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OGH vom 24.06.2015, 9ObA77/15m

OGH vom 24.06.2015, 9ObA77/15m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs und Wolfgang Cadilek in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** S*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Hartmut Gräf, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses, in eventu Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 30/15s 20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Für die Frage, ob ein Mitarbeiter als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG anzusehen ist, ist vor allem die Entscheidungsbefugnis im personellen Bereich maßgeblich, weil sie den Interessengegensatz zu den übrigen Belegschaftsmitgliedern bewirkt, der der Ausnahme-bestimmung des § 36 Abs 2 Z 3 AngG zugrunde liegt (RIS Justiz RS0053034; s auch RIS Justiz RS0050979). Entscheidend ist, ob der Kläger rechtlich und nicht nur faktisch befugt war, eine selbständige Personalkompetenz eigenständig auszuüben (RIS Justiz RS0050979 [T5]). Allein die Vorbereitung von Personalentscheidungen begründet noch keine Stellung als leitender Angestellter im Sinn des § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG (RIS Justiz RS0050979 [T6]). Ob die vorhandenen Kriterien ausreichen, um von einem leitenden Angestellten im Sinn des ArbVG sprechen zu können, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0050979 [T7]). Die Frage begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt. Eine solche zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten nicht auf.

2. Im vorliegenden Fall war der Kläger Leiter des Fachbereichs Forschung, dem etwa 30 Mitarbeiter unterstanden. Er selbst war dem für den Bereich Research Development (R D) verantwortlichen Mitglied der Geschäftsleitung unterstellt. Er war Kostenstellenverantwortlicher, budgetierte Kosten konnten von ihm bis zu einem Betrag von 5.000 EUR selbständig abgerufen werden. Das Jobprofil seines Dienstvertrags enthält ua folgende Punkte: Führung von Mitarbeitergesprächen, Ansprechperson und Führungskraft für Mitarbeiter, Lohn- und Gehaltsverantwortung in Abstimmung HR (Human Resources) und FK (Führungskraft), Personalrecruiting in Abstimmung mit HR und FK, Planung von Investitionen und Personal in Abstimmung mit FK, Weisungsbefugnis für MA (disziplinär und fachlich) und Ressourceneinsatz, fachbezogene Weisungsbefugnis gegenüber allen MA seiner Fachdisziplin, Anstoß für Investitionen und Personalwachstum, Anstoß zur Auflösung von Dienstverhältnissen in Abstimmung mit FK und HR.

Zu den Personalbefugnissen des Klägers steht fest, dass er gemeinsam mit anderen Managern von R D und seinem Vorgesetzten Mitglied der R D Steuerungsrunde war. Vorhaben der Steuerungsrunde wurden von seinem Vorgesetzten in die Geschäftsleitung getragen, wo die abschließenden Entscheidungen getroffen wurden. Auch vom Kläger für gerechtfertigt erkannter Personalbedarf in seinem Bereich wurde zur Besprechung in die Steuerungsrunde getragen. War der Personalbedarf durch den Kläger begründet, wurde er von seinem Vorgesetzten der Geschäftsleitung übermittelt. Dass der Vorgesetzte Entscheidungen der ihm zugeordneten Manager anzweifelte, eigenmächtig verwarf oder abänderte, konnte nicht festgestellt werden. „Wurden Personalentscheidungen nachvollziehbar begründet, setzten sie sich in der Regel durch. Dies betraf auch die Beendigung von Dienstverhältnissen. Wurde von einem dem Kläger gleichgeordneten Fachbereichsmanager entschieden, dass ein Mitarbeiter nicht mehr geeignet oder tragbar wäre, wurde dem in der Regel Folge getragen und das Dienstverhältnis mit Unterstützung von HR, das die rechtlichen Voraussetzungen und Notwendigkeiten prüfte und vorgab, beendet. Die Kündigung oder Entlassung selbst sprach der jeweils direkt Vorgesetzte aus.“ Bei der Personalauswahl hätte der Kläger unmittelbaren Einfluss gehabt, wenn er dies nicht an ihm unterstellte Führungskräfte delegiert hätte. Gehälter orientieren sich bei der Beklagten nach den Fähigkeiten und Leistungen der Jobkandidaten, wofür es vorgegebene Bandbreiten gibt. Die entsprechende Einschätzung obliegt der jeweiligen Führungskraft oder auch dem Kläger, der diesbezüglich nur an die Vorgaben der Geschäftsleitung gebunden war. Seit 2012 ist jede Personaleinstellung bei der Beklagten in die Geschäftsleitung zu tragen, wobei es sich meist um einen formalen Akt handelt. „Nach diesem (in der Regel) Formalakt hat der Kläger maßgeblichen Einfluss darauf, wer aufgenommen wird und welcher Gehaltsrahmen in Frage kommt.“

Das Berufungsgericht sah darin noch keine ausreichenden betrieblichen Befugnisse des Klägers für eine Qualifikation als leitender Angestellter. Insbesondere sei es ihm nicht möglich gewesen, Dienstverhältnisse selbständig zu begründen und eigenverantwortlich zu beenden.

3. Die Beklagte meint in ihrer außerordentichen Revision, dass das Berufungsgericht die erstgerichtlichen, wörtlich zitierten Feststellungen missverstanden habe, weil gerade nicht festgestellt worden sei, dass wie vom Berufungsgericht aber angenommen HR die rechtlichen Voraussetzungen und die Notwendigkeit der Beendigung einer Prüfung unterzogen habe. HR habe lediglich die formellen rechtlichen Voraussetzungen und Notwendigkeiten einer bereits beschlossenen Kündigung unterzogen. Auch ab 2012 sei die Befassung der Geschäftsleitung mit Personaleinstellungen nur ein Formalakt gewesen.

In einer Gesamtbetrachtung ist dies den Feststellungen so jedoch nicht zu entnehmen, weil die vom Erstgericht vorgenommene Beschreibung der Einflüsse des Klägers auf die Personalentscheidungen zunächst nur die faktischen Gegebenheiten betrifft. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Kläger entgegen den im Dienstvertrag enthaltenen Aufgaben auch eine abschließende Beschlusskompetenz und Personalverantwortung für die Mitarbeiter seines Bereichs haben sollte. Dem steht auch die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägung des Erstgerichts (Ersturteil S 14), dass sich die „Abstimmung“ des Klägers mit seinem Vorgesetzten auf eine bloße Informationsweitergabe/Besprechung beschränkt habe, nicht entgegen. Denn auch wenn der Vorgesetzte gegen die Personalvorhaben des Klägers faktisch in der Regel keine Einwände hatte und sie in die Geschäftsleitung trug, bedeutet dies nicht, dass der Kläger alleine und ohne Zustimmung der Geschäftsleitung rechtlich verbindliche Willenserklärungen für die Beklagte abgeben hätte dürfen. Mag seinen Vorschlägen in der Regel auch entsprochen worden sein, ist daraus noch nicht auf eine rechtlich ausschlaggebende Entscheidungsbefugnis des Klägers in Personalangelegenheiten zu schließen.

Das Verständnis des Berufungsgerichts von den Befugnissen des Klägers findet damit Deckung im festgestellten Sachverhalt. Da auch seine Rechtsansicht den Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht verlässt, besteht kein Korrekturbedarf. Weder die vermeintliche Aktenwidrigkeit noch die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00077.15M.0624.000