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OGH vom 24.09.2012, 9ObA70/12b

OGH vom 24.09.2012, 9ObA70/12b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat des Arbeitsmarktservice Österreich, 1200 Wien, Treustraße 35 43, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Arbeitsmarktservice Österreich, 1200 Wien, Treustraße 35 43, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, wegen Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 104/11g 8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 32 Cga 185/10z 4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 74,66 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Arbeitsmarktservice (AMS) wurde durch das Bundesgesetz BGBl 1994/313 (AMSG) aus dem öffentlichen Dienst ausgegliedert und mit der Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes betraut (§ 1 AMSG). Vertragsbedienstete, die am im Bereich der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter beschäftigt waren, wurden mit Wirksamkeit vom Arbeitnehmer des AMS. Diesen blieben gemäß § 64 Abs 1 AMSG die am Tag vor dem Inkrafttreten des AMSG bestehenden Rechte erhalten. Unstrittig kommt dem gemäß § 56 AMSG eingerichteten klagenden Betriebsrat die Aktivlegitimation für die auf § 54 Abs 1 ASGG gestützte Feststellungsklage zu und sind von der im Verfahren geltend gemachten Entlohnungsfrage mehr als drei Arbeitnehmer betroffen.

Am trat für die Arbeitnehmer des AMS der Kollektivvertrag für die DienstnehmerInnen des Arbeitsmarktservice (in Folge: KV) in Kraft. Die wesentlichen Bestimmungen des KV (§ 29 KV wird auch in der bis geltenden historischen Fassung wiedergegeben) lauten auszugsweise wie folgt:

„ 1. Teil: Dienstordnung

1. Abschnitt: Dienstverhältnis

§ 1 Dienstvertrag

(1) Das Dienstverhältnis wird durch einen schriftlichen Vertrag begründet. […]

(2) Dieser Dienstvertrag hat jedenfalls zu enthalten:

[…]

8. Einstufung;

[…]

2. Teil: Gehaltsordnung

1. Abschnitt: Einstufung

§ 26 Gehaltsgruppen

Die DienstnehmerInnen werden nach ihrer Verwendung in folgende Gehaltsgruppen eingeordnet:

[…]

§ 27 Gehalt

(1) Das Gehalt wird durch die Gehaltsgruppe und innerhalb dieser durch die Gehaltsstufe bestimmt. […]

§ 28 Vorrückung

(1) Der/Die DienstnehmerIn rückt nach jeweils zwei Jahren in die nächsthöhere Gehaltsstufe vor. […]

§ 29 Vorrückungsstichtag

(1) Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass unter Ausschluss der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten [Fassung bis ] dem Tag der Anstellung zur Gänze vorangesetzt werden:

1. sämtliche Dienst oder Ausbildungszeiten im Bereich des BMWA, BMAS oder Fonds der AMV/AMS,

2. sonstige einschlägige Beschäftigungszeiten im Ausmaß von maximal 15 Jahren,

3. die Zeit der Ableistung des Präsenz , Zivil oder Ausbildungsdienstes jeweils im gesetzlich vorgesehenen Mindestausmaß sowie die Zeit als Fachkraft für Entwicklungshilfe,

4. Zeiten einer Karenz nach dem MSchG oder VKG.

[…] “

Die Streichung der Wortfolge „unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten“ in § 29 Abs 1 KV erfolgte durch die Kollektivvertragsparteien mit Wirksamkeit vom infolge des Erkenntnisses des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Hütter ().

Die Beklagte differenziert zwischen jenen Arbeitnehmern, die nach dem , dem Stichtag für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, in ein Arbeitsverhältnis zu ihr neu aufgenommen wurden (und deren Vorrückungsstichtag somit erstmalig nach diesem Stichtag festgesetzt wurde), und jenen Arbeitnehmern, die bereits vor dem in einem Arbeitsverhältnis zu ihr standen. Bei den Arbeitnehmern, die nach dem in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten neu aufgenommen wurden, korrigierte die Beklagte den Vorrückungsstichtag rückwirkend per .

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sämtliche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Beklagten, die Vordienstzeiten gemäß § 29 Abs 1 KV aufweisen, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegen und bisher nicht für die Festsetzung des Vorrückungsstichtags berücksichtigt wurden, Anspruch auf Verbesserung ihres Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der genannten Zeiten, dies rückwirkend ab , haben. Eine Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts bzw bei den sonstigen Arbeitsbedingungen sei gemäß § 13 B GlBG (iVm § 54 Abs 6 AMSG) unzulässig. Die Beibehaltung des diskriminierenden Vorrückungsstichtags habe auch für die vor dem eingetretenen Arbeitnehmer die Aufrechterhaltung einer Diskriminierung und daher eine laufende Diskriminierung bei der Entgeltzahlung zur Folge. Diese sei auch dann unzulässig, wenn die Festsetzung des Vorrückungsstichtags zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags rechtens gewesen sein mag.

Die Beklagte wandte dagegen zusammengefasst ein, dass der vor dem Wirksamwerden der RL 2000/78/EG geltende KV und daher auch die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Arbeitsverträge und die damit verbundenen Einstufungen unter Ausschluss der Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr in voller Übereinstimmung mit der damaligen Rechtsordnung gestanden seien. Eine Rückwirkung der mittlerweile geänderten Voraussetzungen für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags sei nicht angeordnet worden. Eine solche Rückwirkung sei gemäß § 5 ABGB unzulässig und nach dem Gemeinschaftsrecht nicht geboten. Es werde daher zu Recht zwischen jenen Arbeitnehmern differenziert, die nach dem in ein Arbeitsverhältnis neu aufgenommen worden seien und deren Vorrückungsstichtag somit erst nach dem Stichtag für die Umsetzung dieser Richtlinie festgesetzt worden sei, und den bereits vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Arbeitnehmern, für die der historisch festgesetzte Vorrückungsstichtag unverändert zu bleiben habe.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Der Vorrückungsstichtag sei relevant für die Festsetzung des Entgelts, das sich mit jeder Vorrückung eines Arbeitnehmers in eine höhere Gehaltsstufe erhöhe. Der Vorrückungsstichtag werde durch Anrechnung von Vordienstzeiten vorverlegt, wodurch ein höheres Gehalt früher erreicht werden könne. Die Ermittlung des Vorrückungsstichtags habe daher Auswirkung auf das laufende Gehalt, sodass die vom EuGH in der Rechtssache Hütter angenommene Diskriminierung aufgrund des Alters laufend aufrechterhalten werde, solange der Vorrückungsstichtag nicht korrigiert sei. Die Aufhebung eines Teils des § 29 Abs 1 KV über die Nichtanrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr auch für Arbeitsverhältnisse, die vor Inkrafttreten der RL 2000/78/EG abgeschlossen worden seien, stelle keinen Fall einer Rückwirkung dar, sondern ein Gebot, um eine aktuelle laufende Diskriminierung zu vermeiden. Da der Kollektivvertrag unstrittig keine Übergangsbestimmung enthalte, sei dieser europarechtskonform so zu interpretieren, dass ab Inkrafttreten der Kollektivvertragsänderung mit jeder auch vor dem in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten eingetretene Arbeitnehmer einen Anspruch auf Korrektur seines Vorrückungsstichtags habe.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. § 13 B GlBG verbiete ua jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters bei der Festsetzung des Entgelts. Das Verbot der Altersdiskriminierung sei grundsätzlich relevant, wenn das diskriminierende Ereignis in den zeitlichen Geltungsbereich dieses Verbots falle, denn das Gemeinschaftsrecht sehe ebenso wie § 5 ABGB grundsätzlich keine Rückwirkung von Normen vor. Beim System der Entgeltfestsetzung mit laufender Vorrückung und „Neuermittlung“ von Vorrückungsterminen handle es sich jedoch um einen Dauertatbestand, bei dem die erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtags keine in sich abgeschlossene Handlung darstelle, die bloß nachwirke, sondern um eine fortlaufende Diskriminierung aufgrund des Alters, die im Zusammenhang mit der Ermittlung weiterer Vorrückungstermine sowie der monatlichen Entgeltzahlung auf Grundlage der (diskriminierenden) Einstufung erneut zum Tragen komme. Es liege daher kein Rückwirkungsproblem vor, sondern sei eine solche Diskriminierung gemäß § 13b B GlBG unzulässig. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des EuGH. Da es sich um eine fortlaufende und nicht bloß um eine reflexartig fortwirkende Diskriminierung aufgrund des Alters handle und das Klagebegehren nur bis zum zurückreiche, müsse die Frage, ob die hier geltend gemachte Diskriminierung erst ab dem , dem Datum, in dem die RL 2000/78/EG umzusetzen war, oder bereits mit dem Zeitpunkt der Erlassung dieser Richtlinie vorgelegen sei, dahingestellt bleiben.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, da zur hier zu beurteilenden Rechtsfrage Rechtsprechung fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin wiederholt zusammengefasst auch in der Revision ihr Vorbringen, dass die Festsetzung des Vorrückungsstichtags bei „alten“, also vor dem begründeten Arbeitsverhältnissen nach der damals geltenden Rechtslage zu Recht erfolgt sei. Es handle sich dabei um einen abgeschlossenen Sachverhalt, der infolge des im Gemeinschaftsrecht und in § 5 ABGB enthaltenen Rückwirkungsverbots ausschließlich nach der alten Rechtslage zu beurteilen sei. Die Rechtsprechung anerkenne den Vertrauensschutz gerade in den durch Vertrag geregelten Fragen für Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten neuer Regelungen abgeschlossen worden seien. Bloße Auswirkungen von nach der Rechtsordnung nicht mehr maßgeblichen Umständen seien für die Anwendung der neuen Rechtslage nicht ausreichend.

Dem ist entgegenzuhalten:

1. Das mittlerweile auch in Art 21 Abs 1 GRC verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters gilt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (C 555/07 Rn 21; C 144/04 Rn 75). Dieser Grundsatz wird durch die GleichbehandlungsrahmenRL 2000/78/EG konkretisiert. Gemäß Art 2 Abs 1 RL 2000/78/EG darf es ua wegen des Alters keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung geben. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt gemäß Art 2 Abs 2 lit a RL 2000/78/EG vor, wenn eine Person wegen eines der in Art 1 der RL genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Gemäß Art 3 Abs 1 lit c RL 2000/78/EG gilt diese RL im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Beschäftigungs und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts.

Das Verbot der Altersdiskriminierung gilt für Sachverhalte, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen (C 555/07 Rn 23). Dieser ist eröffnet, wenn die diskriminierende Behandlung einen unionsrechtlichen Bezug aufweist. Eine solche Konstellation ist unter anderem dann verwirklicht, wenn eine Diskriminierung einen von einer RL geregelten Bereich betrifft und die Frist für die Umsetzung der RL bereits abgelaufen ist (C 427/06 Rn 17; Obwexer , Unionsrechtliche Rechtsfolgen und Sanktionen bei Verstößen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in Wachter , Jahrbuch Altersdiskriminierung 2010, 38). Im Anwendungsbereich des Unionsrechts entfaltet das Grundrecht auf Nichtdiskriminierung wegen des Alters unmittelbare Wirkung, sodass sich der Einzelne vor nationalen Gerichten einerseits direkt darauf stützen kann und andererseits nationale Gerichte verpflichtet sind, dieses Grundrecht direkt anzuwenden. Das beklagte Arbeitsmarktservice ist überdies eine Einrichtung, die der staatlichen Aufsicht untersteht und mit besonderen Rechten ausgestattet ist. Es ist daher eine staatliche Einrichtung im Sinn der Rechtsprechung des EuGH, sodass ihm gegenüber die RL 2000/78/EG auch unmittelbar anwendbar ist (C 188/89 Rn 20).

2. Die Umsetzung der RL 2000/78/EG erfolgte in Österreich ua durch die Bestimmung des § 13 B GlBG, der gemäß § 54 Abs 6 AMSG für die Arbeitnehmer der Beklagten gilt. Gemäß § 13 Abs 1 Z 2 B GlBG darf unter anderem kein Arbeitnehmer der Beklagten aufgrund des Alters bei der Festsetzung des Entgelts unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. § 13 Abs 1 Z 2 B GlBG trat in der geltenden Fassung gemäß BGBl I Nr 65/2004 allerdings erst am in Kraft. Vor diesem Zeitpunkt enthielt das B GlBG keine die Umsetzung der RL 2000/78/EG regelnden Bestimmungen. Es ist im Verfahren nicht strittig, dass die Festsetzung des Vorrückungsstichtags für die vor dem eingetretenen Beschäftigten der Beklagten entsprechend der damals geltenden Rechtslage erfolgte.

3. Die Auslegung des § 13 Abs 1 Z 2 B GlBG hat sich so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der RL 2000/78/EG auszurichten, um das in ihr festgelegte Ziel zu erreichen und den unionsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen (C 237/07 Rn 36; C 555/07 Rn 48, 53). Die RL 2000/78/EG soll, wie sich aus ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung ergibt, einen allgemeinen Rahmen schaffen, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und in Beruf“ gleich behandelt wird, indem sie den Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art 1 genannten Gründe darunter das Alter bietet (C 250/09, 268/09 Rn 26; C 88/08 Rn 33). Schon vor dem Hintergrund des Wortlauts des Art 3 Abs 1 lit c RL 2000/78/EG ergibt sich daher, dass der Begriff der „Festsetzung des Entgelts“ im Sinn des § 13 Abs 1 Z 2 B GlBG weit zu verstehen ist (ebenso Rebhahn , GlGB § 3 Rz 91 zu § 3 Z 2 GlBG vor dem Hintergrund des Art 141 EGV [nunmehr: Art 157 AEUV]). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Altersdiskriminierung in Bezug auf das Arbeitsentgelt verwirklicht ist, kommt es daher bei richtlinienkonformer Auslegung des § 13 Abs 1 Z 2 B GlBG nicht allein auf eine erst oder einmalige Festsetzung des Entgelts der betroffenen Arbeitnehmer und damit auch nicht allein auf die erstmalige Festsetzung eines Vorrückungsstichtags an.

4. Allgemein wird eine Diskriminierung angenommen, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleiche Sachverhalte oder gleiche Vorschriften auf ungleiche Sachverhalte angewendet werden (8 ObA 91/11g; RIS Justiz RS0120417). Es trifft zwar zu, dass weder die RL 2000/78/EG, noch das B GlBG (ebenso wenig wie das GlBG) spezielle Rückwirkungsbestimmungen kennen (9 ObA 38/07i). Von der Rechtsprechung wurde jedoch in Anwendung des Art 141 EG (nunmehr Art 157 AEUV) anerkannt, dass geschlechtsspezifische Einkommensdifferenzen auch bei vor dem eingegangenen Arbeitsverhältnissen diskriminierend sind, wenn solche Einkommensansprüche betroffen sind, die nach dem entstanden sind (RIS Justiz RS0117073; RS0117672). Diese Grundsätze lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Das vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer geschuldete laufende Entgelt steht mit der Arbeitszeit und nicht dem Quantum der konkreten Arbeitsverrichtungen in einem synallagmatischen Zusammenhang (RIS Justiz RS0021299 ua). Der Anspruch auf laufendes Entgelt entsteht demnach mit dem Erfüllen der Arbeitspflicht ( Rebhahn in ZellKomm² § 1152 ABGB Rz 70). Ausgehend davon hat die Prüfung der Frage, ob eine Diskriminierung der vom Verfahren betroffenen Arbeitnehmer wegen des Alters im Zusammenhang mit den Entgeltbedingungen verwirklicht ist, nicht allein auf den Zeitpunkt der erstmaligen „Festsetzung“ des Entgelts bei Abschluss des Arbeitsvertrags abzustellen, sondern vielmehr auf die vom Klagebegehren betroffenen Entgeltperioden, die nach dem und somit jedenfalls im Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG liegen.

Damit fällt aber der hier zu beurteilende Sachverhalt nach den dargelegten Grundsätzen jedenfalls in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Dass in diesem Fall eine Korrektur des Vorrückungsstichtags vorzunehmen ist, stellt die Beklagte nicht in Zweifel, hat sie doch selbst den Vorrückungsstichtag für nach dem bei ihr eingetretene Arbeitnehmer rückwirkend per korrigiert.

5. Die sich hier stellende Frage, ob eine Korrektur des Vorrückungsstichtags auch für Arbeitsverhältnisse zu erfolgen hat, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die RL 2000/78/EG am abgeschlossen wurden, wenn andernfalls eine unmittelbare Diskriminierung der Arbeitnehmer wegen des Alters in Bezug auf das Entgelt die Folge wäre, wird in der Lehre weit überwiegend bejaht:

So führt Gerhartl (Auswirkungen der Altersdiskriminierung durch Ausschluss von Vordienstzeiten, RdW 2010/447, 406; Zeitlicher Geltungsbereich des Verbots der Altersdiskriminierung, ASoK 2011, 68) aus, dass die Auswirkungen eines diskriminierenden Vorrückungsstichtags während des gesamten Arbeitsverhältnisses andauern, sodass es konsequent sei, von diesem Erfordernis abzusehen. Das Diskriminierungsverbot sei daher auch für Arbeitsverhältnisse, die vor dem Stichtag () eingegangen worden seien und am Stichtag noch bestünden, zu beachten. Eine diskriminierende Entgeltfestsetzung könne nicht mit einem vor Beginn des Verbots der Altersdiskriminierung gesetzten Verhalten etwa der Errechnung eines Vorrückungsstichtags gerechtfertigt werden. Vielmehr sei der Arbeitgeber verpflichtet, das Entgelt ab Beginn des Verbots diskriminierungsfrei festzusetzen.

Fellner (Auswirkungen der Altersdiskriminierung durch Ausschluss von Vordienstzeiten, RdW 2010/597, 585) gelangt unter Berufung auf die Schlussanträge der Generalanwältin in der Rs C 268/06, Impact , Rn 141, 142, zu demselben Ergebnis, weil andernfalls die Schaffung zweier Klassen von Normunterworfenen mit aufrechten Arbeitsverhältnissen die Folge wäre, nämlich solchen, deren Ansprüche auf der Grundlage gemeinschaftsrechtskonformer Regelungen beurteilt würden und solchen, deren Ansprüche auf der Grundlage gemeinschaftsrechtswidriger Normen beurteilt würden. Es würde dem Gleichheitssatz widersprechen, könnten öffentliche Arbeitgeber auf Basis geltenden Rechts die Anwendbarkeit der Urteilskonsequenzen auf Personen ausschließen, deren Arbeitsverhältnisse vor dem relevanten Stichtag eingegangen worden seien.

Rebhahn (Anm zu 9 ObA 83/09k, DRdA 2011/29, 346) hält fest, dass eine Diskriminierung jedenfalls für die Zukunft nicht aufrechterhalten werden dürfe. Dies sei aufgrund des Unionsrechts „natürlich“ auch für Arbeitnehmer gültig, deren Arbeitsverhältnis vor 2003 begonnen habe.

Schließlich vertritt auch Wachter erkennbar die Ansicht, dass infolge der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hütter der Vorrückungsstichtag gemäß § 26 VBG rückwirkend ab dem neu zu berechnen ist und die vorhandenen Dienstverträge entsprechend anzupassen seien. Die betreffenden Vertragsbediensteten hätten Anspruch auf Nachzahlung der aus der Berichtigung des Vorrückungsstichtags resultierenden Gehaltsdifferenz (Vordienstzeitenanrechnung im österreichischen Vertragsbedienstetenrecht nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache David Hütter in: Jahrbuch Altersdiskriminierung 2010, 109).

6. Auch der erkennende Senat ist in seiner Entscheidung 9 ObA 175/01b (vgl auch 9 ObA 41/06d) davon ausgegangen, dass gemeinschaftsrechtswidrige Bestimmungen des VBG, die die Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten beschränken, infolge des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht anzuwenden waren, was auch die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags zur Folge hatte. Dies gilt auch für den hier zu beurteilenden Sachverhalt: Der Vorrückungsstichtag ist lediglich eine unter mehreren Voraussetzungen für die Bestimmung der für das Gehalt maßgeblichen Einstufung von Arbeitnehmern der Beklagten (§§ 1 Abs 2 Z 8, 26 ff KV). Dass er keine unveränderbare Größe ist, hat die Beklagte wie ausgeführt für die nach dem eingetretenen Arbeitnehmer ohnedies zugestanden.

Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine unionsrechtskonforme Anrechnung von Vordienstzeiten ab dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die RL 2000/78/EG, oder bereits ab dem Zeitpunkt der Erlassung dieser RL zu erfolgen hat, kann hier im Hinblick auf das Klagebegehren, nach dem die Korrektur des Vorrückungsstichtags erst für Zeiten ab dem gefordert wird, dahingestellt bleiben. Der unionsrechtliche Diskriminierungsschutz umfasst das Arbeitsentgelt, nicht aber die Festsetzung eines bestimmten Vorrückungsstichtags, dessen Festlegung nur eine Folge der vorzunehmenden Neuberechnung von Vordienstzeiten gemäß § 29 KV ist. Diese sind aber jedenfalls für die hier in Rede stehenden Entgeltperioden ab in unionsrechtskonformer Weise zu berechnen, auch wenn das Arbeitsverhältnis schon vor diesem Zeitpunkt begründet worden ist. So hat der EuGH bereits ausgesprochen, dass etwa auch Vordienstzeiten für die Bemessung des Vorrückungsstichtags zeitlich unbegrenzt zu berücksichtigen sind, die noch vor dem EU Beitritt Österreichs bei (der öffentlichen Verwaltung) vergleichbaren Einrichtungen in anderen Mitgliedstaaten erworben wurden (C 195/98 Rn 56). Auch aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass die durch die unionsrechtskonforme Anrechnung von Vordienstzeiten bewirkte diskriminierungsfreie Festsetzung des die gegenwärtige Rechtsstellung des Arbeitnehmers betreffenden Entgelts maßgeblich ist (C 195/98 Rn 54), nicht aber die Festsetzung eines Vorrückungsstichtags (vgl auch 9 ObA 56/00a). Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass auch der österreichische Gesetzgeber in der aus Anlass der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hütter erfolgten Novellierung des VBG der Frage, wann ein Vertragsbedienstetenverhältnis abgeschlossen wurde, keine Bedeutung beimaß (§ 26, 83 VBG idF BGBl I 2010/82; 781 BlgNR 24. GP).

7. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf die einen völlig anderen Sachverhalt behandelnde Entscheidung des BAG 8 AZR 705/08 (NZA 2010, 387). Gegenstand dieses Verfahrens war ein Entschädigungsanspruch von Arbeitnehmern gegen die Arbeitgeberin infolge eines bereits abgeschlossenen Tatbestands der Belästigung im Sinn des § 3 III AGG, nicht aber die Beurteilung einer Altersdiskriminierung in Bezug auf das fortlaufend zu zahlende Arbeitsentgelt.

Schließlich ist auch die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 8 ObA 63/10b auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. In jenem Verfahren war zu prüfen, ob der Ablauf einer vor dem EU Beitritt vereinbarten Befristung eines Arbeitsvertrags als „Entlassungsbedingung“ am Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu messen sei. Der maßgebliche Tatbestand für die Annahme einer Befristung lag damals jedoch in der vertraglichen Vereinbarung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, der Ablauf der Befristung war lediglich eine Auswirkung, während die Verpflichtung zur Entgeltzahlung wie ausgeführt fortlaufend neu entsteht.

9. Da die strittigen Arbeitsverhältnisse aller vom Verfahren betroffenen Arbeitnehmer noch aufrecht sind und das laufende Entgelt der Betroffenen weiterhin unter Zugrundelegung des diskriminierenden Vorrückungsstichtags bemessen wird, erweist sich das Klagebegehren daher als berechtigt, sodass der Revision nicht Folge zu geben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.