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OGH vom 16.12.2003, 14Os65/03

OGH vom 16.12.2003, 14Os65/03

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günther H***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 27 Hv 87/02h-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, jedoch in Abwesenheit eines Vertreters des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz, des Angeklagten und eines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther H***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe im Bereich des Finanzamtes Innsbruck als Transportunternehmer fortgesetzt vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen für die Zeit von Jänner 1997 bis einschließlich Juli 2001 eine Abgabenverkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von 78.378,83 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, gemäß § 214 FinStrG freigesprochen.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurde der Angeklagte mit zwei rechtskräftig gewordenen Strafverfügungen (des Finanzamtes Innsbruck vom und vom ) wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt, weil er von Dezember 1997 bis März 1998 Verkürzungen der Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von 4.329 S 314,60 Euro; richtig laut Strafverfügung des Finanzamtes Innsbruck vom , StrafNr. 081/1998/50016-001, 20.287 S = 1.474,31 Euro; vgl Band I im Strafakt des Finanzamtes Innsbruck) und von April bis Dezember 1998 im Ausmaß von 167.792 S (= 12.193,92 Euro) wissentlich bewirkt hatte. Die in den finanzbehördlichen Strafverfügungen inkriminierten Verkürzungsbeträge von insgesamt 12.508,52 Euro zog das Schöffengericht zur Verhinderung einer unzulässigen Doppelbestrafung vom angelasteten strafbestimmenden Wertbetrag von 78.378,83 Euro ab, verneinte auf Grund des verbleibenden Verkürzungsbetrages von 65.879,31 Euro die Gerichtszuständigkeit und fällte daher einen Freispruch nach § 214 FinStrG.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz kommt keine Berechtigung zu. Die unsubstanziiert auch eine widersprüchliche, undeutliche und unvollständige Begründung vorbringende Mängelrüge (Z 5) behauptet inhaltlich - ebenso wie die Rechtsrüge (Z 9 lit a) - Feststellungsmängel, weil das Erstgericht mit Stillschweigen die ergänzende Stellungnahme des Finanzamtes Innsbruck vom (ON 20) übergangenen habe, derzufolge die von der Finanzstrafbehörde im vereinfachten Verfahren (§ 143 FinStrG) mit den dargestellten Strafverfügungen bereits nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG abgestraften Vorauszahlungsverkürzungen gar nicht mehr angezeigt und von der Staatsanwaltschaft auch nicht in die Anklage aufgenommen wurden, sondern nur die auf denselben Steuerzeitraum entfallenden Umsatzsteuernachforderungen, also die zusätzliche Hinterziehung von Vorauszahlungen (vgl insbesondere S 125). Nach der Beschwerdeauffassung hätten einerseits die in den Strafverfügungen des Finanzamtes inkriminierten Hinterziehungsbeträge vom strafbestimmenden Wertbetrag nicht abgezogen werden dürfen. Andererseits wären die von den bereits erwähnten Straferkenntnissen der Finanzstrafbehörde nicht erfassten, im selben Abgabenzeitraum bewirkten Mehrverkürzungen an Umsatzsteuervorauszahlungen als Einzelakte eines fortgesetzten Deliktes (in Verbindung mit der daneben angelasteten, andere Tatzeiträume betreffenden Hinterziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen) gerichtlich nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu ahnden gewesen.

Die zuletzt genannte rechtliche Schlussfolgerung erweist sich - wie der Generalprokurator in seiner Stellungnahme zutreffend ausführt - als verfehlt.

Beim Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG sind Tatobjekt und geschütztes Rechtsgut die Umsatzsteuervorauszahlungen; pönalisiert ist also die Missachtung der die Umsatzsteuer betreffenden Abgabenpflicht im Voranmeldungszeitraum (vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 33 E 86, 97). Gemäß § 21 Abs 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss selbst zu berechnen hat, wobei er eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag entrichten muss. Diese Verpflichtung entfällt nur dann, wenn eine nach den gesetzlichen Bestimmungen richtig berechnete Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe entrichtet wird oder sich für einen Voranmeldungszeitraum keine Vorauszahlung ergibt (vgl § 1 der VO BGBl II 1998/206 idF vor Inkrafttreten der VO BGBl II 2002/462 für die Voranmeldungszeiträume nach dem bis ).

Selbstständige Tat (iSd § 21 Abs 1 FinStrG) beim Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG ist somit die vom Steuerpflichtigen unter vorsätzlicher Verletzung seiner Verpflichtung zur Abgabe inhaltlich richtiger Umsatzsteuervoranmeldungen wissentlich bewirkte Verkürzung der im Voranmeldungszeitraum zu entrichtenden Umsatzsteuer. Durch diesen Tatbestand wird die vom Täter unter Zuwiderhandlung gegen die Voranmeldungspflicht (Nichteinreichung von bzw Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen oder Geltendmachung ungerechtfertiger bzw überhöhter Abgabengutschriften) für den jeweiligen Voranmeldungszeitraum (Kalendermonat) bewirkte Vorauszahlungsverkürzung in ihrer Gesamtheit erfasst. So besehen entfaltet ein gegen den Abgabenschuldner wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG ergangenes, in Rechtskraft erwachsenes Straferkenntnis der Finanzstrafbehörde im Umfang der darin abgestraften Tat Sperrwirkung dergestalt, dass eine gerichtliche Verfolgung und Aburteilung wegen derselben Tat als Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG – ohne vorherige Wiederaufnahme des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens (vgl etwa § 165 Abs 1 lit a FinStrG) zum Zwecke eines finanzstrafbehördlichen Vorgehens nach § 54 Abs 1 FinStrG – selbst bei nachträglichem Hervorkommen von im selben Tatzeitraum zusätzlich bewirkter Vorauszahlungsverkürzung ausgeschlossen ist (Art 4 Abs 1 7. ZPEMRK).

Vorliegend wurde Günther H***** in seiner Eigenschaft als Transportunternehmer (Einzelunternehmer) mit Strafverfügungen des Finanzamtes Innsbruck vom , StrafNr 081/1998/50016-001 (S 91), und , StrafNr 081/1999/00030-001 (S 93), wegen der in den Kalendermonaten Dezember 1997 bis Dezember 1998 durch Nichteinreichung bzw verspäteter Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen (tatmehrheitlich) verwirklichten Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG rechtskräftig bestraft.

Der Privatbeteiligten ist nun zwar beizupflichten, dass der vom Erstgericht vorgenommene Abzug der in den erwähnten Strafverfügungen des Finanzamtes festgestellten Hinterziehungsbeträge vom in der Anklage inkriminierten strafbestimmenden Wertbetrag rechtsirrig erfolgte, weil sich der im gerichtlichen Verfahren erhobene Vorwurf nicht auf die in den Straferkenntnissen des Finanzamtes erfassten Abgabenhinterziehungen bezog.

Der gerichtlichen Aburteilung des Angeklagten wegen der ausschließlich inkriminierten Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG steht allerdings hinsichtlich der in denselben Voranmeldungszeiträumen zusätzlich bewirkten Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen das auf verfassungsrechtlicher Ebene stehende und den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO begründende (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 639) Verfolgungshindernis des Art 4 Abs 1 7. ZPEMRK entgegen.

Da allein die in den Monaten Jänner bis Dezember 1998 bewirkte Mehrverkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen nach der eigenen Darstellung der Rechtsmittelwerberin in der Anzeige (S 7), in der ergänzenden Stellungnahme vom (insbesondere S 125) und im darauf Bezug nehmenden Beschwerdevorbringen (ON 28) 4.087,85 Euro ausmacht, wird - wie bereits dargelegt - bei gebotenem Abzug dieser Summe vom insgesamt angelasteten Verkürzungsbetrag von 78.378,83 Euro die mit Inkrafttreten des Art XVIII Z 1 des EuroStUG 2001, BGBl I 2001/59, geänderte, zufolge Anzeigeerstattung bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck am (S 5) nach dessen Z 2 aktuell gültige Wertgrenze für die Gerichtszuständigkeit des § 53 Abs 1 lit b FinStrG von 75.000 Euro nicht überschritten. Verfahrensergebnisse, die trotzdem eine gerichtliche Zuständigkeit indizieren würden, werden im Rechtsmittel (Z 9 lit a, nominell auch Z 10) nicht prozessförmig konkretisiert (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz war daher zu verwerfen. Anzumerken bleibt, dass Günther H***** überdies mit der vom Erstgericht unerwähnt gebliebenen, ebenfalls rechtskräftig gewordenen Strafverfügung des Finanzamtes Innsbruck vom , StrafNr. 081/1999/00270-001, wegen der in den Monaten März bis Juli 1999 begangenen Hinterziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen im Umfang von 11.264 S (= 818,59 Euro) nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG bestraft wurde (S 97 sowie Strafakt des Finanzamtes Innsbruck Bd I). Die in der Anklage für diesen Zeitraum inkriminierten (darüber hinaus gehenden) Hinterziehungsbeträge wären somit gleichfalls abzuziehen gewesen.