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OGH vom 11.10.2007, 8ObS24/07y

OGH vom 11.10.2007, 8ObS24/07y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Wolfgang Birbamer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ursula V*****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Insolvenzausfallgeld (EUR 5.878,64 sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 15/07k-10, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 15 Cgs 152/06m-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab bei der nunmehrigen Gemeinschuldnerin als Angestellte beschäftigt. Am schlossen die Klägerin und die nunmehrige Gemeinschuldnerin eine Vereinbarung über den „Übertritt in Abfertigung neu und Übertragung der Altabfertigungsanwartschaften" mit folgendem Inhalt:

„Der bis zum entstandene Abfertigungsanspruch der Klägerin ist auf die Mitarbeiterversorgungskasse zu übertragen und der Übertragungsbetrag von EUR 9.019 in fünf Jahresraten zu bezahlen. Gemäß Punkt 7 der Vereinbarung vom hat der Arbeitgeber den noch aushaftenden Übertragungsbetrag bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzeitig an die Mitarbeitervorsorgekasse zu überweisen. Soweit indes ein Auflösungsgrund nach § 14 Abs 2 BMVG, beispielsweise eine Dienstnehmerkündigung, vorliegt, gelten die vereinbarten Ratenfälligkeiten weiter."

Der Dienstgeber leistete in der Folge EUR 3.715,83 an die Mitarbeitervorsorgekasse. Die Klägerin kündigte am das Dienstverhältnis. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet. Außer Streit steht, dass noch drei an die Mitarbeitervorsorgekasse zu zahlenden Raten aufgrund der Übertragungsvereinbarung offen sind und der Klagsbetrag diesen Raten entspricht.

Die Klägerin begehrte für die offenen Raten Insolvenzausfallgeld; die beklagte Partei lehnte dies mit Bescheid vom ab. Die Klägerin begehrt die Bezahlung von EUR 5.878,64 netto an die BUAK-Mitarbeitervorsorgekasse GesmbH. Mit der Übertragungsvereinbarung sei der Abfertigungsanspruch von der Art der Beendigung des Dienstverhältnisses unabhängig geworden. § 1b IESG, auf den sich die beklagte Partei zur Ablehnung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld berufe, sehe eine Beschränkung von Insolvenzausfallgeld für einen offenen Übertragungsbetrag nur der Höhe nach vor.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Nach § 1b IESG sei der Anspruch auf Insolvenzausfallgeld jedenfalls mit der fiktiven „Abfertigung alt" begrenzt. Gemäß § 23 Abs 7 AngG bestehe jedoch bei Selbstkündigung des Angestellten kein Abfertigungsanspruch. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren kostenpflichtig statt. Gemäß § 1b Abs 1 IESG gebühre Insolvenzausfallgeld auch für die Übertragungsbeträge nach § 47 Abs 3 des BMVG bei Vorliegen eines Insolvenztatbestands nach § 1 Abs 1. Der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld umfasse die zum Stichtag (§ 3 Abs 1) noch aushaftenden Übertragungsbeträge, soweit diese die zum Stichtag fiktiv bei Anwendung der in § 47 Abs 1 BMVG angeführten Rechtsvorschriften oder Vertragsbedingungen gebührenden Monatsentgelte an Abfertigung unter Beachtung der Grenzbeträge gemäß § 1 Abs 4a nicht übersteigen (Abs 2).

Ursprünglich habe das IESG eine Leistungspflicht des Fonds für die vom Arbeitgeber zu leistenden Übertragungsbeträge gegenüber der Mitarbeitervorsorgekasse ohne ausdrückliche Beschränkungen vorgesehen (§ 13d Abs 2 IESG idF des BGBl I Nr 100/2002). Durch BGBl Nr 158/2002 habe der Gesetzgeber insofern eine Änderung vorgenommen, als er diese Leistungspflicht durch Verweis auf § 1 Abs 4a IESG betraglich anhand der Höchstbeitragsgrundlage begrenzt und damit an die Haftung des Fonds für Abfertigungen nach „altem" Abfertigungsrecht angepasst habe.

Die Regelung des § 13d Abs 2 IESG sei mit durch jene des § 1b IESG ersetzt worden. Durch diese Novelle sei die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Insolvenzausfallgelds von der Mitarbeitervorsorgekasse auf den Arbeitnehmer übergegangen und ein Verweis auf die im § 47 Abs 1 BMVG genannten Bestimmungen eingeführt worden (BGBl Nr 36/2005). Die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (GP XXII RV 853) führten zum letztgenannten Punkt aus, dass die Textierung des § 1b Abs 2 IESG auf eine weitere Einschränkung des Anspruchs abziele, die zu jener des § 1 Abs 4a IESG hinzutreten solle: „Wäre der zum Zeitpunkt der zB Konkurseröffnung fiktiv gebührende Anspruch auf Abfertigung alt geringer, so gebührt IAG höchstens in dieser Höhe". Diese Formulierung spreche für eine bloße Begrenzung der Höhe nach. Die Vereinbarung eines Übertragungsbetrags und die Vereinbarung einer nicht gesicherten freiwilligen Abfertigung erscheine zwar vergleichbar, jedoch bestehe insofern ein Unterschied als es den Parteien grundsätzlich freistehe, als Übertragungsbetrag einen Betrag festzulegen, der unter dem Wert der vom Dienstnehmer bereits erworbenen Anwartschaften liege. Gegen eine Beschränkung dem Grunde nach spreche weiters, dass § 47 BMVG offensichtlich darauf abziele, den Parteien des Arbeitsvertrags den Übergang in das neue System zu ermöglichen. Dieser Zielsetzung des Gesetzes würde es zuwiderlaufen, würde man Arbeitnehmer der Rechtsunsicherheit aussetzen, dass sie hinsichtlich der Übertragungsbeträge dann doch keinen Insolvenzschutz genießen, wenn sie in weiterer Folge von einem bestimmten Vorteil des neuen Abfertigungsrechts, nämlich ihr Dienstverhältnis durch Selbstkündigung zu beenden, Gebrauch machen würden. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der beklagten Partei das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht schloss sich das Berufungsgericht den Rechtsausführungen des Erstgerichts an und führte ergänzend aus, dass die Vertragsparteien im Zug der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in das Regime des BMVG auch vereinbaren könnten, dass die bis zum Überleitungsstichtag erworbenen Anwartschaften in Form eines Übertragungsbetrags übertragen werden. Diese Anwartschaften gingen unabhängig von der Art der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr verloren. Dies führe aber bereits auf arbeitsrechtlicher Ebene zu unterschiedlichen Rechtsfolgen einer späteren Arbeitnehmerkündigung im Bezug auf die Altanwartschaft im Vergleich zu einem Abfertigungsanspruch „alt". Bei der hier strittigen Bestimmung des § 1b Abs 2 IESG handle es sich eindeutig ausschließlich um eine Beschränkung der Höhe des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für einen zum Stichtag noch aushaftenden Übertragungsbetrag. Sowohl die Regelung des § 1b IESG als auch die frühere Regelung des § 13d Abs 2 BMVG beziehe sich ausdrücklich auf die vom Arbeitgeber zu leistenden Übertragungsbeträge gemäß § 47 Abs 3 BMVG und nicht auf Abfertigungsanwartschaften oder Abfertigungsansprüche. Das rechtliche Schicksal eines vereinbarten aber noch nicht (zur Gänze) vom Arbeitgeber überwiesenen Übertragungsbetrags sei aber von der späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig. Auch die Genese der strittigen Bestimmung spreche für eine bloß betragliche Beschränkung. Ursprünglich sei in der Bestimmung des § 13d Abs 2 IESG keine betragliche Beschränkung des Insolvenzausfallgelds für aushaftende Übertragungsbeträge vorgesehen gewesen. Mit der Novelle BGBl I Nr 158/2002 habe der Gesetzgeber das Insolvenzausfallgeld „bis zu dem in § 1 Abs 4a angeführten Ausmaß" beschränkt. Mit der Neuschaffung des § 1b IESG sollte vor allem die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Insolvenzausfallgelds für aushaftende Übertragungsbeträge von der Mitarbeitervorsorgekasse auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Daneben sei eine weitere betragliche Begrenzung des Insolvenzausfallgelds für aushaftende Übertragungsbeträge auf die Höhe eines zum Stichtag fiktiv gebührenden Abfertigungsanspruchs eingeführt worden. Dass damit dem - auch nach Eigenkündigung weiter bestehenden - Anspruch des Arbeitnehmers auf Überweisung des Übertragungsbetrags die Sicherung durch Insolvenzausfallgeld entzogen werden solle, könne dieser Bestimmung nicht entnommen werden. Da zur hier relevanten Rechtsfrage keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, sei die ordentliche Revision zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt. Die Revision, in der die Rechtsmittelwerberin im Wesentlichen ihren bisherigen Rechtsstandpunkt wiederholt, dass aufgrund der Bestimmung des § 1b Abs 2 IESG Insolvenzausfallgeld für Übertragungsbeträge dann nicht gebührt, wenn das maßgebliche Dienstverhältnis durch Dienstnehmerkündigung beendet wurde, vermag den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen nichts von Relevanz entgegenzusetzen.

Ergänzend ist den Revisionsausführungen Folgendes entgegenzuhalten:

Der Umstieg auf das System des BMVG im Sinn der in § 47 Abs 3 leg cit geregelten „Übertragungsvariante" bedeutet mit dem Stichtag der Übertragung das völlige Verlassen des Systems „Abfertigung alt" und somit den gänzlichen Umstieg in das System „Abfertigung neu", sodass nach der Übertragung das gesamte Leistungsrecht des BMVG insbesondere kein Verlust der Abfertigung, unabhängig von der Beendigungsart, zur Anwendung kommt (Mayr in Mayr-Resch, Abfertigung neu § 47 Rz 23 und Rz 42; auch: Mazal in ZAS 2003/5; Gruber in ecolex 2002, 484; Eypeltauer in RdW 2003, 26).

Das Argument der Rechtsmittelwerberin, dass die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht dazu führen würde, dass ein Arbeitnehmer, der nicht in das neue System gewechselt hat, letztlich schlechter gestellt wäre, weil er im Fall der Selbstkündigung keinen Anspruch auf Abfertigung hätte, überzeugt nicht, da es sich insoweit erkennbar um eine vom Gesetzgeber durchaus in Kauf genommene Ungleichbehandlung handelt. Im Übrigen übergeht die Rechtsmittelwerberin, dass es sich bei der Möglichkeit des Umstiegs in das System Abfertigung neu mit der „Übertragungsvariante" um eine nach § 47 Abs 5 mit befristete Möglichkeit handelt (vgl dazu Mayr aaO Rz 36). Nach § 1b Abs 2 IESG umfasst der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld (für Übertragungsbeträge nach § 47 Abs 3 BMVG) die zum Stichtag noch aushaftenden Übertragungsbeträge, soweit diese die zum Stichtag fiktiv bei Anwendung der in § 47 Abs 1 BMVG angeführten Rechtsvorschriften oder Vertragsbedingungen gebührenden Monatsentgelte an Abfertigung unter Beachtung der Grenzbeträge gemäß § 1 Abs 4a nicht übersteigen.

Berücksichtigt man diese Regelung in ihrem Kontext, kann nicht übergangen werden, dass im § 47 Abs 1 BMVG zwar auf einzelgesetzliche Abfertigungsregelungen verwiesen wird, dass aber diese Bestimmung gerade ausdrücklich vorsieht, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab einem zu vereinbarenden Stichtag die Geltung des BMVG vereinbaren. Dadurch kommt aber zum Ausdruck, dass § 1b IESG keine vom Regime des BMVG abweichenden Anspruchsgrundlagen schaffen will. Hätte der Gesetzgeber Insolvenzausfallgeld für Übertragungsbeträge unter gewissen Voraussetzungen gänzlich versagen wollen, wäre ihm dies unschwer durch einen klarstellenden Satz möglich gewesen, dass in den Fällen der „abfertigungsschädlichen" Beendigung der Anspruch auf die Übertragungsbeträge entfallen solle.

Plausible Argumente gegen die von den Vorinstanzen vertretene, und auch vom Obersten Gerichtshof geteilte Auffassung, dass sich sowohl aus der wort- und teleologischen Interpretation des § 1b Abs 2 IESG als auch aus seiner Genese die Auslegung geradezu aufdrängt, dass es sich um eine rein ziffernmäßige Begrenzung des Insolvenzausfallgelds für Übertragungsbeträge handelt, zeigt die Revision nicht auf. Der Revision muss daher der Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG,§ 50 ZPO.