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OGH vom 03.09.2010, 9ObA73/10s

OGH vom 03.09.2010, 9ObA73/10s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Paul Kunsky und Helmut Tomek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** T*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Dr. M***** W*****, Rechtsanwalt *****, wegen 17.043,82 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 20/10b 14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagte stellt nicht mehr in Abrede, dass die Rechtsanwaltskanzlei Dris P***** iSd § 3 Abs 1 AVRAG auf ihn übergegangen ist. Er bestreitet weiters nicht, dass die Klägerin ab Urlaub konsumierte und sich für drei Wochen nicht an ihrem Wohnort aufhielt. Ebenso ist die Anwendung des Kollektivvertrags für Angestellte in Rechtsanwaltskanzleien Wien nicht strittig.

2.1 Art VIII Abs 2 des genannten Kollektivvertrags (Stand ; nunmehr Art IX mit Stand ) schreibt vor, dass Kündigungen schriftlich mittels eingeschriebenen Briefs erfolgen müssen. Außerdem enthält diese Bestimmung mit der Wendung „bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit“ eine eindeutige Rechtsfolgenanordnung für den Fall der Missachtung des Formgebots. Das Schriftformerfordernis stellt somit eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigungserklärung dar (vgl auch 9 ObA 78/08y). Der Beklagte kann sich daher nicht auf eine mündliche Kündigung (am zum ) und auch nicht darauf berufen, das Schriftlichkeitsgebot nur aufgrund eines minderen Grads des Versehens nicht gekannt zu haben.

2.2 Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (RIS Justiz RS0028555). Sie wird daher erst dann wirksam, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugegangen ist (RIS Justiz RS0014092). Die Erklärung geht mit jenem Zeitpunkt zu, mit dem unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme der Erklärung zu rechnen ist (vgl RIS Justiz RS0014078; Rummel in Rummel ³ § 862a ABGB Rz 2). Derjenige, der eine Kündigung ausspricht, trägt regelmäßig das Risiko für deren ordnungsgemäßen Zugang (9 ObA 55/95; 6 Ob 310/01h). Kann die Kündigung wegen etwa urlaubsbedingter Ortsabwesenheit nicht zugestellt werden, so wird sie abgesehen von Fällen einer Zugangsfiktion wegen Zugangsvereitelung nicht wirksam (vgl dazu 9 ObA 106/97x).

Im vorliegenden Fall kann von einer Zustellungsvereitelung wider Treu und Glauben durch die Klägerin keine Rede sein. Der Zugang des Kündigungsschreibens ist daher nicht zu fingieren, sondern mit dem Zeitpunkt anzusetzen, zu dem ihr das Schriftstück tatsächlich zugekommen ist. Erst mit dem Zugang (hier am ) waren die Voraussetzungen für den Beginn der Kündigungsfrist gegeben.

3. Dass die Klägerin für November 2008 Arbeitslosengeld (als Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung) bezogen hat, schmälert ihre Ansprüche im Verhältnis zum Beklagten nicht. Unbeschadet der - vom Kenntnisstand des Arbeitgebers abhängigen - Legalzession bzw Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers verbleibt das Recht auf gerichtliche Durchsetzung des strittigen Anspruchs auf Kündigungsentschädigung beim Arbeitnehmer (siehe dazu RIS Justiz RS0028334; 8 ObA 233/95).

4. Zum Zinsenzuspruch kann sich der Beklagte nicht auf eine objektiv vertretbare Rechtsansicht berufen (vgl RIS Justiz RS0125438). Ein Rechtsanwalt muss nicht nur auf die Bestimmungen des einschlägigen Kollektivvertrags für eigene Mitarbeiter Bedacht nehmen, sondern ebenso wissen, dass für einen Betriebsübergang die Begriffsbestimmungen nach der Betriebsübergangsrichtlinie (RL 2001/23/EG) und den innerstaatlichen Umsetzungsvorschriften maßgeblich sind. Nach Art 1 der genannten Richtlinie gilt diese für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht (vgl 8 ObA 221/98b).

5. Die Behauptung des Beklagten, das Klagebegehren sei nicht genügend aufgeschlüsselt (vgl dazu RIS-Justiz RS0116144), ist auch in der außerordentlichen Revision nicht näher begründet. Mit den geltend gemachten Verfahrens- und Feststellungsmängeln vermag er die Zulässigkeit der Revision ebenfalls nicht zu begründen.

Mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.