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VfGH vom 11.12.1984, B158/81

VfGH vom 11.12.1984, B158/81

Sammlungsnummer

10309

Leitsatz

EStG 1972; Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und nach dem Bezügegesetz; Vorlage zweier Lohnsteuerkarten beim Zentralbesoldungsamt; gesonderte Berechnung der verschiedenen Bezüge durch den öffentlichen Dienstgeber nach § 85 rechtmäßig, da Zentralbesoldungsamt keine einheitliche öffentliche Kasse; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Durchführung des Jahresausgleichs

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. ist Finanzbeamter und erhielt in den Jahren 1975 bis 1978 neben seinen Bezügen aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund als Abgeordneter zum Nationalrat auch Bezüge nach ArtII des BezügeG, BGBl. 273/1972, ausbezahlt. Das Zentralbesoldungsamt (später Bundesrechenamt), dem der Bf. zwei Lohnsteuerkarten vorgelegt hatte, berechnete die Lohnsteuer von beiden Bezügen gesondert.

Erst über Aufforderung des Finanzamtes legte der Bf. am Erklärungen zur Durchführung des Jahresausgleiches für die genannten Jahre vor. Er vertrat dabei die Rechtsansicht, daß ein Jahresausgleich von Amts wegen nicht vorgenommen werden könne, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs 3 EStG nicht gegeben seien. Er habe weder von zwei oder mehreren Arbeitgebern gleichzeitig steuerpflichtige Einkünfte bezogen noch von ein und demselben Arbeitgeber mehrere Bezüge iS des zweiten Satzes des § 71 EStG erhalten. Vielmehr habe ihm ein und derselbe Arbeitgeber neben Bezügen aus einem bestehenden Dienstverhältnis gleichzeitig Bezüge nach ArtII des BezügeG ausbezahlt. Dieser Fall sei aber in § 72 Abs 3 bzw. im zweiten Satz des § 71 EStG nicht geregelt und rechtfertige daher keinen amtswegigen Jahresausgleich.

Mit Bescheiden des Finanzamtes vom 14. Feber 1980 wurde dem Bf. für die angeführten Kalenderjahre in Durchführung des Jahresausgleiches gleichwohl eine Nachzahlung an Lohnsteuer in der Höhe von insgesamt 191392 S vorgeschrieben.

Seine Berufung blieb erfolglos. Die bel. Finanzlandesdirektion geht im Bescheid vom davon aus, daß der Bf. von ein und demselben Arbeitgeber Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden Dienstverhältnis (§25 Abs 1 Z 1 EStG) und Bezüge nach dem BezügeG (§25 Abs 1 Z 4 EStG) erhalten habe. Nach dem zweiten Satz des § 71 EStG in der (rückwirkend anzuwendenden) Fassung des AbgabenänderungsG 1980, BGBl. 563, habe ein Arbeitgeber, der neben Bezügen und Vorteilen aus einem bestehenden Dienstverhältnis Bezüge iS des § 25 Abs 1 Z 4 EStG auszahle, die Lohnsteuer von jedem Arbeitslohn tatsächlich gesondert zu berechnen. Folglich sei ein Jahresausgleich vorzunehmen gewesen.

2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. a) Im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide stand § 71 ESTG 1972, BGBl. 440, in der folgenden Stammfassung in Geltung:

"Bezieht ein Arbeitnehmer Arbeitslohn (§25) gleichzeitig von mehreren Arbeitgebern, so ist die Lohnsteuer von jedem Arbeitslohn gesondert zu berechnen. Dies gilt auch, wenn vom selben Arbeitgeber neben Bezügen und Vorteilen aus einem bestehenden Dienstverhältnis Bezüge oder Vorteile im Sinne des § 25 Abs 1 Z 1 oder 2 für frühere Dienstverhältnisse, Pensionen und gleichartige Bezüge im Sinne des § 25 Abs 1 Z 4 gezahlt werden".

Die hier maßgeblichen Partien des § 25 EStG besagten in der im Verwaltungsverfahren maßgeblich gewesenen Fassung vor den Nov. BGBl. 545/1980 (ArtX Z 8) und BGBl. 620/1981 (Abschnitt I ArtI Z 23):

"(1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:

1. Alle Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis,

...

4. Bezüge und Ruhe(Versorgungs)bezüge im Sinne des Bezügegesetzes ..."

Die beiden ersten Sätze des § 72 Abs 3 EStG lauten in der Fassung BGBl. 469/1974:

"Das Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers hat einen Jahresausgleich von Amts wegen durchzuführen, wenn im Kalenderjahr steuerpflichtige Einkünfte zumindest zeitweise gleichzeitig von zwei oder mehreren Arbeitgebern (§47) bezogen worden sind, deren Summe 100000 S übersteigt. Dies gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer vom selben Arbeitgeber mehrere Bezüge im Sinne des § 71 zweiter Satz erhalten hat, deren Summe 100000 S übersteigt".

§85 Abs 1 Satz 2 EStG bestimmt, daß öffentliche Kassen bei Auszahlung des Arbeitslohnes die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers iS dieses BG haben.

b) Durch ArtI Z 23 des Abschnittes I des AbgabenänderungsG 1980, BGBl. 563, hat der zweite Satz des § 71 EStG folgende Fassung erhalten (Änderungen hervorgehoben):

"Dies gilt auch, wenn vom selben Arbeitgeber neben Bezügen und Vorteilen aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis Bezüge oder Vorteile im Sinne des § 25 Abs 1 Z 1 oder 2 für frühere Dienstverhältnisse, Pensionen und gleichartige Bezüge im Sinne des § 25 Abs 1 Z 3 oder Bezüge bzw. Ruhe(Versorgungs)bezüge im Sinne des § 25 Abs 1 Z 4 gezahlt werden."

ArtII Z 5 des Abschnittes I des AbgabenänderungsG 1980 sagt dann:

"Die Bestimmungen des ArtI Z 23 sind für Lohnzahlungszeiträume anzuwenden, die nach dem enden."

2. Die Beschwerde rügt, daß die bel. Beh. mit der Berufungsentscheidung zugewartet habe, bis der zweite Satz des § 71 EStG rückwirkend geändert wurde, und hält den novellierten Halbsatz und die Rückwirkungsbestimmung für gleichheitswidrig. Es gehe nicht an, daß der Bund einen Fehler in seiner Eigenschaft als Dienstgeber (bei der Lohnverrechnung), den er nicht mehr durch Rückforderung des Übergenusses berichtigen könne, in seiner Rolle als Gesetzgeber dadurch ausgleiche, daß er rückwirkend den Jahresausgleich anordne. Die Aufnahme der "Bezüge" (iS des § 25 Abs 1 Z 4) in § 71 EStG sei unsachlich, weil damit Aktivbezüge nur deshalb anders beurteilt - nämlich der gesonderten Lohnsteuerberechnung unterzogen - würden, weil sie ihre Grundlage im BezügeG haben.

Diese Überlegungen kommen jedoch aus folgenden Gründen nicht zum Tragen:

a) § 72 Abs 3 EStG liegt offenbar die Überlegung zugrunde, daß in allen Fällen, in denen nicht schon der Arbeitgeber die Lohnsteuer von sämtlichen Bezügen einheitlich berechnet, (mit Ausnahme geringfügiger Fälle) ein amtswegiger Jahresausgleich stattfinden soll. Zur Erzielung einer gleichmäßigen Besteuerung soll die Abgabe letztlich für sämtliche Bezüge einheitlich berechnet werden. Dabei ist es eine Frage bloßer Zweckmäßigkeit, ob diese einheitliche Berechnung vom Arbeitgeber oder vom Finanzamt vorgenommen wird. Nur zur Vermeidung von Verrechnungsschwierigkeiten ordnet § 85 Abs 1 EStG - der schon dem zweiten Satz des § 1441 ABGB zugrundeliegenden Zielsetzung folgend - an, daß jede öffentliche Kasse ungeachtet der gleichen Rechtsträgerschaft als eigener Arbeitgeber anzusehen ist. In solchen Fällen ist dann die Lohnsteuer von jedem Bezug gesondert zu berechnen.

Der Bf. könnte nur im Recht sein, wenn der Bund die Lohnsteuer einheitlich hätte berechnen müssen. Ginge man nämlich vom Vorhandensein zweier Arbeitgeber aus, dann käme die Neufassung des zweiten Satzes im § 71 EStG nicht mehr in den Blick. Die Notwendigkeit des Jahresausgleiches würde sich dann schon aus dem ersten Satz des § 72 Abs 3 ergeben. Das Beschwerdevorbringen zwingt also zu prüfen, ob nicht ein Fall des § 85 Abs 1 EStG vorliegt. Hat doch der Bf. durch die Vorlage zweier Lohnsteuerkarten selbst die gesonderte Berechnung veranlaßt und die bel. Beh. diese Frage offenbar nur deshalb nicht erörtert, weil sie über die Neufassung des zweiten Satzes in § 71 und den zweiten Satz des § 72 Abs 3 EStG auch vom Rechtsstandpunkt des Bf. aus zur Bestätigung der Akte des Finanzamtes gelangen konnte.

b) Die EB der Nov. zu § 71 EStG im AbgabenänderungsG 1980 (RV 457 BlgNR XV. GP, 24) führen zu dieser Frage nur allgemein aus:

"Die im zweiten Satz des § 71 vorgeschlagene Änderung entspricht der bisherigen Verwaltungspraxis, wonach die an sich vorzunehmende Zusammenrechnung von Bezügen durch die bezugsauszahlende Stelle in bestimmten Fällen nicht zu erfolgen hat."

Diese Praxis ist dem Gerichtshof bekannt. Bedenkt man, daß es Aufgabe des § 85 EStG ist, der öffentlichen Hand eine nach verwaltungstechnischen Gesichtspunkten zweckmäßige Organisation ihres Kassenwesens zu ermöglichen, kann in der Tat nicht außer Betracht bleiben, daß das Zentralbesoldungsamt (wie später das Bundesrechenamt) die Zahlung und Verrechnung von Geldleistungen des Bundes für höchst unterschiedliche Verwaltungsbereiche besorgt bzw. ihm die Mitwirkung bei der Berechnung und die Zahlbarstellung der Geldleistungen für ganz verschiedene Bereiche obliegt. Das für die Berechnung und Anweisung dieser Leistungen notwendige enge Zusammenwirken zwischen Dienstbehörde und Zahlstelle gibt daher ungeachtet des organisatorischen Zusammenhanges Anlaß zu entsprechender innerer Strukturierung. In verwaltungstechnischer Hinsicht kann daher das Zentralbesoldungsamt (Bundesrechenamt) nicht unter allen Umständen als einheitliche "öffentliche Kasse" angesehen werden. Die vom Gesetzgeber im AbgabenänderungsG 1980 ausdrücklich gebilligte und zugleich verallgemeinerte Verwaltungspraxis zeigt vielmehr eine verwaltungstechnische Aufspaltung der Dienststelle Zentralbesoldungsamt (Bundesrechenamt) in mehrere bereichsspezifische öffentliche Kassen auf. Insbesondere liegt es nahe, die Berechnung und Zahlung von Bezügen iS des BezügeG für alle Bezieher solcher Geldleistungen vom Bund auch dann einheitlich vorzunehmen, wenn der Berechtigte zufällig gleichzeitig in einem Dienstverhältnis zum Bund steht. Die technische Möglichkeit der wechselseitigen Berücksichtigung des Geschehens in verschiedenen Wirkungsbereichen spricht nicht gegen diese Annahme getrennter Kassen innerhalb der Rahmenorganisation des Zentralbesoldungsamtes (Bundesrechenamtes), weil ein solches Zusammenwirken an sich auch zwischen mehreren organisatorisch vollständig getrennten öffentlichen Kassen vorgesehen werden könnte. Der öffentliche Arbeitgeber soll aber in der Gestaltung seines Kassenwesens gerade nicht auf allfällige Pflichten als einheitlicher Arbeitgeber sehen müssen.

Allein dieses - am Gesetzeszweck orientierte - Verständnis des § 85 EStG macht die Vorlage zweier Lohnsteuerkarten beim Zentralbesoldungsamt verständlich und zugleich die schon im Vorlagebericht des Finanzamtes zur Berufung des Bf. hervorgehobenen verrechnungstechnischen Gründe für die Rechtslage bedeutsam.

Geht man von dieser Auffassung aus, so erweist sich ein Rückgriff auf den zweiten Satz des § 71, der die gesonderte Berechnung der Lohnsteuer auch ohne Vorliegen mehrerer öffentlicher Kassen gebietet, als offenkundig verfehlt. Denn für Fälle, in denen der öffentliche Dienstgeber - nach § 85 EStG rechtmäßig - die Berechnung verschiedener Einkommen bereits gesondert vorgenommen hat, ist daraus nichts abzuleiten. Es ist daher auch kein Anlaß, sich mit der Wirkung und verfassungsrechtlichen Einschätzung der Novelle 1980 auseinanderzusetzen. Der behaupteten Verzögerung der Berufungsentscheidung kann also schon deshalb kein Gewicht zukommen. Der Jahresausgleich wurde weder unter Inanspruchnahme einer fehlenden Zuständigkeit noch in denkunmöglicher Gesetzesanwendung durchgeführt.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte liegt also nicht vor. Der Bf. wurde auch nicht durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.