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OGH vom 21.12.2009, 8Ob8/09y

OGH vom 21.12.2009, 8Ob8/09y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling, Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Günes S*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Baden als Jugendwohlfahrtsträger, 2500 Baden, Schwarzstraße 50, wegen Unterhaltserhöhung, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 276/08i-U-61, womit infolge Rekurses des Minderjährigen der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom , GZ 3 P 114/99y-U-57, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass Punkt 1 des Beschlusses des Erstgerichts zu lauten hat:

1. Sevgi S***** ist als Mutter des Minderjährigen schuldig, ab monatlich weitere 11 EUR, insgesamt daher einen auf 41 EUR monatlich erhöhten Unterhalt zu Handen der Bezirkshauptmannschaft Baden als Jugendwohlfahrtsträger, zu bezahlen.

Die bis zur Rechtskraft diese Beschlusses fälligen Beträge sind binnen 14 Tagen nach Rechtskraft, die danach fälligen Beträge jeweils am Ersten des jeweiligen Monats im Voraus zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der am geborene Günes lebt nach der Scheidung seiner Eltern bei seinem Vater, seine beiden 1990 und 1995 geborenen Schwestern hingegen bei seiner Mutter. Am hat die neuerlich verheiratete Mutter eine weitere Tochter geboren. Für diese bezieht sie Kinderbetreuungsgeld von 14,53 EUR täglich, ca 435 EUR monatlich. Der zweite Ehegatte der Mutter hat 2007 inklusive Sonderzahlungen monatlich 1.412 EUR verdient.

Die Mutter war zuletzt aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom verpflichtet, für den minderjährigen Günes 30 EUR monatlich an Unterhalt zu leisten.

Mit Antrag vom begehrte der Minderjährige, den Unterhaltsbeitrag ab 1. 1. bis auf 50 EUR monatlich zu erhöhen und ab auf 57 EUR. Dies stütze er im Wesentlichen darauf, dass der Ehegatte der Mutter seit 2007 monatlich 1.412 EUR verdiene und die Mutter das Kinderbetreuungsgeld beziehe.

Die Mutter beantragte, den Antrag abzuweisen. Sie verwies auf die weiteren Sorgepflichten und darauf, dass sie selbst ja nur Kinderbetreuungsgeld beziehe.

Das Erstgericht erhöhte den Unterhalt für die Zeit vom bis um 11 EUR auf insgesamt 41 EUR (insoweit rechtskräftig), wies aber das darüber hinausgehende Erhöhungsbegehren ab. Es stütze dies im Wesentlichen darauf, dass bis auch das Kinderbetreuungsgeld in die Unterhaltsbemessung miteinzubeziehen sei. Der Unterhaltsanspruch errechne sich bis aus dem Anspruch der Mutter gegen den zweiten Ehegatten zuzüglich des Kinderbetreuungsgeldes, danach aber ohne dieses.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Minderjährigen gegen die teilweise Abweisung seines Erhöhungsantrags nicht Folge. Es verwies auf die mit BGBl I 76/2007 geänderte Fassung des § 42 KBGG, wonach das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des beziehenden Elternteils gelte. Daher sei das Kinderbetreuungsgeld auch nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig, da wegen der Vielzahl der gleichgelagerten Fälle der Auslegung der neuen Bestimmung besondere Bedeutung zukomme und sich der Oberste Gerichtshof mit der Neuregelung des § 42 KBGG noch nicht befasst habe.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen. Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu dieser Frage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts noch keine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorlag. Er ist im Ergebnis nur insoweit berechtigt, als er sich gegen die mangelnde Berücksichtigung des Kinderbetreuungsgeldes ab richtet.

Die Mutter hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs macht zusammengefasst geltend, dass es dem Gesetzgeber bei der Festlegung in § 42 KBGG um die abgabenrechtlichen Folgen gegangen sei und die unterhaltsrechtliche Situation nicht habe geändert werden sollen. Im Ergebnis diene auch das Kinderbetreuungsgeld dem Einkommensersatz. Auch wäre es der Mutter erlaubt, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen, ohne dass ihr Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld geschmälert wird.

§ 42 KBGG lautete bis zum unter der Überschrift „Unterhaltsanspruch" wie folgt:

„Das Kinderbetreuungsgeld gilt nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch."

Der Oberste Gerichtshof hat damals das Kinderbetreuungsgeld als relevantes Eigeneinkommen des Beziehers beurteilt (1 Ob 157/03z = RIS-Justiz RS0047456 [T10]), so wie wenn der Bezieher eine Gegenleistung für die Betreuung (irgend-)eines Kindes erhält. Mit dem Bundesgesetz BGBl I 2007/76 wurden die §§ 42 und 43 KBGG geändert; die neue Fassung lautet (seit Inkrafttreten am - § 49 Abs 13 leg cit) wie folgt:

„§ 42. Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gelten weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche."

„§ 43. (1) Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und der Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind gemäß § 290 der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht pfändbar.

(2) Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind von der Einkommensteuer befreit und gehören auch nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge."

In den Gesetzesmaterialien findet sich folgende Begründung der Änderung der §§ 42, 43 KBGG (RV 229 BlgNR 23. GP 7):

„Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum KBG gelten auch für den beziehenden Elternteil nicht als Einkommen.

Die Unpfändbarkeit und die Steuerfreiheit des Zuschusses sollen explizit geregelt werden. Dazu gehört die Klarstellung, dass auch der Zuschuss nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge zählt."

Der Oberste Gerichtshof hat zunächst in den Entscheidungen 6 Ob 200/08t und 6 Ob 219/08m die Frage, ob bei der selbst (gegenüber dem Ehegatten) unterhaltsberechtigten Frau das von ihr bezogene Kinderbetreuungsgeld als eigenes Einkommen anzusehen ist, verneint. § 42 sehe nunmehr ausdrücklich vor, dass das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils gelten und nicht deren Unterhaltsansprüche mindern. Der Gesetzgeber verfolge mit der Novellierung offensichtlich das Ziel, diese Familienleistung dem Haushalt des beziehenden Elternteils zukommen zu lassen, ohne damit mittelbar eine Entlastung von Unterhaltspflichtigen herbeizuführen. Im Bereich des Unterhaltsrechts wolle der Gesetzgeber das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des Kindes oder eines Elternteils behandelt haben.

Mit den Wirkungen des § 42 KBGG auf eine geldunterhaltspflichtige Mutter hatte sich dann die Entscheidung 7 Ob 223/08g zu befassen. Der Oberste Gerichtshof stellte am an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" und § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben, hilfsweise in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" als verfassungswidrig aufzuheben. Dabei ging der Oberste Gerichtshof wie in den Vorentscheidungen davon aus, dass zwischen unterhaltsberechtigten und unterhaltspflichtigen Kinderbetreuungsgeldbeziehern nach § 42 KBGG nicht zu differenzieren ist. Die Mutter erbringe damit zwar Betreuungsleistungen für ihre neugeborenen Kinder, wofür sie Kinderbetreuungsgeld erhalte, müsse aber ihren anderen Kindern keinen Geldunterhalt leisten, sodass diese Kinder aus erster Ehe ohne sachliche Rechtfertigung ungleich schlechter behandelt würden.

In mehreren Folgeentscheidungen erachtete der 10. Senat (10 Ob 112/08f, 10 Ob 7/09s, 10 Ob 8/09p, 10 Ob 40/09v, zuletzt 10 Ob 76/09p) allerdings das Ergebnis, dass das Kinderbetreuungsgeld zwar nicht bei der Bemessung der Unterhaltsansprüche der Bezugsberechtigten, wohl aber bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage von die Bezugsberechtigten treffenden Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen ist, als schon im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation erzielbar, sodass eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofs nicht notwendig sei. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich kein Hinweis, der Gesetzgeber habe mit der Novellierung des § 42 KBGG von der Rechtsprechung - auch schon zu § 12a FamLAG - abrücken wollen, dass das Kinderbetreuungsgeld als Eigeneinkommen des unterhaltspflichtigen Beziehers gelte. Dafür spreche auch das Belassen der Überschrift „Unterhaltsanspruch" und die Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch". Es werde auf das „eigene Einkommen" des Kindes und des beziehenden Elternteils abgestellt und nicht auf eine Unterhaltspflicht. Da § 42 KBGG also keine Aussage zur Frage der Einbeziehung des Kinderbetreuungsgeldes in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Beurteilung einer Unterhaltspflicht des Kinderbetreuungsgeldbeziehers enthalte, seien die allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätze heranzuziehen. Sozialleistungen, die für den Allgemeinbedarf des Empfängers zur Verfügung stünden, fielen danach unabhängig von einer Zweckbestimmung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (RIS-Justiz RS0047456, RS0080395). Dies gelte auch für das Kinderbetreuungsgeld, zumindest wenn ihm Einkommensersatzfunktion zukomme. Die Unpfändbarkeit des Kinderbetreuungsgeldes habe für die unterhaltsrechtliche Bewertung als Einkommen nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0003799 uva) keine Bedeutung. Damit, dass das Kinderbetreuungsgeld - in Bezug auf den Unterhaltsanspruch - nicht als eigenes Einkommen des Kinderbetreuungsgeldbeziehers gelte, werde zum Ausdruck gebracht, dass der Bezieher der staatlichen Leistung seinen Unterhaltsanspruch nicht ganz oder teilweise verlieren solle, wenn der Staat eine solche zweckgerichtete Leistung gewähre. Ist der Kindergeldbezieher aber unterhaltspflichtig, stelle das Kinderbetreuungsgeld nach ganz allgemeinen Grundsätzen des Unterhaltsrechts Einkommen dar, das auch den unterhaltsberechtigten Familienangehörigen zugute kommen solle, und zwar sowohl den naturalunterhaltsberechtigten als auch den geldunterhaltsberechtigten eigenen Kindern.

Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof verwies die Bundesregierung primär auf andere Einkünfte, deren Berücksichtigung bei der Unterhaltsbemessung gesetzlich ausgeschlossen sei (zB Studienbeihilfe), und auf Sozialleistungen, die der Deckung eines Sonderbedarfs dienten und deshalb ebenfalls nicht bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt würden (zB Pflegegeld, Blindenbeihilfe, Kinderzulage und Kinderzuschuss).

Der Verfassungsgerichtshof verwies in seiner Ab- bzw Zurückweisung des Aufhebungsantrags (G 9/09 = Zak 2009/629, 394) auf die Zielsetzung des Kinderbetreuungsgeldes der finanziellen Unterstützung der Eltern während der Betreuung ihres Kindes in den ersten Lebensjahren im Sinne einer Abgeltung der Betreuungsleistung oder der Ermöglichung der Inanspruchnahme außerhäuslicher Betreuung. Das Kinderbetreuungsgeld solle dabei nur jenen Eltern-(teilen) gewährt werden, die bereit sind, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken oder gänzlich aufzugeben. Dem Gesetzgeber stünde es von Verfassungs wegen frei, eine Transferleistung dieser Art, die nur eine begrenzte Zeit hindurch gewährt wird, dem betreuenden Elternteil „vorzubehalten" und Personen (Kinder), die dem betreuenden Elternteil gegenüber unterhaltsberechtigt sind, von einer Partizipation daran auszuschließen. Die Ansprüche der geldunterhaltsberechtigten Kinder würden durch eine solche Regelung nicht anders berührt, als hätte der betreuende Elternteil seine Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuungstätigkeit gegenüber naturalunterhaltsberechtigten Kindern vorübergehend gänzlich eingestellt.

Bei einer teleologisch systematischen Interpretation könnte nunmehr ins Treffen geführt werden, dass das Kleinkind im Haushalt des Bezugsberechtigten ist und mit zunehmender Anhebung der Zuverdienstgrenzen (dzt ca 16.200 EUR; lt Nov BGBl I 116/2009 auch deutlich darüber hinaus) die Funktion als Einkommensersatz zurück- und die Funktion der Erleichterung bei der Betreuung des Kleinkindes hervortritt (vgl auch das Erk des Verfassungsgerichtshofs) und deshalb das Kinderbetreuungsgeld nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen wäre. Macht es doch im Ergebnis keinen Unterschied, ob die finanzielle Situation des betreuenden Elternteils und damit dessen Möglichkeiten bei der Gestaltung der Kinderbetreuung dadurch eingeschränkt werden, dass er geringere Unterhaltsansprüche hat oder dadurch, dass er selbst höheren Unterhaltsansprüchen ausgesetzt wird. Diese Frage könnte sich etwa auch bei Unterhaltsansprüchen des geschiedenen Ehegatten gegen den Kinderbetreuungsgeld beziehenden Ehegatten stellen.

Nunmehr hat aber auch der 7. Senat des Obersten Gerichtshofs in der dem Gesetzesprüfungsverfahren nachfolgenden Entscheidung 7 Ob 227/09x Folgendes ausgeführt:

„Im Hinblick auf diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs kann § 42 KBGG idF BGBl I 76/2007 im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausgelegt werden, dass auch öffentlich-rechtliche Leistungen, so auch das ein Einkommen des Elternteils ersetzende Kinderbetreuungsgeld, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind (RIS-Justiz RS0047456). Die Unterhaltsansprüche von Kindern sind grundsätzlich gleichrangig (RIS-Justiz RS0047387). Wenn ein Elternteil im Hinblick auf Betreuungsleistungen für sein neugeborenes Kind Kinderbetreuungsgeld bezieht, so ersetzt dies sein Einkommen, mit dem er seinen Unterhaltspflichten anderen Kindern gegenüber nachkommen muss. Dies entspricht auch den zwischenzeitig zum UVG ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 10 Ob 112/08f, 10 Ob 8/09p und 10 Ob 7/09s."

Es kann also nunmehr von einer einheitlichen Rechtsprechung dahin ausgegangen werden, dass das Kinderbetreuungsgeld in die Bemessung des Unterhaltsanspruchs eines anderen Kindes gegen die bezugsberechtigte Mutter einzubeziehen ist.

Im Hinblick auf den Wortlaut der Gesetzesbestimmung schließt sich auch der erkennende Senat dieser nunmehr einhelligen Rechtsansicht an.

Ausgehend davon kommt aber dem Revisionsrekurs für die Zeit ab Berechtigung zu.

Die Höhe der bis dahin bestimmten Unterhaltserhöhung sowie der offenen Beträge wurde nicht mehr bestritten. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher dahin abzuändern, dass die Erhöhung über den hinaus bestimmt wird.