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OGH vom 19.03.1997, 13Os28/97

OGH vom 19.03.1997, 13Os28/97

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Miljevic als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef F***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom , GZ 12 Vr 978/95-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, und des Verteidigers Dr.Alexander Puttinger, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom , GZ 12 Vr 978/95-18, verletzt, soweit in teilweiser Stattgebung der Beschwerde des Josef F***** und der A***** GmbH der Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl des Untersuchungsrichters vom , ON 8, ohne Sichtung der bei der A***** GmbH beschlagnahmten und versiegelten Unterlagen aufgehoben und die Rückstellung der ungeprüften Unterlagen an die genannte Gesellschaft angeordnet wurde, § 152 Abs 1 Z 4, Abs 2 und Abs 3 StPO.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Ried im Innkreis werden gegen Josef F***** unter AZ 12 Vr 978/95 Vorerhebungen wegen des Verdachtes des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG geführt.

Danach ist F***** verdächtig, vorsätzlich in Ried unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Nichterklärung seiner gesamten steuerpflichtigen Einkünfte bzw seines Vermögens für die Jahre 1988 bis 1993 (Vermögensteuer) bzw 1994 (Einkommensteuer) eine Verkürzung an Einkommen- und Vermögensteuer in noch zu bestimmender, jedoch sicher mehrere Millionen Schilling übersteigender Höhe bewirkt zu haben. Dies wurde damit begründet, daß Josef F***** Geschäftsführer und tatsächlich Machthaber der im Schweizer Kanton Zug domizilierten Firma H*****gmbH sei, mit der er zusammen auch die Mehrheit der Anteile an der F***** GmbH hält (vgl S 9). Im Zusammenhang mit dem Verkauf von Firmenanteilen der F***** GmbH seien an diese Schweizer Firma und an die an der selben Adresse domizilierte Firma R***** "einige Millionen" als Ablöse für Patente und Markenrechte sowie als Lizenzgebühren gezahlt worden. Diese Beträge seien damit in den Einflußbereich des Verdächtigen geflossen und hiedurch der inländischen Vermögens- und Einkommensbesteuerung entzogen worden.

Am erließ der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Ried im Innkreis mehrere Hausdurchsuchungsbefehle (ON 7 bis 10), darunter einen (ON 8) auf Durchsuchung aller Räumlichkeiten der A***** GmbH in 1010 Wien,***** vornehmlich jener des Dr.Günter C*****, "weil die genannte Kanzlei als Abschlußprüfer der F***** GmbH und ihr Gesellschafter Dr.Günter C***** als Zustellungsbevollmächtigter der mutmaßlichen Domizilgesellschaft R***** fungiert". Beschlagnahmt werden sollten alle den Tatverdacht gegen Josef F***** betreffenden Unterlagen, insbesondere solche über die mutmaßliche Domizilgesellschaften H***** und R***** und über Geldflüsse an diese Gesellschaften.

Zur Abwendung der Hausdurchsuchung gab die A***** GmbH die gesuchten Unterlagen am freiwillig an die im Gerichtsauftrag einschreitenden Beamten der Prüfungsabteilung Strafsachen beim Finanzamt Linz heraus. Über Antrag zweier geschäftsführender Gesellschafter (einer davon war Dr.Günter C*****) wurden diese Unterlagen von den Finanzbeamten ohne Durchsuchung versiegelt und dem Landesgericht Ried im Innkreis übermittelt (S 59, 65, 139 bis 155).

Mit Beschluß vom , GZ 11 Vr 978/95-18, gab die Ratskammer des Landesgerichtes Ried einer unter anderem von Josef F***** (auch wegen anderer Beschwerdepunkte) und der A***** GmbH erhobenen Beschwerde teilweise Folge, hob den obbezeichneten Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl vom , ON 8, auf und ordnete die Rückstellung der bei der A***** GmbH beschlagnahmten und versiegelten Unterlagen an.

Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die A***** GmbH als beruflicher Parteienvertreter (Wirtschaftstreuhänder) gemäß § 152 Abs 1 Z 4 StPO in der Fassung des StPÄG 1993, BGBl 1993/526, von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses über das befreit ist und dieses Recht bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden darf (Abs 3 leg cit).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, verletzt der genannte Beschluß der Ratskammer, mit dem sie ua ohne Sichtung der bei der A***** GmbH beschlagnahmten Unterlagen bloß wegen deren Eigenschaft als berufliche Parteienvertreterin den bezüglichen Hausdurchsuchungsbefehl des Untersuchungsrichters aufhob und die ungeprüfte Rückstellung sämtlicher Unterlagen an diese Gesellschaft anordnete, das Gesetz.

Mit der Neufassung des § 152 StPO durch das Strafprozeßänderungsgesetz 1993 wollte der Gesetzgeber nämlich keineswegs eine derart weite Ausdehnung des Zeugnisentschlagungsrechtes beruflicher Parteienvertreter und des damit korrespondierenden Beschlagnahmeverbotes von Unterlagen bei derartigen Parteienvertretern unter Inkaufnahme der damit zwangsläufig auftretenden Beweisschwierigkeiten bei der Strafverfolgung (insbesondere bei Wirtschaftsdelikten) herbeiführen:

Das Verbot der Beschlagnahme von Unterlagen eines beruflichen Parteienvertreters (Verteidigers, Notars, Rechtsanwaltes, Wirtschaftstreuhänders) ist Ausfluß des Umgehungsverbotes (§ 152 Abs 3 StPO) des Rechtes auf Zeugnisentschlagung (§ 152 Abs 1 Z 4 StPO). Der Zweck dieses Zeugnisentschlagungsrechtes liegt darin, dem Beschuldigten eine vertrauensvolle und vertrauliche Kontaktaufnahme mit einem Parteienvertreter zu ermöglichen. Dabei soll er nicht befürchten müssen, durch die Befassung eines Parteienvertreters möglicherweise Beweismittel gegen sich selbst zu schaffen, weil sein Gesprächspartner als Zeuge aussagen müßte oder Aufzeichnungen über ein Gespräch beschlagnahmt werden könnten (vgl das Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung - Art 90 Abs 2 B-VG, siehe VfSlg 10291 ua).

Deutlich wird dies durch die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum StPÄG 1993, deren Fassung der Bestimmung über das Zeugnisentschlagungsrecht beruflicher Parteienvertreter wortgleich zum Gesetz erhoben wurde:

Danach liegt der Kernbereich der dem Umgehungsverbot unterliegenden Gegenstände in der sogenannten "Information" der Parteienvertreter. Darunter sind Mitteilungen des Klienten, Aufzeichnungen über Gespräche (Besprechungsnotizen) etc zu verstehen. Dazu gehören aber auch "Drittinformationen" wie Unterlagen über Erhebungen oder Mitteilungen Dritter an den Entschlagungsberechtigten oder Aufzeichnungen über eigene Wahrnehmungen im Rahmen der Auftragserfüllung. Davon zu unterscheiden sind Gegenstände, die zur Begehung einer strafbaren Handlung bestimmt waren, die sie erleichtert haben oder aus ihr herrühren, sowie sonstige Beweisgegenstände, insbesondere Schriftstücke, die nicht der Information als Parteienvertreter dienen oder sich als Mitteilung an ihn verstehen. Derartige Gegenstände unterliegen weiterhin nicht dem Umgehungsverbot des § 152 Abs 3 StPO. Sie können durch die Übergabe an einen gemäß § 152 Abs 1 Z 4 StPO Entschlagungsberechtigten nicht immunisiert und demnach auch beim Parteienvertreter beschlagnahmt werden (RV 924 BlgNR XVIII.GP 28; EvBl 1992/175; in diesem Sinn auch Einführungserlaß des Bundesministeriums für Justiz zum StPÄG 1993 vom , JMZ 578.012/41-II 3/93, Seite 39 = JABl 1994/6; Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechtes4, Rz 541).

Die von der Ratskammer des Landesgerichtes Ried im Innkreis unter anderem auch aus dem Wortvergleich der Bestimmungen des § 152 Abs 1 Z 2 StPO (alte Fassung) und des § 152 Abs 1 Z 4 StPO (neue Fassung) gezogene Schlußfolgerung, wonach nunmehr alle beim Wirtschaftstreuhänder befindlichen Unterlagen uneingeschränkt (mit Ausnahme des Falles, daß gegen den beruflichen Parteienvertreter ein Verdacht von Beteiligungs- oder Begünstigungshandlungen in bezug auf seinen Klienten vorliegt) dem Zeugnisentschlagungsrecht des Wirtschaftstreuhänders und dem Beschlagnahmeverbot unterliegen, ist daher unrichtig. Dies gilt gleichermaßen für die in der Äußerung des Verteidigers zur Nichtigkeitsbeschwerde vertretene Auffassung, wonach "ein zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichteter Parteienvertreter für die Strafverfolgungsbehörde als Zeuge nicht zur Verfügung steht". Damit wird nämlich sowohl die in § 152 Abs 1 Z 4 StPO enthaltene Beschränkung der Zeugnisbefreiung, nämlich nur auf das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist, ebenso übersehen wie die Bestimmung des § 40 StPO (s. Lohsing, Österr.Strafprozeßrecht4, S 187 f).

Demnach bezieht sich auch nach der jüngeren Judikatur des Obersten Gerichtshofes die Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftstreuhänders nach § 27 WTBO nur auf die Information und im weiteren Sinn auf alles, was den Charakter einer Information trägt (15 Os 68/95; 11 Os 99,100/95).

Zu folgen ist der Begründung des Ratskammerbeschlusses somit nur insofern, als das Entschlagungsrecht des beruflichen Parteienvertreters nach § 152 Abs 1 Z 4 StPO (und damit auch das Umgehungsverbot nach Abs 3 leg. cit) dann entfällt, wenn begründeter Verdacht besteht, daß dieser selbst an der strafbaren Handlung seines Klienten teilgenommen hat oder sie durch strafbare Handlungen zu decken sucht. In einem solchen Fall hat sich nämlich der Beschuldigte nur formell einem Parteienvertreter anvertraut, sich in Wahrheit jedoch eines Komplizen bedient (Foregger-Kodek StPO6, § 39 Erl III, § 143 Erl III; Mayerhofer StPO4, § 152 E 68).

Die ungeschränkte Freigabe aller bei der A***** GmbH beschlagnahmten Unterlagen mit der Begründung, daß die A***** GmbH als beruflicher Parteienvertreter des Josef F***** bzw zweier maßgeblich von ihm beeinflußter juristischer Personen aufgetreten und ein (hinreichender) Verdacht der Beteiligung an einer allfälligen strafbaren Handlung des Verdächtigten oder seiner Begünstigung durch diese Gesellschaft nicht gegeben sei, entspricht sohin nicht dem Gesetz. Vielmehr wäre es im Sinn der (auch nach dem StPÄG 1993 anwendbaren) bisherigen Judikatur der Ratskammer oblegen, die beschlagnahmten Papiere einer "Sichtung" zu unterziehen, ob und inwieweit in jedem Einzelfall der globale Einwand des beruflichen Parteienvertreters (und des Verdächtigen) zutrifft, wonach alle Papiere dem auf § 152 Abs 1 Z 4, Abs 2 und Abs 3 StPO gegründeten Beweisverbot unterliegen. Sodann wären die vom Beweisverbot betroffenen Unterlagen freizugeben, andere Unterlagen dagegen dem Untersuchungsrichter zur Prüfung der Beweisrelevanz zu übermitteln gewesen (vgl nochmals EvBl 1992/175, dort Punkt 5).

Der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war sohin stattzugeben, wobei es jedoch, weil sich die Gesetzesverletzung zum Vorteil des Josef F***** bzw der A***** GmbH auswirkte, mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden haben mußte.