OGH vom 21.05.2007, 8ObS15/07z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kuras und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Andrea Eisler und Dr. Ingeborg Bauer-Manhart als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alma M*****, vertreten durch Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH, *****, wegen EUR 27,46, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 15/07y-9, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 18 Cgs 282/06s-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil zur Gänze wieder hergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 67,01 (darin EUR 11,17) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war ab als Arbeiterin bei der M ***** GmbH & Co KG in F***** beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für die Schuhindustrie anwendbar, der eine ordnungsgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung zum Ende der zweiwöchigen Kündigungsfrist an einem Freitag vorsieht. Die Klägerin war vom bis im Mutterschutz, daran anschließend war ein Karenzurlaub bis vereinbart. Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Arbeitgeberin endete das Arbeitsverhältnis am durch vorzeitigen Austritt der Klägerin gemäß § 25 KO.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom Insolvenzausfallgeld für Kündigungsentschädigung vom 15. 4. bis und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren für den Zeitraum vom 27. 5. bis von EUR 27,46 (unstrittiger Differenzanspruch für den Zeitraum vom 27. 5. bis unter Anrechnung des anderweitig Verdienten), ab.
Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei EUR 27,46 an restlicher Kündigungsentschädigung für den abgelehnten Zeitraum. Eine Kündigung seitens des Arbeitgebers hätte erst nach der vom 15. 4. bis laufenden vierwöchigen Schutzfrist, erstmalig daher am (Samstag) wirksam ausgesprochen werden können. Die kollektivvertragliche Kündigungsfrist wäre vom 14. 5. bis (ebenfalls Samstag) gelaufen. Unter Beachtung des Kündigungstermins hätte das Dienstverhältnis sohin erst am Freitag der darauffolgenden Woche, also am enden können.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Kündigungsentschädigung stehe der Klägerin nur für die unmittelbar an die Schutzfrist anschließende zweiwöchige Kündigungsfrist vom 13. 5. bis zu, wobei der letzte Tag dieser Frist (Freitag) mit dem kollektivvertraglichen Kündigungstermin zusammenfalle. Ein zusätzlicher Tag für die fiktive Übermittlung einer fiktiven Kündigungserklärung, nämlich der , sei bei der Berechnung der Kündigungsentschädigung nicht zu berücksichtigen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Gemäß § 25 Abs 2 KO könne der Arbeitnehmer den Ersatz des verursachten Schadens als Konkursforderung verlangen, wenn das Arbeitsverhältnis nach § 25 Abs 1 KO gelöst werde. Im Falle eines berechtigten vorzeitigen Austritts gebühre dem Arbeitnehmer gemäß § 1162b ABGB die vertragsmäßigen Ansprüche für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses bei Einhaltung der ordnungsgemäßen Kündigungsmodalitäten durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen, unter Einrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe. Die Klägerin habe sich vom bis im Mutterschutz befunden und daran anschließend Karenzurlaub bis vereinbart. Gemäß §§ 10, 12 und 15 Abs 4 MSchG habe sich daran der gesetzliche Kündigungsschutz bis angeschlossen. Tatsächlich hätte daher erstmals am rechtswirksam die Kündigung ausgesprochen werden können. Für die Berechnung der kollektivvertraglichen zweiwöchigen Kündigungsfrist sei § 902 ABGB maßgeblich, wobei die Kündigungserklärung selbst der Anfangszeitpunkt der Frist sei. Der Tag der Kündigungserklärung löse den Lauf der Frist aus. Der Beginn des Fristenlaufs falle auf den auf das fristauslösende Ereignis nächstfolgenden Tag. Gegenständlich hätte die zweiwöchige Kündigungsfrist bei Kündigung durch den Masseverwalter frühestens am zu laufen beginnen können und hätte daher an einem Samstag, dem geendet. Da nach dem Kollektivvertrag eine Kündigung nur zum Ende der Arbeitswoche, sohin im Betrieb des Gemeinschuldners unstrittig an einem Freitag möglich gewesen sei, hätte bei Einhaltung der ordnungsgemäßen Kündigungsmodalitäten durch den Masseverwalter das Dienstverhältnis frühestens am Freitag den enden können.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagsabweisenden Sinn ab und ließ die ordentliche Revision zu. Strittig sei nur die Frage, ob die für die Berechnung der Kündigungsentschädigung zu berücksichtigende kollektivvertragliche Kündigungsfrist unmittelbar an die vierwöchige Schutzfrist des § 15 Abs 4 MSchG anschließe und daher am so ende, dass sie mit dem Kündigungstermin zusammenfalle, oder ob sich der Kündigungstermin deshalb um eine Woche (auf den ) nach hinten verschieben, weil nach dem Ablauf der Schutzfrist zunächst der als jener Tag anzusehen sei, der die Kündigungsfrist (fiktiv) erst mit auslöse. Nach § 25 Abs 2 KO (idF des IRÄG 1997) gebühre dem Arbeitnehmer im Falle eines berechtigten vorzeitigen Austritts nach § 25 Abs 1 KO der Ersatz des durch die vorzeitige Vertragsauflösung verursachten Schadens. Gemäß § 1162b ABGB habe der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung unter Zugrundelegung des vertragsmäßigen Entgelts für jenen Zeitraum, der bei ordnungsgemäßer Beendigung seitens des Arbeitgebers - unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist und des Kündigungstermins - hätte verstreichen müssen. Grundsätzlich sei der Arbeitnehmer also so zu stellen, als wäre anstatt des vorzeitigen Austritts eine Arbeitgeber-Kündigung erfolgt. Im Fall der Klägerin sei zu berücksichtigen, dass der mit § 15 Abs 4 MSchG verfolgte Schutzzweck trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter bestehe, sodass bei der Bemessung der Kündigungsentschädigung auf den besonderen Bestandschutz Bedacht zu nehmen sei. Der Anspruch auf das vertragsgemäße Entgelt verlängere sich daher um den Zeitraum des Bestandschutzes (hier: bis ); folglich werde die fiktive Kündigungsfrist in diesem Fall nicht schon mit dem auf die Austrittserklärung folgenden Tag () ausgelöst, sondern sie beginne (fiktiv) erst im Anschluss an die Schutzfrist (mit ) zu laufen. Für die Berechnung der Kündigungsentschädigung nach wirksam erfolgter (vorzeitiger) Vertragsbeendigung bedürfe es also nicht der bildlichen Annahme einer weiteren Auflösungserklärung, sodass auch die Zeit für deren fiktive Übermittlung nicht zusätzlich bei der Bemessung des durch den Austritt verursachten Schadens zu berücksichtigen sei. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin den Zugang einer Arbeitgeberkündigung nicht schon mit Ablauf der Schutzfrist am fingiere, sondern erst zu einem beliebig späteren Zeitpunkt am folgenden Tag. Nur dadurch komme es zur Verschiebung des Kündigungstermins um eine Woche, woraus wiederum die im Verfahren strittige Differenz bei der Kündigungsentschädigung resultiere.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu der hier relevanten Rechtsfrage, der Bedeutung über den Einzelfall hinauskomme, noch nicht ausdrücklich Stellung genommen habe. Die Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat selbst darauf hingewiesen, dass vorliegend nicht die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Dienstverhältnis gelöst wurde, sondern ausschließlich der aus dem berechtigten vorzeitigen Austritt nach § 25 KO resultierende Schadenersatzanspruch der Klägerin zur Beurteilung steht.
Gemäß § 25 Abs 2 KO idF IRÄG 1997 (BGBl 114/1997) kann der Arbeitnehmer den Ersatz des verursachten Schadens als Konkursforderung auch dann verlangen, wenn er nach § 25 Abs 1 KO ausgetreten ist. Das zeitliche Maß des Ersatzanspruchs wird durch die für den Arbeitgeber hinsichtlich des konkreten Arbeitnehmers - unter Außerachtlassung der Konkurseröffnung - bestehende Kündigungsmöglichkeit bestimmt (8 ObS 16/04t).
Die Klägerin war vom 7. 1. bis im Mutterschutz, daran anschließend war Karenzurlaub bis vereinbart. Nach § 15 Abs 4 MSchG endet der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz der §§ 10 und 12 MSchG vier Wochen nach dem Ende der Karenz („Behaltefrist"). Das Arbeitsverhältnis kann erst nach dem Ablauf der Behaltefrist durch eine Kündigung des Arbeitgebers unter Einhaltung der durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Arbeitsvertrag vorgesehenen Kündigungsfristen und -termine rechtswirksam beendet werden. Wird eine Kündigung während der Behaltefrist ausgesprochen, ist sie auch dann rechtsunwirksam, wenn erst zu einem Zeitpunkt gekündigt wird, zu dem auch nach dem Ende der Behaltefrist wirksam hätte gekündigt werden können (Ercher/Stech in Ercher/Stech/Langer Mutterschutzgesetz, § 15 Rz 59; RIS-Justiz RS0070810; RS0070803; zuletzt etwa 9 ObA 25/06a). Im vorliegenden Fall hätte daher eine ordnungsgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber erst nach dem Ende der mit auslaufenden „Behaltefrist", also mit , ausgesprochen werden dürfen. Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend dargelegt, dass gemäß § 902 ABGB die Kündigungserklärung den Lauf der Frist auslöst (RIS-Justiz RS0028145), der Beginn des Fristenlaufs somit auf den auf das fristenauslösende Ereignis nachfolgenden Tag fällt (RIS-Justiz RS0091901). Es ist daher dem Erstgericht darin zu folgen, dass bei ordnungsgemäßer Arbeitgeberkündigung die Kündigungsfrist erst am zu laufen begonnen hätte, sodass unter Berücksichtigung des kollektivvertraglichen Kündigungstermins (Freitag der Arbeitswoche) das Dienstverhältnis am Freitag den geendet hätte. Die vom Berufungsgericht für seinen Standpunkt angeführte Entscheidung 9 ObA 2070/96v ist im Hinblick auf die durch das IRÄG 1997 erfolgte Änderung des § 25 KO im Übrigen als überholt anzusehen. Es ist daher der Revision Folge zu geben und das Ersturteil zur Gänze wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.