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OGH vom 03.04.2008, 8ObA79/07m

OGH vom 03.04.2008, 8ObA79/07m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Richard K*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Arbeitsmarktservice Wien, Weihburggasse 30, 1010 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 5.434,68 EUR sA, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 107/07a-12, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 3 Cga 36/07w-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger 5.434,68 EUR brutto samt 10,67 % Zinsen seit zu bezahlen und die mit 261 EUR bestimmten Barauslagen zu ersetzen. Die beklagte Partei ist weiters schuldig der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien den mit 565 EUR bestimmten pauschalen Aufwandersatz für das Verfahren erster Instanz zu ersetzen. Dies alles binnen 14 Tagen."

Die beklagte Partei ist überdies schuldig, dem Kläger die mit 1.450,74 EUR (darin 1.051 EUR Barauslagen und 66,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens sowie der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien den pauschalierten Aufwandersatz für das Berufungsverfahren in Höhe von 360 EUR jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis als Berater bei der beklagten Partei beschäftigt. Die Parteien schlossen am einen Dienstvertrag mit Befristung bis ab. Am schlossen die Parteien einen Nachtrag zum Dienstvertrag, in dem die Befristung „für die Dauer der Abwesenheit von Frau Sandra Z*****" verlängert wurde. Anlässlich der Unterfertigung des Nachtrags zum Dienstvertrag erklärte der für den Kläger zuständige Abteilungsleiter dem Kläger, dass die Mitarbeiterin Sandra Z***** (Abteilungsleiterin) bis in Karenz wäre, den Grund der Karenz führte er nicht an. In den Wochen vor dem war zwischen dem Kläger und seinem Abteilungsleiter ein Diskussionsthema, ob der Kläger allenfalls nach dem in ein festes Dienstverhältnis übernommen werden könnte. Der Kläger erfuhr am , dass Sandra Z***** ihr Dienstverhältnis zum beendet hatte. Mit Schreiben vom (zugegangen am selben Tag) informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass sein Dienstverhältnis mit durch Zeitablauf ende. Der Kläger verrichtete während des Dienstverhältnisses nicht die Arbeiten, die sonst die Mitarbeiterin Sandra Z***** verrichtet hätte. Der Abschluss des befristeten Dienstverhältnisses mit dem Kläger sollte während der Karenz dieser Mitarbeiterin den Personalstand auf dem bisherigen Stand halten. Der Personalstand wurde nach dem Ausscheiden der Mitarbeiterin Z***** und des Klägers wieder aufgefüllt.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei 5.484,68 EUR brutto mit der Begründung, dass ihm im Rahmen der Nachtragsvereinbarung kein errechenbarer Termin für den Beendigungszeitpunkt der Befristung genannt worden sei. Der unmittelbare Vorgesetzte habe ihm aber gesagt, dass die Abwesenheit von Frau Sandra Z***** bis dauern würde. Die Beendigung des Dienstverhältnisses sei daher frist- und terminwidrig erfolgt.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren (eine inhaltliche Bestreitung der Höhe des Klagebegehrens erfolgte allerdings nicht) und beantragte Klagsabweisung. Im Nachtrag zum Dienstvertrag sei festgehalten worden, dass das Dienstverhältnis für die Dauer der Abwesenheit von Sandra Z***** verlängert werde. Mit dem Kläger sei besprochen worden, dass diese wegen einer Bildungskarenz abwesend sei. Das Dienstverhältnis der vertretenen Dienstnehmerin habe auf deren Wunsch mit geendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Befristung des Dienstverhältnisses zwischen den Parteien laut Nachtrag zum Dienstvertrag sei wirksam erfolgt. Die zeitliche Dauer einer Befristung könne kalendermäßig fixiert oder an ein bestimmtes Ereignis geknüpft werden, dessen Eintritt zum Zeitpunkt der Vereinbarung feststehe. Der Zeitpunkt der Beendigung müsse objektiv bestimmbar und vorhersehbar sowie der willkürlichen Beeinflussung durch die Parteien entzogen sein. Darunter falle auch eine (Bildungs-)Karenz eines zu vertretenden Mitarbeiters. Nach Lösung des Dienstverhältnisses zwischen Sandra Z***** und der Beklagten sei keine karenzbedingte Abwesenheit mehr vorgelegen und das Dienstverhältnis des Klägers damit beendet gewesen. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil. In rechtlicher Hinsicht erachtete es im Wesentlichen die Ausführungen des Erstgerichts als berechtigt. Aufgrund der getroffenen Nachtragsvereinbarung habe dem Kläger von vornherein klar sein müssen, dass die Verlängerung seiner Beschäftigung nur den Zweck gehabt habe, den durch die Abwesenheit der karenzierten Dienstnehmerin entstandenen zusätzlichen Bedarf zu decken und dass seine Tätigkeit beendet sein werde, wenn die karenzierte Dienstnehmerin ihre Karenz oder ihr Dienstverhältnis beende. Die Einstellung des Klägers sei erfolgt, um die Abwesenheit einer Mitarbeiterin zu überbrücken. Es sei daher von einer echten Vertretung auszugehen. Gemäß § 2b Abs 1 AVRAG dürften Arbeitnehmer mit einem auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnis gegenüber Arbeitnehmern mit einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnis zwar nicht benachteiligt werden, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung, das zwischen den Parteien abgeschlossene Dienstverhältnis entspreche aber diesen Vorgaben. Eine Schlechterstellung des Klägers sei nicht gegeben, weil der Eintritt der Bedingung nicht von einem Vertragsteil, sondern von der in Karenz befindlichen Mitarbeiterin abhängig gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die (außerordentliche) Revision des Klägers ist zulässig, weil die Vorinstanzen einen wesentlichen Aspekt der vorliegenden Vereinbarung unrichtig beurteilt haben. Sie ist auch berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung kann die zeitliche Dauer einer Befristung des Arbeitsverhältnisses kalendermäßig fixiert sein oder an ein bestimmtes Ereignis anknüpfen, dessen Eintritt zum Zeitpunkt der Vereinbarung feststeht. Nach ständiger Judikatur ist Voraussetzung, dass der Endzeitpunkt objektiv feststellbar und der willkürlichen Beeinflussung durch die Vertragsparteien entzogen ist (Arb 11.185; 9 ObA 422/97t; 8 ObA 130/99x; 9 ObA 123/01f; RIS-Justiz RS0028403 ua). So wurde etwa die Befristung für die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit eines anderen Arbeitnehmers (Arb 8843) als zulässig angesehen. Hingegen hat der Oberste Gerichtshof (8 ObA 130/99x) die Befristung des Dienstverhältnisses „bis zum Ende des Auftrags der Firma ..." auch im Anwendungsbereich des ABGB und des AngG als nicht zulässig erachtet, weil ua das Ende des Auftrags ungewiss und der Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses für die Klägerin nicht vorhersehbar gewesen sei.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich somit folgende Beurteilung:

Betrachtet man den schriftlichen Nachtrag zum Dienstvertrag, in dem die Befristung „für die Dauer der Abwesenheit von Frau ..."

verlängert wurde, erscheint diese Vereinbarung isoliert betrachtet schon deshalb nicht unproblematisch, weil sich hieraus nicht der geringste Anhaltspunkt für den Grund und damit für eine mögliche Mindest- oder Höchstdauer der Abwesenheit ergibt, wodurch sich der Kläger gerade in der von der Judikatur als verpönt angesehenen Situation befindet, dass für ihn der Zeitpunkt der Beendigung seines Dienstverhältnisses vollkommen ungewiss und nicht vorhersehbar ist. Aus den Feststellungen ergibt sich nun aber, dass dem Kläger anlässlich der Unterfertigung dieses Nachtrags zum Dienstvertrag von seinem Abteilungsleiter mitgeteilt wurde, dass sich die Mitarbeiterin bis in Karenz befände. Das Berufungsgericht hat nun in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass dem Kläger „aufgrund der getroffenen Nachtragsvereinbarung klar sein musste, dass die Verlängerung seiner Beschäftigung den Zweck hatte, den durch die Abwesenheit der karenzierten Dienstnehmerin entstandenen zusätzlichen Bedarf zu decken". Damit hat das Berufungsgericht aber offenbar selbst der Mitteilung vom Grund der Abwesenheit der Dienstnehmerin - nämlich Karenz - zutreffend Bedeutung beigemessen. Tatsächlich ist die im unmittelbaren Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Nachtragsvereinbarung zum Dienstvertrag abgegebene Erklärung des Vorgesetzten des Klägers, dass sich die Mitarbeiterin „bis in Karenz befinde" unter den gegebenen Umständen als dem Dienstgeber zuzurechnende Erklärung über die Befristung des Dienstverhältnisses bis anzusehen. Auch eine Erklärung, die ihrem isoliert betrachteten Wortlaut nach eine bloße Wissenserklärung über die - nach Ansicht des Erklärenden - bestehende Rechtslage ist, kann nämlich ungeachtet ihrer rein deklarativen Formulierung im Einzelfall sehr wohl einen bestimmten Rechtsgestaltungswillen dokumentieren (Arb 9575; SZ 55/14; 8 Ob 598/87 ua). Diese Beurteilung ist umso zwingender, als vorliegend zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten auch Diskussionsthema war, ob der Kläger allenfalls nach dem in ein festes Dienstverhältnis übernommen werden könnte. Hingegen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte aus dem Sachverhalt, dass die Möglichkeit einer Beendigung des „verlängerten Dienstverhältnisses" vor dem zwischen den Streitteilen je thematisiert worden wäre. Dem Kläger steht daher Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung und der aliquote Anteil an Sonderzahlungen bis dem Grunde nach zu. Der Höhe nach sind die geltend gemachten Ansprüche mangels qualifizierter Bestreitung durch die beklagte Partei keiner näheren Überprüfung zu unterziehen.

Der Revision ist daher im klagsstattgebenden Sinn Folge zu geben. Der Zinsenzuspruch gründet sich auf § 49a ASGG; die Kostenentscheidung folgt aus §§ 41, 50 ZPO sowie § 48a ASGG iVm § 1 Aufwandersatzgesetz (BGBl Nr 28/1993).