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OGH vom 01.09.1999, 9ObA67/99i

OGH vom 01.09.1999, 9ObA67/99i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Franz Höllebrand und Dr. Christoph Kainz als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtsachen der klagenden Parteien

1. Christian M*****, Grafiker, *****, 2. Brigitte R*****, Grafikerin, *****, beide vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W*****Verlagsgesellschaft mbH & Co KG i.L., 2. V***** Gesellschaft mbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1. S 112.227,48 brutto sA, 2. S 60.882,78 brutto sA (Gesamtstreitwert S 173.110,26 brutto sA), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 267/98b-13, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 20 Cga 171/97f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit S 10.505,26 (darin S 1.750,88 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger und die Zweitklägerin waren ab bzw bei der Erstbeklagten als Grafiker (Layouter) angestellt. Die Erstbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte ist, gab die Zeitschrift "Wirtschaftswoche" heraus. Mit wurde der Betrieb eingestellt. Die Erstbeklagte kündigte die beiden Arbeitsverhältnisse mit Schreiben vom zum . Die Arbeitsverhältnisse unterlagen dem Kollektivvertrag für die bei österreichischen Wochenzeitungen angestellten Redakteure, Redakteursaspiranten und Reporter (im folgenden kurz KV).

Die beiden Kläger begehren jeweils zwei Monatsgehälter inklusive Überstunden und anteilige Sonderzahlungen an Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 1. 8. bis , und zwar der Erstkläger S 112.227,48 brutto sA bzw die Zweitklägerin S 60.882,78 brutto sA, mit der Begründung, sie seien terminwidrig gekündigt worden. Die Kündigungen hätten nämlich erst zum Quartalsende erfolgen dürfen. Die Kläger unterlägen als Layouter nicht dem Journalistengesetz (JournG).

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klagebegehren und wendeten ein, daß die Kündigungen termingerecht erfolgt seien. Zugunsten der dem JournG unterstehenden Kläger sei in Beachtung des § 10 JournG eine Kündigungsfrist von 6 Monaten eingehalten worden. Diese Regelung sei günstiger als jene des § 41 KV. Das Kalenderquartal als Kündigungstermin sei daher nicht maßgeblich gewesen. Überstundenentgelt stehe den Klägern nicht zu, weil das Erfordernis einer Überstundenleistung mit Einstellung der "Wirtschaftswoche" Ende 1996 weggefallen sei.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt vertrat es die Rechtsauffassung, daß § 10 JournG, der für den Fall der Auflassung der Zeitungsunternehmung eine Kündigungsfrist von 6 Monaten vorsehe, die Bestimmung des § 20 Abs 2 AngG unberührt lasse, wonach der Arbeitgeber mangels günstigerer Vereinbarung das Arbeitsverhältnis nur mit vorgängiger Kündigung mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres auflösen könne. Durch den Kündigungstermin mit "rundem Datum" solle beiden Seiten der Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages mit neuen Vertragspartnern erleichtert werden. Infolge zeitwidriger Kündigung stehe den Klägern die begehrte Kündigungsentschädigung zu. Dabei seien auch die durchschnittlichen Überstundenentgelte zuzusprechen gewesen, die die Kläger auch für den Zeitraum davor ausbezahlt erhalten hätten.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Sei sowohl die Einhaltung einer Kündigungsfrist als auch eines Kündigungstermines vorgesehen, dann müßten beide Beschränkungen unabhängig voneinander eingehalten werden. § 10 JournG enthalte nur eine Regelung der Kündigungsfrist, doch keine Regelung eines Kündigungstermines. Es bleibe daher bei der Regelung des AngG bzw des KV, der in § 41 ebenfalls die Arbeitgeberkündigung nur mit Ablauf eines Kalendervierteljahres zulasse. Regelmäßig geleistete Überstundenentgelte seien bei der Berechnung der Kündigungsentschädigung zu berücksichtigen, zumal die Beklagten die Überstundenentgelte trotz Wegfalls der Überstundenleistung weiter bezahlt hätten.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klageabweisung abzuändern, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Begründung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, sodaß darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Ausführungen der Revisionswerber ist folgendes entgegenzuhalten:

Unstrittig ist zunächst, daß die gegenständlichen Arbeitsverhältnisse dem Kollektivvertrag für die bei österreichischen Wochenzeitungen angestellten Redakteure, Redakteursaspiranten und Reporter (KV) unterlagen. Dies folgt aus der Regelung des persönlichen Geltungsbereiches in § 5 KV, der sich unter anderem auch auf Layouter erstreckt. Dabei handelt es sich gemäß § 8 Z 5 KV um jene fest angestellten Arbeitnehmer, die überwiegend die grafische Gestaltung der Zeitung besorgen.

Für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen auf unbestimmte Zeit durch den Arbeitgeber sieht § 41 Z 1 KV mangels einer für den Arbeitnehmer günstigeren Vereinbarung vor, daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung gelöst werden könne. Die Kündigungsfrist müsse mindestens drei Monate betragen; sie erhöhe sich nach 5-jähriger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses mit jedem Arbeitsjahr um einen Monat bis zum Höchstmaß von einem Jahr. § 47 KV regelt schließlich, daß bei der Auflassung der Zeitungsunternehmung, von der hier auszugehen ist, die einschlägigen Bestimmungen des JournG in der jeweiligen Fassung gelten.

§ 10 JournG sieht für den Fall der Auflassung der Zeitungsunternehmung vor, daß dem Redakteur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens 6 Monaten gekündigt werden kann, wenn nicht gemäß § 4 JournG oder zufolge Vertrages eine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist. Nach § 4 JournG muß die Kündigungsfrist mindestens drei Monate betragen; sie erhöht sich nach 5-jähriger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses mit jedem Jahr um einen Monat bis zum Höchstmaß von einem Jahr. § 13 JournG bestimmt schließlich, daß die bestehenden Vorschriften über das Arbeitsverhältnis der Redakteure unberührt bleiben, insoweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Dies bedeutet, daß nunmehr das Angestelltengesetz (AngG), das an die Stelle des damaligen Handlungsgehilfengesetzes getreten ist, auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Zeitungsunternehmungen und ihren Mitarbeitern überall dort anwendbar ist, wo das JournG keine abweichende Regelung trifft (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht7 168; Arb 4089; SZ 41/69 = DRdA 1969, 249). Daraus muß aber auch geschlossen werden, daß mangels besonderer Vorschriften im JournG über einen Kündigungstermin die Regelung nach § 20 Abs 2 AngG zum Tragen kommt, wonach der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis - mangels einer für den Angestellten günstigeren Vereinbarung - durch Kündigung nur mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres auflösen kann (Schwarz/Löschnigg aaO 556).

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß im Zeitpunkt der Kundmachung des JournG () das AngG noch nicht beschlossen war. Die Vorschriften, welche nach § 13 JournG zunächst subsidiär in Geltung bleiben sollten, waren daher die Bestimmungen des Handlungsgehilfengesetzes (Kuderna in DRdA 1969, 254; Arb 4089). Dieses sah aber ebenfalls in § 20 die Einhaltung eines Kündigungstermins (Ablauf eines Kalendervierteljahres) vor. Die Ansicht der Revisionswerber, man wäre bei Schaffung der Kündigungsfrist des § 10 JournG von einer abschließenden Regelung im Falle der Auflassung der Zeitungsunternehmung und sohin von der Nichtanwendung eines Kündigungstermins ausgegangen, findet weder im Gesetzestext noch in den Gesetzesmaterialien Deckung (403 BlgKNV 5 f; 656 BlgKNV 1 f). Die Revisionswerber lassen unberücksichtigt, daß nicht nur die Kündigungsfrist, sondern auch der Kündigungstermin eine wesentliche Schutzfunktion erfüllt. Durch den Kündigungstermin als Endpunkt soll sichergestellt werden, daß die Kündigungsfrist erst zu einem bestimmten Zeitpunkt ausläuft (Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 398). Die Bestandfestigkeit des Arbeitsverhältnisses wird erhöht und dem Angestellten im Falle der Kündigung eine längere Frist zur Einstellung auf die neue Situation und zum Aufsuchen eines neues Arbeitsplatzes gesichert (RdW 1998, 359; WBl 1994, 338).

Nach Art VII AngG bleiben die Bestimmungen des JournG unberührt, sofern sie für den Redakteur günstiger sind als die Bestimmungen des AngG. Die Überlegungen der Revisionswerber, die Regelung in § 10 JournG wäre für die Kläger günstiger als jene des AngG lassen unberücksichtigt, daß eine Bestimmung des JournG erst dann günstiger sein kann, wenn eine im AngG behandelte Frage (hier: Kündigungstermin) im JournG überhaupt eine Regelung gefunden hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Das bloße Stillschweigen des Gesetzes reicht nicht aus (DRdA 1969, 249). Daß eine Regelung, die die Kündigung auch an die Einhaltung eines Kündigungstermins bindet, für den Arbeitnehmer günstiger ist als eine Kündigung, die an keinen Kündigungstermin gebunden ist, bedarf keiner besonderen Erörterung. Aus dem Verweis der Revisionswerber auf RdW 1998, 359 ist für deren Standpunkt nichts zu gewinnen. Hier ist kein Vergleich anzustellen, ob eine Sondervereinbarung günstiger ist als der Kollektivvertrag (§ 3 Abs 2 ArbVG) sondern es geht darum, ob das Schweigen des JournG zum Erfordernis des Kündigungstermins für den Arbeitnehmer günstiger ist, als die Anordnung eines Kündigungstermins im AngG.

Der Einwand der Revisionswerber, daß der Masseverwalter nach § 25 KO nur an die Kündigungsfrist, nicht aber an den gesetzlichen Kündigungstermin des § 20 Abs 2 AngG gebunden ist (Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 441 mwN; SZ 46/73; RIS-Justiz RS0028779) übersieht, daß dem Masseverwalter die Auflösung von Arbeitsverhältnisses mit Arbeitnehmern des Gemeinschuldners erleichtert werden solle (Holzer/Reissner/Schwarz aaO 434, 439 f; Arb 10.377). Hingegen wurde diese Auflösung dem Zeitungsunternehmer in § 10 JournG erschwert, weil er im Falle der Auflassung - gegenüber der Mindestfrist von drei Monaten nach § 4 JournG - jedenfalls eine Mindestkündigungsfrist von 6 Monaten einhalten muß, sofern nicht gemäß § 4 JournG oder zufolge Vertrages eine längere Frist einzuhalten ist. Dem Gesetzgeber ging es sohin nicht darum, dem Zeitungsunternehmer die Auflösung von Arbeitsverhältnissen zu erleichtern; vielmehr sollte im Gegenteil der Schutz der Arbeitnehmer in mannigfacher Weise erhöht und verstärkt werden (656 Blg KNV 1).

Aus dem Vorgesagten folgt, daß das JournG weder eine andere noch eine günstigere Regelung des Kündigungstermins für den Arbeitnehmer im Fall einer Arbeitgeberkündigung enthält. Es bleibt daher im Falle der Kläger, auf die gemäß § 47 KV bei Auflassung der Zeitungsunternehmung das JournG anzuwenden ist, das seinerseits im § 13 auf das AngG weiterverweist, bei der Regelung des § 20 Abs 2 AngG. Danach hätte aber die am unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist per erklärte Kündigung erst mit Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres, also per erfolgen dürfen. Die terminwidrig ausgesprochene Kündigung war zwar nicht unwirksam, hat aber zufolge, daß den Klägern in analoger Anwendung des § 29 AngG die im Falle der termingerechten Kündigung zustehenden Ansprüche gebühren (Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz aaO 654 f; Arb 9259, 9866, 10.305; RIS-Justiz RS0028200, RS0028223).

Der Einwand der Revisionswerber, Überstundenentgelte gebührten den Klägern deshalb nicht, weil ihnen schon bei Erhalt der Zahlungen klar sein mußte, daß die Beklagten keinesfalls gewillt seien, diese Zahlung über den in der Kündigungserklärung angegebenen Zeitpunkt Ende Juli 1997 hinaus fortzusetzen, greift nicht, weil insoweit kein Unterschied zu den für August und September 1997 in die Kündigungsentschädigung einfließenden Gehaltszahlungen vorliegt, die die Beklagten gleichfalls mit Ende Juli 1997 - ohne Rechtsgrundlage - einstellen wollten. Die Kündigungsentschädigung nach § 29 Abs 1 AngG ist auf der Grundlage eines entsprechenden Monatsdurchschnitts zu ermitteln. Wurden die Überstunden wie im vorliegenden Fall regelmäßiger Bestandteil des Entgelts der Kläger, sind sie in rückschauender Betrachtung auch für die Bemessung der Ersatzansprüche der Kündigungsentschädigung zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0028268).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.