OGH vom 27.10.1998, 11Os97/98

OGH vom 27.10.1998, 11Os97/98

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roman Helmut S***** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom , GZ 37 Vr 412/98-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, und des Verteidigers Mag. Schächle, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Roman Helmut S*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Roman Helmut S***** ist schuldig, er hat am in Hohenems versucht, fremde bewegliche Sachen in einem im Zweifel 25.000 S nicht übersteigenden Wert einem Verfügungsberechtigten der W***** GmbH, durch Einbruch in ein Gebäude mit dem Vorsatz wegzunehmen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem er einen ca zwei Meter hohen Maschendrahtzaun überkletterte, um in das Betriebsgelände der Tischlerei zu gelangen, an der Ostseite der Tischlerwerkstatt mit einem Ziehwerkzeug den Schloßzylinder abdrehte und sodann in die Werkstatt gelangte, wo er mit einem Flachwerkzeug die Türe zum Bürotrakt aufbrach, jedoch nach Alarmauslösung sogleich die Flucht ergriff.

Er hat hiedurch das Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB begangen und wird hiefür nach § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird der Vollzug der verhängten Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roman Helmut S***** von der Anklage des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch gemäß § 259 Z 3 StGB freigesprochen.

Den maßgeblichen Feststellungen zufolge suchte der Angeklagte nachts zum das Betriebsareal der Tischlerei W***** unter Mitnahme von Werkzeug mit dem Vorsatz auf, in die Büroräumlichkeiten einzubrechen, um Bargeld zu stehlen. Beim Aufbrechen der zum Bürotrakt führenden Tür löste der Angeklagte die Alarmanlage aus, weshalb er von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nahm und den Tatort kurz vor Eintreffen der alarmierten Gendarmeriebeamten fluchtartig verließ.

Beim Einbruch hat der Angeklagte an zwei Türen des Gebäudes einen Sachschaden von insgesamt 3.800 S herbeigeführt. Diesen Betrag ersetzte er im Jänner 1998 noch vor Kenntnis der Behörde von seinem Verschulden aus eigenem Antrieb der W***** und erstattete danach Selbstanzeige bei der Gendarmerie.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Schöffengericht den Tatbestand des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB in objektiver und subjektiver Richtung für erfüllt. Die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts vom Versuch iSd § 16 StGB verneinte das Erstgericht (rechtsrichtig) mangels Vorliegens des Freiwilligkeitserfordernisses. Im Hinblick auf die vollständige, rechtzeitige und aus freiem Willen erfolgte Gutmachung des aus der Tat entstandenen Sachschadens hielt der Schöffensenat dem Angeklagten jedoch den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 StGB zugute. Entgegen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach tätige Reue nicht in Betracht komme, wenn es beim Deliktsversuch geblieben ist, sei die Schlechterstellung eines Täters, der - wie hier - den beim versuchten Einbruchsdiebstahl entstandenen Begleitschaden gutgemacht hat, gegenüber dem Täter des vollendeten Deliktes, der den gesamten Schaden (einschließlich der wertmäßig oft vernachlässigbaren Beute) ersetzt, vor dem rechtspolitischen Hintergrund des in Rede stehenden Strafaufhebungsgrundes unbillig.

Den Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO mit dem Einwand, daß tätige Reue beim Versuch eines Deliktes (begrifflich) ausgeschlossen sei. Damit ist sie im Recht:

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte hat durch seine Tat formal zwei strafbare Handlungen, nämlich den versuchten Einbruchsdiebstahl und die mit diesem verbundene vollendete Sachbeschädigung verwirklicht, wobei nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung die Sachbeschädigung als wenngleich nicht notwendige, so doch deliktstypische Begleiterscheinung des Einbruchsdiebstahls von diesem als dem strenger pönalisierten Delikt zufolge Scheinkonkurrenz (Konsumtion) verdrängt wurde (Leukauf/Steininger Komm3 § 28 RN 46 f; Kienapfel AT5 E 8 RN 30 f). Der versuchte Einbruchsdiebstahl blieb, wie erwähnt, mangels Freiwilligkeit des Rücktritts (§ 16 Abs 2 StGB) strafbar. Ein Fall des Wiederauflebens des verdrängten Deliktes der Sachbeschädigung liegt deshalb nicht vor.

Der (persönliche) Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 StGB kommt dem Täter eines der dort genannten - reuefähigen - Delikte dann zustatten, wenn er, bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, wenngleich auf Andringen des Verletzten, so doch ohne hiezu gezwungen zu sein, den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden entweder selbst oder - bei ernstlichem Bemühen - durch einen Dritten gutgemacht oder sich hiezu verpflichtet hat. § 167 StGB ist demnach ganz pointiert auf die Befriedigung des Wiedergutmachungsinteresses des Opfers hin konzipiert: der tragende Zweck dieser Bestimmung ist es, dem Opfer zur prompten Schadensgutmachung zu verhelfen (vgl Burgstaller in FS Platzgummer S 102 f).

Die in § 167 StGB genannten Delikte sind weitgehend Erfolgsdelikte, die den Eintritt eines deliktsspezifischen Schadens voraussetzen und demnach einen Schadenersatz zulassen. Setzt aber eine Schadensgutmachung schon begrifflich den Eintritt eines Schadens voraus, bedeutet dies, daß das betreffende Delikt jedenfalls vollendet sein muß. Auf ein vor Erfolgseintritt im Versuchsstadium verbliebenes strafbares Verhalten ist tätige Reue daher nicht anwendbar.

Dies wird im übrigen auch durch die Diktion des § 167 StGB deutlich, wird darnach doch (nur) die Strafbarkeit wegen "Sachbeschädigung", "Datenbeschädigung", "Diebstahls" usw durch tätige Reue aufgehoben. Der Gesetzgeber wählte hiefür die Deliktsbezeichnung selbst und stellte solcherart klar, daß darunter jeweils das tatbestandsmäßige Verhalten in seiner Gesamtheit zu verstehen ist. Der - aufgrund der strafbarkeitsausdehnenden Norm des § 15 Abs 1 StGB ebenfalls strafbare - Versuch eines derartigen Deliktes ist damit gerade nicht erfaßt, fehlt es doch hiebei mangels Vollendung an der für die Verwirklichung der reuefähigen Delikte vorausgesetzten vollständigen Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale.

Tätige Reue ist daher nach der Konzeption dieses Strafaufhebungsgrundes auf bloß versuchte Straftaten nicht anwendbar.

Eine - grundsätzlich zulässige - Analogie in bonam partem kommt hier - entgegen der Auffassung des Erstgerichtes und der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon deshalb nicht in Frage, weil dies eine unfreiwillige Gesetzeslücke zur Voraussetzung hätte, welche bei einem Versuch aber nicht vorliegt. Denn für ein versuchtes Delikt sieht § 16 Abs 1 StGB - unter gänzlichen Bedingungen - die Möglichkeit des grundsätzlich strafbefreienden Rücktritts vor. Damit soll dem Rechtsbrecher die Möglichkeit geboten werden, im strafbaren Versuchsstadium durch Aufgabe seiner deliktischen Tätigkeit oder durch Erfolgsabwendung Straffreiheit zu erlangen. Dies beruht primär auf der Überlegung, daß bei einem solchen Rücktritt eine Bestrafung weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen erforderlich ist, weil die Störung des Rechtsfriedens und der Bewährung des Rechts vom Täter selbst wieder beseitigt wurde (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 16 RN 1).

Die tätige Reue verfolgt im Gegensatz dazu, wie oben aufgezeigt, ein ganz anderes Ziel. Von einem mit der Fallkonstellation der tätigen Reue vergleichbaren Regelungssachverhalt kann daher bei der Versuchssituation keine Rede sein.

Daß vorliegend ein Fall der Scheinkonkurrenz zu beurteilen ist, hat kein anderes Ergebnis zur Folge. Käme das Primärdelikt des versuchten Diebstahls - etwa durch freiwilligen Rücktritt vom Versuch - in Wegfall, wäre zu prüfen, ob die Sachbeschädigung als selbständig zu beurteilendes Delikt wieder auflebt (Leukauf/Steininger aaO RN 13):

diesfalls käme insoweit tätige Reue durch Wiedergutmachung des eingetretenen Sachschadens durchaus in Betracht. Wird aber lediglich der dem (durch die Annahme des versuchten Einbruchsdiebstahls) verdrängten Delikt der Sachbeschädigung zugrundeliegende Schaden ersetzt, würde dies nicht einmal die Ausschaltung der Einbruchsqualifikation rechtfertigen, weil die Sachbeschädigung nicht notwendige Voraussetzung des Einbruchsdiebstahls ist, dieser vielmehr auch durch Einsteigen oder Eindringen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug ohne begleitenden Sachschaden verwirklicht werden kann. Die Strafbarkeit wegen (versuchten) Einbruchsdiebstahls bleibt daher unberührt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war somit Folge zu geben und der Angeklagte des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch schuldig zu erkennen.

Bei der Strafbemessung waren die einschlägigen (Rückfall nach § 39 StGB begründenden) Vorstrafen sowie die erneute Straffälligkeit kurz nach dem Vollzug einer längeren Freiheitsstrafe als erschwerend zu werten. Demgegenüber stehen die Milderungsgründe des Sachschadenersatzes und der Selbststellung; letzterem Umstand kommt entscheidende Wirkung vor allem deshalb zu, weil ansonsten der Angeklagte als Täter nicht entdeckt worden wäre. Dessen ungeachtet kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe nicht gesprochen werden, sodaß die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nicht in Betracht gezogen werden konnte. Angesichts der vergleichsweise geringen Schwere der verschuldeten Rechtsgutbeeinträchtigung und des positiven Nachtatverhaltens des Angeklagten ist hingegen die Gewährung der bedingten Strafnachsicht gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung ist in §§ 389, 390a StPO begründet.