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OGH vom 21.09.2006, 8Ob96/06k

OGH vom 21.09.2006, 8Ob96/06k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Maria G*****, vertreten durch die Sachwalterin Maria G*****, diese vertreten durch Dr. Werner Mosing, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wegen 36.045 EUR sA, über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 65/06b-20, womit über Rekurs der Beklagten der Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom , GZ 27 Cg 249/05v-13, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat der Beklagten die mit 1754,82 EUR (darin enthalten 292,47 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte als die in der Zustellverfügung genannte Empfängerin übernahm den vom Erstgericht am erlassenen Wechselzahlungsauftrag am persönlich.

Die Tochter der Beklagten war mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neusiedl/See vom , GZ 10 P 14/05d-29, zur Besorgung aller Angelegenheiten zur Sachwalterin der Beklagten bestellt worden. Sie übermittelte den der Beklagten persönlich zugestellten Wechselzahlungsauftrag dem Erstgericht mit Schreiben vom unter Hinweis auf die Sachwalterbestellung mit der Bitte um Neuzustellung.

Am verfügte das Erstgericht die neuerliche Zustellung des Wechselzahlungsauftrages an die Sachwalterin, die den Wechselzahlungsauftrag am persönlich übernahm. Das Erstgericht wies die am erhobenen Einwendungen der durch die Sachwalterin vertretenen Beklagten als verspätet zurück. Es nahm als bescheinigt an, dass die Beklagte den Wechselzahlungsauftrag am ihrer Sachwalterin übergeben hatte. Rechtlich sei daher davon auszugehen, dass bezüglich des ersten Zustellvorganges eine Heilung gemäß § 9 ZustG eingetreten sei, weil die Sachwalterin den Wechselzahlungsauftrag am übernommen habe. Davon ausgehend seien die Einwendungen verspätet. Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Beklagten erhobenen Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Einwendungen auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Heilung einer Zustellung durch tatsächliches Zukommen des zuzustellenden Schriftstückes an den Sachwalter nach der durch BGBl I Nr 10/2004 geänderten Rechtslage nicht vorliege.

Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass auf die Zustellvorgänge bereits das ZustG idF BGBl I Nr 10/2004 (E-GVOG) anzuwenden sei. Die vom Erstgericht dargestellte Rechtslage zu § 9 Abs 1 ZustG (alt) gelte daher nicht mehr.

Während § 9 Abs 1 ZustG (alt) vorgesehen habe, dass zwar grundsätzlich die Behörde einen Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen habe, die Zustellung aber in dem Zeitpunkt als vollzogen gelte, zu dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen sei, sei nach der neuen Rechtslage eine derartige Heilungsmöglichkeit nicht mehr vorgesehen.

Werde irrtümlich der Vertretene an Stelle des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger bezeichnet, sei eine Zustellung an diesen nicht wirksam. Auch wenn das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten zukomme, führe dies nicht mehr zur Heilung des Zustellmangels, weil eine fehlerhafte Bezeichnung des Empfängers in der Zustellverfügung nicht heilen könne. Eine Heilung nach § 7 ZustG komme daher nicht in Betracht. Nach der neuen Rechtslage sei klargestellt, dass „Empfänger" im Sinne des ZustG die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich bezeichnete Person sei, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen solle (§ 2 Z 1 ZustG). Eine Heilung von Zustellmängeln komme nur in Betracht, wenn das Dokument dem Empfänger (in diesem Sinn) tatsächlich zugekommen sei. § 7 ZustG kenne daher nach wie vor eine Heilung nur bei richtiger Zustellverfügung. Damit sei erst die Zustellung des Wechselzahlungsauftrages an die Sachwalterin rechtswirksam gewesen. Davon ausgehend seien deren Einwendungen rechtzeitig.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, auf die verwiesen wird (§ 510 Abs 3 ZPO) zur Gänze. Ergänzend ist den Ausführungen des Rekursgerichtes hinzuzufügen:

§ 9 ZustG in der vom Rekursgericht zitierten Fassung vor Inkrafttreten der Bestimmungen BGBl I Nr 10/2004 sah - dem Wortlaut nach für nur Zustellungsbevollmächtigte - vor, dass die Zustellung auch dann wirksam ist, wenn entgegen § 9 Abs 1 ZustG nicht an den Zustellungsbevollmächtigten zugestellt wurde, die Sendung dem Zustellungsbevollmächtigten aber tatsächlich zugekommen ist. Sowohl die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als auch die des Verwaltungsgerichtshofes wendete die in § 9 Abs 1 zweiter Satz ZustG vorgesehene Heilungsmöglichkeit auf gesetzliche Vertreter an (10 ObS 87/92 mwN; VwGH 97/19/1271 mwN). Dabei wurde argumentiert (10 ObS 87/92), dass in diesem Fall eine Heilung nach § 7 ZustG ausgeschlossen wäre, weil das Schriftstück in diesem Fall nicht der Person tatsächlich zugekommen wäre, für die es nach der Zustellverfügung bestimmt gewesen sei, also nicht dem von der Behörde festgelegten Empfänger.

Der Grundsatz, dass eine Heilung einer unrichtig verfügten und dann fehlerhaft durchgeführten Zustellung iSd § 7 ZustG nur eintreten kann, wenn sowohl in der Zustellverfügung als auch auf dem Zustellstück der nach dem jeweiligen Verfahrensrecht richtige Empfänger (als solcher) genannt ist (RIS-Justiz RS0106442; Stumvoll in Fasching/Konecny² II/2 § 7 ZustG Rz 17) gilt auch für im Geltungsbereich des § 7 ZustG idF BGBl I Nr. 10/2004 bewirkte Zustellungen: „Empfänger" iSd § 7 Abs ZustG idF BGBl I Nr 10/2004 ist nicht die Person, für die das Dokument inhaltlich „bestimmt ist", sondern jene Person, an die es die Behörde gerichtet hat, die in der Zustellverfügung von ihr als Empfänger angegeben worden ist („formeller Empfänger"). Daher kann die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung nicht heilen (vgl Walter/Thienel, Die österr. Verwaltungsverfahrensgesetze16 § 7 ZustG Anm 3). Gemäß § 5 Z 1 ZustG idF BGBl I Nr 10/2004 hat die Zustellverfügung den Empfänger zu bezeichnen. Formeller Empfänger des einem Besachwalteten zuzustellenden Schriftstückes ist aber sein gesetzlicher Vertreter, somit der Sachwalter. Eine Heilung der irrtümlich an die Beklagte persönlich bewirkten Zustellung des Wechselzahlungsauftrages iSd § 7 Abs 1 ZustG kommt somit entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung nicht in Betracht. Aber auch die bis BGBl I Nr 10/2004 von der Rechtsprechung bejahte Heilungsmöglichkeit nach § 9 Abs 1 Satz 2 ZustG idF vor BGBl I Nr 10/2004 scheidet nun - wie das Rekursgericht ebenfalls zutreffend erkannte - aus: § 9 ZustG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 10/2004 enthält diese in der alten Fassung vorgesehene Heilungsmöglichkeit nicht mehr. Daraus ist abzuleiten, dass dann, wenn irrtümlich der Vertretene als Empfänger bezeichnet ist, eine Zustellung an diesen nicht wirksam wird. Auch wenn das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten (gesetzlichem Vertreter) zukommt, führt dies nicht zur Heilung des Zustellmangels, weil die fehlerhafte Bezeichnung des Empfängers in der Zustellverfügung nicht heilen kann (Walter/Thienel aaO § 9 ZustG Anm 10).

Dass (Stumvoll aaO § 9 ZustG Rz 9) die von der Rechtsprechung aus § 9 Abs 1 zweiter Satz ZustG alt abgeleitete Heilungsmöglichkeit bei Zustellung an einen Prozessunfähigen und Weitergabe der Sendung an seinen gesetzlichen Vertreter sinnvoll und gerechtfertigt sein mag, vermag an dieser Beurteilung infolge des klaren Wortlautes des § 9 ZustG in der nun anzuwendenden Fassung nichts zu ändern. Jedenfalls für die irrtümliche Zustellung eines Schriftstückes an den Prozessunfähigen an Stelle einer Zustellung an seinen Sachwalter hat daher zu gelten, dass eine Heilung dieser unwirksamen Zustellung nicht dadurch bewirkt werden kann, dass der Prozessunfähige das Schriftstück seinem Sachwalter tatsächlich weitergibt. Zutreffend hat daher das Rekursgericht die Rechtzeitigkeit der von der Sachwalterin erhobenen Einwendungen bejaht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO: Die Klägerin hat im Verfahren ausdrücklich die Zurückweisung der Einwendungen der Beklagten als verspätet beantragt. Es handelt sich somit um einen selbständigen Zwischenstreit.