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OGH vom 24.04.2012, 8ObA86/11x

OGH vom 24.04.2012, 8ObA86/11x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Mag. Johannes Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Puttinger, Vogl Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller, Dr. Markus Orgler, Mag. Norbert Huber, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 15.540,11 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 81/11k 15, womit der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 19 Cga 4/11f 11, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 15.540,11 EUR brutto samt 8,38 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.810,08 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten 361,80 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 2.345,06 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 226,51 EUR USt und 986 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.274,84 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 163,14 EUR USt und 1.296 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstvertrags am bei der Beklagten teilzeitbeschäftigt. Die Parteien vereinbarten zunächst am einen Rahmenvertrag und in weiterer Folge, am einen „freien Dienstvertrag“. Unstrittig ist hier jedoch, dass das Vertragsverhältnis der Streitteile ein echter Arbeitsvertrag war.

Nach dem Rahmenvertrag vom war ein Honorar für verfasste und gedruckte Textbeiträge von 1.500 EUR je Monat zuzüglich einer allfälligen Umsatzsteuer vereinbart. Im „freien Dienstvertrag“ vom wurde ein monatliches Bruttohonorar in der Höhe eines „Grundbetrags“ von 1.000 EUR vereinbart. Unter Punkt VII. enthält der „freie Dienstvertrag“ folgende Verfallsklausel:

„VII. Verfall von Ansprüchen:

Ansprüche des Auftragnehmers verfallen, sofern sie nicht binnen drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden und binnen sechs Monaten ab Fälligkeit eingeklagt werden.“

Mit ihrer am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung folgender, der Höhe nach unstrittiger Bruttoansprüche samt Zinsen:

Entgeltdifferenz 2007 1.393,18 EUR

Entgeltdifferenz 2008 6.153,51 EUR

Urlaubsentgelt für zwei Wochen

Urlaub im August 2008 908,40 EUR

Sonderzahlungen - 899,56 EUR

Sonderzahlungen 2008 3.933,38 EUR

Urlaubsersatzleistung für 17 Arbeitstage 2.252,08 EUR

Auf ihr Dienstverhältnis sei der Kollektivvertrag für die bei österreichischen Wochenzeitungen angestellten Redakteure, Redakteursaspiranten und Reporter (in weiterer Folge: KV) anzuwenden. Die im schriftlichen „freien Dienstvertrag“ enthaltene Entgeltbestimmung verstoße gegen den KV. Sie sei daher nichtig, weshalb auch die damit untrennbar verknüpfte vertraglich vereinbarte Verfallsbestimmung nichtig sei. Der KV selbst kenne keine Verfallsbestimmung.

Die Beklagte wandte gegen das Klagebegehren im Wesentlichen den Verfall der Ansprüche aufgrund der vertraglich vereinbarten Verfallsklausel ein. Der KV enthalte keine dieser Verfallsklausel entgegenstehenden Bestimmungen. Die Ausmessung der in der Verfallsklausel vorgesehenen Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen sei keinesfalls unangemessen gering.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Aufgrund der Qualifikation des Rechtsverhältnisses der Streitteile als Arbeitsvertrag sei der KV zwingend anzuwenden. Die Entgeltbestimmung im „freien Dienstvertrag“ sei wegen Verstoßes gegen den KV nichtig. Ein kollektivvertraglicher Entgeltanspruch könne von den für diesen geltenden Verjährungs und Verfallsbestimmungen nicht getrennt werden. Derselbe Grundsatz müsse auch für einzelvertragliche Entgelt und Verfallsbestimmungen gelten. Dies entspreche dem allgemeinen Grundsatz, dass bei Nichtigkeit einzelner Arbeitsvertragsklauseln auch mit ihr zusammenhängende Regelungen entfallen, die nur im Hinblick auf die ungültige Klausel getroffen wurden. Die im „freien Dienstvertrag“ enthaltene Verfallsbestimmung sei daher unwirksam.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil keine Folge. Zwar habe sich die Frage des Zusammenhangs zwischen Verfallsklauseln und Entgeltbestimmung bislang in Entscheidungen zum AÜG gestellt. Die vom Obersten Gerichtshof dazu entwickelten Rechtssätze würden jedoch nicht nur in diesem Kontext gelten. Es liege vielmehr ein grundsätzliches Problem der Teilnichtigkeit vor. Ebenso wie ein kollektivvertraglicher Entgeltanspruch von den für diesen geltenden Verjährungs und Verfallsbestimmungen des Kollektivvertrags nicht zu trennen sei, sei das Herausnehmen einer Verfallsbestimmung aus einem nicht wirksam vereinbarten freien Dienstvertrag infolge des sachlichen Zusammenhangs zwischen der darin vereinbarten Entgeltregelung und der Verfallsklausel unzulässig. Eine andere Betrachtungsweise würde der von der Rechtsprechung abgelehnten „Rosinentheorie“ widersprechen. Konsequenz der Teilnichtigkeit des Vertrags sei, dass an die Stelle der Entgeltbestimmung und der damit sachlich zusammenhängenden Verfallsklausel die Bestimmungen des anwendbaren Kollektivvertrags treten. Der KV enthalte im konkreten Fall keine Verfallsbestimmung, sodass § 1486 Z 5 ABGB gelte. Eine Verjährung der Ansprüche sei von der Beklagten nicht geltend gemacht worden.

Die Revision sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten.

In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin die Zurück , hilfsweise die Abweisung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass der zwischen ihnen vereinbarte „freie Dienstvertrag“ ungeachtet seiner Bezeichnung nach seiner tatsächlichen Handhabung (9 ObA 118/07d; RIS Justiz RS0111914) als echter Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist. Dass der Klägerin daher die von ihr auf Basis des anzuwendenden Kollektivvertrags geltend gemachten arbeitsrechtlichen Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag grundsätzlich zustehen, ist - abgesehen von der noch zu erörternden Frage des Verfalls - ebenso wenig strittig.

2. Verfallsklauseln sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren ( Krejci in Rummel ³ § 879 Rz 181c; RIS Justiz RS0016688; RS0034533). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von wie hier drei Monaten nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung anzusehen ist; dies gilt auch für einzelvertragliche Vereinbarungen (8 ObS 1/11x mwH; RIS Justiz RS0016688). Zwingende gesetzliche oder kollektivvertragliche Bestimmungen stehen der hier zu beurteilenden Verfallsklausel nicht entgegen. Der Kollektivvertrag enthält für die im Verfahren geltend gemachten Ansprüche keine Verfallsregelung (die Bestimmung des § 33 KV für Ansprüche auf Abgeltung geleisteter Überstunden und bestimmter Sonderleistungen kommt hier nicht zum Tragen). Auch dann, wenn die Parteien den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag von Anfang an richtig als echten Arbeitsvertrag behandelt hätten, wäre die Vereinbarung der konkreten Verfallsklausel daher hier zulässig gewesen.

3. Der von der Klägerin behauptete „untrennbare“ Zusammenhang zwischen der vertraglichen Entgeltabrede und der vertraglich vereinbarten Verfallsklausel, aus dem die Vorinstanzen die Unwirksamkeit der Verfallsklausel ableiten, ist nicht zu erkennen: Es kann keine Rede davon sein, dass die hier vereinbarte Verfallsklausel nur im Zusammenhang mit der konkret getroffenen Entgeltabrede denkbar ist; warum sie nicht auch im Zusammenhang mit einer den kollektivvertraglichen Ansätzen entsprechenden Entgeltvereinbarung bestehen können soll, ist nicht ersichtlich. Es fehlt auch jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien die Verfallsklausel nur im Hinblick auf die von ihnen getroffene Entgeltvereinbarung vereinbart haben bzw dass sie die Verfallsklausel nicht auch dann vereinbart hätten, wenn sie den Vertrag von Anfang an richtig als Arbeitsvertrag behandelt hätten.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin für ihre Rechtsansicht auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG (vgl RIS Justiz RS0050706). Die genannte Bestimmung führt zu einer partiellen Anwendung von Bestimmungen des Beschäftigerkollektivvertrags durch den Überlasser während des Zeitraums der Überlassung. In diesem Zusammenhang wird es als unzulässig angesehen, dass sich der Arbeitnehmer einzelne Detailregelungen aus dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs und aus der Grundvereinbarung („Rosinentheorie“) herausnimmt. Daher ist in diesem Zusammenhang der Entgeltanspruch von den für diesen geltenden Verfallsbestimmungen des Kollektivvertrags nicht zu trennen. Das hat aber mit der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Konstellation überhaupt nichts zu tun.

4. Ausgehend von der Wirksamkeit der Vereinbarung der konkreten Verfallsklausel im Arbeitsvertrag erweist sich der Verfallseinwand der Beklagten jedoch als berechtigt. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche waren spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am fällig. Die Klägerin machte ihre Ansprüche erstmals im Jänner 2011 und daher nicht fristgerecht geltend. Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jene für das Rechtsmittelverfahren auf den §§ 41, 50 ZPO. Für die Berufung war lediglich der dreifache Einheitssatz gemäß § 23 Abs 9 RATG zuzuerkennen, darüber hinaus gebührt für eine Rechtsmittelschrift ein ERV Zuschlag lediglich in Höhe von 1,80 EUR (RIS Justiz RS0126594; Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 646 mwN).