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OGH vom 23.03.2010, 8ObA9/10x

OGH vom 23.03.2010, 8ObA9/10x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** K*****, Angestellte, *****, vertreten durch Mag. Sonja Fragner, Rechtsanwältin in Krems an der Donau, gegen die beklagte Partei E***** BetriebsgesellschaftmbH, *****, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.541,87 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 78/09b 18, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 7 Cga 76/08a 14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klägerin war vom bis bei der Beklagten als angestellte Pflegehelferin beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Austritt der Klägerin zufolge Mutterschaft. Nach der Geburt ihres ersten Kindes nahm sie vom bis und nach der Geburt ihres zweiten Kindes vom bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses Karenzurlaub in Anspruch. Bei Zusammenrechnung der aktiven Beschäftigungszeiten der Klägerin bei der Beklagten betrug die Dauer des Dienstverhältnisses mehr als fünf Jahre. Die maßgebliche Bestimmung im anwendbaren Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten/konfessionelle Einrichtungen (§ 12) enthält im gegebenen Zusammenhang keine relevanten Abweichungen zu den Regelungen in § 23a Abs 3 AngG.

Die Klägerin begehrte die Abfertigung infolge Mutterschaftsaustritts nach § 23a Abs 3 AngG. Nach § 15f MSchG würden Karenzzeiten das Vorliegen einer ununterbrochenen Beschäftigungsdauer nicht ausschließen. Es sei daher von einem ununterbrochenen Dienstverhältnis mit einer Dauer von mehr als fünf Jahren auszugehen.

Die Beklagte entgegnete, dass gemäß § 15f MSchG die Zeiten einer Karenzierung bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen wie der Abfertigung außer Betracht zu bleiben hätten. Das Dienstverhältnis der Klägerin habe daher nicht ununterbrochen fünf Jahre gedauert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Zeit der Karenz mangels gegenteiliger Vereinbarung bei der Ermittlung des Abfertigungsanspruchs außer Betracht bleiben müsse, habe das Dienstverhältnis der Klägerin nicht ununterbrochen fünf Jahre gedauert. Eine Zusammenrechnung der vor dem ersten Karenzurlaub sowie der zwischen den Karenzurlauben liegenden Dienstzeiten habe nicht stattzufinden.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung ab und gab dem Klagebegehren statt. Entscheidend sei die Frage, ob § 15f Abs 1 MSchG ausschließlich eine Nichtanrechnung der Mutterschaftskarenz auf die Dauer der für einen Abfertigungsanspruch erforderlichen Dienstzeit bestimme, oder ob daraus auch eine Unterbrechung des Dienstverhältnisses iSd § 23a Abs 3 AngG abzuleiten sei. In der Entscheidung 9 ObA 199/00f habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass Zeiten der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz bei der Berechnung der Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen seien. Aus dieser Entscheidung ergebe sich aber ebenso, dass die Unterbrechung solcher Zeiten durch Mutterschaftskarenz nicht wartefristschädlich sei, sondern auch mehrere durch Karenzurlaube unterbrochene Schutzfristen berücksichtigt werden müssten. Außerdem sei für die ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses lediglich der aufrechte Bestand des Arbeitsvertrags erforderlich. Bloße Unterbrechungen der Arbeitsleistung bewirkten nicht auch eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses. Aus § 15f Abs 1 MSchG ergebe sich nur, dass Zeiten der Karenz nicht als Dienstzeiten anzurechnen seien. Die Revision sei zulässig, weil zur Frage der Auslegung des § 23a Abs 3 AngG im Zusammenhang mit § 15f Abs 1 MSchG eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichts anstrebt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der Revision den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Nicht strittig ist, dass bei Berücksichtigung der aktiven Beschäftigungszeiten der Klägerin bei der Beklagten durch Zusammenrechnung dieser Zeiten bis zu ihrer ersten Karenz und zwischen der ersten und der zweiten Karenz ein Dienstverhältnis in der Dauer von mehr als fünf Jahren vorgelegen war, weshalb in diesem Fall die Anwartschaftszeit nach § 23a Abs 3 AngG sowie nach der entsprechenden Bestimmung im anwendbaren Kollektivvertrag erfüllt wäre. Ebenso unbestritten ist, dass die Klägerin ihren Austritt zufolge Inanspruchnahme der Mutterschaftskarenz fristgerecht erklärt hat.

2.1 Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, dass sich das zu beurteilende Erfordernis der ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses nach § 23a Abs 3 AngG auch in § 23 Abs 1 leg cit findet. Nach Rechtsprechung und Lehre ist für das Vorliegen eines ununterbrochenen Dienstverhältnisses der aufrechte Bestand des rechtlichen Bandes des Dienstvertrags maßgeblich (9 ObA 99/03d; Holzer in Marhold / Burgstaller / Preyer, AngG § 23 Rz 9). Auf die tatsächliche Beschäftigung oder einen Entgeltanspruch kommt es hingegen nicht an (RIS Justiz RS0107189; K. Mayr in Neumayr / Reissner ZellKomm § 23 AngG Rz 6). In der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass bei der Ermittlung der für das Entstehen des Abfertigungsanspruchs maßgebenden ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses alle in unmittelbar aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber erworbenen Anwartschaften zusammenzurechnen sind (RIS Justiz RS0028390; vgl auch RS0028387). Ebenso ist anerkannt, dass eine vereinbarte Karenzierung im Sinne einer Sistierung der Hauptpflichten des Arbeitverhältnisses, nämlich der Arbeits und der Entgeltspflicht, keine Beendigung oder Unterbrechung des Dienstverhältnisses bewirkt und auch im Fall einer Karenzierung daher ein ununterbrochenes Dienstverhältnis vorliegt (RIS-Justiz RS0028497 [T5]; K. Mayr aaO § 23 AngG Rz 6 mwN; Holzer aaO § 23 Rz 10). In diesem Sinn ist in der Rechtsprechung schließlich geklärt, dass auch während eines Karenzurlaubs nach § 15 MSchG das Dienstverhältnis weiter aufrecht bleibt und nur die Verpflichtungen zur Arbeitsleistung bzw zur Entgeltzahlung ruhen (RIS-Justiz RS0070748; vgl auch RS0054509).

2.2 Aus diesen Grundsätzen folgt, dass das Dienstverhältnis durch Inanspruchnahme einer Mutterschaftskarenz nicht unterbrochen wird und Zeiten der tatsächlichen (aktiven) Beschäftigung, wenn sie durch Karenzurlaube getrennt sind, daher zusammenzurechnen sind. Dieses Ergebnis steht mit § 23a Abs 3 AngG iVm § 15f MSchG klar im Einklang. Danach steht die Abfertigung dann nicht zu, wenn die Anwartschaftszeit erst im Verlauf des konsumierten Karenzurlaubs erreicht wird. Aus diesem Grund sind Zeiten des Karenzurlaubs aus dem abfertigungsrelevanten Zeitraum auszuklammern. Die Zusammenrechnung der tatsächlichen Beschäftigungszeiten, die durch Karenzurlaube getrennt sind, wird dadurch allerdings nicht verhindert.

2.3 In der Entscheidung 9 ObA 199/00f hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass Zeiten der Beschäftigungsverbote für werdende Mütter nach §§ 3 und 5 MSchG für die Beurteilung der zeitlichen Voraussetzungen des Abfertigungsanspruchs zu berücksichtigen sind (vgl auch Holzer aaO § 23a Rz 14). Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz sind in die Beschäftigungszeit somit einzurechnen.

Wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, fanden nach dieser Entscheidung die Zeiten mehrerer - unterschiedliche Kinder betreffende - Beschäftigungsverbote Berücksichtigung. Aus diesem vom erkennenden Senat gebilligten Ergebnis kann abgeleitet werden, dass durch Karenzurlaube getrennte Anwartschaftszeiten zusammenzurechnen sind. Dies gilt aber nicht nur für durch Karenzurlaube getrennte Schutzfristen, sondern ebenso für derartige aktive Beschäftigungszeiten.

2.4 § 15f Abs 1 MSchG besagt nur, dass die Zeit eines Karenzurlaubs für Rechtsansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, mangels anderslautender Vereinbarung außer Betracht zu bleiben haben (siehe dazu auch - ÖGB, Slg 2004, I 05907). Aufgrund dieser ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung sind somit Karenzzeiten bei der Ermittlung des Abfertigungsanspruchs in den Beschäftigungszeitraum nicht einzurechnen bzw für die Ermittlung der Anwartschaftszeit nicht heranzuziehen ( Holzer aaO § 23 Rz 13; K. Mayr aaO § 23a AngG Rz 11; Wolfsgruber in Neumayr / Reissner , ZellKomm § 15f MSchG Rz 3 f; Ercher / Stech / Langer , MSchG und VKG § 15f MSchG Rz 5). Entgegen der Ansicht der Beklagten kann daraus aber nicht gleichzeitig abgeleitet werden, dass eine Unterbrechung des Dienstverhältnisses vorliege und eine Zusammenrechnung der aktiven Beschäftigungszeiten ausscheide.

Auch auf § 15h Abs 2 MSchG kann sich die Beklagte nicht berufen, weil diese Bestimmung eine Sonderregelung für den Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung darstellt und sich auf eine erfolgte Beendigung oder formelle Unterbrechung des Dienstverhältnisses bezieht ( Wolfsgruber aaO § 15h MSchG Rz 5; vgl auch Holzer aaO § 23 Rz 14 f). Für die Frage der Unterbrechung des Dienstverhältnisses durch einen Karenzurlaub lässt sich daraus aber nichts gewinnen.

3. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass trotz der grundsätzlichen Nichtberücksichtigung der Zeiten einer Mutterschaftskarenz bei der Ermittlung der Dauer der dienstzeitabhängigen Ansprüche bei Inanspruchnahme eines Karenzurlaubs weiterhin vom aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses auszugehen ist, weshalb die Zeiten der tatsächlichen (aktiven) Beschäftigung bei der Ermittlung der Beschäftigungsdauer für den Abfertigungsanspruch zusammenzurechnen sind.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist damit nicht zu beanstanden. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.