagte stellte dem Kläger ein Firmenfahrzeug und ein Lager zur Verfügung, so daß der Kläger die bestellte Ware den Kunden sofort übergeben konnte.
Da der Kläger vorher viele Jahre bei der Firma A***** tätig gewesen war und deren Geschäftsführung kannte, beabsichtigte er, neue Abnehmer für die Produkte der Erstbeklagten dadurch zu gewinnen, daß er vorerst "nicht direkt" als Reisender der Erstbeklagten auftrat, sondern primär A*****-Produkte anbot. War der Kontakt erst einmal hergestellt, wollte er versuchen, diese Kunden auch für die Produkte der Erstbeklagten zu gewinnen. Er vereinbarte mit dem Prokuristen der Firma A*****, daß er Vollkornprodukte wie Vollkornwaffeln, Vollkornlaibchen und Müsli in Kommission verkaufen werde. Dafür erhielt von der Firma A***** eine größere Menge Produkte geschenkt, die er selbst verkaufen konnte.
Während seines Urlaubs vom 26. bis und vom 4. bis suchte er mit einem Firmenfahrzeug der Firma A***** die Kunden der Erstbeklagten, die ihm durch die Gebietsaufteilung zugefallen waren, auf, um sie für die Vollwertprodukte der Firma A***** zu gewinnen. Einer dieser Kunden erzählte dies dem für dieses Gebiet vorher zuständigen Vertreter. Dieser setzte den Vertriebsleiter der Erstbeklagten am Freitag, den telefonisch davon in Kenntnis. Der Vertriebsleiter beauftragte den Vertreter, noch genauere Informationen einzuholen. Überdies telefonierte er mit dem Kläger und fragte ihn, ob es zutreffe, daß er noch andere Waren als den Kaffee der Erstbeklagten verkaufe. Nachdem der Kläger diese Frage bejaht hatte, wies ihn der Verkaufsleiter an, am Montag, dem den "Chef" Johann H***** anzurufen, Auf die Frage des Klägers, ob er gekündigt wäre, erwiderte der Verkaufsleiter, daß das nicht so sei, da er am Samstag noch eine Messe in Krems zu besuchen habe.
Als der Kläger am Montag, den den Geschäftsführer Johann H***** in Graz anrufen wollte, konnte er ihn nicht erreichen. Es wurde ihm aber mitgeteilt, daß er die im Lager befindliche Ware um 9.00 Uhr dem anderen Vertreter zu übergeben und anschließend nach Graz zu fahren habe, um das Firmenfahrzeug zurückzustellen. Er kam diesem Auftrag nach und fuhr nach Graz, wo ihm die Entlassung mitgeteilt wurde.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Entlassung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Es sei dem Kläger freigestanden, in seiner Freizeit mit einem Fahrzeug der Firma A***** Waren zu vertreiben, die keine Kaffee- oder Teeprodukte gewesen seien. Er habe dadurch weder gegen seine Verpflichtung nach Punkt 5 des Dienstvertrages noch gegen das Konkurrenzverbot verstoßen.
Das Berufungsgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es das auf Zahlung von S 41.501,66 sA gerichtete Klagebegehren (Kündigungsentschädigung) abwies. Es sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Schon dem Angestelltendienstzettel sei zu entnehmen, daß die "Firma J.H***** Gesellschaft mbH" als Kaffeegroßrösterei und Kaffeemittelherstellung, Lebens- und Genußmittelimport und Großhandelsgesellschaft bezeichnet sei, so daß bereits daraus als deren Geschäftszweig der gesamte Lebensmittelbereich hervorgehe. Der Kläger habe somit sein Nebengeschäft im Gewerbebereich seines Arbeitgebers betrieben und diesem Konkurrenz gemacht. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, ob der Kläger auf diese Weise günstigere Absatzmöglichkeiten für Kaffee- und Teeprodukte der Beklagten schaffen wollte, da er diese Methode zumindest mit dem Vertriebsleiter absprechen hätte müssen. Er habe durch sein Verhalten den Entlassungsgrund des § 27 Z 3 AngG verwirklicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision der Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Teilzwischenurteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Beklagten beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision nicht zuzulassen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zwar zulässig aber nicht berechtigt.
Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich die Zulässigkeit der erhobenen Revision nicht schon dadurch, daß das Rechtsmittel unter Berücksichtigung der ebenfalls von der Berechtigung der Entlassung abhängigen restlichen Urlaubsentschädigung (§§ 9 Abs 1 Z 1 und 10 Abs 1 UrlG) als ordentliche Revision anzusehen wäre (vgl Kuderna, ASGG § 60 Erl 1 mwH; auch RZ 1989/17; Infas 1991 A 45; aM Fasching ZPR2 Rz 1424), weil dieser weitere Anspruch von den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht umfaßt ist. Die außerordentliche Revision ist aber zulässig, weil zur Frage inwieweit auch eine nichtkonkurrenzierende Nebentätigkeit eines Angestellten den Entlassungsgrund des § 27 Z 1 dritter Tatbestand AngG verwirklicht, keine den Fall treffende Vorentscheidung vorliegt und dieser Frage rechtliche Erheblichkeit zukommt (§ 46 Abs 1 ASGG).
Dem Revisionswerber ist zwar beizupflichten, daß das Berufungsgericht die entscheidende Feststellung über den Geschäftsbereich der Beklagten ohne formelle Beweisergänzung (§ 488 Abs 4 ZPO) und ohne den Parteien Gelegenheit zu geben, zu dieser Frage Stellung zu nehmen (vgl Fasching ZPR2 Rz 1800), getroffen hat, doch kommt dieser Feststellung im Ergebnis ebenso keine Bedeutung zu wie der aktenwidrigen Annahme, der Kläger habe die Produkte der Firma Auer mit "seinem" Firmenfahrzeug vertrieben.
Da der in den §§ 7 Abs 1 und 27 Z 3 AngG verwendete Begriff des "Geschäftszweiges" eng auszulegen und nur auf die vom Arbeitgeber tatsächlich entfaltete Geschäftstätigkeit zu beziehen ist (SZ 58/135 = Arb 10.452; SZ 64/68 = Arb. 10.940 mwH), kann es dahingestellt bleiben, wie sich die Zweitbeklagte selbst bezeichnet. Auch eine über die Bestimmung des § 7 AngG allenfalls hinausgehende vertragliche Beschränkung der privaten Betätigungsfreiheit (insbesondere auch eine Verpflichtung zur Unterlassung von Nebenbeschäftigungen) bewirkt keine Erweiterung des Entlassungstatbestandes gemäß § 27 Z 3 AngG (Arb. 10.940 = RdW 1992, 86). Zusätzliche Feststellungen über die von den Beklagten im Raum Wien tatsächlich entfaltete Geschäftstätigkeit sind jedoch entbehrlich, da in der Ausübung der Nebenbeschäftigung (dazu Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 108; Schwarz-Löschnigg, ArbR4, 447; 9 ObA 116/91; 9 ObA 15/93) des Klägers bereits ein Vertrauensmißbrauch im Sinne des § 27 Z 1 AngG zu erblicken ist (vgl Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 § 27 Erl 15 mwH).
Selbst wenn der Kläger nicht im Geschäftszweig der Beklagten tätig geworden sein sollte, hat er durch sein außerdienstliches Verhalten das dienstliche Vertrauen der Beklagten verwirkt. Diese konnten mit Recht annehmen, daß der Kläger seine Pflichten als Reisender im Außendienst nicht mehr getreulich erfüllen werde, so daß ihre dienstlichen Interessen gefährdet sind (vgl Kuderna, Entlassungsrecht 88 f; Martinek aaO § 27 Erl 8 und 12 je mit Judikaturhinweisen). Diese Gefährdung der dienstlichen Interessen der Beklagten liegt nicht darin, daß der Kläger Produkte der Firma A***** teils in Kommission für diese und teils auf eigene Rechnung vertrieben hat, sondern darin, daß er seine berufliche Stellung einsetzte, um daraus Vorteile für die für die Firma A***** ausgeübte Nebenbeschäftigung zu erlangen (9 ObA 88/91). Der Kläger beschränkte sich nämlich nicht darauf, neue Abnehmer für die Waren der Beklagten dadurch zu gewinnen, daß er diesen vorerst A*****-Produkte anbot; er suchte vielmehr Stammkunden der Beklagten auf, denen er durch den bisherigen Vertreter eben erst als "neuer Betreuer" vorgestellt worden war, um sie für die Vollwertprodukte der Firma A***** zu gewinnen. Damit benützte er den bereits vorhandenen Kundenstock der Beklagten für eigene Zwecke, so daß diese zu Recht der Ansicht sein konnten, daß ihre Interessen durch das Eigeninteresse des Klägers an einer Einkommenssteigerung gefährdet waren. Daß das Entlassungsrecht verspätet ausgeübt oder verwirkt (vgl Arb 10.178) gewesen wäre, wurde in erster Instanz nicht behauptet.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.