OGH vom 22.09.2010, 8Ob62/10s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers H***** U*****, vertreten durch Offer Partner KEG, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin G***** K*****-U*****, vertreten durch Mag. Martin Corazza, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 51 R 12/10d 10, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom in einem verbundenen Verfahren über Klage und Widerklage der Eheleute aus dem überwiegenden Verschulden des Antragstellers geschieden. Die Ehegattin erhob kein Rechtsmittel. Der Berufung des Antragstellers (dort: Beklagten und Widerklägers) wurde mit Beschluss des Berufungsgerichts vom , zugestellt im November 2008, Folge gegeben und das Urteil, das „hinsichtlich des Ausspruchs über die Scheidung dem Bande nach unberührt“ blieb, hinsichtlich des Verschuldensausspruchs zur Verfahrensergänzung sowie neuerlichen Entscheidung aufgehoben.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die den am beim Erstgericht eingelangten Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß § 95 EheG als verspätet beurteilt haben, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
Der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse erlischt nach § 95 EheG, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Der Scheidungsausspruch kann nach ständiger Rechtsprechung in Rechtskraft erwachsen, ohne dass bereits rechtskräftig über das Verschulden entschieden ist, und zwar auch wenn kein Teilurteil gefällt wurde (1 Ob 281/97y; RIS Justiz RS0057493, RS0057726 [T7]).
Wird eine Ehe über Klage und Widerklage aus dem Verschulden beider Ehegatten geschieden und dieses Urteil nur von einem der Streitteile bekämpft, dann steht ein Verschulden des anderen Teils endgültig fest. Will der mit seiner Klage bzw Widerklage obsiegende Gegner plötzlich doch an der Ehe festhalten, müsste er im Rechtsmittelverfahren die Abweisung seines eigenen Klagebegehrens und die - allerdings das Einverständnis des Gegners erfordernde Zurückziehung seiner Klage anstreben. Die Berufung des obsiegenden Ehegatten gegen ein Scheidungsurteil wird zwar nach ständiger Rechtsprechung wegen der Möglichkeit einer Klagsrückziehung bis zur (Teil-)Rechtskraft des Urteils für an sich zulässig erachtet (§ 483a ZPO; vgl 6 Ob 673/86; RIS Justiz RS0042004, RS0114148); hier wurde aber sowohl im Berufungsverfahren als auch in der vorliegenden Rekursentscheidung das Berufungsvorbringen des Antragstellers dahin interpretiert, dass er mit seinem Rechtsmittel nur den Ausspruch über das Verschulden bekämpfte.
Wie das Berufungsvorbringen des Antragstellers auszulegen war, bildet grundsätzlich eine nicht revisible Frage des Einzelfalls. Das Ergebnis der Vorinstanzen ist vor dem dargestellten Hintergrund auch keinesfalls unvertretbar.
Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung enthält die Berufung des damaligen Beklagten und Widerklägers unter sämtlichen Rechtsmittelgründen nur Argumente, die sich gegen die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung richten. Sie lässt nicht ansatzweise erkennen, dass er sein Widerklagebegehren fallen lassen und an der Ehe festhalten wollte. Auch der Abänderungsantrag ist nicht - wie es einer Bekämpfung des Scheidungsausspruchs dem Bande nach entsprechen würde auf Klagsabweisung gerichtet, sondern allein auf den Ausspruch eines höheren Verschuldensanteils der Ehefrau (vgl 9 Ob 76/08d = iFamZ 2009, 108 [ Deixler Hübner ]).
Die im Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts gebrauchte Formulierung, das angefochtene Urteil bleibe „hinsichtlich des Ausspruchs über die Scheidung dem Bande nach unberührt“, drückt nicht etwa eine Sachentscheidung aus (in diesem Fall wäre mit einer teilweisen Bestätigung des Ersturteils vorzugehen gewesen), sondern dient der Klarstellung des Umfangs der Aufhebung und des im zweiten Rechtsgang verbleibenden Streitgegenstands.